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Konzepte für Rostock - Stadtgespräche Rostock

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lass, doch zeigt es mindestens dies: Die Geschichte der überwiegenden<br />

Mehrheit der Menschen, die heute in <strong>Rostock</strong> und<br />

Warnemünde leben, liegt in diesem Industrialisierungsschub,<br />

der sich in dem halben Jahrhundert zwischen 1930 und 1980<br />

entfaltete.<br />

Niemand, der an der Sache interessiert ist, wird die nationalsozialistische<br />

Rüstung und den Aufbau des Sozialismus in der<br />

DDR in einen Topf werfen. Genauso falsch wäre es aber, die<br />

Geschichte des Nationalsozialismus auf Gedenkstätten zu beschränken:<br />

„Opa war dabei, Opa war fasziniert, Opa war ein<br />

toller Techniker und bis heute ist er die Seele der Familie“ - dies<br />

sei die <strong>Rostock</strong>er Erfahrung, sagte Matthias Pfüller von den<br />

Politischen Memorialen auf der zweiten Sitzung der Expertenkommission,<br />

die es zu erfassen gelte. Auf sie muss sich die historische<br />

Selbstdarstellung der Stadt – Alleinstellungsmerkmal<br />

hin, „Edutainment“ her – konzentrieren, denn ohne diese Erfahrung<br />

ist diese Stadt nicht zu verstehen, weder von den<br />

Nachgeborenen noch von ihren Besuchern.<br />

Geschichte leitet sich ab von Geschehen, aber auch von<br />

Schichten. Die Schichten des zwanzigsten Jahrhunderts legten<br />

sich in <strong>Rostock</strong> von der Heinkelmauer entlang der Unterwarnow<br />

bis hin nach Warnemünde übereinander, wo die „sozialistische<br />

Seewirtschaft“ an die Stelle der „faschistischen Rüstungsindustrie“<br />

trat. Das ist der historische Ort der <strong>Rostock</strong>er<br />

Zeitgeschichte. Die Empfehlungen der Kommission von<br />

2004/05 zur musealen Präsentation konzentrieren sich daher<br />

auf das „Band der Erinnerung“.<br />

Dieses Band, das in die Kulturmeile entlang der Warnow zu integrieren<br />

ist [die <strong>Stadtgespräche</strong> berichteten – Anm. d. Red.],<br />

soll durch gesicherte Überreste der verschiedenen Schichten<br />

des <strong>Rostock</strong>er 20. Jahrhunderts – angefangen bei der so genannten<br />

Heinkelmauer - markiert werden, und dabei vor allem<br />

dem Zweck dienen, die historische Auseinandersetzung in die<br />

Öffentlichkeit zu tragen. Denn die breite und intensive öffentliche<br />

Diskussion, die ihre Ursache darin hatte, dass die Spuren<br />

der älteren Schicht fast restlos getilgt wurden, ist Teil der Geschichte<br />

selbst. Industriearchäologische Präsentation im Verbund<br />

mit erläuternden Tafeln im öffentlichen Raum sowie eine<br />

Open-Air-Ausstellung auf dem Gelände der Neptunwerft seien<br />

ein Ansatz, dauerhaft eine Gelegenheit zum Gespräch über die<br />

Erfahrung der Stadt im 20. Jahrhundert zu bieten. Alles dies<br />

könne eine vertiefende Darstellung, schlossen die Empfehlungen<br />

der Kommission, aber nur ergänzen, nicht ersetzen. Langfristiges<br />

Ziel müsse eine überregional attraktive Dauerausstellung<br />

zur industriegeprägten Zeitgeschichte <strong>Rostock</strong>s sein, <strong>für</strong><br />

die entweder Gebäude am historischen Ort selbst – der Hochbunker<br />

auf dem Gelände der Neptunwerft oder die Heinkel-<br />

Lehrwerkstatt der in Marienehe – oder das Museumsgebäude<br />

in der August-Bebel-Straße in Frage kämen.<br />

Soweit die Empfehlungen. Was hat sich seit 2005 getan, und<br />

vor allem, wie ist das jetzige Museumskonzept im Licht dieser<br />

Empfehlungen zu bewerten? Die <strong>Rostock</strong>er Zeitgeschichte in<br />

die Öffentlichkeit zu tragen, hat in der Aufstellung der Tafeln<br />

am Thomas-Müntzer-Platz immerhin einen Anfang genommen.<br />

Allerdings ist die Sicherung der Überreste – vor allem in<br />

der Frage, welcher Rang der Heinkelmauer zukommen soll –<br />

und das Vorhaben des „Bandes der Erinnerung“ sonst nicht viel<br />

weiter vorangekommen.<br />

Das Museumskonzept freilich ignoriert die Findungen der<br />

Kommission und erst recht die Besonderheiten der <strong>Rostock</strong>er<br />

Geschichte des 20. Jahrhunderts überhaupt. Die Frage nach<br />

dem Alleinstellungsmerkmal eines <strong>Rostock</strong>er Technikmuseums<br />

lässt sich schon allein mit einem Zitat aus dem Protokoll der<br />

Sitzung der Kommission vom 10.9.2004 beantworten: „Herr<br />

Prof. Morsch fragt anschließend nach, inwieweit das Schiffbaumuseum<br />

auch andere Technikbereiche, z. B. den Flugzeugbau ,<br />

aufnehmen könne […] Herr Dr. Danker-Carstensen führt aus,<br />

dass weder auf dem Traditionsschiff noch in dem geplanten<br />

Museumsneubau <strong>für</strong> weitere Technikbereiche Kapazitäten vorhanden<br />

seien. […] Herr Dr. Budraß fragt, was den besonderen<br />

Charakter des Schiffbaumuseums ausmache. Herr Dr. Danker-<br />

Carstensen führt aus, dass die Schiffbaugeschichte den inhaltlichen<br />

Schwerpunkt des Schiffbaumuseums darstelle und dass<br />

dieser Schwerpunkt das Alleinstellungsmerkmal gegenüber anderen<br />

technikhistorischen Museen sei.“ Was, ist zu fragen, kann<br />

eine Expertenkommission herausfinden, um diese eindeutige<br />

Stellungnahme des Museumsdirektors aus dem Jahr 2004 zu<br />

widerlegen?<br />

Das Museumskonzept – auch und gerade die Idee, dem Schifffahrts-<br />

und Schiffbaumuseum <strong>Rostock</strong> nun doch auch aufzutrage,<br />

„<strong>Rostock</strong> als Standort der Flugzeugindustrie in der 1.<br />

Hälfte des 20. Jh.“ zu präsentieren – krankt jedoch daran, dass<br />

überhaupt eine Teilung zwischen technik- und zeithistorischer<br />

Ausstellung vorgenommen wird. Technikgeschichte als Teildisziplin<br />

der Geschichtswissenschaften wird seit mindestens dreißig<br />

Jahren von der Grundüberlegung bestimmt, dass sie die<br />

Prägung von Gesellschaft durch Technik darzustellen hat – was<br />

sich am <strong>Rostock</strong>er Beispiel <strong>für</strong> das 20. Jahrhundert besser darstellen<br />

liesse als irgendwo sonst. Die Auffassung, sie erschöpfe<br />

sich in der Lehrschau von technischen „Meisterwerken“, ist<br />

hoffnungslos antiquiert. Genau dieser Weg wird aber mit diesem<br />

inspirationslosen Konzept beschritten. Denn Zeitgeschichte<br />

<strong>Rostock</strong>s soll in der August-Bebel-Straße gezeigt werden<br />

- jedoch nicht als Schwerpunkt, sondern als kleinerer Ausschnitt<br />

aus der 800jährigen <strong>Rostock</strong>er Stadtgeschichte insgesamt,<br />

zumal entlang der Zäsuren der allgemeinen politischen<br />

Geschichte: 1918-1933-1945-1989.<br />

Allein diese banale chronologische Teilung zeigt, dass die Verfasser<br />

des Konzepts nicht verstanden haben, worin das geschilderte<br />

„Alleinstellungsmerkmal“ der <strong>Rostock</strong>er industriegeprägten<br />

Zeitgeschichte besteht. Erst recht nicht die leidenschaftliche<br />

Bewegung, die <strong>Rostock</strong> 2002 erfasste und nichts weniger<br />

zum Inhalt hatte, als die verschwiegenen Kapitel des zwanzigsten<br />

Jahrhunderts ans Licht zu befördern und Sorge zu tragen,<br />

dass sie dauerhaft Gegenstand öffentlicher Diskussion bleiben.<br />

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