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Blocksem<strong>in</strong>ar psychosoziale Stressoren am Arbeitsplatz<br />

VAK: 11-4702<br />

Dozent: Herr Prof. Dr. Thomas Kieselbach<br />

Referent<strong>in</strong>: Susanne Knak (1383764)<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Arbeitswelt</strong><br />

E<strong>in</strong> Referat im Rahmen des Blocksem<strong>in</strong>ars “Psychosoziale Stressoren am Arbeitsplatz“ am<br />

25. <strong>und</strong> 26. Oktober 2002<br />

0


Inhaltsverzeichnis<br />

0. E<strong>in</strong>stieg Seite 2<br />

1. Subjektive <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>svorstellungen Seite 2<br />

1.1 Subjektive <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>svorstellungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ethnologie Seite 2-3<br />

1.2 Subjektive <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>svorstellungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Soziologie Seite 3<br />

1.3 Subjektive <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>svorstellungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Psychologie Seite 3-4<br />

2. <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Arbeitswelt</strong> Seite 4-5<br />

2.1 Arbeit <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> – Belastungsfaktoren <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Arbeitswelt</strong> Seite 5<br />

2.1.1 Stressoren <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Arbeitswelt</strong> Seite 5-6<br />

2.1.2 Psychische Bee<strong>in</strong>trächtigungen durch Stressoren Seite 6<br />

2.2 <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>liche Bed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> Arbeitstätigkeit Seite 7<br />

2.2.1 Ressourcen als Schutzfaktoren Seite 7-8<br />

2.3 Zusammenfassung <strong>der</strong> Ergebnisse Seite 8<br />

2.4 Analyse <strong>und</strong> Abbau von Stressoren Seite 8-9<br />

2.4.1 Antizipierte <strong>und</strong> reaktive Vorgehensweisen bei <strong>der</strong> Reduzierung<br />

von Stressoren Seite 9<br />

2.4.2 Abbau von Stressoren unter Berücksichtigung des Zusammenwirkens<br />

von Stressoren, Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>und</strong> Ressourcen – e<strong>in</strong> Beispiel Seite 9<br />

2.4.3 Verbesserung personaler Ressourcen Seite 9<br />

2.5 For<strong>der</strong>ungen an e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tegrierte betriebliche <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung Seite 10<br />

3. Betriebliche <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung Seite 10<br />

3.1 Entwicklung von <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sprogrammen: Ansätze <strong>und</strong> Probleme Seite 10-11<br />

3.2 <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sprogramme: Rahmenbed<strong>in</strong>gungen, Aufgaben, Beispiele Seite 11<br />

3.2.1 Das STAYWELL-Programm Seite 11-12<br />

3.2.2 Das Life-for-Life Programm Seite 12<br />

3.2.3 <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>szirkel Seite 12-13<br />

3.3 Akzeptanz von <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sprogrammen Seite 13<br />

3.4 Motivierung durch ökonomische Anreize Seite 13<br />

3.5 Evaluationsprobleme Seite 13-14<br />

3.6 Qualitätsmanagement <strong>und</strong> Qualitätssicherung Seite 14<br />

3.7 Perspektiven Seite 14-15<br />

4. Kritische Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> Thematik Seite 15-16<br />

Literaturverzeichnis<br />

Anhang (Präsentation)<br />

1


E<strong>in</strong>stieg<br />

In me<strong>in</strong>er schriftlichen Ausarbeitung zum Blocksem<strong>in</strong>ar „psychosoziale Stressoren am Arbeitsplatz“<br />

habe ich mich mit drei Artikeln zum Themenbereich „<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung“ näher<br />

beschäftigt. E<strong>in</strong>leitend möchte ich mit dem Artikel „Subjektive <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>svorstellungen“ von Bengel<br />

<strong>und</strong> Belz-Merk e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die Vorstellungs<strong>in</strong>halte von <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong> Krankheit aus <strong>der</strong><br />

Sicht des „Nichtexperten“ geben. Daran anschließen wird sich <strong>der</strong> Artikel von Mohr <strong>und</strong> Udris, <strong>der</strong> sich<br />

primär mit <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung am Arbeitsplatz beschäftigt, während <strong>der</strong> darauf<br />

folgende Artikel von Liepmann <strong>und</strong> Felfe die betriebliche <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung <strong>in</strong> den Mittelpunkt<br />

stellt. Abschließend folgt e<strong>in</strong>e Diskussion, welche sich kritisch mit dem genannten Themenbereich<br />

ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzt.<br />

1. Subjektive <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>svorstellungen<br />

Die Def<strong>in</strong>ition von <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>, so Bengel <strong>und</strong> Belz-Merk, vollzieht sich immer <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em gewissen<br />

Spannungsfeld von psychosozialen, mediz<strong>in</strong>ischen wie auch gesellschaftlichen, sozialen <strong>und</strong><br />

<strong>in</strong>dividuellen Betrachtungsweisen. Diese Sichtweisen s<strong>in</strong>d von e<strong>in</strong>er so gegensätzlichen Natur, dass<br />

„e<strong>in</strong>e vollständige, konsensfähige Def<strong>in</strong>ition von <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> kaum zu erreichen“ ist (Bengel <strong>und</strong> Belz-<br />

Merk <strong>in</strong> Schwarzer 1997, S. 23). E<strong>in</strong>igkeit besteht dennoch darüber, dass <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> als e<strong>in</strong><br />

mehrdimensionales Konzept beschrieben werden kann, welches verschiedene Kriterien bzw.<br />

Elemente von <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> berücksichtigten muss. <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> be<strong>in</strong>haltet demnach nicht nur<br />

körperliches Wohlbef<strong>in</strong>den, son<strong>der</strong>n auch psychische <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>, Bewältigung von Lebensaufgaben,<br />

Selbstverwirklichung <strong>und</strong> S<strong>in</strong>nf<strong>in</strong>dung. E<strong>in</strong>e weitere E<strong>in</strong>teilung kann nach subjektiven <strong>und</strong> objektiven<br />

E<strong>in</strong>schätzungen des <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>szustandes vorgenommen werden. Bei <strong>der</strong> subjektiven E<strong>in</strong>schätzung<br />

geht es um die <strong>in</strong>dividuelle Beurteilung <strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> des E<strong>in</strong>zelnen, während sich die objektive<br />

Bewertung von <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> meist im Rahmen e<strong>in</strong>er mediz<strong>in</strong>isch-kl<strong>in</strong>ischen Abklärung vollzieht.<br />

Subjektive Vorstellungen von <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>, welche hier im Mittelpunkt stehen sollen, s<strong>in</strong>d, so beklagen<br />

es Bengel <strong>und</strong> Belz-Merk, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Forschung um die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> bisher sehr vernachlässigt worden.<br />

Dabei kann „die Kenntnis dieser <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>svorstellungen die Planung <strong>und</strong> F<strong>und</strong>ierung präventiver<br />

<strong>und</strong> rehabilitativer Maßnahmen verbessern“ (Bengel <strong>und</strong> Belz-Merk <strong>in</strong> Schwarzer 1997, S. 24). Das<br />

hieße: Wenn man die persönlichen Vorstellungen von <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> kennt, fällt es leichter auch<br />

Programme zu dessen Erhaltung zu konzipieren.<br />

Wie sich diese subjektiven Vorstellungen entwickelt haben, aber auch welche Vorstellungen <strong>in</strong> den<br />

unterschiedlichen Diszipl<strong>in</strong>en über die Zeit entwickelt wurden, soll nun näher dargestellt werden.<br />

1.1 Subjektive <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>svorstellungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ethnologie<br />

Die erste sozialwissenschaftliche Diszipl<strong>in</strong>, die sich mit subjektiven Vorstellungen von <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong><br />

Krankheit beschäftigt hat, war die Ethnologie. Bereits <strong>in</strong> den Jahren 1924 <strong>und</strong> 1937 wurden von den<br />

englischen Ethnologen Rivers <strong>und</strong> Evans-Pritchard Forschungsarbeiten vorgelegt, die sich unter<br />

an<strong>der</strong>em mit den ätiologischen Vorstellungen von Krankheit <strong>und</strong> mediz<strong>in</strong>ischen Techniken <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>fachen Kulturen beschäftigten. Durch Studien <strong>der</strong> Ethnomediz<strong>in</strong> wurden auch Vorstellungen<br />

nicht<strong>in</strong>dustrieller Kulturen über den ges<strong>und</strong>en Körper dargelegt. Hierbei handelt es sich hauptsächlich<br />

um Gleichgewichtstheorien, „<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> wird als e<strong>in</strong>e ausgewogene Beziehung zwischen Menschen,<br />

2


Mensch <strong>und</strong> Natur, sowie Mensch <strong>und</strong> übernatürlicher Welt aufgefasst. E<strong>in</strong>e Störung <strong>in</strong> diesem<br />

Bereich manifestiert sich <strong>in</strong> körperlichen o<strong>der</strong> emotionalen Problemen“ (Helman 1990, Bengel <strong>und</strong><br />

Belz-Merk <strong>in</strong> Schwarzer 1997, S. 24). E<strong>in</strong>e wichtige Rolle spielt <strong>in</strong> diesem Zusammenhang auch die<br />

Gleichgewichtstheorie <strong>der</strong> Körpersäfte. Ges<strong>und</strong>bleiben kann man dieser Theorie nach nur, <strong>in</strong>dem man<br />

beispielsweise e<strong>in</strong> ausbalanciertes Gleichgewicht zwischen Kälte <strong>und</strong> Hitze erreicht, wobei heiß <strong>und</strong><br />

kalt nicht als tatsächliche Qualitäten, son<strong>der</strong>n als symbolische Kräfte aufgefasst werden. An<strong>der</strong>e<br />

Vorstellungen gehen davon aus, dass etwa das Entstehen von Erkältungen auf das E<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gen von<br />

äußerer Kälte o<strong>der</strong> Feuchtigkeit <strong>in</strong> den Körper zurückgeht. Trotz dieser ansche<strong>in</strong>end „falschen<br />

Vorstellungen“ über die Entstehung von Krankheit <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>, s<strong>in</strong>d diese Erklärungsmuster für<br />

die jeweilige Kultur handlungsrelevant. Bengel <strong>und</strong> Belz-Merk fügen h<strong>in</strong>zu: „Interkulturelle Studien <strong>der</strong><br />

Ethnologie haben dafür sensibilisiert, dass die Expertensicht <strong>und</strong> das mediz<strong>in</strong>ische Krankheitsmodell<br />

nur e<strong>in</strong>en Teil des <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystems ausmachen“ (Bengel <strong>und</strong> Belz-Merk <strong>in</strong> Schwarzer 1997, S.<br />

26).<br />

Aber auch die Soziologie hat im Laufe <strong>der</strong> Zeit eigene Forschungen zum Thema subjektive Konzepte<br />

von <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> vorgelegt.<br />

1.2 Subjektive <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>svorstellungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Soziologie<br />

Aus soziologischer Sicht s<strong>in</strong>d Vorstellungen von <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong> Krankheit sozial erzeugt, da sich<br />

dar<strong>in</strong> gesellschaftliche Strukturen <strong>und</strong> Wissensbestände sowie kulturelle Muster wi<strong>der</strong>spiegeln.<br />

Studien <strong>der</strong> Soziologie zeigen ebenfalls <strong>in</strong>teressante Erkenntnisse über die Konzepte von <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong><br />

<strong>und</strong> Krankheit. So z.B. die Studie <strong>der</strong> französischen Soziolog<strong>in</strong> Herzlich (1973), welche als Klassiker<br />

zum Verständnis von <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong> Krankheit gilt. Innerhalb dieser Studie (untersucht wurden<br />

Personen <strong>der</strong> Mittelschicht mit unterschiedlichen ges<strong>und</strong>heitlichen Zustand) wurde unter an<strong>der</strong>em<br />

herausgef<strong>und</strong>en, dass <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong> Krankheit als unterschiedliche Präsentationen verstanden<br />

werden. Das heißt, das Auftreten von Krankheit wird eher als e<strong>in</strong> durch externale Faktoren<br />

(Lebensweise, Bakterien, Unfälle) ausgelöster Prozess betrachtet, während <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> tendenziell<br />

<strong>in</strong>ternale Faktoren (z.B. Temperament, Vererbung) zugeschrieben werden.<br />

An<strong>der</strong>e Studien wie<strong>der</strong>um untersuchten die Schichtabhängigkeit des <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sbegriffes. Hierbei<br />

stellte sich heraus, dass handwerklich arbeitende Berufsgruppen den <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sbegriff eher negativ,<br />

im S<strong>in</strong>ne von „<strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage se<strong>in</strong>, Aufgaben zu erfüllen“ sehen, während nicht manuell tätige Gruppen<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> vielmehr <strong>in</strong> positiven Begriffen betrachten. Wie<strong>der</strong>um an<strong>der</strong>e Studien, die sich mit den<br />

speziellen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>svorstellungen von Mittelschichtfrauen <strong>und</strong> Arbeiter<strong>in</strong>nen ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen,<br />

kommen zu dem Ergebnis, „dass diese Vorstellungen vor allem durch kulturelle Übertragung <strong>und</strong><br />

durch e<strong>in</strong>flussreiche gesellschaftliche Gruppierungen <strong>und</strong> Ideologien entstehen“ (Bengel <strong>und</strong> Belz-<br />

Merk <strong>in</strong> Schwarzer 1997, S. 29). All diese Studien zeigen auf, wie wichtig soziale Faktoren für die<br />

Entwicklung <strong>und</strong> Aufrechterhaltung spezieller <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skonzepte s<strong>in</strong>d.<br />

1.3 Subjektive <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>svorstellungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Psychologie<br />

Aber auch die Psychologie hat sich, wenn auch recht spät, Gedanken über subjektive<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>svorstellungen gemacht. Die ersten Studien <strong>in</strong> dieser Richtung waren Studien zu<br />

3


subjektiven Krankheitsvorstellungen bei chronisch Kranken <strong>und</strong> Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten (z.B. Baumann, 1961).<br />

Des weiteren hatte man sich mit alters- <strong>und</strong> entwicklungsabhängigen Vorstellungen von <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong><br />

<strong>und</strong> Krankheit beschäftigt (z.B. Nagy, 1951, Natapoff, 1978). Untersuchungen zur Entwicklung des<br />

k<strong>in</strong>dlichen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>s- <strong>und</strong> Krankheitskonzeptes schlossen sich an (z.B. Bibace <strong>und</strong> Walsh, 1979).<br />

Diese ergaben unter an<strong>der</strong>em, dass „<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>svorstellungen sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit<br />

Krankheitserfahrungen <strong>und</strong> dem Krankheitserleben entwickeln <strong>und</strong> differenzieren“ (Bibace <strong>und</strong> Walsh<br />

1997, Bengel <strong>und</strong> Belz-Merk <strong>in</strong> Schwarzer 1997, S. 30).<br />

E<strong>in</strong>e <strong>in</strong>teressante Untersuchung <strong>der</strong> Konstrukte „<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sbewusstse<strong>in</strong>“ <strong>und</strong> „<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>shandeln“<br />

im Alltag führte Faltermaier (1994) durch. Basis dieser Untersuchung waren drei unterschiedliche<br />

Gruppen von Erwachsenen: Personen mit klassischen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sberufen, Arbeiter <strong>und</strong><br />

Arbeiter<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Personen, die e<strong>in</strong> öffentliches Engagement für <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sfragen zeigten.<br />

Faltermaier konnte mit Hilfe dieser Untersuchung vier übergreifende Komplexe des<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sbewusstse<strong>in</strong>s ausmachen: E<strong>in</strong> organisch-mediz<strong>in</strong>isch geprägtes<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sbewusstse<strong>in</strong>, welches <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> durch die Abwesenheit von Krankheit def<strong>in</strong>iert, e<strong>in</strong><br />

handlungs- <strong>und</strong> leistungsorientiertes <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sbewusstse<strong>in</strong>, e<strong>in</strong> psychologisch geprägtes<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sbewusstse<strong>in</strong>, welches <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Wohlbef<strong>in</strong>den <strong>und</strong> Ausgeglichenheit betont <strong>und</strong> e<strong>in</strong><br />

mehrdimensionales <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sbewusstse<strong>in</strong>. Hierbei werden sowohl körperliche, psychische wie<br />

auch soziale E<strong>in</strong>flussfaktoren auf die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> thematisiert.<br />

Berücksichtigt man nur die wichtigsten Ergebnisse bisher dargelegter Studien zu subjektiven<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>svorstellungen, so kann man den Forschungstand folgen<strong>der</strong>maßen zusammenfassen:<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> ist e<strong>in</strong> weniger fassbarer <strong>und</strong> abstrakterer Begriff als Krankheit. Sie lässt sich schwer <strong>in</strong><br />

Worte fassen. <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> wird hauptsächlich positiv def<strong>in</strong>iert, <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sdef<strong>in</strong>itionen s<strong>in</strong>d allerd<strong>in</strong>gs<br />

abhängig von <strong>der</strong> Lebenssituation, dem <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>szustand <strong>und</strong> soziodemographischen Faktoren.<br />

Krankheitserfahrungen spielen ke<strong>in</strong>e bedeutende Rolle für die repräsentierten<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>svorstellungen – <strong>der</strong> aktuell erlebte <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>szustand ist hierfür maßgeblicher. Im Alltag<br />

ist <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> kaum e<strong>in</strong> Thema. „Ihr Vorhandense<strong>in</strong> zeichnet sich gerade durch e<strong>in</strong>e relative<br />

Selbstvergessenheit aus“ (Bengel <strong>und</strong> Belz-Merk <strong>in</strong> Schwarzer 1997, S. 33).<br />

Doch wie ist es nun möglich, <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> zu för<strong>der</strong>n? Mit welchen äußeren <strong>und</strong> <strong>in</strong>neren Faktoren<br />

hängt die Erhaltung von <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> zusammen? Was kann <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelne dafür tun bzw. wie müssen<br />

äußere Bed<strong>in</strong>gungen verän<strong>der</strong>t werden, um <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> bewusst zu för<strong>der</strong>n? Auf all diese Fragen<br />

versuchen die kommenden Ausführungen nun spezieller e<strong>in</strong>zugehen.<br />

2. <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Arbeitswelt</strong><br />

Der Beitrag von Moor <strong>und</strong> Udris „<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Arbeitswelt</strong>“ zeigt, dass<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sverhalten am Arbeitsplatz aus zwei unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden<br />

kann. E<strong>in</strong>erseits kann positives o<strong>der</strong> negatives <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sverhalten e<strong>in</strong>er Person auf diese selbst<br />

zurückgeführt werden, <strong>in</strong>dem beispielsweise <strong>in</strong>dividuelles Fehl- o<strong>der</strong> Risikoverhalten e<strong>in</strong>er Person <strong>in</strong><br />

den Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong> gestellt wird (z.B. Fehlernährung, Bewegungsmangel, Drogenkonsum), an<strong>der</strong>erseits<br />

kann das Vorliegen von Krankheit o<strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> im betrieblichen Umfeld <strong>und</strong> <strong>in</strong> speziellen<br />

Eigenschaften <strong>der</strong> Arbeitstätigkeit begründet se<strong>in</strong>. Bei letzterer handelt es sich, im Gegensatz zur<br />

erstgenannten, sogenannten personenbezogenen Sichtweise, um e<strong>in</strong>e situationsbezogene<br />

4


Sichtweise, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, „Bed<strong>in</strong>gungen von Krankheit, <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung nicht (nur) <strong>in</strong> <strong>der</strong> Person zu suchen, son<strong>der</strong>n vor allem <strong>in</strong> den Merkmalen <strong>der</strong><br />

Arbeitstätigkeit <strong>und</strong> des Betriebes“ (Mohr <strong>und</strong> Udris <strong>in</strong> Schwarzer 1996, S. 553). Mohr <strong>und</strong> Udris<br />

nehmen <strong>in</strong> ihrem Beitrag überwiegend e<strong>in</strong>e situationsorientierte Sichtweise e<strong>in</strong>, d.h. sie suchen die<br />

Auslöser für Stress <strong>und</strong> Krankheitersche<strong>in</strong>ungen am Arbeitsplatz hauptsächlich <strong>in</strong> äußeren<br />

Bed<strong>in</strong>gungen.<br />

Weiterh<strong>in</strong> kann unterschieden werden zwischen e<strong>in</strong>er krankheitsfokussierenden <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er<br />

ges<strong>und</strong>heitsfavorisierenden Sicht bei <strong>der</strong> Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung am<br />

Arbeitsplatz. Dabei ist es nach Mohr <strong>und</strong> Udris <strong>in</strong> den letzten Jahren eher zu e<strong>in</strong>er Abkehr von<br />

krankheitsorientierten Konzepten gekommen, <strong>der</strong>en Hauptanliegen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Erforschung von<br />

Entstehung <strong>und</strong> Verursachung von Krankheit bestand. Heute wird vornehmlich die Frage „Warum s<strong>in</strong>d<br />

ges<strong>und</strong>e Personen ges<strong>und</strong>?“ (Mohr <strong>und</strong> Udris <strong>in</strong> Schwarzer 1996, S. 554) diskutiert. Aus dieser neuen<br />

Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung resultierten letztendlich auch die Ansätze betrieblicher <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung –<br />

so Mohr <strong>und</strong> Udris. Allerd<strong>in</strong>gs weisen sie überdies darauf h<strong>in</strong>, dass im H<strong>in</strong>blick auf den Umfang, <strong>in</strong><br />

dem abhängige Beschäftigte ihren Altersruhestand nur mit erheblichen ges<strong>und</strong>heitlichen<br />

E<strong>in</strong>schränkungen erleben können, e<strong>in</strong>e Berücksichtigung <strong>der</strong> krankheitsbegünstigenden Bed<strong>in</strong>gungen<br />

weiterh<strong>in</strong> Thema se<strong>in</strong> muss. Trotz Schaffung ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>licher Bed<strong>in</strong>gungen blieben e<strong>in</strong>ige<br />

bee<strong>in</strong>trächtigende Bed<strong>in</strong>gungen eventuell weiterh<strong>in</strong> wirksam, so dass durch diese positive Effekte<br />

reduziert werden könnten. „E<strong>in</strong>e ausschließliche Befassung mit ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>lichen <strong>und</strong> die<br />

Nichtbeachtung von krankheitsrelevanten Aspekten ersche<strong>in</strong>t deshalb voreilig“ (Mohr <strong>und</strong> Udris <strong>in</strong><br />

Schwarzer 1996, S. 554).<br />

In dem von Mohr <strong>und</strong> Udris gestalteten Artikel wird ausschließlich auf psychische Erkrankungen bzw.<br />

psychische <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> Bezug genommen. Der Gr<strong>und</strong> hierfür liegt <strong>in</strong> <strong>der</strong> hohen Auftretensquote<br />

psychischer Erkrankungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Arbeitswelt</strong>. Hiermit soll <strong>der</strong> Tatsache Rechnung getragen werden,<br />

„dass psychische Erkrankungen <strong>in</strong>zwischen an vierter Stelle <strong>der</strong> Volkskrankheiten stehen <strong>und</strong><br />

ebenfalls an vierter Stelle <strong>der</strong> Ursachen von Früh<strong>in</strong>validität aufgr<strong>und</strong> von Berufs- <strong>und</strong><br />

Erwerbsunfähigkeit (Mohr <strong>und</strong> Udris <strong>in</strong> Schwarzer 1996, S. 553).<br />

E<strong>in</strong>e Forschungsstudie, die nun im folgenden näher vorgestellt werden soll, gründet auf <strong>der</strong> oben<br />

benannten krankheitsorientierten Sichtweise, <strong>in</strong>dem sie nach Stressoren sucht, die für psychische<br />

Erkrankungen am Arbeitsplatz verantwortlich s<strong>in</strong>d.<br />

2.1 Arbeit <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> – Belastungsfaktoren <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Arbeitswelt</strong><br />

Im Rahmen <strong>der</strong> Forschungsstudie „Industrielle Psychopathologie“ wurden Arbeitstätigkeiten auf ihre<br />

psychologisch relevanten, die Person för<strong>der</strong>nden o<strong>der</strong> bee<strong>in</strong>trächtigenden Merkmale untersucht.<br />

In e<strong>in</strong>er Vielzahl von Untersuchungen wurden bestimmte Merkmale <strong>der</strong> Arbeitstätigkeit<br />

übere<strong>in</strong>stimmend als Belastungsfaktoren o<strong>der</strong> Stressoren identifiziert. Diese wurden <strong>in</strong> vier Gruppen<br />

unterteilt.<br />

2.1.1 Stressoren <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Arbeitswelt</strong><br />

Dazu gehört zum e<strong>in</strong>en die Gruppe „Stressoren <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeitsaufgabe“, die ihr Augenmerk auf Unter<strong>und</strong><br />

Überfor<strong>der</strong>ung am Arbeitsplatz lenkt. Dabei kann es sowohl bei Über- wie auch bei<br />

5


Unterfor<strong>der</strong>ung zur quantitativen (unangemessenes Verhältnis von verfügbarer Zeit zur Arbeitsmenge)<br />

<strong>und</strong> qualitativen Art (Missverhältnis zwischen <strong>in</strong>haltlichen Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Tätigkeit <strong>und</strong><br />

Kompetenzen <strong>der</strong> Person) <strong>der</strong> Fehlbeanspruchung kommen. Als beson<strong>der</strong>s ungünstig wird hierbei die<br />

qualitative Unterfor<strong>der</strong>ung bei gleichzeitiger quantitativer Überfor<strong>der</strong>ung beurteilt, da bei dieser<br />

langfristige, ges<strong>und</strong>heitliche Folgen zu erwarten s<strong>in</strong>d. „Qualitative Unterfor<strong>der</strong>ung bei gleichzeitiger<br />

quantitativer Überfor<strong>der</strong>ung kann als typisch für Frauenarbeitsplätze <strong>in</strong> <strong>der</strong> Produktion betrachtet<br />

werden“ (Mohr <strong>und</strong> Udris <strong>in</strong> Schwarzer 1996, S. 556). Weitere Stressoren <strong>der</strong> Arbeitsaufgabe<br />

betreffen Störungen des Arbeitsablaufes (z.B. durch unzureichende Materialzufuhr, Unterbrechungen<br />

durch an<strong>der</strong>e Mitarbeiter etc. ).<br />

Die zweite Gruppe bezieht sich auf „physikalische Stressoren“. Diese be<strong>in</strong>halten neben chemischen<br />

Stoffen, äußere E<strong>in</strong>flussfaktoren wie Lärm, Staub, Hitze, Schmutz. Physikalische Stressoren s<strong>in</strong>d nicht<br />

auf Produktionsabteilungen beschränkt.<br />

E<strong>in</strong>e weiter Gruppe be<strong>in</strong>haltet „Stressoren, die sich auf zeitliche Dimensionen beziehen“. Hiermit s<strong>in</strong>d<br />

geme<strong>in</strong>t Schicht- <strong>und</strong> Nachtarbeit, „<strong>der</strong>en negativer Auswirkung auf psychische, soziale <strong>und</strong><br />

somatische Aspekte <strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> als nachgewiesen gelten könnte“ (Mohr <strong>und</strong> Udris <strong>in</strong> Schwarzer<br />

1996, S. 557) <strong>und</strong> spezielle Arbeitszeitformen (z.B. Arbeitszeit auf Abruf), die verb<strong>und</strong>en s<strong>in</strong>d mit<br />

ger<strong>in</strong>ger Planbarkeit <strong>und</strong> Kontrolle über die eigene Zeitgestaltung.<br />

In <strong>der</strong> vierten <strong>und</strong> letzten Gruppe geht es um „Stressoren <strong>in</strong> <strong>der</strong> sozialen <strong>und</strong> organisationalen<br />

Situation“. Hierzu gehören z.B. Rollenambiguität (Unklarheit darüber, was zu den Aufgaben gehört)<br />

<strong>und</strong> soziale Stressoren (Verhalten von Vorgesetzten, Kollegen, Umstellungsprozesse <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit,<br />

Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes etc. ), um nur e<strong>in</strong>ige zu nennen.<br />

Aufbauend auf diesen Erkenntnissen können ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>liche Maßnahmen <strong>in</strong> Angriff<br />

genommen werden. Im folgenden werden nun Zusammenhänge zwischen diesen Stressoren <strong>und</strong><br />

Bef<strong>in</strong>densbee<strong>in</strong>trächtigungen erörtert.<br />

2.1.2 Psychische Bee<strong>in</strong>trächtigungen durch Stressoren<br />

Die Ergebnisse zur Forschungsarbeit „Industrielle Psychopathologie“ erbrachten, dass die oben<br />

dargestellten Stressoren im beson<strong>der</strong>en Maße mit den <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>s<strong>in</strong>dikatoren Angst, Depressivität,<br />

Gereiztheit, psychosomatische Beschwerden etc. zusammenhängen. Diese Zusammenhänge wurden<br />

auch durch Längsschnittstudien h<strong>in</strong>reichend belegt. Weiterh<strong>in</strong> heißt es bei Mohr <strong>und</strong> Udris: „Werden<br />

mehrere Stressoren <strong>in</strong> die Analyse e<strong>in</strong>bezogen, so s<strong>in</strong>d die Zusammenhänge deutlich höher als<br />

zwischen e<strong>in</strong>zelnen Stressoren <strong>und</strong> e<strong>in</strong>zelnen Bef<strong>in</strong>dens<strong>in</strong>dikatoren“ (Mohr <strong>und</strong> Udris <strong>in</strong> Schwarzer<br />

1996, S. 558).<br />

Häufig, so ergänzen Mohr <strong>und</strong> Udris, wird auf die Bedeutung „außerbetrieblicher Stressoren“ für die<br />

Entwicklung psychischer Bef<strong>in</strong>densbee<strong>in</strong>trächtigungen verwiesen. Allerd<strong>in</strong>gs werde dieser E<strong>in</strong>fluss<br />

weites gehend überschätzt. Verschiedene Studien kommen zu dem Ergebnis, dass Merkmale <strong>der</strong><br />

Arbeitstätigkeit bessere Prädiktoren für das Bef<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d als Merkmale <strong>der</strong> familiären Situation. Dies<br />

wi<strong>der</strong>spricht <strong>der</strong> gängigen Auffassung, Familie habe e<strong>in</strong>e vorrangige Bedeutung für die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong><br />

des e<strong>in</strong>zelnen. Wenn man jedoch, so Mohr <strong>und</strong> Udris, bedenkt, dass „Erleben <strong>und</strong> Verhalten <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

außerbetrieblichen Zeit nicht unabhängig s<strong>in</strong>d von <strong>der</strong> betrieblichen Situation“ (Mohr <strong>und</strong> Udris <strong>in</strong><br />

Schwarzer 1996, S. 558), so ersche<strong>in</strong>t diese Behauptung weniger verw<strong>und</strong>erlich.<br />

6


2.2 <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>liche Bed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> Arbeitstätigkeit<br />

Bevor <strong>der</strong> Frage nachgegangen wird, „welche Merkmale <strong>der</strong> Arbeitstätigkeit für e<strong>in</strong>e<br />

ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>liche Funktion relevant se<strong>in</strong> können“ (Mohr <strong>und</strong> Udris <strong>in</strong> Schwarzer 1996, S. 558),<br />

soll kurz <strong>der</strong> Umgang mit bestehenden <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sbelastungen betrachtet werden. „Nicht nur das<br />

Vorhandense<strong>in</strong> von bestimmten Belastungen bzw. Stressoren (Reizen) o<strong>der</strong> Beanspruchungen<br />

(Reaktionen) bestimmt den Stresszustand. Auch die Möglichkeiten des Umgangs mit vorhandenen<br />

Belastungen s<strong>in</strong>d bedeutsam“ (Mohr <strong>und</strong> Udris <strong>in</strong> Schwarzer 1996, S. 555). Wichtig s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> diesem<br />

Zusammenhang Merkmale <strong>der</strong> Situation <strong>und</strong> <strong>der</strong> Person, die anfangs (Seite 2) schon besprochen<br />

wurden. Situationsmerkmale s<strong>in</strong>d wie<strong>der</strong>um äußere Bed<strong>in</strong>gungen, die das Verhalten e<strong>in</strong>er Person<br />

begrenzen o<strong>der</strong> erweitern können (z.B. betriebliche Rahmenbed<strong>in</strong>gungen), personenbezogene<br />

Merkmale betreffen die spezifische Kompetenz des e<strong>in</strong>zelnen (z.B. soziale o<strong>der</strong> fachliche Kompetenz)<br />

mit e<strong>in</strong>er Belastung umzugehen.<br />

2.2.1 Ressourcen als Schutzfaktoren<br />

Mohr <strong>und</strong> Udris betonen nun, dass <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung sich nicht auf Maßnahmen beschränken<br />

darf, die ausschließlich auf e<strong>in</strong>e Verän<strong>der</strong>ung des Verhaltens o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Kompetenz <strong>der</strong> Person<br />

fokussiert s<strong>in</strong>d. Vielmehr sollte gerade e<strong>in</strong>e Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> situativen Merkmale angestrebt werden.<br />

Der Aufbau von <strong>in</strong>stitutionellen bzw. <strong>in</strong>dividuellen Ressourcen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Abbau von Belastungen sollte,<br />

so Mohr <strong>und</strong> Udris, Ziel <strong>der</strong> Bemühungen se<strong>in</strong> (Mohr <strong>und</strong> Udris <strong>in</strong> Schwarzer 1996, S. 555).<br />

Beson<strong>der</strong>e Beachtung erhalten <strong>in</strong> diesem Zusammenhang die sogenannten personalen <strong>und</strong> situativen<br />

Ressourcen, welche als Schutzfaktoren dienen sollen <strong>und</strong> durch <strong>der</strong>en Anwesenheit die<br />

ges<strong>und</strong>heitsbee<strong>in</strong>trächtigende Wirkung von Stressoren <strong>und</strong> Belastungen gemil<strong>der</strong>t <strong>und</strong> „abgepuffert“<br />

werden soll (Mohr <strong>und</strong> Udris <strong>in</strong> Schwarzer 1996, S. 560). Auf zwei situative Ressourcen soll nun, da<br />

sie für die betriebliche <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung von beson<strong>der</strong>er Bedeutung s<strong>in</strong>d, näher e<strong>in</strong>gegangen<br />

werden. Als erstes soll hierbei die Ressource „Handlungs- <strong>und</strong> Kontrollspielraum“ näher erläutert<br />

werden. Danach wird die Ressource <strong>der</strong> sozialen Unterstützung genauer def<strong>in</strong>iert.<br />

Ausgehend von <strong>der</strong> Annahme, dass Menschen e<strong>in</strong> Gr<strong>und</strong>bedürfnis nach Durchschaubarkeit,<br />

Verstehbarkeit <strong>und</strong> Beherrschbarkeit von Ereignissen haben, wird e<strong>in</strong>er arbeitenden Person<br />

beispielsweise freigestellt, welche Tätigkeiten sie wie über den Tag verteilen möchte. „Die Person hat<br />

somit die Möglichkeit, Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>und</strong> Leistungsfähigkeit aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> abzustimmen“ (Mohr <strong>und</strong><br />

Udris <strong>in</strong> Schwarzer 1996, S. 560). Sie kann so schwierige Aufgaben dann ausführen, wenn ihre<br />

Leistungsfähigkeit am höchsten ist, leichte Tätigkeiten, wenn ihre Leistung abs<strong>in</strong>kt. Die Person<br />

bekommt durch diese Möglichkeit zur freien Zeite<strong>in</strong>teilung e<strong>in</strong>en größeren Handlungsspielraum<br />

zugesprochen. Weiterh<strong>in</strong> verfügt sie dadurch über e<strong>in</strong> gewisses Maß an persönlicher Kontrolle über<br />

ihre Arbeit. Daraus folgt: „Personen, die über persönliche Kontrolle verfügten, wiesen weniger<br />

psychosomatische Beschwerden auf als Personen, die <strong>in</strong> gleichem Ausmaß Stressoren ausgesetzt<br />

waren, jedoch selbst ke<strong>in</strong>e Kontrolle darüber ausüben konnten“ (Mohr <strong>und</strong> Udris <strong>in</strong> Schwarzer 1996,<br />

S. 561). Trotz hoher Belastung, so ergänzen Mohr <strong>und</strong> Udris, führen Überfor<strong>der</strong>ungen dann nicht o<strong>der</strong><br />

nur im ger<strong>in</strong>gen Maße zu psychischen Auswirkungen, wenn die arbeitenden Personen genügend<br />

Freiraum <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeitsgestaltung e<strong>in</strong>geräumt bekommen.<br />

7


E<strong>in</strong>e weitere, wichtige situative Ressource besteht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Anwesenheit starker sozio-emotionaler<br />

Netze, welche ebenfalls ges<strong>und</strong>heitsstützende Funktionen haben. Damit dies erfolgen kann, müssen<br />

die äußeren Bed<strong>in</strong>gungen am Arbeitsplatz, d.h. bestimmte Rahmenbed<strong>in</strong>gungen erfüllt se<strong>in</strong>. Denn<br />

soziale Unterstützung kann nur da erfolgen, wo Möglichkeiten für sie bestehen (z.B. die Möglichkeit<br />

sich von e<strong>in</strong>er Masch<strong>in</strong>e entfernen zu können, um Unterstützung empfangen zu können (Mohr <strong>und</strong><br />

Udris <strong>in</strong> Schwarzer 1996, S. 562)). Umgesetzt wird soziale Unterstützung hauptsächlich <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung<br />

von Arbeitsorganisation <strong>in</strong> selbstregulierenden bzw. teilautonomen Arbeitsgruppen. Die Erfahrung mit<br />

solchen Gruppen hat gezeigt, „dass soziale Unterstützungsprozesse konstitutiver Bestandteil <strong>der</strong><br />

Arbeitsorganisation se<strong>in</strong> können, d.h. <strong>in</strong> Arbeitssystemen, <strong>in</strong> denen soziale Unterstützung quasi<br />

e<strong>in</strong>gebaut s<strong>in</strong>d,......,kann die Situationskontrolle vergrößert <strong>und</strong> die kognitive Kontrolle verstärkt<br />

werden“ (Mohr <strong>und</strong> Udris <strong>in</strong> Schwarzer 1996, S. 562). Soziale Unterstützung führt allgeme<strong>in</strong>, so<br />

verdeutlichen es die Längsschnittdaten von Frese <strong>und</strong> Semmer, zu e<strong>in</strong>er Reduzierung von Stressoren.<br />

Dies gilt allerd<strong>in</strong>gs nur für psychische Stressoren (wie z.B. Arbeitsplatzunsicherheit,<br />

Konzentrationsanfor<strong>der</strong>ungen etc.). Physikalische Stressoren ( z.B. e<strong>in</strong>seitige Körperhaltung,<br />

quantitative Überfor<strong>der</strong>ung) s<strong>in</strong>d davon nicht berührt.<br />

Aber auch Merkmalen <strong>der</strong> Arbeitstätigkeit (z.B. Komplexität <strong>der</strong> Tätigkeit, Variabilität <strong>der</strong> Aufgaben),<br />

die zwar ke<strong>in</strong>e direkt wirksame Ressource darstellen, da sie bestehende Stressoren nicht<br />

bee<strong>in</strong>flussen, son<strong>der</strong>n als Anfor<strong>der</strong>ungen gesehen werden können, die persönliche Ressourcen<br />

(wesentlich: fachliche <strong>und</strong> soziale Kompetenz) aufbauen, wird e<strong>in</strong>e persönlichkeitsför<strong>der</strong>liche Wirkung<br />

zugeschrieben.<br />

2.3 Zusammenfassung <strong>der</strong> Ergebnisse<br />

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „betriebliche <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung im Abbau von<br />

Stressoren, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Erweiterung bzw. im Aufbau von personalen <strong>und</strong> situativen Ressourcen <strong>und</strong> aus <strong>der</strong><br />

Schaffung persönlichkeitsför<strong>der</strong>licher Bed<strong>in</strong>gungen bestehen kann“ (Mohr <strong>und</strong> Udris <strong>in</strong> Schwarzer<br />

1996, S. 564). Die Weltges<strong>und</strong>heitsorganisation (WHO) for<strong>der</strong>t <strong>in</strong> ihrem Beitrag zur<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung ebenfalls e<strong>in</strong> höheres Maß an Selbstbestimmung <strong>der</strong> Menschen über ihre<br />

Lebensumstände, um dadurch e<strong>in</strong>e Stärkung <strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> zu erreichen. <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>spotential, so<br />

die WHO, könne nur dann entfaltet werden, wenn Menschen auf die Faktoren, die ihre <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong><br />

bee<strong>in</strong>flussen auch E<strong>in</strong>fluss nehmen können.<br />

2.4 Analyse <strong>und</strong> Abbau von Stressoren<br />

Um Stressoren jedoch erfolgreich verän<strong>der</strong>n zu können, sollte zuerst e<strong>in</strong>e Analyse von Stressoren im<br />

Betrieb, sei es durch Experten o<strong>der</strong> die Betroffenen selbst, erfolgen. Dies setzt wie<strong>der</strong>um e<strong>in</strong><br />

angemessenes <strong>und</strong> sensibles Empf<strong>in</strong>den für die Wahrnehmung von körperlichen <strong>und</strong> emotionalen<br />

Stressoren voraus. <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> bedeutet laut Mohr <strong>und</strong> Udris also auch, Reaktionen auf<br />

Fehlbeanspruchungen rechtzeitig wahrzunehmen. Wenn dies nicht <strong>der</strong> Fall ist, sollte diese Fähigkeit<br />

erlernt werden. „Die <strong>in</strong> vielen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ungsprogrammen e<strong>in</strong>gesetzten körpernahen<br />

Verfahren (Biofeedback, autogenes Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g, Entspannungsverfahren) können zu e<strong>in</strong>er Erhöhung von<br />

Sensibilität für Stressreaktionen beitragen“ (Mohr <strong>und</strong> Udris <strong>in</strong> Schwarzer 1996, S. 564). In e<strong>in</strong>em<br />

8


weiteren Schritt müssen die identifizierten Stressreaktionen den relevanten Stressoren zugeordnet<br />

werden. Erst so ist überhaupt möglich, e<strong>in</strong>e Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Stressoren zu bewirken.<br />

2.4.1 Antizipierte <strong>und</strong> reaktive Vorgehensweisen bei <strong>der</strong> Reduzierung von Stressoren<br />

Die Reduzierung von Stressoren kann e<strong>in</strong>erseits durch ihre Elim<strong>in</strong>ierung o<strong>der</strong> durch die<br />

Abschwächung ihrer Wirkung erfolgen. Dieses kann e<strong>in</strong>mal reaktiv bzw. korrektiv, also nach dem<br />

Auftreten von Stressoren geschehen o<strong>der</strong> aber präventiv, d.h. vor ihrem Auftreten. Das präventive<br />

Verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n von Stressoren ist, so Mohr <strong>und</strong> Udris, e<strong>in</strong>e Aufgabe <strong>der</strong> Arbeitsgestaltung <strong>und</strong> somit <strong>der</strong><br />

betrieblichen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung, da sich das Antizipieren von Stressoren dem Wirkungsbereich<br />

<strong>der</strong> Betroffenen entziehe. Reaktive <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung verlangt h<strong>in</strong>gegen nach <strong>der</strong><br />

„Berücksichtigung des Zusammenwirkens von Stressoren, Ressourcen <strong>und</strong> Anfor<strong>der</strong>ungen, die die<br />

Tätigkeit enthält“ (Mohr <strong>und</strong> Udris <strong>in</strong> Schwarzer 1996, S. 565).<br />

2.4.2 Abbau von Stressoren unter Berücksichtigung des Zusammenwirkens von Stressoren,<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>und</strong> Ressourcen – e<strong>in</strong> Beispiel<br />

Dass das Zusammenwirken von Stressoren berücksichtig werden muss, beweist e<strong>in</strong>e Maßnahme, die<br />

zur Entlastung <strong>der</strong> Schreibkräfte <strong>in</strong> zentralen Schreibüros <strong>und</strong> Verwaltungen e<strong>in</strong>geführt wurde. Die<br />

Entlastung bestand <strong>in</strong> dem Wegfall von an<strong>der</strong>en Aufgaben, wie z.B. „Telefonate führen“. Dies führte<br />

zwar zu e<strong>in</strong>er höheren Anschlagzahl pro Schreibkraft <strong>und</strong> Arbeitstag, allerd<strong>in</strong>gs auch zu e<strong>in</strong>er höheren<br />

Erkrankungsrate. Die e<strong>in</strong>seitige Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Stressoren zugunsten <strong>der</strong> eigentlichen Arbeit,<br />

nämlich <strong>der</strong> Schreibarbeit, hat sich <strong>in</strong> diesem Fall nicht bewährt, da sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Reduzierung von<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verr<strong>in</strong>gerung von Handlungsspielräumen bestand. Mohr <strong>und</strong> Udris fügen<br />

h<strong>in</strong>zu, „dass die auf die Situation abgestimmten Interventionsprogramme effektiver s<strong>in</strong>d als allgeme<strong>in</strong>e<br />

Stressmanagementprogramme“ (Mohr <strong>und</strong> Udris <strong>in</strong> Schwarzer 1996, S. 565).<br />

2.4.3 Verbesserung personaler Ressourcen<br />

Bei <strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung am Arbeitsplatz dürfen auch personale Ressourcen bzw. <strong>der</strong>en<br />

Verbesserung nicht zu kurz kommen. So sollten sowohl soziale Kompetenz tra<strong>in</strong>iert als auch <strong>der</strong><br />

Kompetenz abträgliche Verhaltensweisen verän<strong>der</strong>t werden. Damit diese sozialen Kompetenzen auch<br />

wirklich im Arbeitsleben langfristig umgesetzt werden, bedarf es zweier Bed<strong>in</strong>gungen: E<strong>in</strong>mal muss<br />

e<strong>in</strong>e erlernte Bewältigungsstrategie von Erfolg gekrönt se<strong>in</strong> d.h. bei ihrer Ausführung werden sie auch<br />

von an<strong>der</strong>en Mitarbeitern akzeptiert <strong>und</strong> aktiv umgesetzt. E<strong>in</strong>e weitere Voraussetzung besteht <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> aufrechthaltenden Bed<strong>in</strong>gungen des zu verän<strong>der</strong>nden Verhaltens. Dies me<strong>in</strong>t, dass<br />

beispielsweise e<strong>in</strong> Anti-Raucherprogramm nur dann gute Erfolge erzielen kann, wenn „die<br />

Raucherpause nicht die e<strong>in</strong>zig sozial legitimierte Form bleibt, sich Erholungsräume zu schaffen“ (Mohr<br />

<strong>und</strong> Udris <strong>in</strong> Schwarzer 1996, S. 566).<br />

Wichtig zu ergänzen an dieser Stelle sei die Tatsache, dass Programme, <strong>der</strong>en Ziel es ist<br />

ges<strong>und</strong>heitsschädigendes Verhalten zu reduzieren, ke<strong>in</strong>en Beitrag leisten zu präventiven<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung am Arbeitsplatz, da sie ausschließlich auf das Individuum Bezug nehmen.<br />

9


2.5 For<strong>der</strong>ungen an e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tegrierte betriebliche <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung<br />

„Für e<strong>in</strong>e erfolgreiche betriebliche <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung folgt aus <strong>der</strong> bisherigen Darstellung, dass<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> nicht nur über Verhaltensän<strong>der</strong>ungen von Betroffenen zu erreichen ist, son<strong>der</strong>n vor allem<br />

auch die Verän<strong>der</strong>ung von Verhältnissen erfor<strong>der</strong>t“ (Mohr <strong>und</strong> Udris <strong>in</strong> Schwarzer 1996, S. 567). Um<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung <strong>in</strong> die Tat umzusetzen, so Mohr <strong>und</strong> Udris, bedarf es <strong>der</strong> Bereitschaft aller<br />

Verantwortlicher des Betriebes. Präventive <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung setzt bereits an <strong>der</strong> Gestaltung <strong>der</strong><br />

Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen an, nicht erst bei den Folgen, die diese Bed<strong>in</strong>gungen nach sich ziehen können.<br />

3. Betriebliche <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung<br />

Im folgenden Artikel von Liepmann <strong>und</strong> Felfe werden Ansätze, Probleme, Rahmenbed<strong>in</strong>gungen,<br />

Aufgaben <strong>und</strong> Perspektiven <strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung näher betrachtet. Ergänzend werden zwei<br />

erfolgreiche <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sprogramme, das STAYWELL-Programm <strong>und</strong> das Life-for-Life vorgestellt.<br />

E<strong>in</strong>führend geben Liepmann <strong>und</strong> Felfe e<strong>in</strong>e kurzen geschichtlichen Rückblick über die Entwicklung<br />

<strong>und</strong> Akzeptanz <strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung von den sechziger Jahren bis heute.<br />

In den sechziger <strong>und</strong> siebziger Jahren, im Zuge <strong>der</strong> ökonomisch günstigen Situation, war man<br />

gegenüber <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sprogrammen <strong>in</strong> Organisationen sehr positiv e<strong>in</strong>gestellt. Man war bereit, so<br />

schil<strong>der</strong>n es Liepmann <strong>und</strong> Felfe, auch ausgefallen Konzepten zur <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung e<strong>in</strong>e<br />

Chance zu geben. Mit <strong>der</strong> Rezession Ende <strong>der</strong> siebziger bzw. Anfang <strong>der</strong> achtziger Jahre war dieser<br />

anfängliche Boom jedoch schnell vorbei. Ger<strong>in</strong>ge Produktivität, steigende Arbeitslosigkeit <strong>und</strong><br />

s<strong>in</strong>kende Profite bestimmten entscheidend die wirtschaftliche Lage. „E<strong>in</strong>e starke Skepsis gegenüber<br />

dem sozialen <strong>und</strong> ökonomischen Nutzen von <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sprogrammen- <strong>und</strong> Konzepten machte sich<br />

breit“ (Liepmann <strong>und</strong> Felfe <strong>in</strong> Schwarzer 1997, S. 536). E<strong>in</strong>e kritische Diskussion um die Wirksamkeit<br />

<strong>und</strong> Effektivität von <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sprogrammen <strong>in</strong> Organisationen begann, verstärkt musste betriebliche<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung sich nun den Anfor<strong>der</strong>ungen e<strong>in</strong>es Qualitätsmanagements stellen.<br />

3.1 Entwicklung von <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sprogrammen: Ansätze <strong>und</strong> Probleme<br />

Die Integrierung von <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sprogrammen <strong>in</strong> den spezifischen Organisationsprozess von<br />

Betrieben funktioniert nur, so Liepmann <strong>und</strong> Felfe, wenn das Augenmerk hierbei auf drei Ebenen<br />

sozialer Strukturen gelenkt wird: Das Individuum, die Gruppe <strong>und</strong> die Organisation. Die Phasen e<strong>in</strong>es<br />

solchen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sprogramms müssten hierbei <strong>in</strong> <strong>der</strong> Problemidentifikation, <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung von<br />

För<strong>der</strong>maßnahmen <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g, sowie letztendlich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Aufrechterhaltung von<br />

Verän<strong>der</strong>ungen bestehen.<br />

Möchte man sowohl das Individuum, wie auch die Gruppe <strong>und</strong> natürlich die Organisation an sich <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skonzeption berücksichtigen, wird es schwierig. Das erste Problem zeigt sich beim<br />

E<strong>in</strong>satz <strong>in</strong>dividueller Ansätze. Diese lassen sich <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e aufgr<strong>und</strong> ihres speziellen Ansatzes<br />

(meist Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Verhaltensmodifikation), ihrer hohen Kosten, ihrer Angelegtheit auf kle<strong>in</strong>e Gruppen<br />

<strong>und</strong> auch aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Schwierigkeit bei <strong>der</strong> Aufrechterhaltung <strong>der</strong> verän<strong>der</strong>ten Verhaltensweisen nur<br />

schlecht <strong>in</strong> Organisationen unterbr<strong>in</strong>gen <strong>und</strong> waren dort auch wenig erfolgreich. Organisationale<br />

Ansätze berücksichtigen wie<strong>der</strong>um nicht das Individuum. Als geeignet erweisen sich allerd<strong>in</strong>gs<br />

Selbstkontrolltheorien, da diese auf allen drei Ebenen angewendet werden können, komb<strong>in</strong>iert mit<br />

Pr<strong>in</strong>zipien <strong>der</strong> Verhaltenstheorie. „ Abrams et al. schlagen vor, Aspekte <strong>der</strong> Selbstkontrolle <strong>und</strong> des<br />

10


Problemlösetra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs mit Gr<strong>und</strong>pr<strong>in</strong>zipien organisationaler Verhaltensmodifikation <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Rahmenkonzept zu vere<strong>in</strong>igen, das für e<strong>in</strong> organisationsweites <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sprogramm Anwendung<br />

f<strong>in</strong>den könnte“ (Liepmann <strong>und</strong> Felfe <strong>in</strong> Schwarzer 1997, S. 536). Im Gegensatz zu traditionell<br />

kl<strong>in</strong>ischen Programmen wird bei diesen Programmen häufig auf e<strong>in</strong>e gewisse Wettbewerbssituation<br />

zurückgegriffen. Starke, gegenseitige Unterstützung <strong>in</strong> den Gruppen muss bei <strong>der</strong> Anwendung von<br />

Selbstkontrolltechniken vorhanden se<strong>in</strong>. Selbstkontrolltechniken werfen, so beschreiben es Liepmann<br />

<strong>und</strong> Felfe vollkommen neue Möglichkeiten auf: „Die E<strong>in</strong>beziehung bisher wenig motivierter<br />

Organisationsmitglie<strong>der</strong>, die Optimierung von Generalisierungsaspekten, die Stabilisierung des<br />

verän<strong>der</strong>ten Verhaltens <strong>und</strong> die permanente Verbesserung <strong>der</strong> laufenden Programme könnten e<strong>in</strong>ige<br />

mittelfristige Ziele darstellen“ (Liepmann <strong>und</strong> Felfe <strong>in</strong> Schwarzer 1997, S. 536).<br />

3.2 <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sprogramme: Rahmenbed<strong>in</strong>gungen, Aufgaben, Beispiele<br />

Hier sollen nun zwei bewährte <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sprogramme näher vorgestellt werden. Es handelt sich<br />

hierbei um das STAYWELL-Programm von Control Data, sowie um das Live-for-Live-Programm von<br />

Johnson <strong>und</strong> Johnson. Diese Programme „spiegeln <strong>in</strong> ihrer Anlage <strong>und</strong> Komplexität e<strong>in</strong> breites<br />

Problemspektrum wi<strong>der</strong>“ (Liepmann <strong>und</strong> Felfe <strong>in</strong> Schwarzer 1997, S. 538).<br />

3.2.1 Das STAYWELL-Programm<br />

Das STAYWELL-Programm wurde Ende <strong>der</strong> siebziger Jahre <strong>in</strong>itiiert. Von Beg<strong>in</strong>n an war geplant,<br />

dieses Programm auf se<strong>in</strong>en Erfolg h<strong>in</strong> empirisch zu prüfen, gegebenenfalls zu modifizieren um es<br />

letztlich unter Kosten-Nutzen-Erwägungen e<strong>in</strong>setzen zu können. Das Ziel des Programms besteht<br />

letztendlich dar<strong>in</strong>, auf längere Sicht e<strong>in</strong>e Kostenreduktion für die Organisation zu erreichen.<br />

Ausgangsthese des Programms bestand <strong>in</strong> <strong>der</strong> Aussage, dass Menschen mit e<strong>in</strong>er schlechten<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> den Betrieb letzten Endes nur mehr kosten. Vermutete Zusammenhänge zwischen<br />

Risikoverhalten <strong>und</strong> Krankheitsbil<strong>der</strong>n wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Lungenkrebs etc. gaben<br />

letztendlich den entscheidenden Anstoß.<br />

Dass ihre Vermutung richtig war, zeigte sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Analyse vorliegen<strong>der</strong> Daten <strong>der</strong> eigenen<br />

Mitarbeiter: Die Gegenüberstellung von Nicht-Risikogruppen vs. Risikogruppen (Rauchen,<br />

Übergewicht, Bluthochdruck, mangelnde Fitness) erbrachte für die abhängigen Variablen<br />

„Krankheitskosten“ bzw. „Anzahl <strong>der</strong> Krankheitstage“ teilweise systematische Unterschiede“<br />

(Liepmann <strong>und</strong> Felfe <strong>in</strong> Schwarzer 1997, S. 538).<br />

22.000 Organisationsmitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Control Data Company <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Ehepartner haben dieses<br />

Programm bisher freiwillig nachgefragt. Die Beteiligung <strong>der</strong> Organisationsmitglie<strong>der</strong> lag <strong>in</strong> den ersten<br />

Jahren zwischen 65% <strong>und</strong> 95%. Das STAYWELL-Programm setzt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Hauptpunkten auf die<br />

Verän<strong>der</strong>ung bzw. Verbesserung folgen<strong>der</strong> D<strong>in</strong>ge: „Im Mittelpunkt des Programms stehen<br />

Rauchverhalten, Gewichtskontrolle sowie Stress-Management, Fitnesstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g <strong>und</strong><br />

Ernährungsverhalten“ (Liepmann <strong>und</strong> Felfe <strong>in</strong> Schwarzer 1997, S. 538). Weiterh<strong>in</strong> ist das Programm<br />

unterteilt nach unterschiedlichen Phasen, beg<strong>in</strong>nend mit e<strong>in</strong>er Orientierungsphase für Arbeitnehmer<br />

<strong>und</strong> Management, über die Überprüfung des aktuellen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sverhaltens, bis zu<br />

verhaltensorientierten Kursen <strong>in</strong> je<strong>der</strong> Phase. Nicht vernachlässigt wird auch die Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

11


Arbeitsumgebung h<strong>in</strong>sichtlich ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>n<strong>der</strong> Aspekte. Abgesehen von <strong>der</strong><br />

Orientierungsphase werden alle Leistungen <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Arbeitszeit angeboten.<br />

Die ersten Ergebnisse des STAYWELL-Programms, nach ca. zwei bis drei Jahren des E<strong>in</strong>satzes<br />

ergaben: „Der Gruppenvergleich (zwischen e<strong>in</strong>er Kontrollgruppe <strong>und</strong> mehreren Treatmentgruppen, die<br />

<strong>in</strong> unterschiedlichen Formen des aktuellen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sverhaltens bestanden) erbrachte teilweise<br />

starke Unterschiede zugunsten e<strong>in</strong>er positiven Verän<strong>der</strong>ung seitens <strong>der</strong> Treatmentgruppen“<br />

(Liepmann <strong>und</strong> Felfe <strong>in</strong> Schwarzer 1997, S. 539). Das Programm wurde nach zahlreichen<br />

Modifikationen <strong>und</strong> Anpassungen an die jeweilige Organisation, auch <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Firmen e<strong>in</strong>gesetzt.<br />

3.2.2 Das Life-for-Life Programm<br />

Das Life-for-Life Programm des Unternehmens „Johnson <strong>und</strong> Johnson“ hat sich neben <strong>der</strong> Reduktion<br />

<strong>der</strong> Kosten für die Organisation, die durch <strong>in</strong>adäquates <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sverhalten entstehen, langfristig<br />

folgendes zum Ziel gesetzt: 1. E<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e Verbesserung <strong>der</strong> Lebensqualität ihrer Mitglie<strong>der</strong>, 2.<br />

e<strong>in</strong>e Erhöhung <strong>der</strong> Leistung <strong>und</strong> 3. auch e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>stellungsverän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Beschäftigten gegenüber<br />

dem Unternehmen. Bei den kurzfristigen Zielen geht es hauptsächlich, ähnlich dem STAYWELL-<br />

Programm, um Verän<strong>der</strong>ungen im Bewegungsverhalten, Umgang mit Stress, Ernährungsverhalten,<br />

Kenntnissen über <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sverhalten etc.<br />

Auch hier wurde das Programm <strong>in</strong> mehrere Schritte unterteilt. Es geht zum ersten um e<strong>in</strong>e<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sbeurteilung <strong>der</strong> Beschäftigten. Hierbei werden mediz<strong>in</strong>ische, Verhaltens- <strong>und</strong><br />

E<strong>in</strong>stellungsdaten erhoben. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen dienen <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es dann<br />

folgenden Sem<strong>in</strong>ars als Basis, um die Teilnehmer auf das Programm e<strong>in</strong>zustimmen. Dann folgen die<br />

unterschiedlichen Programme (wobei im Text nicht klar wird, welches Programm für wen bzw. ob je<strong>der</strong><br />

jedes Programm besuchen kann o<strong>der</strong> sollte). Abschließend s<strong>in</strong>d Rückmeldungen willkommen. Nach<br />

12 bzw. 24 Monaten wurde e<strong>in</strong> erster Evaluationsversuch gewagt, wobei sieben Werke des<br />

Unternehmens <strong>der</strong> Untersuchung zur Verfügung standen (vier Werke als Untersuchungsgruppen <strong>und</strong><br />

drei als Kontrollgruppen). Diese Untersuchung erbrachte folgendes Ergebnis „Insgesamt lassen die<br />

ersten Ergebnisse auf e<strong>in</strong>e systematische Überlegenheit <strong>der</strong> Untersuchungsgruppen schließen“<br />

(Liepmann <strong>und</strong> Felfe <strong>in</strong> Schwarzer 1997, S. 539).<br />

3.2.3 <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>szirkel<br />

Kurz soll noch auf die E<strong>in</strong>richtung von <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>szirkeln e<strong>in</strong>gegangen werden. „Auch bei diesem<br />

Konzept steht neben dem gewachsenen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sbedürfnis <strong>der</strong> Organisationsmitglie<strong>der</strong> e<strong>in</strong><br />

ökonomisches Interesse <strong>der</strong> Organisation“ (Liepmann <strong>und</strong> Felfe <strong>in</strong> Schwarzer 1997, S. 539). Der<br />

Schwerpunkt von <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>szirkeln liegt primär <strong>in</strong> <strong>der</strong> Prävention von Stress, dem Umgang mit<br />

Belastungssituationen, <strong>der</strong> Vermittlung von Entspannungstechniken <strong>und</strong> <strong>der</strong> Prävention<br />

stressbezogener Erkrankungen. Hier s<strong>in</strong>d die Arbeitnehmer im wesentlichen auch selbst gefragt,<br />

<strong>in</strong>dem sie ihren <strong>in</strong>dividuellen Erfahrungsschatz <strong>in</strong> die Diskussion mit e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen. An diesen<br />

Erfahrungen, subjektiven Bef<strong>in</strong>dlichkeiten <strong>und</strong> auch objektiven Belastungen wird schließlich auch<br />

angesetzt, wenn es um die geme<strong>in</strong>same Erarbeitung von Verbesserungsvorschlägen geht.<br />

Eigenverantwortlichkeit <strong>und</strong> Selbstbestimmung werden <strong>in</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>szirkeln groß geschrieben. Laut<br />

12


Liepmann <strong>und</strong> Felfe, stellen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>szirkel „e<strong>in</strong> zentrales Instrument zur Optimierung <strong>der</strong><br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung dar“.<br />

3.3 Akzeptanz von <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sprogrammen<br />

Laut Macdonald <strong>und</strong> Wells (Liepmann <strong>und</strong> Felfe <strong>in</strong> Schwarzer 1997, S. 539), welche Langzeitstudien<br />

über die Akzeptanz von <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sprogrammen im kanadischen Raum durchführten, fragen ca.<br />

37,5% aller Beschäftigten Maßnahmen <strong>der</strong> betrieblichen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung nach. Es lasse sich<br />

beobachten, so Macdonald <strong>und</strong> Wells, das <strong>der</strong> Trend zunehmend zur freiwilligen Teilnahme an<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sprogrammen gehe. Auch werde bei <strong>der</strong> Wahl nach dem Anbieter verstärkt darauf<br />

geachtet, organisationsexterne Anbieter von Maßnahmen zu Rate zu ziehen. Beson<strong>der</strong>s gefragt s<strong>in</strong>d<br />

dabei Programme, die sich mit Blutdruck- <strong>und</strong> Ernährungsproblemen ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen. Weniger „im<br />

Trend“ liegen Programme, die sich mit Antiraucherverhalten <strong>und</strong> Alkoholproblemen beschäftigen.<br />

3.4 Motivierung durch ökonomische Anreize<br />

Doch was kann nun geschehen, um die Arbeitnehmer zu e<strong>in</strong>er kont<strong>in</strong>uierlichen Teilnahme an<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ungsmaßnahmen zu motivieren? In diesem Zusammenhang favorisieren Warner<br />

<strong>und</strong> Murt (Liepmann <strong>und</strong> Felfe <strong>in</strong> Schwarzer 1997, S. 541) vier Kategorien ökonomischer Anreize:<br />

Dies s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>mal E<strong>in</strong>kommensverän<strong>der</strong>ungen, (hierbei werden die Arbeitnehmer für e<strong>in</strong> klar def<strong>in</strong>iertes<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sverhalten durch E<strong>in</strong>kommensverbesserungen belohnt, die e<strong>in</strong>malig o<strong>der</strong> kont<strong>in</strong>uierlich<br />

erfolgen) Preisgestaltung, Verän<strong>der</strong>ungen bei an<strong>der</strong>en Kosten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitsorientierte betriebliche<br />

Versicherungswesen (E<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gung von Versicherungsleistungen). Dabei ist <strong>der</strong> positive bzw. negative<br />

Charakter von Anreizen <strong>und</strong> <strong>der</strong>en direkte o<strong>der</strong> <strong>in</strong>direkte Gabe zu berücksichtigen. Auch das Ausmaß<br />

an Freiwilligkeit bei <strong>der</strong> Teilnahme an Programmen <strong>und</strong> <strong>der</strong> zeitliche Rahmen müssen beachtet<br />

werden. Nicht zuletzt muss es e<strong>in</strong>e für jeden zu erkennende Verknüpfung zwischen Anreiz <strong>und</strong><br />

Verhaltensän<strong>der</strong>ung geben.<br />

Es sche<strong>in</strong>t letztendlich so zu se<strong>in</strong>, dass e<strong>in</strong>e kont<strong>in</strong>uierliche Belohnung besser angenommen wird als<br />

e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>malige, wenn auch höhere Entlohnung. Auch die Höhe des Anreizes <strong>und</strong> <strong>der</strong> Druck <strong>in</strong>nerhalb<br />

<strong>der</strong> Gruppe spielen e<strong>in</strong>e entscheidende Rolle. Außerdem werden positive gegenüber negativen<br />

Reizen eher akzeptiert.<br />

3.5 Evaluationsprobleme<br />

Auf das Problem <strong>der</strong> Auswertung von <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ungsmaßnahmen soll nur kurz e<strong>in</strong>gegangen<br />

werden. Liepman <strong>und</strong> Felfe äußern sich hierzu wie folgt: „Bedenkt man die Anstrengungen, Kosten<br />

<strong>und</strong> Erwartungen, die an den E<strong>in</strong>satz von <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sprogrammen <strong>in</strong> Organisationen geknüpft<br />

werden, so fällt die Evaluation dieser Maßnahmen vergleichsweise bescheiden aus“ (Liepmann <strong>und</strong><br />

Felfe <strong>in</strong> Schwarzer 1997, S. 542). Gründe hierfür liegen unter an<strong>der</strong>em <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er mangelnden<br />

Operationalisierung <strong>und</strong> Quantifizierung von Effektivitätsmaßen, Inkonsistenzen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Konzeptualisierung, fehlende begriffliche E<strong>in</strong>deutigkeit usw. Auch bestehe, so Liepmann <strong>und</strong> Felfe,<br />

Une<strong>in</strong>igkeit darüber, welche Daten überhaupt <strong>in</strong> die Analyse e<strong>in</strong>gebracht werden sollten. H<strong>in</strong>zu<br />

kommen Störgrößen wie experimentelle Mortalität, motivationale Aspekte (wenn z.B. Mitarbeiter an<br />

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<strong>der</strong> Entwicklung e<strong>in</strong>es Programms selber teilnehmen dürfen) <strong>und</strong> Stellung <strong>der</strong> Betroffenen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Hierarchie.<br />

Dies s<strong>in</strong>d nur wenige <strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Evaluation von <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sdaten verb<strong>und</strong>enen Probleme <strong>und</strong><br />

Schwierigkeiten. Allerd<strong>in</strong>gs muss h<strong>in</strong>zugefügt werden, dass die meisten zu evaluierenden Programme<br />

erst kurzfristig im E<strong>in</strong>satz s<strong>in</strong>d, so dass man an die Ergebnisse noch nicht allzu große Erwartungen<br />

stellen kann – so Liepmann <strong>und</strong> Felfe.<br />

3.6 Qualitätsmanagement <strong>und</strong> Qualitätssicherung<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sprogramme werden immer mehr zu e<strong>in</strong>em wichtigen Bestandteil, um e<strong>in</strong>e effektive<br />

Personalentwicklung leisten zu können, so sehen es Liepmann <strong>und</strong> Felfe. Da die Sicherung e<strong>in</strong>es<br />

qualifizierten Mitarbeiterstammes unabd<strong>in</strong>gbar für e<strong>in</strong> Unternehmen ist, darf auch die Verbesserung<br />

ges<strong>und</strong>heitlicher Aspekte nicht h<strong>in</strong>ten anstehen. <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sprogramme werden dadurch Teil <strong>der</strong><br />

Personalentwicklung, denn sie s<strong>in</strong>d ebenso bedeutsam für die Entwicklung e<strong>in</strong>es qualifizierten<br />

Mitarbeiterstammes wie betriebliche Bildungsarbeit, Karriereplanung, Laufbahnenentwicklung etc.<br />

Wichtig s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> diesem Zusammenhang Überlegungen zur Qualitätssicherung von<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sprogrammen, da sie wie beschrieben e<strong>in</strong>en wichtigen Teil zu Sicherung <strong>und</strong> Erhaltung<br />

e<strong>in</strong>es fähigen Personalstammes beitragen sollen. Hierfür bieten sich die sogenannten<br />

prozessorientierten Strategien an, denn „sie stellen e<strong>in</strong>e kont<strong>in</strong>uierliche Erfassung von Zuständen <strong>in</strong><br />

den Mittelpunkt <strong>und</strong> eröffnen damit die Registrierung von Verän<strong>der</strong>ungen“ (Liepmann <strong>und</strong> Felfe <strong>in</strong><br />

Schwarzer 1997, S. 546). Hierdurch wird e<strong>in</strong> System permanenter Qualitätskotrolle gegeben. Um also<br />

e<strong>in</strong>e Effizienzoptimierung für das Unternehmen zu erreichen s<strong>in</strong>d permanente Modifikationen <strong>und</strong><br />

Verbesserungen auf allen Teilgebieten angesagt. Erst dann kann von e<strong>in</strong>em umfassenden<br />

Qualitätsmanagement <strong>und</strong> letztlich e<strong>in</strong>er Qualitätssicherung gesprochen werden. Liepmann <strong>und</strong> Felfe<br />

fügen h<strong>in</strong>zu, dass es zw<strong>in</strong>gend notwendig sei, die Wünsche, Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>und</strong> Erwartungen <strong>der</strong><br />

Organisationsmitglie<strong>der</strong> zu analysieren, da die Zufriedenheit des Organisationsmitgliedes das Ziel<br />

e<strong>in</strong>es umfassenden Qualitätsmanagements seien sollte. Hierdurch kann die Möglichkeit geschaffen<br />

werden, „die Lücke zwischen den Möglichkeiten <strong>der</strong> Organisation <strong>und</strong> den Erwartungen <strong>der</strong><br />

Organisationsmitglie<strong>der</strong> zu m<strong>in</strong>imieren“ (Liepmann <strong>und</strong> Felfe <strong>in</strong> Schwarzer 1997, S. 546). Dies kann<br />

erreicht werden durch direkte Befragungen <strong>der</strong> Betroffenen o<strong>der</strong> aber über Bedarfsanalysen o<strong>der</strong> die<br />

E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung kompetenter Mitarbeiter.<br />

3.7 Perspektiven<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sprogramme stellen e<strong>in</strong>en enormen Kostenfaktor dar, Kosten, die <strong>in</strong> Zukunft nur noch<br />

weiter zunehmen werden. Aus diesem Gr<strong>und</strong>e s<strong>in</strong>d <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skonzepte nur dann überlebensfähig,<br />

wenn „sie im gleichen Maße auf die Ziele <strong>der</strong> Organisation <strong>und</strong> ihrer Organisationsmitglie<strong>der</strong><br />

abgestimmt s<strong>in</strong>d“ (Liepmann <strong>und</strong> Felfe <strong>in</strong> Schwarzer 1997, S. 548). Gefor<strong>der</strong>t wird <strong>in</strong> diesem<br />

Zusammenhang e<strong>in</strong>e Anpassung aller, die von <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skonzepten profitieren wollen. Liepmann<br />

<strong>und</strong> Felfe ergänzen weiter: „E<strong>in</strong>e zukunftsorientierte <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skonzeption muss die Mitglie<strong>der</strong> von<br />

Organisationen darauf verpflichten, vorhandene Ressourcen selbst zu erkennen, sie adäquat bzw.<br />

effektiv auszusuchen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>zusetzen“ (Liepmann <strong>und</strong> Felfe <strong>in</strong> Schwarzer 1997, S. 548).<br />

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Weiterh<strong>in</strong> müsse es neue Konzepte <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sberatung <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung geben.<br />

E<strong>in</strong> erster Schritt wurde bereits <strong>in</strong> diese Richtung gegangen: E<strong>in</strong> neues Vorgehen, das sogenannte<br />

„Health-Test<strong>in</strong>g“, soll die unterschiedlichen Stufen von <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong> Krankheit bei jedem e<strong>in</strong>zelnen<br />

feststellen, so dass <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sprogramme nach <strong>in</strong>dividuelleren Bedürfnissen zusammengestellt<br />

werden können. Durch dieses Verfahren werden nicht zuletzt auch Kosten e<strong>in</strong>gespart. Doch nicht nur<br />

dieses Programm sche<strong>in</strong>t erfolgsversprechend. Zunehmend werden für Organisationen auch die<br />

sogenannten „Wellness“-Programme von Interesse. Weiterh<strong>in</strong> soll stärker auf organisationale Aspekte<br />

zurückgegriffen werden, die beispielsweise Wettbewerbssituationen <strong>in</strong>nerhalb <strong>und</strong> zwischen e<strong>in</strong>zelnen<br />

Organisationen be<strong>in</strong>halten. E<strong>in</strong>es ist jedoch klar: <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sprogramme werden auch <strong>in</strong> Zukunft e<strong>in</strong>e<br />

immer größere ökonomische Bedeutung für Unternehmen besitzen.<br />

4. Kritische Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> Thematik<br />

Im me<strong>in</strong>er kritischen Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung möchte ich mich gerne näher mit dem allgeme<strong>in</strong>en Trend<br />

zur <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung sowohl im betrieblichen Bereich wie aber auch im Allgeme<strong>in</strong>en<br />

ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen.<br />

Sicherlich besteht gerade <strong>in</strong> unserer Zeit <strong>der</strong> hohen, oft auch e<strong>in</strong>seitigen <strong>und</strong> überstrapazierenden<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen an den Arbeitnehmer e<strong>in</strong> großer Bedarf nach Ausgleich, ges<strong>und</strong>heitlicher Zuwendung<br />

<strong>und</strong> För<strong>der</strong>ung vernachlässigter Ressourcen. Im großen <strong>und</strong> ganzen ist daher die Entwicklung zu<br />

mehr <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sprogrammen <strong>in</strong> Organisationen zu begrüßen. Sie sorgen, wenn man dies e<strong>in</strong>mal<br />

stark vere<strong>in</strong>facht sagen darf, für e<strong>in</strong> größeres Wohlbef<strong>in</strong>den seitens <strong>der</strong> Arbeitnehmer, aber auch für<br />

Gew<strong>in</strong>noptimierung auf Arbeitgeberseite - natürlich nur unter <strong>der</strong> Voraussetzung, dass e<strong>in</strong> Programm<br />

erfolgreich e<strong>in</strong>gesetzt wurde. Was mir jedoch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Darstellung betrieblicher <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung<br />

fehlt, o<strong>der</strong> was möglicherweise auch nicht weiter dargestellt wurde, ist das E<strong>in</strong>setzen von speziellen,<br />

spezifisch zugeschnittenen Programmen für <strong>in</strong>dividuelle Beschwerden, wie es ja auch kurz <strong>in</strong> den<br />

„Perspektiven“ durch das sogenannte „Health-Test<strong>in</strong>g“ angesprochen wird. Denn was soll e<strong>in</strong><br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sprogramm an Nutzen br<strong>in</strong>gen, wenn etwa die Hälfte <strong>der</strong> Teilnehmer primär ganz an<strong>der</strong>e<br />

Bedürfnisse hat?<br />

Etwas bedenklich stimmt mich auch <strong>der</strong> leichtfertige Umgang mit <strong>der</strong> Tatsache, dass bisher ke<strong>in</strong>e<br />

konkreten Forschungsergebnisse über die Effizienz bzw. den Gew<strong>in</strong>n von <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sprogrammen<br />

vorliegen, obwohl diese schon vielfältigst e<strong>in</strong>gesetzt werden: „Bedenkt man die Anstrengungen,<br />

Kosten <strong>und</strong> Erwartungen, die an den E<strong>in</strong>satz von <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sprogrammen <strong>in</strong> Organisationen<br />

geknüpft werden, so fällt die Evaluation dieser Maßnahmen vergleichsweise bescheiden aus“<br />

(Liepmann <strong>und</strong> Felfe <strong>in</strong> Schwarzer 1997, S. 542).<br />

Lei<strong>der</strong> gehört es aber auch heutzutage zum allgeme<strong>in</strong>en Trend, den Zustand „<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>“ ständig <strong>in</strong><br />

Frage zu stellen. Nicht zuletzt die Medien geben e<strong>in</strong>en jedem das Gefühl, <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> sei etwas, das<br />

man sich erst erarbeiten müsse. <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> wird also als etwas dargestellt, das man rational planen<br />

<strong>und</strong> herstellen kann, wenn man sich nur genügend anstrengt. Dies kann sehr schnell auch zur<br />

Übersensibilisierung <strong>und</strong> zu dem Glauben führen, schon ger<strong>in</strong>ges Missempf<strong>in</strong>den müsse behandelt<br />

werden. Das Streben nach <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> wird dadurch für manche, so sche<strong>in</strong>t`s, schier zur<br />

Lebensaufgabe. Dabei klaffen <strong>der</strong> objektiv messbare <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sbef<strong>und</strong> durch die Mediz<strong>in</strong> <strong>und</strong> das<br />

subjektiv gefühlte <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sempf<strong>in</strong>den <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Fällen sicher stark ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>. Das heißt<br />

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letztendlich, man fühlt sich durch das ganze Angebot von Präventionsprogrammen,<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sbroschüren <strong>und</strong> Wellnessangeboten unter Umständen kranker als man eigentlich ist. Der<br />

Bereich des Krankhaften wird dadurch immer weiter aufgebläht. Wenn man recht böse ist, könnte man<br />

behaupten, dass <strong>der</strong> ganze „<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>szirkus“ nur zur Erschließung neuer Märkte betrieben wird,<br />

was jedoch auf das E<strong>in</strong>setzen von <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ungsprogramme (hoffentlich) noch nicht zutrifft.<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sprogramme s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>nvolle Investition, wenn die Effizienz des Programms e<strong>in</strong>deutig<br />

nachgewiesen wurde, die Arbeitnehmer sich weitgehend freiwillig dafür entscheiden <strong>und</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em bestimmten Rahmen bleibt, <strong>und</strong> nicht wie im Artikel „Betriebliche <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung“<br />

gefor<strong>der</strong>t, <strong>in</strong> allen Bereichen ausgebaut werden soll: „Auf operativer Ebene sollten alle Möglichkeiten<br />

des Informationsaustausches genutzt werden. <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>szirkel, Qualitätszirkel, Projektarbeit,<br />

Verbesserungsteams etc.“ (Liepmann <strong>und</strong> Felfe <strong>in</strong> Schwarzer 1997, S. 547). Denn da stellt sich dann<br />

unwillkürlich das Gefühl e<strong>in</strong>, dass es hier nicht mehr um För<strong>der</strong>ung von <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>, son<strong>der</strong>n um<br />

Geschäfte mit dieser geht. Die dadurch entstehenden enormen Kosten für Organisationen s<strong>in</strong>d dann<br />

nicht mehr gerechtfertigt.<br />

Literatur<br />

Mohr, G. & Udris, I. (1996). Arbeit <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>. In R. Schwarzer (Hrsg.), <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>spsychologie (2.<br />

Auflage), S. Gött<strong>in</strong>gen: Hogrefe.<br />

Liepmann, D. & Felfe, J. (1997). Betriebliche <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung. In R. Schwarzer (Hrsg.),<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>spsychologie (2. überarbeitete <strong>und</strong> erweiterte Auflage), S. 535 – 549. Gött<strong>in</strong>gen: Hogrefe.<br />

Bengel, J. & Belz-Merk, M. (1997). Subjektive <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>svorstellungen. In R. Schwarzer (Hrsg.),<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>spsychologie (2. überarbeitete <strong>und</strong> erweiterte Auflage), S. 23 – 37. Gött<strong>in</strong>gen: Hogrefe.<br />

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