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Thorolf Lipp und Martina Kleinert Staatliches Museum für ...

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Männerhäuser<br />

Mal<br />

Am Rand des Tanzplatzes stehen die drei Männerhäuser<br />

Mal des Dorfes. Ausschließlich bereits beschnittene<br />

Jungen <strong>und</strong> Männer dürfen sie betreten, Frauen haben<br />

fernzubleiben.<br />

Dass die Männerhäuser im Zentrum des Dorfes, an dessen<br />

zentralster <strong>und</strong> höchstgelegener Stelle positioniert sind, ist kein<br />

Zufall, sondern Ausdruck <strong>für</strong> die besondere männliche Potenz<br />

<strong>und</strong> spirituelle Stärke dieses Ortes.<br />

Die Mal gehören den sechs in Bunlap ansässigen Großfamilien,<br />

Buluim. Diese haben sie gegründet, gebaut <strong>und</strong> sorgen auch<br />

<strong>für</strong> ihren Unterhalt. Oft übernimmt eine Großfamilie beim<br />

Bau eines Männerhauses die Federführung, andere können sich<br />

anschließen <strong>und</strong> so zu Miteigentümern werden.<br />

Ebenso wie in den Kochhütten ist das Innere der Männerhäuser<br />

durch am Boden liegende Baumstämme unterteilt, <strong>und</strong> es sind<br />

mehrere Feuerstellen vorhanden.<br />

Am minder privilegierten Fußende des Männerhauses sitzen<br />

die noch titellosen Jungen. Sie dürfen ausschließlich vom hier<br />

brennenden Feuer essen, dem Ap tun, dem „Feuer ganz hinten“.<br />

Das nächste Feuer ist <strong>für</strong> alle Männer reserviert, die den ersten<br />

<strong>und</strong> zweiten Titel erworben haben. Es wird Ap lon tobol genannt,<br />

das „Feuer in der Mitte“. Am dritten Feuer Ap kon, dem „heiligen<br />

Feuer“, kochen <strong>und</strong> essen alle Männer die drei oder mehr Titel<br />

tragen. Das vierte, privilegierteste Feuer, am Kopfende des Männerhauses,<br />

wird nur in Ausnahmefällen entzündet. Sein Name<br />

ist Ap tor, was soviel bedeutet wie das „heilige Feuer, das durch<br />

Reiben zweier Hölzer erzeugt wird“. Wenn ein Initiand einen<br />

sehr hohen Titel erworben hat, ist er so voller spiritueller Kraft,<br />

Konan, dass er <strong>für</strong> eine begrenzte Zeit nicht mehr mit den anderen<br />

gemeinsam am dritten Feuer essen darf, sondern sich allein<br />

am vierten Feuer versorgen muss. Erst nach einer zehntägigen<br />

Periode der „Abkühlung“ kehrt er zurück ans dritte Feuer.<br />

Herrscht angesichts dieser deutlichen Stratifizierung der Sa<br />

Gesellschaft nun eine strenge Ordnung zwischen den Männern?<br />

Ist ihr alltäglicher Umgang von dem sehr formalen Verhalten<br />

zwischen Angehörigen unterschiedlicher Rangstufen geprägt,<br />

wie es etwa in Polynesien der Fall ist? Keineswegs!<br />

Jung <strong>und</strong> alt, Männer mit vielen <strong>und</strong> Männer mit wenigen<br />

Titeln gehen ungezwungen miteinander um: zwanglos, kaum<br />

ritualisiert, abgesehen von den physischen Grenzen durch die<br />

Position der Feuerstellen im Raum. Kaum einer betritt das Mal<br />

so, wie es sich eigentlich gehören würde, durch den „Hintereingang“<br />

am Fußende. Tatsächlich laufen die kleinen Jungen<br />

bedenkenlos zu ihren Großvätern, Onkeln oder „Sponsoren“,<br />

die am Kopfende des Hauses sitzen <strong>und</strong> Yams oder Taro am<br />

Feuer rösten. Sie ziehen sich gerne in eine dunkle Ecke in der<br />

Mitte des Hauses zurück, um den Gesprächen der Männer zu<br />

lauschen.<br />

Solche Überschreitungen der Etikette, die nicht an der Substanz<br />

des Systems rühren, werden nicht geahndet. Ganz anders verhält<br />

es sich allerdings auch hier – ganz so wie in den Im – hinsichtlich<br />

der Tabus, die mit dem Feuer <strong>und</strong> der Zubereitung der<br />

Speisen beachtet werden. Niemand würde es wagen, von einem<br />

Feuer zu essen, das nicht seinem Rang entspricht. Gravierende<br />

Konsequenzen, eine rituelle Reinigung <strong>und</strong> materielle Entschädigung<br />

in Form von Schweinen, die der Regelübertreter an die<br />

Verwandten seiner Frau bezahlen müsste, wären die Folge.<br />

Die symbolische Ordnung des Raumes – in den Im wie in den<br />

Mal – stellt ein Abbild der Sozialstruktur dar. Hier wird die soziale<br />

Hierarchie deutlich sichtbar: Ganz unten, am Fußende des<br />

Hauses, stehen Frauen <strong>und</strong> Kinder. Ganz oben, am Kopfende,<br />

die Männer, die die größte Zahl an Titeln auf sich vereinen<br />

können. Diese Ordnung gilt auch <strong>für</strong> Gebrauchsgegenstände:<br />

Profane Gegenstände werden am Fußende des Hauses aufbewahrt,<br />

wichtige rituelle Gegenstände am Kopfende.<br />

Die Gegenstände, die in den Männerhäusern zu finden sind,<br />

wunterscheiden sich nicht wesentlich von denen in den<br />

Kochhütten. Auch hier finden sich die üblichen Kochutensilien,<br />

Wasserbehältnisse, Palmwedel, Feuerholz, Steine <strong>für</strong> den<br />

Erdofen, Sitzgelegenheiten etc. In der Regel finden sich auf<br />

beiden Längsseiten niedrige Bänke aus zwei oder drei grob<br />

zusammengeb<strong>und</strong>enen Bambusrohren.<br />

058 UrSprung in der Südsee Männerhäuser – Mal<br />

Männerhäuser – Mal UrSprung in der Südsee<br />

059<br />

Was ist anders?<br />

In den Männerhäusern wird Kava getrunken. Dazu werden<br />

die rohen Wurzeln des Pfefferstrauches Piper methysticum<br />

zunächst zerkleinert, so dass sich der Wurzelsaft anschließend<br />

gut auspressen lässt. Ursprünglich nutzte man die raue Oberfläche<br />

von Korallen, um die Wurzelstücke zu zerreiben. In<br />

Bunlap hat man diese sehr zeitaufwendige Prozedur beschleunigt<br />

<strong>und</strong> hilft sich, indem man lange, hohle Gegenständen als<br />

Mörser benutzt. Das kann ein hohler Baumstamm, die Metallhülle<br />

eines Sauerstoff- oder Gastanks oder ein Rohr aus PVC<br />

sein. In jedem Männerhaus findet sich mindestens ein solcher<br />

Mörser, der zusammen mit dem dazugehörigen Stößel aus<br />

schwerem Hartholz immer am Fußende des Hauses steht. Das<br />

geräuschvolle Stampfen der Kavawurzel wird als profane Tätigkeit<br />

betrachtet, die in den privilegierteren Bereichen des Mal<br />

unangebracht wäre.

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