LEBENSWEGE - Die Brücke Ostholstein
LEBENSWEGE - Die Brücke Ostholstein
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Persönliche Erfahrungen<br />
Vom Angsthasen<br />
zum Kampf?!–Schwimmer<br />
August 2006 zog ich mit meinem Sohn nach Heiligenhafen. Ans Meer wollten wir.<br />
Da Wasser ein wunderbares Element für mich ist, hoffe ich auf eine psychische<br />
Verbesserung. Ob Dusche oder Badewanne, ich kann Stunden damit verbringen.<br />
<strong>Die</strong>s hat psychologische Gründe, erklärte man mir. Als wollte man den ganzen<br />
Schmutz abwaschen, die ganzen Erlebnisse einfach wegspülen. Für ein paar Stunden<br />
einfach vergessen, was geschehen ist.<br />
Meine Seele wurde schon in der<br />
Kindheit, durch meinen brutalen und<br />
alkoholsüchtigen Vater, zerrissen. Ich<br />
ging durch alle Höhen und Tiefen des<br />
Lebens und habe mich bis heute nicht<br />
richtig davon erholt. Mit Mitte Vierzig<br />
ging ich endlich zur <strong>Brücke</strong>. Ich war,<br />
durch die Scheidung von meiner Frau,<br />
völlig am Ende. Schließlich hatten wir<br />
einen gemeinsamen Sohn, der bei mir<br />
bleiben wollte. Neue Aufgaben kamen<br />
auf mich zu.<br />
Ich war 48, als wir nach Heiligenhafen<br />
zogen. Dort bekam ich meinen Psychiater,<br />
einen Mann, dem ich sehr viel<br />
zu verdanken habe. Ich hatte bis dahin<br />
noch keine Tabletten genommen. Vom<br />
Arzt bekam ich auch keine, sondern<br />
Gesprächstherapien. „Und wie wäre es<br />
mit Schwimmen in der Ostsee?“ meinte<br />
der Psychiater. Da stand ich nun an der<br />
riesigen Badewanne und traute mich<br />
nicht hinein. Bis zu den Knien, wenn das<br />
Wasser ruhig war bis zum Bauch, mehr<br />
war nicht drin. Ich konnte schwimmen,<br />
ging ja auch in Hallenbäder. Das Meer<br />
war jedoch etwas ganz anderes. In der<br />
See ist der Boden uneben, schwammig,<br />
oft bewachsen und steinig, das Wasser<br />
ist unruhig. Mir wurde klar, dass ich<br />
Hilfe brauchte. Jedenfalls schaffte ich es<br />
noch in diesem Jahr und konnte in dem<br />
darauf folgenden voll durchstarten.<br />
Es wurde für mich zu einer Selbstverständlichkeit,<br />
jeden Tag zum Strand<br />
zu gehen. Ich startete, wie ich im vorigen<br />
Jahr aufgehört hatte, bei 15°C. Eine<br />
Stunde Fußmarsch und noch schwimmen,<br />
ich war kaputt, aber auch zufrieden<br />
und glücklich. Mein Psychiater ging<br />
noch einen Schritt weiter, er wollte von<br />
mir, dass ich auf Leistung schwimme<br />
und nicht nur im Wasser umherdaddelte.<br />
Er erklärte mir die Sache mit den<br />
Endorphinen, den sogenannten Glückshormonen.<br />
So ist bekannt, dass eine<br />
sportliche Tätigkeit für Stressabbau,<br />
Angstlösung, Stimmungsaufhellung und<br />
verminderte Schmerzwahrnehmung<br />
steht. <strong>Die</strong>s gilt besonders für Menschen,<br />
die unter dem „Winterblues“ leiden.<br />
Selbst bei schweren Depressionen hat<br />
sich Sport bewährt. So kann ein Mensch<br />
mit Handicap schon mit einem täglichen<br />
einstündigen Spaziergang Erfolge<br />
erzielen.<br />
Für mich gab es jetzt viel zu tun.<br />
Um richtig zu schwimmen, brauchte<br />
man eine Strecke, nennen wir es eine<br />
Bahn. Geschätzte 150 Meter lang war<br />
sie. So schwamm ich gegen Wind und<br />
Wellen und war am Ende der Saison<br />
zufrieden, auf 10 Bahnen gekommen zu<br />
sein. Außerdem beendete ich das Jahr<br />
2007 bei 12°C. Leistungsmäßig steigerte<br />
ich mich ständig und die Temperaturen<br />
änderten sich auch. Ich wurde unempfindlicher<br />
und auch weniger krankheitsanfällig.<br />
Mit einem Starrsinn verfolgte<br />
ich meine Tätigkeit. So merkte ich nicht<br />
einmal, dass das Ganze zum Kampf ausartete.<br />
Körperlich ging es mir gut, ich<br />
fühlte mich fit und verlangte immer<br />
mehr von mir. Mein Seelenleben war<br />
auch zufrieden. Ich ging jeden Tag an<br />
meine Leistungsgrenze. Schwimmen<br />
gehen konnte ich allerdings nur während<br />
der Schulzeit, da ich mir fest vorgenommen<br />
hatte, für meinen Sohn da zu<br />
sein. Ich brauchte ein neues Programm<br />
für die Winterzeit, die Zeit, in der das<br />
Wasser zu kalt war. Das Spazierenge-<br />
hen im Winter am Strand war auch sehr<br />
reizvoll. Um den Kick zu erhöhen, ging<br />
ich später barfuss durch das Wasser.<br />
2009 wurde dann mein Jahr. Angebadet<br />
hatte ich bei 5°C. Schwimmen<br />
ging ich Ende März. Mein Ehrgeiz war<br />
unheimlich hoch. So schaffte ich es<br />
schließlich bei 10°C zwanzig Minuten<br />
im Wasser zu bleiben und richtig zu<br />
schwimmen. Wenn ich aus dem Wasser<br />
heraus stieg, war es ein tolles Gefühl. In<br />
diesem Jahr schaffte ich zwanzig Bahnen,<br />
das sind geschätzte drei Kilometer.<br />
Das Jahr endete richtig toll und ich bin<br />
mehr als zufrieden. Bei 8°C Wassertemperatur,<br />
einem strahlend blauen Himmel<br />
mit Sonnenschein und 13 Minuten<br />
Wasservergnügen, erlebte ich die letzten<br />
Züge der Saison.<br />
Mir geht es, seitdem ich diesen<br />
Sport ausübe, besser. Viel besser! Mein<br />
Leben hat endlich wieder einen Sinn<br />
bekommen. In diesem Winter konnte<br />
ich oft barfuß durch den Schnee laufen,<br />
eine Strecke von 20 Minuten am Strand<br />
entlang.<br />
Ich hoffe, dass viele Leser durch<br />
diesen Artikel berührt werden und sich<br />
vielleicht auch dazu aufraffen, sportliche<br />
Aktivitäten zu betreiben. Ich würde mich<br />
auch sehr freuen, wenn jemand über<br />
die <strong>Brücke</strong> Kontakt zu mir aufnimmt,<br />
und ich demjenigen meine Erfahrungen<br />
persönlich mitteilen könnte. Glaubt mir,<br />
es würde jedem gut tun und es muss ja<br />
kein Leistungssport sein!!<br />
W.<br />
Wer macht mit?<br />
Wer auch aktiv werden und mitschwimmen<br />
möchte, kann über die<br />
<strong>Brücke</strong> in Heiligenhafen Kontakt zum<br />
Autoren aufnehmen. Ansprechpartner<br />
ist <strong>Brücke</strong>-Mitarbeiter Gisbert<br />
Lantzke im Büro Thulboden 68, Telefon<br />
04362/503900.