Artikel als pdf - Dis|kurs
Artikel als pdf - Dis|kurs
Artikel als pdf - Dis|kurs
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Fazit<br />
Alina Bothe<br />
Der vorliegende Beitrag hat seinen Ausgang in Irritationen genommen, die sich<br />
bei der Lektüre des Werkes Was von Auschwitz bleibt. Das Archiv und der Zeuge<br />
aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive eingestellt haben. Es handelt sich<br />
hierbei um Irritationen, die das Buch nicht selbst in Frage stellen, sondern lediglich<br />
bestimmte Aspekte zugespitzt in die Diskussion bringen sollen. Nach einem<br />
kurzen Überblick über die für diesen Beitrag relevanten Inhalte des Buches sind<br />
dann verschiedene Irritationen formuliert, begründet und abgewogen worden.<br />
Einer der zentralen Kritikpunkte liegt in der Methode Agambens begründet, die<br />
Zeugnissegmente, die er kommentiert, nicht zu kontextualisieren. Es lässt sich argumentieren,<br />
dass dies geschieht, weil es weniger um die individuelle Geschichte<br />
der ZeugInnen geht, sondern um einen Kern, eine Wahrheit, die in diesen Zeugnissen<br />
verborgen liegt. Dennoch ist es ein Vorgehen, das Gefahr läuft, ahistorisch<br />
zu sein. Zudem bleibt seine Auswahl der Zeugnisse weitgehend unbegründet. Eine<br />
der wenigen Begründungen gibt er am Beginn des Buches: »Primo Levi ist ein<br />
perfektes Beispiel des Zeugen« (Agamben 2003, 13). Dies steht ganz sicher außer<br />
Frage, aber auch weitere Zeuginnen und Zeugen haben beeindruckende Zeugnisse<br />
abgelegt, Imre Kertezs genauso wie Elie Wiesel, Rachel Auerbach ebenso wie<br />
Marek Edelman. Es ist vollständig berechtigt, eine Reflexion einer terra ethica<br />
post Auschwitz entlang des Zeugnisses von Primo Levi vorzunehmen. Es ist dann<br />
nur auch zu formulieren, dass dies getan wird und warum andere Zeugnisse und<br />
damit Aspekte der Zeugenschaft unberücksichtigt bleiben. Der Argumentation<br />
Agambens würde es dann auch hilfreich sein, die Segmente aus Levis Werken in<br />
dessen Über-Lebensgeschichte einzubetten und gleichzeitig seine spezifischen Erfahrungen<br />
<strong>als</strong> italienischer Antifaschist und Widerstandskämpfer zu beschreiben.<br />
Die zweite Kritik liegt in seiner Konzeption der Geschichte der Shoah: Hier sind<br />
verschiedene Aspekte dargelegt worden, die Darstellung von Opfern und Tätern,<br />
die Schematisierung der Ereignisse, seine These, dass die historiographische Erfassung<br />
ausreichend sei, die Deutung von Erinnerung, ebenso wie die fehlende Reflexion<br />
seiner eigenen Position. Den Widerstand der Opfer hat Agamben an keiner<br />
Stelle thematisiert. Er spricht von denjenigen, die ihre Würde verloren. Die in der<br />
Erfahrung der Nicht-Würde des Menschen, Mensch blieben. Aber die Versuche,<br />
bothe.indd 91 1/4/13 1:58 AM<br />
91