Artikel als pdf - Dis|kurs
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Alina Bothe<br />
ge zu stellen und konstruktiv zu diskutieren. Dabei ist selbstverständlich stets zu<br />
berücksichtigen, dass Agambens Ansatz kein geschichtswissenschaftlicher ist und<br />
seine ethisch-philosophischen Überlegungen gewisser Zuspitzungen und Verallgemeinerungen<br />
bedürfen. Nichtsdestotrotz erscheint es hilfreich die Grundlagen,<br />
auf denen diese Überlegungen fußen, nachzuvollziehen, um seine gerade auch in<br />
der Historiographie der Shoah relevanten Schlussfolgerungen mit geschichtswissenschaftlicher<br />
Methodik einzuordnen und zu kontextualisieren. Dennoch ist zu<br />
betonen, dass es sich um differente disziplinäre Positionen und Perspektivierun-<br />
gen handelt.<br />
Zum Werk Der Zeuge und der Muselmann<br />
Bevor nachfolgend verschiedene Kritikpunkte an Agambens Argumentation aus<br />
geschichtswissenschaftlicher Perspektive formuliert werden, soll zuvor kurz zusammenfassend<br />
auf einige für diesen Beitrag relevante Aspekte des diskutierten<br />
Werks eingegangen werden. Nach einem prägnanten Vorwort ist das Buch in die<br />
vier Kapitel 1. Der Zeuge, 2. Der »Muselmann«. 3. Die Scham oder Über das Subjekt<br />
und 4. Das Archiv und das Zeugnis unterteilt. Die Überschriftentitel liefern<br />
dabei die zentralen Stichworte in Agambens Reflexion. Das Vorwort führt mehrere<br />
zentrale Aspekte ein: Erstens Agambens Überlegungen zur Aporie von Auschwitz,<br />
zweitens seine Überlegungen zu einer neuen Ethica more Auschwitz demonstrata,<br />
einer Ethik wie sie sich in und durch Auschwitz erwiesen hat, drittens Aspekte seiner<br />
Konzeption der Geschichte der Shoah und viertens Grau <strong>als</strong> Symbol einer neuen<br />
Ethik. Bereits im Vorwort entwickelt Agamben seine Überlegungen zur Aporie<br />
von Auschwitz, die nachfolgend etwas ausführlicher hergeleitet und kontextualisiert<br />
werden sollen, da sie zu den zentralen Thesen des Werkes gehören.<br />
Die Aporie von Auschwitz ist das philosophisch-ethische Problem einer (Nicht-)<br />
Verstehbarkeit der Shoah. Primo Levi hat mit dem Satz »Hier ist kein Warum« 1<br />
festgehalten, was an der Shoah nicht zu verstehen ist. Geoffrey Hartman hat dies<br />
»the one question that haunts us« genannt, auf die Hannah Arendt mit der These<br />
von der Banalität des Bösen eine am Ende unbefriedigende Antwort gegeben hat.<br />
1 Diese prägnante Formulierung ist die Wiedergabe einer Antwort eines SS-Mannes, den<br />
Levi kurz nach seiner Ankunft in Auschwitz nach dem Sinn einer Bestimmung fragte.<br />
»›Warum?‹ frage ich in meinem beschränkten Deutsch. ›Hier ist kein Warum‹, gibt er<br />
mir zur Antwort und treibt mich mit einem Stoß zurück.« (Levi 2007: 31).<br />
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