und Verfassungsrecht
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2.2.4 parlament. Demokratie<br />
politische Parteien als Mittler im Willensbildungsprozeß<br />
„...Das BVerfG beharrte später nur noch darauf, daß sich die Willensbildung im demokratischen<br />
Staat Volk zu den Staatsorganen <strong>und</strong> nicht umgekehrt vollziehen müsse<br />
(BVerfGE 20, 56, 99). Die Parteien fungieren dann als Transmissionsriemen für<br />
den von ihnen mitgeformten Volkswillen.<br />
Dieser Gr<strong>und</strong>satz kontrastiert jedoch auffällig mit dem politikwissenschaftlichen Bef<strong>und</strong>,<br />
daß sich zur praktisch dominanten Funktion der Parteien die Legitimationsverschaffung<br />
für staatliche Entscheidungen entwickelt hat, die Willensbildung also gerade<br />
umgekehrt von den Staatsorganen zum Volk verläuft. Stimmt die Politikwissenschaft<br />
weitgehend in diesem Bef<strong>und</strong> überein, so unterscheiden sich die Bewertungen.<br />
Während ihn die Mehrzahl der Autoren an einem Demokratiemodell mißt, bei dem<br />
die gesellschaftliche Mitwirkung an staatlichen Entscheidungen im Vordergr<strong>und</strong><br />
steht, legt eine andere Richtung das Gewicht auf die Stabilität <strong>und</strong> Regierungsfähigkeit<br />
des demokratischen Systems. Für diese erfüllt sich die Demokratie in der generellen<br />
Unterstützung der politischen Führung, sodaß die legitimatorische Funktion<br />
der Parteien als systemkonform erscheint. Jene deuten die Mitwirkung der Parteien<br />
an der Volkswillensbildung im Sinn von Bürgeremanzipation <strong>und</strong> verwerfen daher die<br />
legitimationsbeschaffende Tätigkeit.<br />
Soweit der Wortlaut von art. 21 I GG zur Lösung dieser Frage beiträgt, scheint er<br />
eher für die Partizipationstheorien zu sprechen. Den Parteien wird die Mitwirkung an<br />
der Volkswillensbildung zugewiesen. Das deutet auf eine instrumentelle, keine beherrschende<br />
Funktion hin. Die Willensbildung des Volkes bleibt diejenige des Volkes,<br />
die Parteien ersetzen es darin nicht. Andererseits beschränkt sich ihre Tätigkeit im<br />
demokratischen System aber nicht auf den Bereich der Volkswillensbildung. Ohne es<br />
auszusprechen, setzt das Gr<strong>und</strong>gesetz doch voraus, daß sie aufgr<strong>und</strong> eines Volksauftrages<br />
auch den Staatswillen bilden. Damit korrespondiert aber gerade in einer<br />
Konkurrenzdemokratie das legitime Bedürfnis, den staatlichen Entscheidungen wiederum<br />
Akzeptanz in der Bevölkerung zu sichern. Der Willensbildungsprozeß verläuft<br />
also beidseitig.<br />
Die Parteien sind in ihm bald in ihrer Eigenschaft als gesellschaftliche Basisgruppen<br />
Adressaten von Forderungen <strong>und</strong> Ansichten im Volk, bald in ihrer Eigenschaft als<br />
Träger staatlicher Ämter <strong>und</strong> Mandate Urheber bindender Entscheidungen, denen<br />
sie Massenloyalität verschaffen.<br />
Beide Vorgänge können nicht als Norm <strong>und</strong> Wirklichkeit gegeneinander ausgespielt<br />
werden, sondern sind gleichermaßen Aspekte des demokratischen Prozesses.<br />
Der einbahnige Verlauf der Willensbildung, den das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht aus<br />
dem Demokratieprinzip ableitet, wird diesem daher nicht gerecht. Die über die Parteienkonkurrenz<br />
vermittelte demokratische Willensbildung ist vielmehr Resultante<br />
aus beidem, dem gesellschaftlichen Input einerseits, dem staatlichen Output andererseits.<br />
Die Bedeutung des Art. 21 I GG besteht darin, daß er eine Verstopfung des freilich<br />
stärker gefährdeten Kommunikationsweges aus der Gesellschaft in den Staat verbietet...“<br />
(Benda u.a. (Hrsg.), Handbuch des <strong>Verfassungsrecht</strong>s, Berlin 1983, S. 326 ff - Politische<br />
Parteien, bearbeitet von Grimm -<br />
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© Prof. Dr. Schulz - Staats- u. VerfR<br />
Mär. 06