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LEBENSWEGE - Die Brücke Ostholstein

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34<br />

Persönliche Erfahrungen<br />

Vom Angsthasen<br />

zum Kampf?!–Schwimmer<br />

August 2006 zog ich mit meinem Sohn nach Heiligenhafen. Ans Meer wollten wir.<br />

Da Wasser ein wunderbares Element für mich ist, hoffe ich auf eine psychische<br />

Verbesserung. Ob Dusche oder Badewanne, ich kann Stunden damit verbringen.<br />

<strong>Die</strong>s hat psychologische Gründe, erklärte man mir. Als wollte man den ganzen<br />

Schmutz abwaschen, die ganzen Erlebnisse einfach wegspülen. Für ein paar Stunden<br />

einfach vergessen, was geschehen ist.<br />

Meine Seele wurde schon in der<br />

Kindheit, durch meinen brutalen und<br />

alkoholsüchtigen Vater, zerrissen. Ich<br />

ging durch alle Höhen und Tiefen des<br />

Lebens und habe mich bis heute nicht<br />

richtig davon erholt. Mit Mitte Vierzig<br />

ging ich endlich zur <strong>Brücke</strong>. Ich war,<br />

durch die Scheidung von meiner Frau,<br />

völlig am Ende. Schließlich hatten wir<br />

einen gemeinsamen Sohn, der bei mir<br />

bleiben wollte. Neue Aufgaben kamen<br />

auf mich zu.<br />

Ich war 48, als wir nach Heiligenhafen<br />

zogen. Dort bekam ich meinen Psychiater,<br />

einen Mann, dem ich sehr viel<br />

zu verdanken habe. Ich hatte bis dahin<br />

noch keine Tabletten genommen. Vom<br />

Arzt bekam ich auch keine, sondern<br />

Gesprächstherapien. „Und wie wäre es<br />

mit Schwimmen in der Ostsee?“ meinte<br />

der Psychiater. Da stand ich nun an der<br />

riesigen Badewanne und traute mich<br />

nicht hinein. Bis zu den Knien, wenn das<br />

Wasser ruhig war bis zum Bauch, mehr<br />

war nicht drin. Ich konnte schwimmen,<br />

ging ja auch in Hallenbäder. Das Meer<br />

war jedoch etwas ganz anderes. In der<br />

See ist der Boden uneben, schwammig,<br />

oft bewachsen und steinig, das Wasser<br />

ist unruhig. Mir wurde klar, dass ich<br />

Hilfe brauchte. Jedenfalls schaffte ich es<br />

noch in diesem Jahr und konnte in dem<br />

darauf folgenden voll durchstarten.<br />

Es wurde für mich zu einer Selbstverständlichkeit,<br />

jeden Tag zum Strand<br />

zu gehen. Ich startete, wie ich im vorigen<br />

Jahr aufgehört hatte, bei 15°C. Eine<br />

Stunde Fußmarsch und noch schwimmen,<br />

ich war kaputt, aber auch zufrieden<br />

und glücklich. Mein Psychiater ging<br />

noch einen Schritt weiter, er wollte von<br />

mir, dass ich auf Leistung schwimme<br />

und nicht nur im Wasser umherdaddelte.<br />

Er erklärte mir die Sache mit den<br />

Endorphinen, den sogenannten Glückshormonen.<br />

So ist bekannt, dass eine<br />

sportliche Tätigkeit für Stressabbau,<br />

Angstlösung, Stimmungsaufhellung und<br />

verminderte Schmerzwahrnehmung<br />

steht. <strong>Die</strong>s gilt besonders für Menschen,<br />

die unter dem „Winterblues“ leiden.<br />

Selbst bei schweren Depressionen hat<br />

sich Sport bewährt. So kann ein Mensch<br />

mit Handicap schon mit einem täglichen<br />

einstündigen Spaziergang Erfolge<br />

erzielen.<br />

Für mich gab es jetzt viel zu tun.<br />

Um richtig zu schwimmen, brauchte<br />

man eine Strecke, nennen wir es eine<br />

Bahn. Geschätzte 150 Meter lang war<br />

sie. So schwamm ich gegen Wind und<br />

Wellen und war am Ende der Saison<br />

zufrieden, auf 10 Bahnen gekommen zu<br />

sein. Außerdem beendete ich das Jahr<br />

2007 bei 12°C. Leistungsmäßig steigerte<br />

ich mich ständig und die Temperaturen<br />

änderten sich auch. Ich wurde unempfindlicher<br />

und auch weniger krankheitsanfällig.<br />

Mit einem Starrsinn verfolgte<br />

ich meine Tätigkeit. So merkte ich nicht<br />

einmal, dass das Ganze zum Kampf ausartete.<br />

Körperlich ging es mir gut, ich<br />

fühlte mich fit und verlangte immer<br />

mehr von mir. Mein Seelenleben war<br />

auch zufrieden. Ich ging jeden Tag an<br />

meine Leistungsgrenze. Schwimmen<br />

gehen konnte ich allerdings nur während<br />

der Schulzeit, da ich mir fest vorgenommen<br />

hatte, für meinen Sohn da zu<br />

sein. Ich brauchte ein neues Programm<br />

für die Winterzeit, die Zeit, in der das<br />

Wasser zu kalt war. Das Spazierenge-<br />

hen im Winter am Strand war auch sehr<br />

reizvoll. Um den Kick zu erhöhen, ging<br />

ich später barfuss durch das Wasser.<br />

2009 wurde dann mein Jahr. Angebadet<br />

hatte ich bei 5°C. Schwimmen<br />

ging ich Ende März. Mein Ehrgeiz war<br />

unheimlich hoch. So schaffte ich es<br />

schließlich bei 10°C zwanzig Minuten<br />

im Wasser zu bleiben und richtig zu<br />

schwimmen. Wenn ich aus dem Wasser<br />

heraus stieg, war es ein tolles Gefühl. In<br />

diesem Jahr schaffte ich zwanzig Bahnen,<br />

das sind geschätzte drei Kilometer.<br />

Das Jahr endete richtig toll und ich bin<br />

mehr als zufrieden. Bei 8°C Wassertemperatur,<br />

einem strahlend blauen Himmel<br />

mit Sonnenschein und 13 Minuten<br />

Wasservergnügen, erlebte ich die letzten<br />

Züge der Saison.<br />

Mir geht es, seitdem ich diesen<br />

Sport ausübe, besser. Viel besser! Mein<br />

Leben hat endlich wieder einen Sinn<br />

bekommen. In diesem Winter konnte<br />

ich oft barfuß durch den Schnee laufen,<br />

eine Strecke von 20 Minuten am Strand<br />

entlang.<br />

Ich hoffe, dass viele Leser durch<br />

diesen Artikel berührt werden und sich<br />

vielleicht auch dazu aufraffen, sportliche<br />

Aktivitäten zu betreiben. Ich würde mich<br />

auch sehr freuen, wenn jemand über<br />

die <strong>Brücke</strong> Kontakt zu mir aufnimmt,<br />

und ich demjenigen meine Erfahrungen<br />

persönlich mitteilen könnte. Glaubt mir,<br />

es würde jedem gut tun und es muss ja<br />

kein Leistungssport sein!!<br />

W.<br />

Wer macht mit?<br />

Wer auch aktiv werden und mitschwimmen<br />

möchte, kann über die<br />

<strong>Brücke</strong> in Heiligenhafen Kontakt zum<br />

Autoren aufnehmen. Ansprechpartner<br />

ist <strong>Brücke</strong>-Mitarbeiter Gisbert<br />

Lantzke im Büro Thulboden 68, Telefon<br />

04362/503900.

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