LEBENSWEGE - Die Brücke Ostholstein
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28<br />
Ambulante Hilfen<br />
Gruppenarbeit<br />
in der Sozialpsychiatrischen Ambulanten Hilfe<br />
�<br />
Jedwede Kreatur<br />
hat einen Urtrieb nach<br />
liebender Umarmung<br />
(Hildegard von Bingen)<br />
�<br />
Neben den regelmäßig stattfindenden<br />
Einzelgesprächen, die meistens in<br />
Form von Hausbesuchen stattfinden,<br />
bieten wir im Rahmen der Sozialpsychiatrischen<br />
Ambulanten Hilfen der <strong>Brücke</strong><br />
<strong>Ostholstein</strong> in Bad Schwartau auch<br />
verschiedene Gruppen an. Da könnte<br />
man fragen, warum wir das machen.<br />
Warum wir nicht bloß die Menschen<br />
aufsuchen und ihnen bei der Bewältigung<br />
ihrer persönlichen Aufgaben helfen.<br />
Warum laden wir die Menschen<br />
ein, es sich gemeinsam gut und besser<br />
gehen zu lassen?<br />
Schnöde gesagt, weil der Mensch<br />
ein Herdentier ist. Oder „ein Beziehungswesen“,<br />
wie Bischof Wolfgang<br />
Huber es ausdrückt. Er sagt, dass die<br />
Würde des Menschen darauf angelegt<br />
ist, von anderen anerkannt zu werden.<br />
„Seine Freiheit kommt erst dann zum<br />
Ausdruck, wenn er zu anderen in Beziehung<br />
tritt und für andere Verantwortung<br />
wahrnimmt.“ Wissenschaftlich gibt<br />
es viele verschiedene Untersuchungen,<br />
warum das so ist.<br />
Carl Rogers begründete die wissenschaftlicheGesprächspsychotherapie,<br />
deren wichtigste therapeutische<br />
Grundhaltungen und Verfahrensweisen<br />
Kongruenz, Empathie, unbedingte<br />
Wertschätzung (unconditional regard =<br />
unvoreingenommes, nicht an Bedingungen<br />
geknüpftes Ansehen eines anderen<br />
Menschen) und VEE (Verbalisieren<br />
emotionaler Erlebnisinhalte) sind.<br />
Prof. Dr. Speierer aus Regensburg<br />
verfasste ein Buch mit dem Titel „Das<br />
differentielle Inkongruenzmodell“. Darin<br />
beschreibt er das Nichtübereinstimmen<br />
der eigenen realistischen oder<br />
von anderen gespiegelten Selbstwahrnehmung<br />
und dem Wunsch, wie man<br />
eigentlich gerne sein würde. Je größer<br />
diese Diskrepanz, desto größer der<br />
Nicht nur einzeln, sondern zusammen: Das gilt auch für das Bad Schwartauer <strong>Brücke</strong>-Team, das die<br />
Sozialpsychiatrischen Ambulanten Hilfen anbietet. Von links Jana Tebelmann, Bernhard Rosemeier,<br />
Susanne Hogen und Autorin Jutta Blosze.<br />
Leidensdruck und der Veränderungswunsch.<br />
Selbsterleben: Ich fühle mich<br />
klein, dumm, unattraktiv. Wunscherleben:<br />
Ich möchte selbstsicher sein,<br />
attraktiv, mich gut ausdrücken können.<br />
Um die eigene Identität, das eigene<br />
Selbsterleben zu erfahren, brauchen wir<br />
also andere Menschen. Entweder in der<br />
Therapie, in der ambulanten Betreuung<br />
oder mit jedem anderen Menschen. Im<br />
Gegenüber des anderen erleben wir<br />
uns erst selbst.<br />
Gestörte Beziehungen sind häufig<br />
Ursache für psychische Störungen. Um<br />
neue, emotional korrigierende Erfahrungen<br />
machen zu können, sind Räume<br />
für Begegnungen notwendig. Darum<br />
bieten wir Gruppen an.<br />
Zum einen gibt es zwei offene Treffpunkte.<br />
Jeden Montag um 15.30 Uhr<br />
besteht die Gelegenheit für alle, die sich<br />
angesprochen fühlen, bei Kaffee, Tee<br />
und Kuchen zusammen zu sitzen und<br />
sich in lockerer Runde auszutauschen.<br />
Anschließend besteht die Gelegenheit,<br />
Gesellschaftsspiele zu spielen oder sich<br />
einfach nur zu unterhalten. Donnerstags<br />
findet um 9.30 Uhr ein Frühstück<br />
statt. Auch hier wird anschließend<br />
gespielt oder auch nicht, je nach Bedarf<br />
und Laune.<br />
Weitere Gruppenangebote richten<br />
sich speziell an die von uns ambulant<br />
betreuten Menschen. Da gibt es zweimal<br />
im Monat eine Kreativgruppe, frei-<br />
tags die Kochgruppe, einmal im Monat<br />
eine ausgesprochen aktive Bewegungsgruppe,<br />
14-tägig eine Schwimmgruppe<br />
speziell für Frauen und ebenso eine für<br />
Männer, alle drei Wochen einen Ausflug<br />
und einmal im Jahr eine therapeutische<br />
Ferienfreizeit.<br />
Hilarion Petzold entwickelte ein<br />
Modell der fünf Säulen der Identität.<br />
Auch hier lässt sich gut erkennen, wie<br />
wichtig andere Menschen sind für ein<br />
gesundes Identitätsgefühl. Wenn die<br />
Identitätssäule „Soziale Kontakte“ aufgrund<br />
von Lebensumständen wegbricht,<br />
müssen die anderen kompensatorisch<br />
größer werden, was zu einem Ungleichgewicht<br />
führen kann. (Keine Freunde,<br />
aber großes Auto/Muskeln).<br />
In einer Gruppe haben Menschen<br />
die besondere Gelegenheit, sich selbst<br />
als Teil eines gemeinschaftlichen Gefüges<br />
mit anderen zusammen zu erleben<br />
und neue Erfahrungen zu machen.<br />
Einsamkeit und Ausgrenzung kann so<br />
entgegengewirkt werden. Ein weiterer<br />
Vorteil ist die besondere Zusammensetzung<br />
der Gruppe: Fast alle verfügen<br />
über Psychiatrieerfahrung, sind zum<br />
Teil schon „alte Hasen und Häsinnen“ in<br />
Bezug auf die Umgehensweise mit einer<br />
psychischen Erkrankung. <strong>Die</strong> Gruppe<br />
hat auch prophylaktischen Charakter.<br />
„Darf ich auch noch kommen, wenn es<br />
mir besser geht?“ kann eindeutig mit<br />
„Ja!“ beantwortet werden.