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Er nahm einen neuen Duft wahr. Dieser war <strong>de</strong>zent und roch nach Man<strong>de</strong>l. Er hasste Man<strong>de</strong>l. Wo<br />
steckt <strong>de</strong>r Kerl nur, die Wut packte ihn. Er riss die Klei<strong>de</strong>rschränke auf, durchwühlte sie und rannte<br />
wie wild durch alle Zimmer. Seine Frau lehnte am Türrahmen <strong>de</strong>s Wohnzimmers und lächelte nur. Er<br />
wür<strong>de</strong> nichts fin<strong>de</strong>n.<br />
Schwer atmend saß er auf <strong>de</strong>r Lehne <strong>de</strong>s Sofas und blickte sie an. Sie lächelte, so wie immer in <strong>de</strong>n<br />
letzten Wochen.<br />
Soeben hatte er <strong>de</strong>n nächsten Zahlungseingang auf ihrem gemeinsamen Konto gesehen: 66,66<br />
Euro. Seine Gedanken rasten, er versuchte zu verstehen, vergebens.<br />
Er ging in die Kammer, brauchte jetzt ein Bier. Und wie<strong>de</strong>r, wie schon seit 44 Tagen, stan<strong>de</strong>n dort,<br />
sorgfältig nebeneinan<strong>de</strong>r gestellt, 11 Bierflaschen. Vor je<strong>de</strong>r dieser Flaschen stan<strong>de</strong>n 11 kleine<br />
Kümmerlinge. Und 11 Hem<strong>de</strong>n, je<strong>de</strong>s sorgfältig gebügelt, hingen auf <strong>de</strong>m Wäschetrockner.<br />
Das war zu viel für ihn, er begann zu brüllen. Seine ganze, lange aufgestaute Ungewissheit löste sich<br />
in ungezügelter Aggressivität auf. Wie von Sinnen prügelte er auf alles ein, was ihm im Wege stand.<br />
Es klingelte. Seine Frau geleitete die von ihr gerufenen Polizisten in die Wohnung. Wutentbrannt, mit<br />
einem Hammer in <strong>de</strong>r Hand, stürzte er auf diese zu. Zu seinem eigenen Schutz wur<strong>de</strong> er für eine<br />
psychiatrische Untersuchung mit genommen.<br />
Die Zwangsjacke steht ihm, dachte sie. Er blickte sie nur fragend an.<br />
„Es waren nur 11 Tage, ganz am Anfang unserer Ehe. Ich habe es immer gewusst, dass du dafür im<br />
11. Ehejahr bezahlen wirst. Du betrügst mich nicht ungestraft.“<br />
Sie lächelte und verließ langsam <strong>de</strong>n Raum.<br />
Rolf Netzmann, geboren 1962 in Mag<strong>de</strong>burg ent<strong>de</strong>ckte er schon früh seine Passion für das Schreiben. In Gedichten und kurzen Texten<br />
drückt er seine Gefühle, Sehnsüchte und auch Ängste aus. Sein Interesse an phantastischer Literatur führte ihn immer wie<strong>de</strong>r in<br />
unbekannte Ferne, Galaxien und Abenteuer. So entstan<strong>de</strong>n später kurze Geschichten in seinen eigenen Welten und Zeiten, mit seinen<br />
eigenen Hel<strong>de</strong>n. Schreiben ist für Rolf Netzmann eine kreative Ausdrucksform. Es ist ein Ausbrechen aus <strong>de</strong>n Zwängen <strong>de</strong>s Alltags, eine<br />
an<strong>de</strong>re, tiefere Bewusstseinsebene.<br />
Neben Lyrik und Kurzprosa hat ihn auch immer das journalistische Schreiben fasziniert. In seinem Blog mann-im-netz.blogspot.com<br />
kommentiert und analysiert Rolf Netzmann gesellschaftliche, kulturelle und sportliche Themen. Einige <strong>de</strong>r so entstan<strong>de</strong>nen Artikel wur<strong>de</strong>n<br />
bereits in Printmedien veröffentlicht.<br />
www.<strong>eXperimenta</strong>.<strong>de</strong><br />
Foto: Volker Fill, Frostorchester<br />
32 Dezember 2012