02.03.2013 Aufrufe

Thorolf Lipp und Martina Kleinert Staatliches Museum für ...

Thorolf Lipp und Martina Kleinert Staatliches Museum für ...

Thorolf Lipp und Martina Kleinert Staatliches Museum für ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Thorolf</strong> <strong>Lipp</strong> <strong>und</strong> <strong>Martina</strong> <strong>Kleinert</strong><br />

<strong>Staatliches</strong> <strong>Museum</strong> <strong>für</strong> Völkerk<strong>und</strong>e München


Bibliographische Informationen der Deutschen Bibliothek<br />

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in<br />

der Deutschen Nationalbiographie; detaillierte bibliographische<br />

Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar<br />

ISBN 978-3-927270-58-9<br />

© 2009 <strong>Staatliches</strong> <strong>Museum</strong> <strong>für</strong> Völkerk<strong>und</strong>e München<br />

www.voelkerk<strong>und</strong>emuseum-muenchen.de


Begegnung mit den Turmspringern von Pentecost<br />

Begleitende Texte zur Sonderausstellung im<br />

Staatlichen <strong>Museum</strong> <strong>für</strong> Völkerk<strong>und</strong>e München<br />

Vom 20. Juni 2009 bis zum 13. September 2009<br />

von<br />

<strong>Thorolf</strong> <strong>Lipp</strong> <strong>und</strong> <strong>Martina</strong> <strong>Kleinert</strong><br />

München 2009<br />

www.ursprung-in-der-suedsee.de


Inhalt<br />

04<br />

07<br />

09<br />

12<br />

18<br />

21<br />

24<br />

33<br />

40<br />

46<br />

56<br />

58<br />

62<br />

65<br />

70<br />

72<br />

76<br />

77<br />

78<br />

Grußwort BETU WATAS, Bunlap, Südpentecost, Vanuatu<br />

Grußwort Prof. Dr. Dr. ROBERT STURM, Botschafter von Vanuatu<br />

Grußwort JACOB KAPERE, Vanuatu Cultural Centre<br />

Die Idee, das Konzept, unsere Gäste<br />

Einführung<br />

Vanuatu – Pentecost – Bunlap<br />

Juban<br />

Gol<br />

Telefon<br />

Im<br />

Sara<br />

Mal<br />

Bipis – Rahis<br />

Kastom<br />

Kastom versus Skul<br />

Laef Kastom Stringban<br />

Reverse Anthropology<br />

Ausklang<br />

Mitarbeit & Dank


Liebe Besucherinnen<br />

Grußworte<br />

<strong>und</strong> Besucher<br />

der Ausstellung „UrSprung in der Südsee“<br />

Mi kam long Jemani mi sik long fasin long wok ia<br />

mifala i bin mekem fas taem long Bunlap. Bae nao ia<br />

mifala i lusum. Mi wantem bildim wan haos be i no<br />

gat man we i bae i helpem mi. Nao ia mi wantem traem fasin ia<br />

i mas kam bak. Olsem mi statem wetem Tolak blong Bunlap mo<br />

wetem Mathias Wataskon blong Poinkros. From fasin ia mifala i<br />

bin lusum mo mi wantem karem bak blong lanem long ol pikinini<br />

oli stap gruap i kam. Blong oli mas lanem fasin ia.<br />

Fas taem mifala i bin stat mekem fasin ia bae ol raorao nao i mekem<br />

mifala i lusum. Mi wantem fasin ia i mas kam bak bakagen.<br />

From ol olfala oli win mekem fasin ia faes taem. Bae i no gat wan<br />

man statem ale mi nomo mi statem blong mifala i bildem haos. I<br />

mas kam bak long mifala, i stap tugeta long ol fasin we ol olfala<br />

livim, soem. Bae nao ia mi karem long yia 2009 blong mifala i<br />

mas kam bak long gudfala fasin blong bifo.<br />

Mi luk long eksibisen ia. Afta mi tingbaot wan toktok olfala bubu<br />

blong mi i bin talem. Se fasin ia yu mas folem. Fas taem mi mas<br />

mekem haos mi katem wan pos, libet, pos we i stap long medel. Be<br />

mi wan mi no save bildim haos ale mi singaot i go long Ranwas<br />

Betu Watas<br />

Ich kam nach Deutschland <strong>und</strong> erlebte hier, dass auf eine<br />

Art <strong>und</strong> Weise gemeinsam gearbeitet wird, wie wir es früher<br />

auch in Bunlap getan haben. Aber wir haben es verloren.<br />

Ich bin gekommen, um ein Haus zu bauen, aber die anderen<br />

aus Bunlap sind nicht mitgekommen, um mir dabei zu<br />

helfen. Nun möchte ich alles da<strong>für</strong> tun, dass es wieder so wird,<br />

wie es f rüher einmal war. Deswegen arbeite ich hier mit Tolak<br />

aus Bunlap <strong>und</strong> Mathias Wataskon aus Poinkros. Der Friede<br />

in unserer Gemeinschaft ist uns verloren gegangen, doch ich<br />

möchte ihn zurückholen <strong>und</strong> allen Kindern beibringen, denen,<br />

die jetzt aufwachsen <strong>und</strong> künftigen Generationen. Sie sollen<br />

das gemeinschaftliche Arbeiten wieder erlernen.<br />

In der Vergangenheit haben wir friedlich zusammengelebt <strong>und</strong><br />

gearbeitet, aber Streit <strong>und</strong> Zwistigkeiten haben da<strong>für</strong> gesorgt,<br />

dass es nun nicht mehr so ist. Ich wünsche mir, dass das alte<br />

Handeln wieder zurückkommt. Denn den Alten, die danach<br />

gehandelt haben, ging es besser. Wenn heute keiner damit beginnt,<br />

dann werde ich eben jetzt wieder damit anfangen, wenn<br />

wir das nächste Haus bei uns bauen. Wir müssen wieder so<br />

wetem Poinkros blong oli kam helpem mi. Mifala i bildim haos.<br />

Olsem mi kam long ples ia, long Jemani, mi sik we oli mekem fasin<br />

we mifala i bin stap mekem faes taem. Ale mi bin sik long hem, mi<br />

wantem se I mas kam bak long fasin ia bakagen.<br />

Nao ia <strong>Thorolf</strong> mo <strong>Martina</strong> oli wantem stanemap haos be pos<br />

long medel bae hu nao i kam blong helpem olgeta blong stanemap?<br />

Fulap man we oli helpem olgeta long wok blong olgeta long saed<br />

blong eksibisen ia. Mekem se tode mifala i mekem haos blong soem<br />

long ol pikinini wok ia. Hem i blong ol pikinini wea I stap gruap<br />

i kam. Mekem se tode yumi openem museum long Munich, long<br />

“<strong>Staatliches</strong> <strong>Museum</strong> <strong>für</strong> Völkerk<strong>und</strong>e München”. Mo wok long<br />

Obergünzburg mo Bayreuth mifala bin mekem finis.<br />

Jif Telkon hem i wantem stopem wok blong yutufala, <strong>Thorolf</strong> mo<br />

<strong>Martina</strong>, be mi tingting from we yutufala helpem mifala plante<br />

taem. Mekem se mi kam blong wok blong yutufala i mas gohed gud<br />

nomo. Jif Telkon hem i kilim Bebe Malegel, be mi tingting blong<br />

mi, mi no wantem se wok blong yutufala bae I nao stop. Mi wantem<br />

se wok blong yutufala i mas go ahed long wok. From fulap<br />

man oli no save we ples blong Pentekos i stap, be oli mas lanem.<br />

Mi kam long Jemani be stil mi rimemba Bebe Malegel from projek<br />

blong hem we yutufala i bin wok wetem hem. Be mi no wantem<br />

projek ia i lus.<br />

wie die Alten vorgehen, wie sie gelebt <strong>und</strong> es uns vorgemacht<br />

haben. Jetzt, im Jahre 2009, müssen die guten Traditionen von<br />

früher wieder zurückgeholt werden.<br />

Ich habe mir diese Ausstellung <strong>und</strong> das Projekt angesehen.<br />

Da habe ich mich an eine Geschichte erinnert, die mir mein<br />

Großvater erzählte. Und mir sagte, dass man so handeln muss:<br />

Wenn ich ein Haus bauen möchte, muss ich als erstes einen<br />

Baum fällen, <strong>für</strong> den Libet, den Mittelpfosten. Aber ich allein<br />

kann ihn nicht aufstellen, um ein Haus zu bauen, also rufe ich<br />

Männer aus [den Nachbardörfern] Ranwas <strong>und</strong> aus Poinkros<br />

herbei, damit sie mir helfen. Und gemeinsam bauen wir das<br />

Haus. Als ich hierher nach Deutschland kam, tut es mir weh<br />

zu sehen, dass hier noch auf eine Art <strong>und</strong> Weise gemeinsam<br />

gearbeitet wird, wie wir es früher doch auch getan haben. Das<br />

tut mir so weh, dass ich mich darum bemühen möchte, dass es<br />

auch bei uns wieder so wird.<br />

Nun, auch <strong>Thorolf</strong> <strong>und</strong> <strong>Martina</strong> möchten ein Haus errichten,<br />

aber wer kommt nun <strong>und</strong> hilft ihnen, den Mittelpfosten<br />

aufzustellen? Sehr viele Menschen haben ihnen bei ihrer<br />

Arbeit mit dieser Ausstellung hier geholfen. Dadurch haben<br />

wir ein „Haus“ geschaffen, das wir allen Kindern, jetzt <strong>und</strong><br />

in Zukunft, zeigen können. Deshalb können wir heute auch<br />

diese Ausstellung im „Staatlichen <strong>Museum</strong> <strong>für</strong> Völkerk<strong>und</strong>e<br />

München“ eröffnen, nachdem die Arbeiten in Obergünzburg<br />

<strong>und</strong> Bayreuth abgeschlossen sind.<br />

04 UrSprung in der Südsee Betu Watas<br />

Betu Watas UrSprung in der Südsee<br />

05


Chief Bebe Malegel konnte die Reise nach Deutschland nicht mehr antreten.<br />

Sein Pass begleitet die Männer aus Bunlap, damit Bebe Malegel auf diese<br />

Weise immer dabei ist.<br />

<strong>Thorolf</strong> <strong>und</strong> <strong>Martina</strong>, „Chief“ Telkon hat versucht, Euer Projekt<br />

zu verhindern, aber ich habe daran gedacht, dass Ihr beide uns<br />

oft geholfen habt. Und deswegen bin ich mitgekommen, um<br />

mit Euch zu arbeiten, <strong>und</strong> damit Euer Projekt trotzdem gut<br />

durchgeführt werden kann. „Chief“ Telkon ist <strong>für</strong> den Tod von<br />

Bebe Malegel verantwortlich, aber ich habe mir viele Gedanken<br />

darüber gemacht, Euer Projekt sollte deswegen nicht zu einem<br />

Ende kommen. Ich wollte, dass Ihr mit Eurer Arbeit trotzdem<br />

vorankommt <strong>und</strong> es weitergeht. Denn viele Menschen wissen<br />

noch nicht einmal, wo meine Insel Pentecost liegt, <strong>und</strong> gerade<br />

sie sollen etwas darüber erfahren. Ich bin nun nach Deutschland<br />

gefahren, <strong>und</strong> ich denke dabei immer auch an Bebe Malegel,<br />

denn er sollte bei diesem Projekt dabei sein <strong>und</strong> hat mit Euch<br />

darauf hin gearbeitet. Und ganz sicher sollte dieses Projekt kein<br />

vorzeitiges Ende finden.<br />

Unsere Welt, in der wir alle gemeinsam leben <strong>und</strong> die wir<br />

auch gemeinsam gestalten, scheint immer kleiner zu<br />

werden.<br />

Kulturen rücken näher zusammen <strong>und</strong> das Wissen um unsere Mitmenschen<br />

wächst. Ich hege die Hoffnung, dass sich mit diesem zunehmenden<br />

Wissen auch das Verständnis <strong>für</strong>einander <strong>und</strong> da<strong>für</strong>,<br />

dass wir alle voneinander lernen können, intensiviert. Gerade<br />

Kulturen, die der unseren weit entfernt scheinen, können uns viel<br />

über das Leben, die Menschlichkeit <strong>und</strong> über unsere Ursprünge<br />

lehren.<br />

Mit dem Ausstellungsprojekt „UrSprung in der Südsee“ beschreiten<br />

Dr. <strong>Thorolf</strong> <strong>Lipp</strong> <strong>und</strong> <strong>Martina</strong> <strong>Kleinert</strong>, gemeinsam mit ihrem<br />

Team, genau diesen Weg <strong>und</strong> ermöglichen uns eine eindrucksvolle<br />

Begegnung mit außergewöhnlichen Menschen <strong>und</strong> ihrer Kultur.<br />

Die bewusste Entscheidung der Sa, ihr Leben weiter in den traditionellen<br />

Bahnen ihrer Kultur laufen zu lassen – jedoch mit dem<br />

Wissen um andere Lebensweisen – ist gleichermaßen faszinierend<br />

wie lehrreich. Die Abkehr von Konsum <strong>und</strong> dem, was wir unter<br />

Fortschritt verstehen, die Konzentration auf die eigene kulturelle<br />

Prof. Dr. Dr. Robert Sturm<br />

Identität <strong>und</strong> die parallel bestehende Aufmerksamkeit <strong>für</strong> „die Welt<br />

da draußen“ sind eine Lebensweise, die uns fremd erscheint, die<br />

uns jedoch sicherlich gute Denkanstöße geben kann – denn vielleicht<br />

heißt es nicht ohne Gr<strong>und</strong>, dass „die glücklichsten Menschen<br />

der Welt“ in Vanuatu leben.<br />

Mit seinem Ausstellungskonzept hat es das Deutsch-Pazifische<br />

Forum e. V. geschafft, eine uns so fern liegende Lebensweise <strong>und</strong><br />

Kultur begreifbar <strong>und</strong> erlebbar zu machen. Dies ist eine Leistung,<br />

die man nicht genug würdigen kann. Durch die Arbeit <strong>und</strong><br />

den Einsatz der Ausstellungsmacher kann sich unser Blick nun<br />

auch einmal auf eine bislang wenig beachtete Seite der Republik<br />

Vanuatu richten – auf die faszinierende <strong>und</strong> tiefgründige Kultur,<br />

die so viel mehr zu bieten hat, als einfache Südsee-Klischees.<br />

Sehr gerne habe ich die Schirmherrschaft über die Ausstellung im<br />

Staatlichen <strong>Museum</strong> <strong>für</strong> Völkerk<strong>und</strong>e München übernommen. Ich<br />

bedanke mich sehr herzlich bei allen Beteiligten, Leihgebern <strong>und</strong><br />

Helfern, besonders bei Dr. <strong>Thorolf</strong> <strong>Lipp</strong> <strong>und</strong> <strong>Martina</strong> <strong>Kleinert</strong><br />

<strong>für</strong> ihr großes Engagement, ihre Kraft <strong>und</strong> Mühe, um uns diese<br />

06 UrSprung in der Südsee Betu Watas Prof. Dr. Dr. Robert Sturm UrSprung in der Südsee<br />

07


interkulturelle Begegnung möglichst authentisch zu ermöglichen.<br />

Besonderen Dank möchte ich den Sponsoren – Herrn Jamal Zeinal<br />

Zade, Südseesammlung Obergünzburg, Jochen Schweizer, Bayerische<br />

Staatsforsten, Schul- <strong>und</strong> Kultusreferat der LH München<br />

– zollen, die uns in diesen Zeiten kooperationsbereit großzügig<br />

finanziell unterstützt haben <strong>und</strong> ohne die eine Realisierung nicht<br />

möglich wäre. Nicht zu vergessen, sind selbstverständlich auch unsere<br />

Medienpartner – transformator, amadeus mediengestaltung,<br />

Arcadia Filmproduktion <strong>und</strong> FilmFernsehFond Bayern – <strong>für</strong> ihre<br />

redaktionelle <strong>und</strong> werbende Unterstützung, die Ausstellung in das<br />

Licht der deutschen Öffentlichkeit zu rücken.<br />

Ihnen, als Besucher wünsche ich eine spannende Zeit bei der Reise<br />

durch die unterschiedlichen Lebenswelten, der Annäherung <strong>und</strong><br />

Auseinandersetzung mit der fremden Kultur, einem Blick auf<br />

die rituelle <strong>und</strong> politische Entwicklung in der Südsee in unserer<br />

Gegenwart. Möge in uns – ob jung oder alt, Mann oder Frau<br />

– eine hilfreiche Debatte entstehen, die der Toleranz <strong>und</strong> dem<br />

Verständnis <strong>für</strong> fremde Menschen <strong>und</strong> Lebensweisen dient.<br />

Ich wünsche der Ausstellung mit dem museumspädagogischen<br />

Begleitprogramm die ihnen gebührende Aufmerksamkeit, viel<br />

Erfolg <strong>und</strong> dass sie die Verb<strong>und</strong>enheit <strong>und</strong> die Verständigung<br />

zwischen unseren Kulturen – so unterschiedlich sie sein mögen –<br />

stärken.<br />

Mit herzlichem Gruß<br />

Prof. Dr. Dr. Robert Sturm<br />

- Botschafter der Republik Vanuatu -<br />

Jacob Kapere<br />

H<br />

em i wan bigfala ona mo respek blong mi from mi save<br />

standap long fored blong givim wan smol toktok long<br />

openem long eksibisen ia.<br />

Es ist mir eine große Ehre, anlässlich der Eröffnung der<br />

Sonderausstellung „UrSprung in der Südsee“ ein paar Worte<br />

zu Ihnen zu sprechen.<br />

Long fas de we mifala araevem long Munich, bifo mifala mekem Gleich am ersten Tag, an dem wir in München angekommen sind,<br />

eni toktok, bifo mifala mekem eni wok, mifala bin mekem wan noch bevor es die ersten Besprechungen gab, noch bevor wir mit<br />

smol seremoni blong tingting baot. Wan smol seremoni wea i kam irgendeiner Arbeit angefangen haben, gab es eine kleine Gedenkol<br />

staf blong projek ia mo Michaela Appel, hed blong kleksen blong Zeremonie. An dieser Zeremonie haben Michaela Appel, Leiterin<br />

Pasifik blong miusium ia, blong tingbaot let jif Bebe Malegel we der Ozeanien-Abteilung <strong>und</strong> alle Projektmitarbeiter teilgenommen<br />

hem i wan jif gudfala lida. We i wan blong olgeta we bin helpem <strong>und</strong> gemeinsam des verstorbenen Chiefs Bebe Malegel gedacht, der<br />

blong mekem see eksibisen ia gohed, sapotem <strong>Thorolf</strong> we hem i bin ein guter Chief <strong>und</strong> Führer gewesen ist. Er war einer von denjeni-<br />

oganaesem eksibisen olsem. We hem i representem komuniti blong gen, die sich <strong>für</strong> die Umsetzung dieses Projektes einsetzten <strong>und</strong> der<br />

Bunlap, blong Saot Pentekos, blong soem long pablik blong Jemani <strong>Thorolf</strong> bei der Organisation der Ausstellung unterstützte. Bebe<br />

long wan bigfala museum ia, long “<strong>Staatliches</strong> <strong>Museum</strong> <strong>für</strong> Völker- Malegel war ein wichtiger Vertreter der Dorfgemeinschaft, der<br />

k<strong>und</strong>e München”. Wan eksibisen olsem long wan bigfala ples olsem Bunlap der Öffentlichkeit in Deutschland im Rahmen einer Ausstel-<br />

long fasin blong jif Bebe Malegel. Hem i wantem eksibisen soem lung in einem bekannten <strong>und</strong> wichtigen <strong>Museum</strong>, dem „Staatlichen<br />

aot tru waliu blong laef blong kastom, evrisamting long laef blong <strong>Museum</strong> <strong>für</strong> Völkerk<strong>und</strong>e München“, vorstellen wollte. Eine Aus-<br />

kastom long Bunlap, Saot Pentekos.<br />

stellung in einem solchem Rahmen ist Chief Bebe Malegel würdig.<br />

Bifo ol wok i stat, yumi bin mekem smol seremoni ia blong tingbaot Er war immer da<strong>für</strong>, dass in der Ausstellung die eigentlichen Werte<br />

hem mo yumi sua hem i stap wetem yumi mo blong askem permisen. von Kastom, <strong>und</strong> was das Leben in seinem Kastom Dorf ausmacht,<br />

Blong save gat raet blong ambasada blong yumi, Betu Watas, Tolak gezeigt werden. Bevor mit der Arbeit daran begonnen wurde, haben<br />

08 UrSprung in der Südsee Prof. Dr. Dr. Robert Sturm<br />

Jacob Kapere UrSprung in der Südsee<br />

09


Moltavil mo Mathias Wataskon, oli save gat raet blong oli toktok,<br />

oli wok, oli wokboat long ples. Long taem bifo mifala mekem smol<br />

seremoni ia long sem taem mi harem graon long miuseum emi muvmuv.<br />

Plante noes i kam aot, saon blong ol spirit. Hem i minim i<br />

gat laef. Mo long sem taem delegesen blong Vanuatu wetem spirit we<br />

oli karem i kam, spirit blong olgeta i konekt wetem spirit blong ol<br />

atifakt we i stap insaed long miusium. Hem i minim olsem se i gat<br />

sam atifakt we i stap long miusium ia long taem. We man i ting se<br />

oli ol ded objek oli no mo gat laef bae long mifala mifala i save fílim.<br />

Taem we mifala mekem smol seremoni ia mifala i harem save spirit<br />

blong olgeta i kam bak, i laef.<br />

Eksibisen blong Vanuatu long miusium ia we i kam aot stret long<br />

Saot Pentekos, long Bunlap, we daerekta blong Vanuatu Kaljoral<br />

Senta Marcelin Abong, daerekta blong Nasonal Kaljoral Kaonsel<br />

M.P. Ralph Regenvanu, mo mi, hed blong Nasonal Filem an Saon<br />

Unit, wan longtaem olfala staf, mifala evriwan bin sapotem projek.<br />

Mifala bin luksave hem i wan gudfala projek mo mifala bin traem<br />

had blong sapotem. Blong oganaesem samsamting longwe morali<br />

blong mekem eksibisen ia save go hed long tingting se hem i bringim<br />

sam man Bunlap we i kam. Mifala ting hem i wan gudfala projek<br />

we eksibisen hem i soem baot laef blong wan komuniti, wan eria<br />

blong wan aelan long Vanuatu, olsem long Pentekos. We eksibisen i<br />

save stap long wan fasin we i edukatem pipol wetem respek. Mo eksibisen<br />

blong andastanem mifala hem i baot laef we man Jemani hem<br />

i luk, hem i save aprisietem waliu blong kastom blong Bunlap.<br />

Mi save se hem i fas taem eva blong Vanuatu i save mekem wan<br />

wir eine kleine Zeremonie zu seinem Gedenken abgehalten <strong>und</strong> uns<br />

versichert, dass er bei uns ist <strong>und</strong> seine Erlaubnis zu dieser Ausstellung<br />

gibt. Damit unsere „Botschafter“ aus Bunlap, Betu Watas, Tolak<br />

Moltavil <strong>und</strong> Mathias Wataskon das Recht haben, hier zu sprechen,<br />

hier zu arbeiten, sich hier umzuschauen.<br />

Als diese Zeremonie stattfand, spürte ich, dass sich der Boden des<br />

<strong>Museum</strong>s bewegte. Ein großer Lärm war zu hören, der Klang der<br />

Geister. Das bedeutet, es ist Leben darin. Die Besucher aus Vanuatu<br />

bringen ihre Geister mit, <strong>und</strong> zugleich treten ihre Geister in Kontakt<br />

mit den Geistern all der Gegenstände im <strong>Museum</strong>. Einige der<br />

Gegenstände befinden sich schon sehr lange im <strong>Museum</strong>, <strong>und</strong> man<br />

glaubt, es handele sich um tote Gegenstände, aus denen das Leben<br />

gewichen ist. Aber wir können sie wieder mit Leben füllen. Als die<br />

Zeremonie stattfand, konnte ich spüren, dass ihre Geister zurückkehren,<br />

dass da Leben ist.<br />

Diese Ausstellung über Vanuatu kommt direkt aus Südpentecost, aus<br />

Bunlap. Wir alle, Marcelin Abong, Direktor des Vanuatu Cultural<br />

Centre, Ralph Regenvanu, Direktor des Nationalen Kulturrats, <strong>und</strong><br />

ich, Leiter der Nationalen Film & Ton-Abteilung <strong>und</strong> langjähriger<br />

Mitarbeiter des Vanuatu Cultural Centre, tragen dieses Projekt mit.<br />

Wir verstehen es als ein gutes <strong>und</strong> lohneswertes Vorhaben <strong>und</strong> haben<br />

uns sehr bemüht, es zu unterstützen. Wo wir konnten, haben<br />

wir in Vanuatu organisatorische Hilfe geleistet, <strong>und</strong> standen <strong>Thorolf</strong><br />

<strong>Lipp</strong> <strong>und</strong> <strong>Martina</strong> <strong>Kleinert</strong> auch ideell zur Seite, damit die Idee,<br />

einige Männer aus Bunlap nach Deutschland einzuladen, in die<br />

Tat umgesetzt werden konnte. Wir halten es <strong>für</strong> ein unterstützenwertes<br />

Projekt, bei dem in dieser Ausstellung nun die Lebensweise<br />

eksibisen olsem. Blong mekem se pipol blong Jemani oli save se Vanuatu<br />

hem i wan smol kantri long Pasifik, long Melanesia, we hem i rij<br />

tumas long saed blong kastom, blong kalja blong hem. Mo yumi hop<br />

se hem i openemap wan niufala rod, wan relasensip blong putum<br />

Vanuatu mo Jemani blong long taem.<br />

Blong long tem, hem i fas taem eksibisen ia bringim ol man Vanuatu<br />

i kam, no nomo helpem ap putum eksibisen, bae blong mekem visit<br />

i go lo sam ples long Jemani blong luk hao pipol i laef. Mo oli save<br />

skelem mo aprisietem waliu blong laef blong man long ples ia. Mo<br />

hem i blong helpem olgeta blong oli luksave ol difrens. Taem oli go<br />

bak yumi hop bae se hem i helpem olgeta blong standap strong, holem<br />

taet kastom blong olgeta, laef blong olgeta. Yumi hop oli lanem<br />

plante samting we hem i bin long ples ia we hem i save supportem.<br />

Long sam taem ating mifala wantem invaetem tu pipol blong Jemani.<br />

Ating bae oli visitim eksibisen ia we oli faenem hem i intres<br />

blong olgeta, oli lanem wan samting, mo oli kam, visitim mifala<br />

long Vanuatu blong luk olsem mifala laev.<br />

einer Dorfgemeinschaft aus einer bestimmten Region auf einer der<br />

Inseln Vanuatus, nämlich Pentecost, vorgestellt wird. Anliegen der<br />

Ausstellung ist es, den Menschen hier in Deutschland die Werte <strong>und</strong><br />

Traditionen, den Kastom von Bunlap, verständlich <strong>und</strong> respektvoll<br />

näherzubringen.<br />

Ich weiß, dass dies <strong>für</strong> Vanuatu die allererste Ausstellung ihrer Art ist.<br />

Sie möchte den Menschen in Deutschland vermitteln, dass Vanuatu<br />

zwar ein sehr kleines Land mitten im Pazifik, in Melanesien, ist, aber<br />

überaus reich an Kastom, reich in seiner Kultur <strong>und</strong> seinen Traditionen.<br />

Und wir hoffen, dass diese Ausstellung neue Wege <strong>für</strong> die Beziehungen<br />

von Vanuatu <strong>und</strong> Deutschland eröffnet, auch in Zukunft.<br />

Zum ersten Mal kommen im Rahmen einer Ausstellung Männer<br />

aus Vanuatu hierher, nicht nur um bei dem Aufbau der Ausstellung<br />

zu helfen, sondern auch um Deutschland zu bereisen <strong>und</strong> zu erfahren,<br />

wie die Menschen hier leben. Sie können so den Lebensstil der<br />

Mensch hier selbst einschätzen <strong>und</strong> beurteilen. Und die Reise hilft<br />

auch, Unterschiede zu erkennen <strong>und</strong> zu bewerten. Wir hoffen, dass sie<br />

bei ihrer Rückkehr Selbstbewusstsein demonstrieren <strong>und</strong> ihr Kastom,<br />

ihren Lebensstil bewahren. Wir hoffen, dass sie möglichst viel an<br />

neuen Erfahrungen <strong>und</strong> neuem Wissen mitnehmen, um es zuhause<br />

<strong>für</strong> sich zu nutzen. Umgekehrt möchten wir an dieser Stelle die<br />

Menschen aus Deutschland einladen. Der Besuch dieser Ausstellung<br />

soll durchaus das Interesse an Vanuatu wecken. Die Besucher sollen<br />

Neues entdecken <strong>und</strong> vielleicht eines Tages zu uns nach Vanuatu auf<br />

Besuch kommen, um sich ebenfalls selbst ein Bild von unserm Leben<br />

zu machen.<br />

010 UrSprung in der Südsee Jacob Kapere<br />

Jacob Kapere UrSprung in der Südsee<br />

011


Die Idee<br />

Die Idee / Das Konzept / Unsere Gäste<br />

Ai salsal – jemand, der kommt, wieder geht <strong>und</strong> im Zweifelsfall<br />

nie wiederkommt. Wir, die Ethnologen aus Europa, sind<br />

auch Ai salsal <strong>und</strong> kommen meistens nur ein einziges Mal.<br />

Doch dieses Schema kann aufgebrochen werden. Auch wenn<br />

Jahre vergehen, wir wissen, dass wir wiederkommen wollen,<br />

dass Bunlap ein Teil unserer persönlichen Geschichte geworden<br />

ist <strong>und</strong> uns in unserem Leben begleiten wird. Umgekehrt<br />

sind wir ein Teil der Geschichte Bunlaps, sind Familienmitglieder<br />

geworden. So ruft es keine Überraschung hervor,<br />

wenn wir wiederkommen – hatten wir es denn nicht in Aussicht<br />

gestellt? Und wenn man ein zweites, ein drittes Mal<br />

wiederkommt – ist es dann nicht ganz natürlich, dass auch<br />

das Interesse unserer Partner <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>e dort an unserer<br />

Welt wächst?<br />

1997 / 2002 / 2004 / 2009<br />

Ein erster Besuch. Fünf Jahre später eine erste Rückkehr:<br />

Wünsche, Ideen <strong>und</strong> Erwartungen stehen im Raum. Noch<br />

einmal zwei Jahre später: ein Versprechen <strong>und</strong> konkrete<br />

Pläne.<br />

Fünf lange Jahre. In denen dieses Projekt – <strong>und</strong> wir an ihm<br />

– wachsen. Erst im Januar 2009 steht endgültig fest, dass<br />

wir unser Versprechen einlösen können. Und die Reise von<br />

Bunlap nach Bayern vorbereitet werden kann. Wer soll diese<br />

Reise antreten? Es können nur wenige sein, <strong>und</strong> – unter den<br />

gegebenen Umständen leider auch nur Männer – die wir nach<br />

Deutschland einladen können, <strong>und</strong> unsere Wahl fällt dabei<br />

natürlich auf unsere besten Fre<strong>und</strong>e.<br />

Dass Chief Warisul Telkon <strong>und</strong> Moses Watas dazu gehören<br />

werden, steht außer Frage. Waren sie es doch, die mit ihrem<br />

Interesse an unserer Welt <strong>und</strong> dem Wunsch, sich mit eigenen<br />

Augen ein Bild davon zu machen, den Anstoß zu diesem Projekt<br />

gegeben haben. Auch der Schnitzer Telkon Betu, Sali Wararae<br />

<strong>und</strong> Betu Oska sind zuverlässige <strong>und</strong> erfahrene Männer, <strong>und</strong><br />

angesehene Vertreter ihrer Komuniti. Und natürlich Chief Bebe<br />

Malegel, der sich über die Jahre zu <strong>Thorolf</strong>s wichtigstem Partner<br />

<strong>und</strong> wahren Fre<strong>und</strong> entwickelte. Und der, da ihm eine künftige<br />

Rolle als Führer der Dorfgemeinschaft sicher scheint, in seiner<br />

klugen <strong>und</strong> bedächtige Art den Aufenthalt in Deutschland <strong>für</strong><br />

die Zukunft Bunlaps nutzen will.<br />

„Chief“ Telkon Watas, der schon seit zwanzig Jahren nicht<br />

mehr in Bunlap, sondern mit seiner Zweitfrau in der Hauptstadt<br />

Port Vila lebt, wird über die Reisepläne informiert. Als<br />

gewiefter Geschäftsmann kommerzialisierte er das Turmspringen,<br />

<strong>und</strong> behält zugleich den Löwenanteil der Einnahmen<br />

immer wieder <strong>für</strong> sich. Er nutzt seinen Ruf, über blak majik<br />

<strong>und</strong> böse Zauber zu verfügen, um die Männer des Dorfes einzuschüchtern.<br />

Die Erfahrungen einer Reise nach Deutschland, das ist<br />

Telkon sofort klar, wird das Wissen der Eingeladenen nachhaltig<br />

erweitern, ihr Selbstbewusstsein stärken <strong>und</strong> seine<br />

Vormachtstellung gefährden. Er versucht alles, das Vorhaben<br />

zu verhindern, schaltet Polizei, Presse, ja sogar Vanuatus<br />

„Great Council of Chiefs“ ein. Doch hier kennt man ihn <strong>und</strong><br />

traut ihm nicht mehr, seine Einwände werden als unberechtigt<br />

abgewiesen. Die Dorfgemeinschaft allein kann <strong>und</strong> muss entscheiden.<br />

– Telkon <strong>und</strong> seine Anhänger werden überstimmt.<br />

Die Reise wird stattfinden!<br />

Mitte März erreicht uns eine E-mail von Jacob Kapere aus<br />

dem Vanuatu Cultural Centre. Telkon lässt uns ausrichten,<br />

dass Bebe Malegel, Telkons stärkster Opponent, „überraschend“<br />

verstorben ist.<br />

Die Umstände seines Todes sind <strong>und</strong>urchsichtig, bis heute<br />

nicht eindeutig geklärt. Sicher ist, Bebe Malegel bricht plötzlich<br />

zusammen. Von einer Kopfw<strong>und</strong>e wird berichtet. Und<br />

von sehr viel Blut. Keiner seiner Fre<strong>und</strong>e sieht den Leich-<br />

nam, er wird in Matten gewickelt <strong>und</strong> noch am gleichen Tag<br />

bestattet.<br />

Ausnahmezustand. Der Tyrann hat gesiegt. Die Reise wird<br />

nicht stattfinden. Die Gefahr <strong>für</strong> das eigene Leben ist zu groß.<br />

Wir möchten nach Bunlap fahren, doch Moses untersagt es<br />

uns. Es ist jetzt zu gefährlich geworden.<br />

Der Schock über die Kaltblütigkeit Telkons ist lähmend. Und<br />

doch regt sich auch Widerstand gegen seine Machenschaften.<br />

Die Männer aus Bunlap trauen sich nicht mehr, die Reise<br />

anzutreten. Doch Betu Watas nimmt ihre Stelle ein. Er ist ein<br />

jüngerer Bruder von Moses Watas <strong>und</strong> lebt seit einem knappen<br />

Jahr mit seiner Familie in der Hauptstadt Port Vila. Er steht<br />

damit außerhalb des direkten Macht- <strong>und</strong> Einflussbereiches<br />

von „Chief“ Telkon. Er vertritt seinen Bruder, will so dazu<br />

beitragen, dass Telkons „Feuer“ kleiner wird. Betu ist neugierig<br />

auf Deutschland <strong>und</strong> in freudiger Erwartung an das Abenteuer<br />

der Reise, deren Vorbereitungen er seit Jahren begleitet<br />

hatte. Er entschließt sich aber auch aus Pflichtbewusstsein<br />

uns <strong>und</strong> dem Ruf seiner Familie gegenüber mitzufahren, <strong>und</strong><br />

er möchte verhindern, dass der Name Bunlaps <strong>und</strong> Vanuatus<br />

Schaden nimmt. Er tritt keine Vergnügungsreise an, sondern<br />

hat eine Aufgabe zu bewältigen. Ihm folgen, begleitet von Jacob<br />

Kapere, zwei Wochen später sein Cousin Matthias Wataskon<br />

aus dem benachbarten Poinkros sowie Tolak Moltavil, ein<br />

junger Mann aus Bunlap. Beide leben ebenfalls seit einigen<br />

Monaten in Port Vila, wollen hier ihr Glück versuchen <strong>und</strong><br />

012 UrSprung in der Südsee Die Idee / das Konzept / unsere Gäste<br />

Die Idee / das Konzept / unsere Gäste UrSprung in der Südsee<br />

013


ergreifen gerne die Chance, die ihnen diese Reise bietet.<br />

Alles ist nun anders – aber auch wieder nicht. Denn neben<br />

dem Einlösen eines Versprechens an Fre<strong>und</strong>e haben wir, die<br />

Ausstellungsmacher, auch Verantwortung unseren Partnern<br />

in Deutschland gegenüber übernommen. Und wir wollen<br />

weiterhin versuchen, durch dieses Projekt einen Anspruch<br />

der Ethnologie in die Tat umzusetzen: wir wollen zeigen, dass<br />

Reziprozität kein bloßes Wort bleiben muss, sondern eingelöst<br />

werden kann <strong>und</strong> soll.<br />

Die Männer aus Bunlap sind ebenso Ai salsal wie wir. Sie<br />

haben ihre Heimat verlassen, um bei uns Eindrücke zu<br />

sammeln, ihren Horizont zu erweitern <strong>und</strong> dieses Wissen<br />

wieder nach Hause zu tragen. Sie beschreiten den Weg einer<br />

Reverse Anthropology. Zugleich werden ihnen nun hier in<br />

Deutschland viele der Fragen gestellt, die wir immer wieder<br />

in Bunlap beantwortet haben – über Alltag, Feste, soziale<br />

Hierarchien <strong>und</strong> Organisation.<br />

Für uns alle ist das gesamte Projekt eine Fahrt „ins Offene“.<br />

Wie werden die interkulturellen Begegnungen, die im<br />

Mittelpunkt stehen, verlaufen? Welche Erwartungen stellen<br />

wir von unserer Seite, was erhoffen sich die Gäste aus Bunlap?<br />

Es liegt nicht in unserer Hand, was die Besucher <strong>für</strong> sich<br />

daraus machen. Wir hoffen, dass sie ebenso wie unsere Gäste<br />

aus Vanuatu durch den Besuch der Ausstellung, aber vor<br />

allem auch durch die Möglichkeit des direkten, persönlichen<br />

Austausches – eben den „Begegnungen mit den Turmspringern<br />

von Pentecost“ – dazu angeregt werden, eigene Standpunkte<br />

zu überdenken.<br />

Nach dem Ende des Projektes wird ein Buch mit multimedialer<br />

DVD erscheinen. Weitere Informationen dazu finden Sie<br />

auf unserer Homepage www.ursprung-in-der-suedsee.de<br />

Obergünzburg, München, im Juni 2009<br />

<strong>Martina</strong> <strong>Kleinert</strong>, <strong>Thorolf</strong> <strong>Lipp</strong><br />

Betu Watas<br />

(Obergünzburg 2009)<br />

Tolak Moltavil Telkon<br />

(Obergünzburg 2009)<br />

Mathias Wataskon<br />

(Obergünzburg 2009)<br />

Jacob Kapere<br />

(Obergünzburg 2009)<br />

014 UrSprung in der Südsee Die Idee / das Konzept / unsere Gäste<br />

Die Idee / Das Konzept / Unsere Gäste UrSprung in der Südsee<br />

015<br />

Fotos: <strong>Martina</strong> <strong>Kleinert</strong>


Fotos: Katrin Martin


*Kastom ist ein<br />

Begriff aus<br />

dem Bislama,<br />

der Verkehrssprache<br />

von Vanuatu,<br />

abgeleitet vom engl.<br />

„custom“ = Tradition,<br />

Brauchtum<br />

Die Sa von Bunlap scheinen aus einer anderen,<br />

vergangenen Zeit zu stammen. Sie tragen Penisbinde<br />

<strong>und</strong> Grasrock, sie lehnen Kirchen <strong>und</strong> Schulen ab<br />

<strong>und</strong> stehen dem Machtanspruch ihres Staates Vanuatu skeptisch<br />

gegenüber. Obwohl sie die „Welt draußen“ aus eigener Anschauung<br />

genau kennen, haben sie sich in Vielem ganz bewusst<br />

dagegen entschieden <strong>und</strong> leben immer noch sehr weitgehend<br />

nach den Regeln ihrer Vorfahren. Dass die Sa ihren Kastom * bis<br />

heute pflegen, widerspricht vielfach der v ermeintlichen Logik<br />

von zwangsläufigem Fortschritt <strong>und</strong> Wachstum. Tatsächlich<br />

haben die Kastom Sa in den letzten achtzig Jahren ihre Kultur<br />

erstaunlich hartnäckig gegen Zwänge von außen verteidigt.<br />

Dennoch bedeutet Kastom keineswegs Stillstand, sondern ein<br />

ständiges kreatives <strong>und</strong> behutsames Weiterentwickeln einer<br />

Einführung<br />

Fotos: Katrin Martin<br />

eigenständigen Vision von Gesellschaft.<br />

Im Titel dieser Ausstellung findet sich der in der Ethnologie<br />

heftig umstrittene, weil an evolutionistische Kulturtheorien<br />

erinnernde Begriff „Ursprung“. Er ist hier dennoch berechtigt<br />

<strong>und</strong> in dreierlei Hinsicht bedeutsam. Einmal haben die Kastom<br />

Sa mit dem Turmspringen, das man als spielerisch nachempf<strong>und</strong>ene<br />

künstliche Geburt der Männer durch sie selbst betrachten<br />

kann, eine Art Ur-Sprung erf<strong>und</strong>en. Andererseits haben sie sich,<br />

auf eindrückliche <strong>und</strong> bewußte Art <strong>und</strong> Weise, eine erstaunliche<br />

Ursprünglichkeit ihrer Lebensumstände bewahrt. Kultur ist<br />

zweifellos immer im Fluß. Wir wollen mit diesem Projekt auch<br />

deutlich machen, dass eine von Brüchen <strong>und</strong> Diskontinuitäten<br />

faszinierte postmoderne Ethnologie zu kurz greift, wenn sie<br />

sich polemisch, gar abfällig zu solchen Konzepten von Identität<br />

verhält, die Kontinuität oder vielmehr bewusste Rückkopplung<br />

an Tradition <strong>und</strong> Brauchtum ausdrücklich betonen. Die Kastom<br />

Sa leben weder das paradiesische Leben von imaginären „edlen<br />

Wilden“, noch sind sie einfach einfallslose Traditionalisten. Sie<br />

haben es vielmehr verdient, in ihrer besonderen Eigenartigkeit<br />

wahrgenommen zu werden.<br />

Die Ausstellung nimmt außerhalb des Dorfes ihren Anfang An<br />

der Peripherie befinden sich die Gärten, <strong>und</strong> hier findet auch<br />

das Turmspringen statt. Die eindrucksvollen Juban Masken<br />

treten anläßlich der Juban Tänze von hier aus den Weg ins Dorf<br />

an. Dort finden Sie ein stilisiertes Wohnhaus, aber auch das<br />

öffentliche Dorftelefon, das seit 2002 Bunlap mit dem Rest der<br />

Welt verbindet.<br />

Dahinter betreten Sie den Sara, den zentralen Tanzplatz, das<br />

soziale <strong>und</strong> politische Zentrum des Dorfes. Drei Männerhäuser<br />

repräsentieren die sechs Großfamilien Bunlaps. Bilder aus vier<br />

Jahrzehnten spiegeln Alltag <strong>und</strong> Ritus wieder, wie sie auf dem<br />

Tanzplatz gelebt wurden <strong>und</strong> werden.<br />

Zurück im ersten Raum stellt sich die Frage, was Kastom im Kern<br />

bedeutet. Penisbinde <strong>und</strong> Grasrock sind zwar das nach außen<br />

sichtbare Zeichen <strong>für</strong> Kastom, aber erst die Kombination dieser<br />

Symbole mit Elementen zeitgenössicher Globalkultur lässt Kastom<br />

als eine Lebenswirklichkeit lebendig <strong>und</strong> b egreifbar erscheinen,<br />

in der sich vermeintliche Gegensätze mit erstaunlicher Leichtigkeit<br />

auflösen.<br />

Der R<strong>und</strong>gang über 15 Stationen möchte Sie auf eine virtuelle<br />

Reise nach Bunlap mitnehmen <strong>und</strong> Ihnen Einblicke in dieses<br />

bemerkenswerte kulturelle Phänomen eröffnen.<br />

Eine virtuelle Reise nach Bunlap – eine reale Reise nach<br />

München.<br />

Der Blick der Kastom Sa auf uns – festgehalten in zahlreichen<br />

Fotografien <strong>und</strong> kommentiert – beschließt den R<strong>und</strong>gang.<br />

018 Ursprung in der Südsee Einführung<br />

Einführung Ursprung in der Südsee<br />

019


Karten: Amelie Hüneke<br />

Vanuatu<br />

Pentecost – Bunlap<br />

Die ersten Siedler auf dem Gebiet des heutigen Vanuatu<br />

waren austronesische Seefahrer. Sie erreichten den<br />

Archipel vor etwa 3500 Jahren. Auf seiner zweiten<br />

Südseereise erreichte James Cook die Inseln im Frühjahr 1774,<br />

<strong>und</strong> gab ihnen den Namen „Neue Hebriden“. Die französischbritische<br />

Marinekommission erklärte den Archipel im Jahre<br />

1906 zum „Kondominium“, zur weltweit einzigen gemeinsam<br />

verwalteten Kolonie – mit je eigener Verwaltung. Volle<br />

Souveränität erlangten die Neuen Hebriden am 30. Juli 1980.<br />

Ein neuer Staat wurde geboren: VANUATU – „das Land, das<br />

sich erhebt“, seine Einwohner nennen sich Ni-Vanuatu – „die<br />

Menschen Vanuatus“.<br />

1500 Kilometer nordöstlich von Australien – ein lang gezogenes<br />

Ypsilon im südpazifischen Ozean.<br />

Über 80 Inseln.<br />

Etwa 220.000 Menschen.<br />

Mehr als 100 verschiedene Sprachen.<br />

Vanuatu – Pentecost – Bunlap Ursprung in der Südsee<br />

021


022<br />

* Skul ist ein Begriff<br />

aus dem Bislama,<br />

abgeleitet vom engl.<br />

„school“ = Schule<br />

Ursprung in der Südsee Vanuatu – Pentecost – Bunlap<br />

Die Insel PENTECOST erhielt ihren Namen vom<br />

französischen Seefahrer Antoine de Bougainville, der<br />

sie am Pfingstsonntag des Jahres 1768 „entdeckte“. Sie<br />

erstreckt sich über eine Länge von etwa 70 Kilometern bei nur<br />

etwa 10 Kilometern Breite. Die zerklüftete, urwaldbewachsene<br />

<strong>und</strong> nur schlecht zugängliche Inselmitte erhebt sich an den<br />

höchsten Stellen fast 900 Meter über den Meeresboden. Der<br />

südliche Teil der Insel ist Heimat <strong>für</strong> etwa 3000 Sa-Sprecher.<br />

2004 bekannten sich unter den Sa Dörfern neben BUNLAP<br />

auch Sankar, Lonbwe, Pohurur, Lonlibilie, Bilaut, Lonau, Ratap<br />

<strong>und</strong> einige kleinere Weiler zu Kastom. Die übrigen Dörfer, teils<br />

nur einen Steinwurf von den Kastom Siedlungen entfernt, sind<br />

Skul * . Die Anhänger von Kastom sind, wie man auf Bislama<br />

sagen würde, Man Ples. Leute (Man), die „von jeher“ mit dem<br />

Ort (Ples) <strong>und</strong> dessen von den Bewohnern <strong>für</strong> „ursprünglich“<br />

gehaltene Kultur verwurzelt sind.<br />

Die sprachliche Bedeutung von Skul liegt auf der Hand: Skul<br />

Leute gehen zur Schule beziehungsweise in die Kirche. Da es in<br />

aller Regel die Missionen sind, die Schulen unterhalten, werden<br />

Schule <strong>und</strong> Kirche von den Sa als identisch betrachtet. Wer Skul<br />

ist, hat in den Augen der Kastom Anhänger seine Identität als<br />

Man Ples in vielerlei Hinsicht verloren <strong>und</strong> versucht statt dessen<br />

den „Weg des weißen Mannes“ zu gehen. Die Mehrheit der<br />

Kastom Sa findet letzteres auch nach über h<strong>und</strong>ertfünfzig Jahren<br />

Kontakt mit Europäern immer noch fragwürdig.<br />

Fotos: Katrin Martin


„Als er alt geworden war, rief Singit alle seine Kinder zu sich <strong>und</strong><br />

sagte ihnen: ‚Ihr sollt mich töten <strong>und</strong> alle Teile meines Körpers an<br />

unterschiedlichen Stellen vergraben. Vorher aber fertigt eine Juban<br />

meines Gesichtes an, damit Ihr mich nicht vergeßt.’ So geschah es. Die<br />

Kinder schnitzten eine Maske von ihres Vaters Gesicht, dann töteten,<br />

zerschnitten <strong>und</strong> begruben sie ihn. Aus den verschiedenen Teilen seines<br />

Körpers aber wuchsen die verschiedenen Yamsarten heran: aus<br />

seinen Beinen der lange, aus seinem Herz der r<strong>und</strong>e Yams, aus den<br />

Knochen der dünne, harte, aus der Leber der ovale Yams, aus den<br />

Gedärmen wuchs der schlangenartig gedrehte <strong>und</strong> aus seinem Blut<br />

der kleine rote Yams.“<br />

Der Juban Tanz erinnert an den mythischen Kulturheroen<br />

Singit <strong>und</strong> ist ein geradezu archetypisches Fruchtbarkeitsritual.<br />

Er eröffnet nach der „Zeit der Stille“, die<br />

mit dem Pflanzen des Yams beginnt <strong>und</strong> <strong>für</strong> dessen ungestörtes<br />

Wachstum notwendig ist, die „Zeit der Feste“.<br />

Wenn der Yamspriester – loas na dam – den ersten Yams des Jahres<br />

geerntet <strong>und</strong> gegessen hat, gehen auch alle anderen Männer <strong>und</strong><br />

Frauen in ihre Yamsgärten <strong>und</strong> bringen einige reife Knollen ins<br />

Masken Juban<br />

Dorf, die am nächsten Tag gegessen werden. Am fünften Tag nach<br />

dieser ersten Ernte gehen Männer, Frauen <strong>und</strong> Kinder zum Meer<br />

hinunter, um den „ganzen Dreck der Yamsernte“ abzuwaschen<br />

<strong>und</strong> ins Meer zu spülen. „Denn Yams ist eine starke Kraft. Eine<br />

lebendige Kraft, die wir hier in Bunlap immer noch sehr respektieren“,<br />

erklärt Moses Watas, der wohl begabteste Juban Schnitzer<br />

von Bunlap. Am Tag nach dieser rituellen Waschung werden<br />

dann – seit wenigen Jahren wieder – auf dem Sara, dem Tanzplatz,<br />

die Juban „getanzt“. Die Wildheit des Tanzes, sowie die<br />

oftmals grimmig dreinschauenden Masken erinnern daran, dass<br />

es ohne den Tod kein Leben geben kann. Dennoch ist es auch<br />

ein fröhliches Fest, bei dem gelacht <strong>und</strong> über die verschiedenen<br />

Masken gescherzt wird.<br />

Obwohl die Sa in vieler Hinsicht auf eine erstaunliche kulturelle Kontinuität<br />

zurückblicken können, geriet das Schnitzen der Juban Masken<br />

vor etwa sechzig Jahren in Vergessenheit. Nicht zuletzt durch eine<br />

Anregung von außen lebte die Erinnerung daran wieder auf <strong>und</strong> die<br />

Kunst wurde revitalisiert. Anfang der 1980er Jahre waren ein amerikanischer<br />

<strong>und</strong> ein französischer Kunsthändler nach Bunlap gekommen.<br />

In einem Bildband über die Kunst Ozeaniens hatten sie klassische<br />

Juban Masken gef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> wollten nun<br />

solche erwerben – vergeblich. Alle Masken<br />

waren verkauft oder verrottet <strong>und</strong> niemand<br />

mehr in ihrer Herstellung geübt. Neben<br />

Abbildungen brachten die Kunsthändler<br />

aber auch die Information mit, dass sich<br />

noch einige Juban im Nationalmuseum in<br />

Port Vila befänden. Die Dorfgemeinschaft<br />

schickte daraufhin einige Männer in die<br />

Hauptstadt, um diese Masken anzusehen<br />

<strong>und</strong> die Kunst wieder aufzunehmen.<br />

Heute ist das Juban Schnitzen nicht nur<br />

wiederbelebt, sondern präsentiert sich<br />

variantenreicher <strong>und</strong> individueller denn je.<br />

Die hier ausgestellten Masken entstanden<br />

nach 1990. Sie stammen von Chief Bebe<br />

Malegel, Moses Watas, Betu Telkon <strong>und</strong><br />

Chief Warisul Telkon aus Bunlap, sowie<br />

Kieth Bulantor aus Ranwas. Sie werden<br />

heute nicht mehr mit den bis vor zwei<br />

Generationen üblichen Steinwerkzeugen,<br />

sondern mit Hammer <strong>und</strong> Meißel hergestellt.<br />

Stilistisch beziehen sich die Künstler<br />

dabei aber nach wie vor auf die wenigen<br />

noch erhaltenen Prototypen, die im<br />

Nationalmuseum von Vanuatu sorgsam<br />

gehütet werden.<br />

Moses Watas Telkon Betu<br />

024 UrSprung in der Südsee Masken – Juban<br />

Masken – Juban UrSprung in der Südsee<br />

025<br />

Fotos: Katrin Martin


026 UrSprung in der Südsee Masken – Juban<br />

Masken – Juban UrSprung in der Südsee<br />

027<br />

Fotos Masken: Marietta Weidner


Watas<br />

Mail<br />

Betu<br />

(v.l.n.r)<br />

Fotos: Katrin Martin<br />

029


Fotos: Katrin Martin<br />

Watas Bong<br />

Sali Wararae Bong<br />

Bebe Malegel †<br />

(v.l.n.r)<br />

031


Turmspringen<br />

Gol<br />

Zwischen März <strong>und</strong> Juni bauen Jungen <strong>und</strong> Männer einen<br />

bis zu dreißig Meter hohen Turm aus Holz, Lianen <strong>und</strong><br />

Rindenstreifen – Tarbe Gol. Der Name des Turmes bedeutet<br />

soviel wie „Spiel“ (Gol – abgeleitet von Sa-Begriff Kolan =<br />

Spielen) mit dem „Körper“ (Tarbe = Körper). Ist der Turmbau abgeschlossen,<br />

wird an einem vorher festgelegten Tag ein großes Fest<br />

gefeiert, in dessen Mittelpunkt das Turmspringen steht: zwischen<br />

zehn <strong>und</strong> fünfzig Jungen, Burschen <strong>und</strong> Männer springen<br />

kopfüber von verschiedenen Höhen des Turmes herunter. Dabei<br />

werden sie lediglich von zwei um die Fußknöchel geb<strong>und</strong>enen<br />

Lianen vor dem Aufschlagen auf dem Erdboden bewahrt.<br />

032 UrSprung in der Südsee Turmspringen – Gol<br />

Turmspringen – Gol UrSprung in der Südsee<br />

033<br />

Filmstills: <strong>Thorolf</strong> <strong>Lipp</strong>


Zeichnungen: Amelie Hüneke<br />

Gol melala<br />

Vielleicht stellt dies die Urform des Gol dar? Hier konnte, der<br />

Überlieferung zufolge, von allen Seiten gleichzeitig gesprungen<br />

werden, weswegen er auch „Zwillingsturm“ (bela) genannt wird.<br />

Gol bereti<br />

Vielleicht sah so eine der ersten Entwicklungsphasen des Gol<br />

aus? Eine zweidimensionale, leiterartige (bereti) Konstruktion,<br />

die an einen Baum gelehnt wurde.<br />

034 UrSprung in der Südsee Turmspringen – Gol<br />

Turmspringen – Gol UrSprung in der Südsee<br />

035


Zeichnungen: Amelie Hüneke<br />

Gol abri<br />

In etwa die Gr<strong>und</strong>form der heutzutage gebauten Sprungtürme.<br />

Deutlich sichtbar ein Baum, meist eine Kokospalme, als<br />

„Rückgrat“ sowie die nach hinten gebogene Form <strong>und</strong> schräge<br />

Verstrebungen. Beides hilft, die Stabilität zu erhöhen <strong>und</strong> die<br />

Wucht der Sprünge besser abzufedern.<br />

Partien des Tarbe Ggol<br />

Die einzelnen Abschnitte des Tarbe Gol sind nach Partien des<br />

menschlichen Körpers benannt.<br />

036 UrSprung in der Südsee Turmspringen – Gol Turmspringen – Gol UrSprung in der Südsee<br />

037


Foto: <strong>Martina</strong> <strong>Kleinert</strong><br />

Das Turmspringen ist ein riskantes Spektakel, das auf<br />

mehreren unterschiedlichen Ebenen Bedeutungen<br />

entfaltet. Analysiert man die das Turmspringen<br />

umgebenden Mythen <strong>und</strong> Symbole, begegnet einem unverkennbar<br />

vor allem das Motiv einer künstlichen Geburt beziehungsweise<br />

kollektiven Vaterschaft. Der große, vom Kollektiv der Männer<br />

errichtete künstliche Körper gebiert viele kleine Körper, die Liane,<br />

die den Aufprall abfängt, erinnert gewissermaßen an eine<br />

Nabelschnur.<br />

Überraschenderweise ist das Turmspringen aber dennoch kein<br />

Initiationsritual. Weder ist die Teilnahme <strong>für</strong> alle Mitglieder<br />

einer Altersgruppe verpflichtend, noch wird das <strong>für</strong> eine<br />

Initiation so typische Gemeinschaftsgefühl geschaffen. Ob ein<br />

Mann in seinem Leben überhaupt nie springt, oder als jampion<br />

bereits in jungen Jahren auf mehrere Dutzend Sprünge<br />

zurückblickt – der Sprung an sich hat keinen Statuswechsel des<br />

Einzelnen zur Folge. Das Gol ist in den Augen der Sa vor allem<br />

ein Spiel.<br />

Obwohl das Turmspringen also durch Zwanglosigkeit <strong>und</strong><br />

Freiwilligkeit geprägt ist, bleibt es nicht ohne funktionale<br />

Rückbezüge zu anderen sozialen Institutionen der Sa. Es<br />

präsentiert sich vielmehr als eine Veranstaltung mit mehreren,<br />

teils komplett voneinander unabhängigen „Gewinnchancen“ <strong>für</strong><br />

den Einzelnen. Manche betrachten es als Einkommensquelle,<br />

andere als Gelegenheit, ihren Mut zu zeigen, oder einem<br />

zuschauenden Mädchen zu imponieren. Aber es bietet auch<br />

die Möglichkeit, den eigenen sozialen Aufstieg indirekt<br />

durch das erfolgreiche Organisieren oder Veranstalten eines<br />

Turmspringens zu befördern.<br />

Darüber hinaus kann das Turmspringen aber auch auf der<br />

überindividuellen Ebene bestimmte Wirkungen entfalten.<br />

Durch ein Gol könnten bestimmte soziale Konflikte auf<br />

dörflicher Ebene gezielt entschärft <strong>und</strong> der lokale Frieden<br />

wiederhergestellt werden. Regionale Konflikte werden<br />

zumindest zeitweise beiseite geschoben. Ein Gol, das Besucher<br />

aus der näheren <strong>und</strong> weiteren Umgebung anzieht, trägt<br />

dadurch zur Bildung neuer Allianzen <strong>und</strong> folglich zur Friedensstiftung<br />

bei.<br />

Seit mindestens vier Jahrzehnten spielt das Gol aufgr<strong>und</strong> seiner<br />

enormen Bedeutung als finanzielle Ressource eine neue, ja<br />

geradezu entscheidende Rolle bei der Konstituierung von Macht.<br />

Traditionelle Vorstellungen von Herrschaft bei den Kastom Sa<br />

wurden dadurch nachhaltig verändert. Durch nichts kann ein<br />

Mann so schnell so viel Geld verdienen – <strong>und</strong> sich damit Einfluss<br />

erkaufen – wie durch das Abhalten eines Turmspringens<br />

<strong>für</strong> zahlende Touristen oder finanzstarke Filmteams. Inzwischen<br />

beträgt die Gebühr <strong>für</strong> professionelle Filmaufnahmen eines<br />

Turmspringens in Bunlap zwischen zehn- <strong>und</strong> fünfzehntausend<br />

Euro. Dabei haben seit Beginn der Kommerzialisierung nur<br />

einige wenige, ohnehin schon einflussreiche Männer profitiert.<br />

In Bunlap ist dies „Chief“ Telkon Watas * . Es ist keineswegs<br />

übertrieben, von einer Ausbeutung der Gemeinschaft durch<br />

ihn <strong>und</strong> einige andere so genannte „Chiefs“ zu sprechen, denn<br />

eine nachhaltige Entwicklung des dörflichen Gemeinwesens,<br />

etwa durch den Bau einer dringend benötigten Wasserleitung,<br />

hat es nie gegeben. Der starke Gemeinschaftssinn der Kastom<br />

Sa verhinderte bislang, dass diese Machenschaften geahndet<br />

<strong>und</strong> die Schuldigen zur Rechenschaft gezogen wurden. Erst<br />

seit drei oder vier Jahren nimmt der Widerstand gegen diese<br />

Ausbeutung konkrete Formen an. Der wichtigste Fürsprecher<br />

<strong>für</strong> eine gerechtere Verteilung der durch das Turmspringen eingenommenen<br />

Gelder, der vier<strong>und</strong>vierzigjährige Bebe Malegel,<br />

kam dabei am 15. März 2009 durch blak majik ums Leben.<br />

Turmspringen – Gol UrSprung in der Südsee<br />

* Die Position des<br />

„Chief“ entspricht<br />

nicht der traditionellen,<br />

auf Ausgleich<br />

zwischen den<br />

Familien beruhenden<br />

Machtbalance auf<br />

Pentecost, sondern<br />

geht auf die Zeit der<br />

Kolonialverwaltung<br />

zurück. „Chiefs“<br />

wie Telkon Watas,<br />

der heute mit allen<br />

Mitteln versucht,<br />

seine Privilegien zu<br />

wahren <strong>und</strong> auch<br />

an seine Söhne<br />

weiterzugeben,<br />

widersprechen damit<br />

dem traditionellen<br />

warsangul bzw.<br />

„Big Men“ System.<br />

039


Nach Bunlap führt keine Straße, um dorthin zu gelangen,<br />

muss man lange Fußmärsche auf sich nehmen. Das<br />

Dorf mag abgeschieden liegen, aber ist es deswegen<br />

auch vollkommen isoliert? Weit gefehlt. Seit 2002 ist man in<br />

Bunlap mit dem Telefon über alle Ozeane <strong>und</strong> Kontinente hinweg<br />

mit dem Rest der Welt verb<strong>und</strong>en. Oder mit Verwandten<br />

<strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>en in der Hauptstadt Port Vila.<br />

Der kleine Kramladen gleich unterhalb des Tanzplatzes ist zu<br />

einem der wichtigsten Treffpunkte im Dorf geworden. Hier<br />

hat man vor sieben Jahren das Telefon installiert. Seither sitzt<br />

fast immer jemand auf der einfachen Bank unter dem kleinen<br />

Vordach, wartet auf einen Anruf oder hält ein Schwätzchen mit<br />

Umstehenden.<br />

Herzstück des Telefons ist ein solarbetriebener Funkmast, den die<br />

„Telekom Vanuatu Ltd.“ mit einem Hubschrauber auf die höchste<br />

Erhebung in der Inselmitte von Südpentecost transportieren<br />

ließ. Von dort wurde das Kabel der Telefonleitung direkt ins<br />

Dorf geführt, wo nun jeder, der Zahlen lesen <strong>und</strong> eine Pre-Paid<br />

Telefonkarte besitzt, das Telefon benutzen kann.<br />

Telefon<br />

Die Anschaffung des Telefons geht auf den dringenden Wunsch<br />

einiger einflussreicher Männer zurück. Während vieler Abende<br />

in den Männerhäusern stand das Thema immer wieder auf der<br />

Agenda. Vor allem die beiden Söhne von „Chief“ Telkon Watas,<br />

der fünf<strong>und</strong>vierzigjährige Warisus <strong>und</strong> der sechs<strong>und</strong>zwanzigjährige<br />

Bebe, versuchten, die Idee durchzusetzen. Beide agieren<br />

als verlängerter Arm ihres Vaters, der seit zwanzig Jahren in der<br />

Hauptstadt Port Vila lebt <strong>und</strong> am meisten von den reichlichen<br />

Einnahmen der Turmspringen in Bunlap profitiert.<br />

Bislang erforderte jede Kontaktaufnahme mit Telkon, dass einer<br />

seiner Söhne den mehrstündigen <strong>und</strong> beschwerlichen Fußmarsch<br />

auf die andere Seite der Insel unternehmen musste, wo sich das<br />

nächstgelegene öffentliche Telefon befindet. Um sich diese zeitraubenden<br />

<strong>und</strong> anstrengenden Wege zu ersparen, wurde der Rest<br />

des Dorfes von der Notwendigkeit der Anschaffung überzeugt.<br />

Daraufhin kontaktierte man die nationale Telefongesellschaft,<br />

die <strong>für</strong> die Errichtung der Anlage ein Angebot machte.<br />

Der Teil der Kosten, den die Dorfgemeinschaft zu übernehmen<br />

hatte, <strong>und</strong> der sich auf etwa 30% der Gesamtsumme belief,<br />

betrug allerdings immer noch mehrere h<strong>und</strong>erttausend Vatu,<br />

(ca. viertausend Euro). Da im Jahr zuvor ein französisches Filmteam<br />

einen Film über das Turmspringen gedreht <strong>und</strong> da<strong>für</strong> eine<br />

Million Vatu (ca. siebentausend Euro) bezahlt hatte, stand die<br />

Summe tatsächlich zur Verfügung.<br />

Für die gleiche Summe Geldes hätte allerdings auch eine<br />

Wasserleitung gebaut werden können, von der dann vor allem<br />

Frauen <strong>und</strong> Kinder profitiert hätten. Sind sie es doch, die<br />

praktisch jeden Tropfen Wasser von der mehrere Kilometer<br />

entfernten Quelle ins Dorf tragen müssen.<br />

Was hat sich durch das Telefon geändert?<br />

Bebe <strong>und</strong> Warisus Telkon ermöglicht es, sich nun schneller <strong>und</strong><br />

öfter mit ihrem Vater austauschen <strong>und</strong> dessen Anweisungen<br />

entgegennehmen können. Anderen erleichtert es den Handel<br />

mit der rituell bedeutsamen Kavawurzel, sie können einfacher<br />

<strong>und</strong> bequemer geschäftliche oder auch politische Ziele verfolgen.<br />

Wieder andere nutzen das Telefon, um hin <strong>und</strong> wieder mit<br />

Fre<strong>und</strong>en oder Bekannten zu sprechen, die in anderen Teilen<br />

Pentecosts, auf anderen Inseln des Archipels oder dem Rest der<br />

Welt zuhause sind.<br />

Seit es das Telefon gibt, hat sich auch das Angebot im Kramladen<br />

von Wariat Warisul stetig erweitert, da er seine Waren nun<br />

telefonisch bei einem Zwischenhändler in Santo ordert <strong>und</strong><br />

seine Bestellungen direkt weitergibt. In der Regel trifft alle vier<br />

bis acht Wochen ein Schiff im fünf Kilometer entfernten Baie<br />

Barrier ein, wo die bestellten Güter mit einem kleinen Beiboot<br />

an Land gebracht <strong>und</strong> zu Fuß weiter nach Bunlap transportiert<br />

werden.<br />

Auch der Ethnologe profitiert vom Telefon, weil er hin <strong>und</strong><br />

wieder liebe Menschen in der Heimat anrufen kann.<br />

Wariat Warisul in seinem Laden<br />

040 UrSprung in der Südsee Telefon Telefon UrSprung in der Südsee<br />

041<br />

Foto: Katrin Martin


Warisus Telkon<br />

Foto: Katrin Martin<br />

Foto: <strong>Martina</strong> <strong>Kleinert</strong><br />

Warisus Telkon <strong>und</strong><br />

<strong>Thorolf</strong> <strong>Lipp</strong>


Sali Molkat<br />

Fotos: Katrin Martin


Das Dorfbild bestimmten die traditionellen Kochhütten,<br />

die Im. In ihnen findet ein guter Teil des sozialen<br />

Lebens statt. An ihren Feuerstellen wird gekocht, <strong>und</strong><br />

wenn kein weiteres Schlafhaus vorhanden ist, schläft die Familie<br />

auch darin.<br />

Fotos: Katrin Martin<br />

Kochhütten<br />

Im<br />

Das Im wird ausschließlich aus natürlichen Materialien<br />

errichtet. Die Wände bestehen aus Bambusrohren, die zwischen<br />

Stützpfeilern übereinander geschichtet sind. Der Dachfirst wird<br />

von mehreren, frei im Raum stehenden Hartholzpfosten gestützt.<br />

Das Dach selbst muss alle paar Jahre aufs Neue mit Natagora<br />

gedeckt werden, einer extrem widerstandsfähigen Grasart.<br />

Ein Baumstamm, manchmal ein Bambusrohr, liegt in der<br />

Mitte am Boden <strong>und</strong> teilt das Im symbolisch in zwei getrennte<br />

Sphären.<br />

Am Fußende des Hauses, nahe am Eingang, der durch ein tief<br />

gezogenes Vordach vor Wind <strong>und</strong> Regen geschützt ist, liegt der<br />

Bereich der Frauen <strong>und</strong> Kinder. Dem Mann hingegen gebührt<br />

der Platz am Kopfende des Hauses.<br />

In jeder Haushälfte bildet eine Feuerstelle den Mittelpunkt.<br />

Frauen, Mädchen <strong>und</strong> junge Männer, die noch keinen Titel<br />

erworben haben, bereiten ihre Speisen auf dem Feuer nahe<br />

beim Eingang zu. Dieses Feuer trägt den Namen Ap tun, das<br />

„Feuer ganz hinten“. Das Feuer am Kopfende des Hauses, das<br />

den Namen Ap kon trägt, das „heilige Feuer“, ist hingegen<br />

den Titel tragenden Männern vorbehalten. Denn Frauen <strong>und</strong><br />

Titel tragenden Männern ist es strengstens verboten, Speisen<br />

zu teilen, die auf ein- <strong>und</strong> demselben Feuer zubereitet worden<br />

sind. Auf diese Trennung wird streng geachtet.<br />

Allerdings schließt dies nicht aus, dass eine Frau <strong>für</strong> ihren<br />

eigenen Mann oder Kinder <strong>für</strong> ihren Vater kochen dürfen. Es<br />

kommt durchaus vor, dass eine Frau einmal <strong>für</strong> sich <strong>und</strong> ihre<br />

Kinder auf dem vorderen Feuer, <strong>und</strong> parallel dazu auf dem<br />

046 UrSprung in der Südsee Kochhütten - Im<br />

Kochhütten - Im UrSprung in der Südsee<br />

047


hinteren Feuer <strong>für</strong> ihren Mann kocht.<br />

Ihr eigenes Feuer darf sie selbst anzünden, das Feuer des Mannes<br />

hingegen darf sie nur nähren oder auf ihm kochen, es aber<br />

nicht entzünden. Ist ihr Mann abwesend, wird sie einen ihrer<br />

Söhne ins Männerhaus schicken, um von dort ein von Männern<br />

entzündetes Feuer zu holen. In der Regel kocht der Mann<br />

jedoch <strong>für</strong> sich selbst <strong>und</strong> erwartet nur in Ausnahmefällen, dass<br />

seine Frau ihm diese Arbeit abnimmt.<br />

Die bei den Kastom Sa herrschende Überzeugung der<br />

notwendigen <strong>und</strong> strikten Trennung der Geschlechter wird hier<br />

ganz offensichtlich. Ihre Skul Nachbarn hingegen haben diese<br />

Form der hierarchischen Aufteilung längst aufgegeben.<br />

Selten bringt man mehr als eine oder zwei Tagesrationen an<br />

Früchten <strong>und</strong> Gemüse, an Bananen, Kokosnüssen, Taro oder<br />

Cabbis aus den Gärten mit ins Haus. Andernfalls würden<br />

die Vorräte verderben <strong>und</strong> zögen in zu großem Maße Ratten<br />

<strong>und</strong> Mäuse an, die ohnehin eine ständige Plage darstellen.<br />

Zum Schutz vor ihnen wird Essbares <strong>und</strong> Wertvolles in<br />

geflochtenen Körben aufbewahrt, die in jedem Haus von der<br />

Decke herabhängen.<br />

Gekocht wird im Erdofen, in hohlen Bambusrohren, oder<br />

aber in schweren Aluminiumtöpfen, die auf Steinen oder alten<br />

Dosen direkt über dem Feuer stehen. Knollen werden in der<br />

Glut geröstet.<br />

Der Steinhaufen neben den Feuerstellen ist <strong>für</strong> den Erdofen<br />

notwendig. In einem Bett aus Steinen wird ein Feuer entfacht,<br />

auf die erhitzten Steine werden die in Blätter gewickelten<br />

Speisen gelegt <strong>und</strong> mit weiteren Steinen zugedeckt. Um die<br />

glühend heißen Steine zu bewegen, bedient man sich etwa<br />

anderthalb bis zwei Meter langer, kräftiger Stöcke, die auf etwa<br />

der Hälfte der Länge in der Mitte gespalten werden. Sie dienen<br />

als eine Art Zange, mit der Steine gegriffen <strong>und</strong> bewegt werden<br />

können.<br />

Auch alte Palmwedel finden sich in jeder Hütte, auf ihnen kann<br />

man sich nahe beim warmen Feuer ausruhen <strong>und</strong> muss so nicht<br />

auf dem nackten, aus gestampfter Erde bestehenden Boden<br />

liegen. Überdies sind getrocknete Palmblätter ausgezeichneter<br />

Z<strong>und</strong>er, während die verholzten Stiele lang brennende Fackeln<br />

abgeben. Kleine Baumstümpfe oder einfache Höckerchen<br />

dienen als Sitzgelegenheit.<br />

Unverzichtbar in jeder Hütte ist schließlich das Feuerholz, das<br />

alle paar Tage aus dem Wald geholt wird. Oft lagert man es<br />

links <strong>und</strong> rechts neben dem Eingang, unter dem Vordach oder<br />

aber in einer Ecke des Hauses, nahe beim Feuer.<br />

Wasser bewahrt man in Bambusrohren auf, deren Öffnungen<br />

mit Blättern verschlossen werden, in alten Glas- oder<br />

Plastikflaschen oder in Fischernetz-Bojen aus Hartplastik. Diese<br />

unverwüstlichen Plastikkugeln von ca. 45 cm Durchmesser<br />

werden immer wieder einmal angeschwemmt <strong>und</strong> stellen<br />

überaus begehrte, wertvolle F<strong>und</strong>stücke dar. Entweder bohrt<br />

man ein Loch hinein <strong>und</strong> erhält dann ein verschließbares Gefäß,<br />

oder man zerteilt sie in zwei gleichgroße Hälften, um zwei extrem<br />

stabile Schüsseln zu bekommen.<br />

In der Regel erstrecken sich einfache Liegen aus Bambusrohren,<br />

die der Familie als Schlafstatt dienen, über eine der Seiten des<br />

Hauses. Vorne, beim Hauseingang, schläft die Frau mit den<br />

Kindern. Hinten, am Kopfende, der Mann.<br />

048 UrSprung in der Südsee Kochhütten - Im Kochhütten - Im UrSprung in der Südsee<br />

049<br />

Fotos: Katrin Martin<br />

Bolaku beim Rösten von Taro am Feuer in ihrem Haus


050<br />

UrSprung in der Südsee Kochhütten - Im<br />

Bolaku<br />

Jibe (v.l.n.r)<br />

Fotos: <strong>Martina</strong> <strong>Kleinert</strong>, Zeichnung: Amelie Hüneke


Fotos farbig: Katrin Martin<br />

<strong>Kleinert</strong><br />

<strong>Martina</strong><br />

Jibesor Warisul<br />

WeanWatabu<br />

schwarz-weiss:<br />

Wano (v.l.n.r) Fotos


Fotos: <strong>Martina</strong> <strong>Kleinert</strong><br />

Mumum<br />

Wamu <strong>und</strong> seine Mutter Belaku<br />

Sali Moses<br />

(v.l.n.r)<br />

Foto: Katrin Martin


056<br />

Bunlap wurde an einem steinigen Hang gebaut, der<br />

zum Meer hin steil abfällt. Das soziale Zentrum des<br />

Dorfes ist der Tanzplatz, Sara, der von drei Männerhäusern<br />

umgeben ist <strong>und</strong> wie ein Kopf, oberhalb der anderen<br />

Gebäude, auf deren Schultern ruht. Dass der Tanzplatz auch<br />

physisch der höchstgelegene Ort im Dorf ist, unterstreicht<br />

noch seine Bedeutung. Hier treffen sich die Männer zum<br />

abendlichen Kava-Trinken, hier finden die wichtigsten Feste<br />

<strong>und</strong> Rituale statt, hier wird Politik gemacht, hier werden Besucher<br />

empfangen.<br />

Frauen <strong>und</strong> Mädchen meiden den Tanzplatz. Sie wissen,<br />

dass die Männer ihre Anwesenheit als ungehöriges Eindringen<br />

betrachten würden. Nur zu besonderen Gelegenheiten,<br />

zu bestimmten Festen <strong>und</strong> Ritualen oder bei gemeinschaftlichen<br />

Arbeiten, etwa dem Herstellen neuer Hausdächer, betreten<br />

auch Frauen <strong>und</strong> ältere Mädchen den Platz. Selbst dann<br />

halten sie sich in der Regel am Rand auf <strong>und</strong> vermeiden es<br />

das Zentrum zu betreten. Nur bei Mädchen vor dem Erreichen<br />

der Pubertät macht man eine Ausnahme, weil sie noch<br />

keine vollwertigen Frauen sind. Wenn die Erwachsenen in den<br />

UrSprung in der Südsee Tanzplatz – Sara<br />

Tanzplatz<br />

Sara<br />

Gärten arbeiten, spielen die kleinen Jungen <strong>und</strong> Mädchen hier<br />

mitunter ungestört ihre Spiele: Fangen, Ringelreihen, Faden-<br />

oder Klatschspiele.<br />

Auf dem Tanzplatz wird, wie der Name schon sagt, unter anderem<br />

auch getanzt. Der Tanz verändert den physischen Raum. Er sakralisiert<br />

ihn, macht deutlich, dass Dinge geschehen, die <strong>für</strong> die<br />

Gesellschaft von entscheidender Bedeutung sind.<br />

Die Beschneidungszeremonie <strong>für</strong> die Jungen, Taltabwean, fällt<br />

darunter. Sie verändert das Leben der Knaben <strong>für</strong> immer, denn<br />

nun dürfen sie erstmals die Männerhäuser betreten. Auch die<br />

sieben<strong>und</strong>zwanzig verschiedenen Warsangul Titelrituale, durch<br />

die ein Mann nach <strong>und</strong> nach in der Hierarchie des Dorfes<br />

aufsteigt, werden ohne Ausnahme auf dem Tanzplatz abgehalten.<br />

Der Initiand tötet Schweine, deren Fleisch unter seiner<br />

Großfamilie sowie der seiner Frau aufgeteilt wird. Lebende<br />

Schweine verschenkt er an denjenigen Mann, der ihm den Titel<br />

verkauft hat.<br />

Feste finden hier statt, so die Erntefeste, mit denen sicherge-<br />

stellt wird, dass die Zeit nicht etwa stehen bleibt, sondern der<br />

Kosmos seinen gewohnten Gang nimmt <strong>und</strong> auch die nächste<br />

Ernte sicher kommen wird.<br />

Sali, Melsul <strong>und</strong><br />

Bong Aya spielen auf dem<br />

Sara von Bunlap<br />

Fotos: Katrin Martin


Männerhäuser<br />

Mal<br />

Am Rand des Tanzplatzes stehen die drei Männerhäuser<br />

Mal des Dorfes. Ausschließlich bereits beschnittene<br />

Jungen <strong>und</strong> Männer dürfen sie betreten, Frauen haben<br />

fernzubleiben.<br />

Dass die Männerhäuser im Zentrum des Dorfes, an dessen<br />

zentralster <strong>und</strong> höchstgelegener Stelle positioniert sind, ist kein<br />

Zufall, sondern Ausdruck <strong>für</strong> die besondere männliche Potenz<br />

<strong>und</strong> spirituelle Stärke dieses Ortes.<br />

Die Mal gehören den sechs in Bunlap ansässigen Großfamilien,<br />

Buluim. Diese haben sie gegründet, gebaut <strong>und</strong> sorgen auch<br />

<strong>für</strong> ihren Unterhalt. Oft übernimmt eine Großfamilie beim<br />

Bau eines Männerhauses die Federführung, andere können sich<br />

anschließen <strong>und</strong> so zu Miteigentümern werden.<br />

Ebenso wie in den Kochhütten ist das Innere der Männerhäuser<br />

durch am Boden liegende Baumstämme unterteilt, <strong>und</strong> es sind<br />

mehrere Feuerstellen vorhanden.<br />

Am minder privilegierten Fußende des Männerhauses sitzen<br />

die noch titellosen Jungen. Sie dürfen ausschließlich vom hier<br />

brennenden Feuer essen, dem Ap tun, dem „Feuer ganz hinten“.<br />

Das nächste Feuer ist <strong>für</strong> alle Männer reserviert, die den ersten<br />

<strong>und</strong> zweiten Titel erworben haben. Es wird Ap lon tobol genannt,<br />

das „Feuer in der Mitte“. Am dritten Feuer Ap kon, dem „heiligen<br />

Feuer“, kochen <strong>und</strong> essen alle Männer die drei oder mehr Titel<br />

tragen. Das vierte, privilegierteste Feuer, am Kopfende des Männerhauses,<br />

wird nur in Ausnahmefällen entzündet. Sein Name<br />

ist Ap tor, was soviel bedeutet wie das „heilige Feuer, das durch<br />

Reiben zweier Hölzer erzeugt wird“. Wenn ein Initiand einen<br />

sehr hohen Titel erworben hat, ist er so voller spiritueller Kraft,<br />

Konan, dass er <strong>für</strong> eine begrenzte Zeit nicht mehr mit den anderen<br />

gemeinsam am dritten Feuer essen darf, sondern sich allein<br />

am vierten Feuer versorgen muss. Erst nach einer zehntägigen<br />

Periode der „Abkühlung“ kehrt er zurück ans dritte Feuer.<br />

Herrscht angesichts dieser deutlichen Stratifizierung der Sa<br />

Gesellschaft nun eine strenge Ordnung zwischen den Männern?<br />

Ist ihr alltäglicher Umgang von dem sehr formalen Verhalten<br />

zwischen Angehörigen unterschiedlicher Rangstufen geprägt,<br />

wie es etwa in Polynesien der Fall ist? Keineswegs!<br />

Jung <strong>und</strong> alt, Männer mit vielen <strong>und</strong> Männer mit wenigen<br />

Titeln gehen ungezwungen miteinander um: zwanglos, kaum<br />

ritualisiert, abgesehen von den physischen Grenzen durch die<br />

Position der Feuerstellen im Raum. Kaum einer betritt das Mal<br />

so, wie es sich eigentlich gehören würde, durch den „Hintereingang“<br />

am Fußende. Tatsächlich laufen die kleinen Jungen<br />

bedenkenlos zu ihren Großvätern, Onkeln oder „Sponsoren“,<br />

die am Kopfende des Hauses sitzen <strong>und</strong> Yams oder Taro am<br />

Feuer rösten. Sie ziehen sich gerne in eine dunkle Ecke in der<br />

Mitte des Hauses zurück, um den Gesprächen der Männer zu<br />

lauschen.<br />

Solche Überschreitungen der Etikette, die nicht an der Substanz<br />

des Systems rühren, werden nicht geahndet. Ganz anders verhält<br />

es sich allerdings auch hier – ganz so wie in den Im – hinsichtlich<br />

der Tabus, die mit dem Feuer <strong>und</strong> der Zubereitung der<br />

Speisen beachtet werden. Niemand würde es wagen, von einem<br />

Feuer zu essen, das nicht seinem Rang entspricht. Gravierende<br />

Konsequenzen, eine rituelle Reinigung <strong>und</strong> materielle Entschädigung<br />

in Form von Schweinen, die der Regelübertreter an die<br />

Verwandten seiner Frau bezahlen müsste, wären die Folge.<br />

Die symbolische Ordnung des Raumes – in den Im wie in den<br />

Mal – stellt ein Abbild der Sozialstruktur dar. Hier wird die soziale<br />

Hierarchie deutlich sichtbar: Ganz unten, am Fußende des<br />

Hauses, stehen Frauen <strong>und</strong> Kinder. Ganz oben, am Kopfende,<br />

die Männer, die die größte Zahl an Titeln auf sich vereinen<br />

können. Diese Ordnung gilt auch <strong>für</strong> Gebrauchsgegenstände:<br />

Profane Gegenstände werden am Fußende des Hauses aufbewahrt,<br />

wichtige rituelle Gegenstände am Kopfende.<br />

Die Gegenstände, die in den Männerhäusern zu finden sind,<br />

wunterscheiden sich nicht wesentlich von denen in den<br />

Kochhütten. Auch hier finden sich die üblichen Kochutensilien,<br />

Wasserbehältnisse, Palmwedel, Feuerholz, Steine <strong>für</strong> den<br />

Erdofen, Sitzgelegenheiten etc. In der Regel finden sich auf<br />

beiden Längsseiten niedrige Bänke aus zwei oder drei grob<br />

zusammengeb<strong>und</strong>enen Bambusrohren.<br />

058 UrSprung in der Südsee Männerhäuser – Mal<br />

Männerhäuser – Mal UrSprung in der Südsee<br />

059<br />

Was ist anders?<br />

In den Männerhäusern wird Kava getrunken. Dazu werden<br />

die rohen Wurzeln des Pfefferstrauches Piper methysticum<br />

zunächst zerkleinert, so dass sich der Wurzelsaft anschließend<br />

gut auspressen lässt. Ursprünglich nutzte man die raue Oberfläche<br />

von Korallen, um die Wurzelstücke zu zerreiben. In<br />

Bunlap hat man diese sehr zeitaufwendige Prozedur beschleunigt<br />

<strong>und</strong> hilft sich, indem man lange, hohle Gegenständen als<br />

Mörser benutzt. Das kann ein hohler Baumstamm, die Metallhülle<br />

eines Sauerstoff- oder Gastanks oder ein Rohr aus PVC<br />

sein. In jedem Männerhaus findet sich mindestens ein solcher<br />

Mörser, der zusammen mit dem dazugehörigen Stößel aus<br />

schwerem Hartholz immer am Fußende des Hauses steht. Das<br />

geräuschvolle Stampfen der Kavawurzel wird als profane Tätigkeit<br />

betrachtet, die in den privilegierteren Bereichen des Mal<br />

unangebracht wäre.


Natabea zur Kavazubereitung<br />

Fotos: Katrin Martin, Zeichnung: Amelie Hüneke<br />

Nach dem Stampfen der Wurzeln begeben sich die Männer<br />

mit dem Wurzelbrei zu ihren Kava-Brettern Natanbea. Sie<br />

ähneln flachen Tischchen mit Füßen, werden in der Regel<br />

aus einem Stück geschnitzt <strong>und</strong> bleiben dann viele Jahre<br />

im Gebrauch. Die Natanbea werden, anders als der Mörser,<br />

nahe beim mittleren Feuer aufbewahrt <strong>und</strong> benutzt, denn die<br />

Zubereitung des spirituellen Getränkes verlangt nach einer<br />

privilegierten Position im Raum. Beim Trinken der Kava<br />

verlangt die Etikette, dass der Mann sich nach dem Empfang<br />

seiner Kokosnussschale voll des leicht bitter schmeckenden<br />

Trankes in denjenigen Bereich des Hauses begibt, der seinem<br />

Status entspricht. Erst hier darf er die Kava trinken. Nach<br />

dem Trinken wird geräuschvoll ausgespuckt, um den bitteren<br />

Geschmack zu verlieren, <strong>und</strong> die Schale wird zum Natanbea<br />

zurückgetragen.<br />

Gegenstände, die einen besonderen rituellen Wert besitzen,<br />

werden am Kopfende des Mal aufbewahrt. Hierzu zählen<br />

insbesondere die Juban Masken, die bereits bei einem Juban<br />

Tanz zum Einsatz gekommen sind <strong>und</strong> daher auch besonders<br />

viel männliche Kraft Konan, besitzen. Sie ruhen zusammen<br />

mit verschiedenen anderen rituellen Gegenständen auf einer<br />

Plattform aus Bambusrohren, die als eine Art Zwischendecke<br />

eingezogen wurde. Auch die Schlitztrommel Tamtam befindet<br />

sich am Kopfende des Männerhauses. Sie besteht aus einem<br />

hohlen Baumstamm <strong>und</strong> erklingt nur bei besonders wichtigen<br />

Anlässen, zu denen sie auf den Vorplatz vor dem Mal oder den<br />

Tanzplatz hinausgetragen wird.<br />

060 UrSprung in der Südsee Männerhäuser – Mal<br />

061


Penisbinde – Grasrock<br />

Bi pis – Rahis<br />

Die Kastom Sa zählen all jene, die nicht Tag <strong>für</strong> Tag<br />

Bi pis – die Penisbinde der Männer – <strong>und</strong> Rahis –<br />

den Grasrock der Frauen – tragen, zu Skul. Es spielt<br />

dabei weniger eine Rolle, ob sich jemand die Skul Ideologie<br />

tatsächlich zu eigen gemacht hat, also Christ ist <strong>und</strong> regelmäßig<br />

zur Kirche geht oder lesen <strong>und</strong> schreiben kann. Entscheidend<br />

da<strong>für</strong>, jemand zu Skul zu rechnen, ist vielmehr das Tragen von<br />

Kaliko, „westlicher“ Kleidung aus Stoff.<br />

Umgekehrt signalisiert das alltägliche Tragen von Bi pis <strong>und</strong><br />

Rahis zweifelsohne Respekt <strong>für</strong> die Tradition <strong>und</strong> somit auch<br />

die Zugehörigkeit zu Kastom. Dabei handhabt man dieses<br />

unausgesprochene Gesetz in mehrfacher Hinsicht durchaus<br />

pragmatisch, ohne es jedoch nachhaltig zu relativieren.<br />

Kastom Anhänger legen es nicht darauf an, ihre Skul Nachbarn<br />

zu provozieren. Begibt sich ein Kastom Mann in eines der<br />

benachbarten Skul Dörfer, oder macht er sich auf den Weg in<br />

die Hauptstadt Port Vila, legt er seinen Bi pis in aller Regel ab<br />

<strong>und</strong> zieht, wie alle anderen auch, Shorts <strong>und</strong> T-Shirt an. Wenn<br />

hingegen westliche Besucher von außerhalb in ein Kastom Dorf<br />

kommen, achten Männer wie Frauen sehr bewusst darauf, sich<br />

traditionell gekleidet zu zeigen <strong>und</strong> so auch fotografieren oder<br />

filmen zu lassen.<br />

Sind Fremde anwesend, sehen es die Dorfälteren gar nicht<br />

gern, wenn sich jemand – entgegen Kastom – in zerschlissenen<br />

Hosen, T-Shirts oder in fadenscheinige Tücher gehüllt zeigt.<br />

Auch die Sa finden dies keineswegs „herzeigbar“.<br />

Was manche Männer hingegen durchaus „schön“ finden, ist<br />

ein – in ihren Augen – zwangloses symbiotisches Zusammenspiel<br />

zwischen traditioneller <strong>und</strong> westlicher Kleidung, bei dem<br />

jedoch der Bi pis entsprechend zur Geltung kommt.<br />

Gespräch mit Chief Warisul<br />

über Bi pis <strong>und</strong> Rahis<br />

(Bunlap, November 2004)<br />

Als Barkulkul (Gott) uns geschaffen hat, waren wir nackt. Lange,<br />

lange Zeit ist das her. Nach einiger Zeit, als wir dann etwas mehr<br />

wussten, wurde uns klar, dass Nacktheit nicht in Ordnung ist. Das<br />

führte dann dazu, dass Barkulkul den Frauen den Grasrock gegeben<br />

hat <strong>und</strong> dem Mann ein Blatt. Wir dürfen nicht den ganzen Körper<br />

verhüllen. Das wäre viel zuviel Arbeit, weil man dazu ja sehr viele<br />

Blätter bräuchte. Wir müssen daher nur ein wenig arbeiten, um uns<br />

anzukleiden. Die Frauen die eine Hälfte, die Männer die andere<br />

Hälfte. So ist es dann ganz einfach <strong>für</strong> uns alle.<br />

Heute wissen wir, dass das gerade richtig ist. Das ist kastom: wir<br />

müssen nichts bezahlen, <strong>für</strong> Seife oder <strong>für</strong> Faden oder um unsere<br />

Kleidung zu reparieren. Wenn wir kastom befolgen, dann sehen<br />

wir, dass es gut ist. Barkulkul hat uns kastom gegeben. Uns allen.<br />

Uns allen in Pentecost. Aber auch uns allen in der Welt. Auch Euch<br />

Weißen! Der kastom gehört der ganzen Welt – aber nur wir hier,<br />

wir in Bunlap, wir folgen ihm heute noch! Ich versuche, kastom<br />

aufrechtzuerhalten. Aber jetzt, in diesem Jahr – ich habe es satt. Ich<br />

sehe, dass es nichts bringt. Heute tragen viele junge Leute Hosen <strong>und</strong><br />

062 UrSprung in der Südsee Penisbinde – Bi pis <strong>und</strong> Grasrock – Rahis<br />

Penisbinde – Bi pis <strong>und</strong> Grasrock – Rahis UrSprung in der Südsee<br />

063<br />

Foto: Katrin Martin<br />

Betu Oska


T-Shirts. Chief Telkon, unser ‚großer’ Chief, auch er nimmt kastom<br />

nicht mehr ernst <strong>und</strong> hat die Leute nicht mehr dazu angehalten.<br />

Aber ich habe es ihnen jetzt verboten. Vor allem während der Zeit<br />

der Zeremonien <strong>und</strong> Tänze verbiete ich es. Sie wissen jetzt: wenn<br />

wir jetzt zu einer Zeremonie gehen, dann müssen die Hosen weg, wir<br />

müssen uns ganz <strong>und</strong> gar nach kastom richten.<br />

Neulich gab es ein großes Fest <strong>und</strong> niemand hatte Hosen an, es gab<br />

keine Stoffe (kaliko). Wenn ein Junge starrköpfig ist <strong>und</strong> mit Hose<br />

kommt, dann muss er Strafe zahlen. Mit einer Matte. Oder, wenn<br />

er keine Matte hat, muss er eben 500 Vatu bezahlen.<br />

Ich habe meinen Töchtern <strong>und</strong> meiner Frau gesagt, dass sie keine<br />

Stoffe an ihrem Körper haben sollen. Als Gott uns geschaffen hatte,<br />

waren wir selbst wie Gott. Wir waren nackt. Wir sind selbst Gott.<br />

Du <strong>und</strong> ich. Wir hier in Bunlap hören auf keinen Mann der sagt,<br />

er kenne den Weg zu Gott. Nein. Wir selbst <strong>und</strong> sonst nichts, wir<br />

sind Gott. Wir suchen keinen anderen Gott mehr. Als Gott dich geschaffen<br />

hat, so wie du eben bist, so habe ich meiner Frau gesagt, da<br />

wurdest Du selbst zum Gott. Deswegen predige ich meinen Mädchen<br />

<strong>und</strong> meiner Frau wenn ich mit ihnen zu einem Tanz gehe, dass sie<br />

kein Stück Stoff tragen sollen. Nichts! Alle anderen haben vielleicht<br />

ein kleines Stück Stoff an, irgendwo, aber wir zwei, meine Frau <strong>und</strong><br />

ich, wir machen das nicht. Wir sagen: nein – wir zwei sind schon<br />

wie Gott. Wir tragen keinen Stoff. Ich will, dass es so bleibt, in Bunlap.<br />

Aber ich weiß nicht was sein wird, wenn ich eines Tages sterben<br />

werde. Was werden die Jungen dann machen? Aber so lange ich da<br />

bin werden wir so weitermachen wie bisher.<br />

Foto: Katrin Martin<br />

Die kulturelle Selbstbehauptung der Kastom Sa ist<br />

auch auf den zweiten Blick noch beeindruckend.<br />

Allerdings ergibt sich bei genauerem Hinsehen ein<br />

differenzierteres Bild <strong>und</strong> man stellt fest, dass auch das Leben<br />

im abgelegenen Kastom Dorf Bunlap vielfältigen Einflüssen von<br />

außen unterworfen war <strong>und</strong> ist.<br />

Die Kastom Sa sind zweifellos fasziniert von Maschinen wie<br />

Bulldozern, Schiffen oder Flugzeugen, von technischen Geräten<br />

wie Kameras oder Telefonen. Sie sind beeindruckt von mehrstöckigen<br />

Häusern aus Beton – <strong>und</strong> natürlich von der als magisch<br />

empf<strong>und</strong>enen, weil in ihren Augen „logisch“ nicht nachvollziehbaren<br />

Macht des Geldes.<br />

Wenn sich im Alltag ein rechter Platz da<strong>für</strong> findet, leuchtet ihnen<br />

der Wert dieser Dinge durchaus ein, es hindert sie jedoch<br />

nicht daran, anderes strikt abzulehnen. Ihr Festhalten an den<br />

Eckpfeilern des traditionellen Gefüges unterstreicht ihre erfolgreichen<br />

Bemühungen um kulturelle Autonomie: Brautpreis,<br />

Schwesterntausch <strong>und</strong> Befolgung der traditionellen Heiratsvorschriften,<br />

Titelkäufe durch Zucht (<strong>und</strong> Erwerb) von vielen<br />

Kastom<br />

Schweinen <strong>und</strong> Verteilen von deren Fleisch an die Gemeinschaft,<br />

Tradierung wichtiger Mythen, Befolgen des rituellen Jahreskalenders<br />

<strong>und</strong> anderes mehr.<br />

Was jedoch die Bewältigung des Alltags, der täglichen Existenzsicherung<br />

angeht, gibt es wenig Unterschiede zwischen Kastom<br />

<strong>und</strong> Skul. Hier wie dort verbringen Männer <strong>und</strong> Frauen tagsüber<br />

viel Zeit in ihren Gärten, leisten die gleichen Arbeiten mit mehr<br />

oder weniger gleichen Werkzeugen <strong>und</strong> Methoden. Hier wie<br />

dort bleiben die Frauen mit den Kindern abends in den Hütten<br />

<strong>und</strong> arbeiten an Matten <strong>und</strong> Taschen, erzählen Geschichten <strong>und</strong><br />

bereden die Angelegenheiten des Tages, während die Männer<br />

sich im Männerhaus treffen, um Kava zu trinken, sich zu bereden<br />

oder Politik zu betreiben, auf der Bambusflöte zu spielen, zu<br />

singen oder Radio zu hören.<br />

Kastom – in Bunlap bedeutet dies weder ausschließlich das<br />

Tragen von Bi pis <strong>und</strong> Rahis noch das Ablehnen der Möglichkeiten<br />

modernen Technik. Viel tief greifender ist die Verbannung<br />

von westlichen Schulen <strong>und</strong> Kirchen, sowie die Betonung <strong>und</strong><br />

Tradierung der eigenen Kosmologie.<br />

064 UrSprung in der Südsee Penisbinde – Bi pis <strong>und</strong> Grasrock – Rahis<br />

Penisbinde – Bi pis <strong>und</strong> Grasrock – Rahis UrSprung in der Südsee<br />

065<br />

Chief Warisul <strong>und</strong><br />

Ehefrau Belaku


Der Ethnologe Joel Bonnemaison, der sich jahrzehntelang mit<br />

Vanuatu beschäftigt hat, fragte einmal einen hochrangigen<br />

Kastom Mann, was Kastom denn nun eigentlich genau sein. Die<br />

schlaue <strong>und</strong> selbstbewusste Antwort: „Ich bin Kastom“.<br />

Diese Antwort deutet die unzähligen Möglichkeiten an, Kastom<br />

zu fassen. Zu erkennen ist dabei aber auch, dass ein skrupelloser<br />

Kastom-Führer Kastom <strong>für</strong> seine Zwecke instrumentalisieren<br />

oder gar erfinden kann. Etwa, in dem er in erster Linie dasjenige<br />

zu Kastom erklärt, was ihm <strong>und</strong> vielleicht noch seiner engeren<br />

Familie zum Vorteil gereicht.<br />

Bong Meleun Temat<br />

Jiberemat mit ihren Kindern<br />

(v.l.n.r)<br />

Fotos: Katrin Martin, <strong>Thorolf</strong> <strong>Lipp</strong><br />

067


Fotos: Katrin Martin<br />

069


Kastom versus Skul<br />

Kastom versus Skul<br />

Kastom <strong>und</strong> Skul. Von diesem Gegensatzpaar ist immer<br />

wieder die Rede.<br />

Bilder können wahrscheinlich am ehesten ein Gefühl <strong>für</strong> die Unterschiede<br />

zwischen Kastom Dörfern <strong>und</strong> den umliegenden Skul<br />

Siedlungen vermitteln.<br />

Zwei Hochzeiten – die eine in Bunlap, die andere in Ranwas.<br />

Ranwas <strong>und</strong> Bunlap liegen nur knappe 3 Kilometer voneinander<br />

entfernt, näher als viele der Gärten der Bewohner beider<br />

Dörfer. Seit 1994 gehört Ranwas zur Church of Christ, einer<br />

evangelikalen Kirche, die auf Pentecost seit den 1920er Jahren<br />

durch europäische Laienprediger vertreten war, jedoch erst nach<br />

dem Zweiten Weltkrieg nennenswerten Zulauf erhielt. Männerhäuser<br />

gibt es hier nicht mehr. Die r<strong>und</strong>en Versammlungshäuser,<br />

die an ihre Stelle getreten sind, sind auch <strong>für</strong> Frauen <strong>und</strong><br />

Kinder geöffnet. Christliche Feste haben die Zeremonien des<br />

rituellen Jahresablaufs ersetzt, Brautpreis, Schwesterntausch <strong>und</strong><br />

Titelkäufe gehören hier der Vergangenheit an.<br />

In Ranwas wird Hochzeit nach westlichem Vorbild gefeiert.<br />

Der Segen des Pfarrers, Brautkleid <strong>und</strong> Anzug, Hochzeitstorte<br />

<strong>und</strong> üppiger Blumenschmuck sind zu zentralen Elementen des<br />

Rituals geworden. Und auch ein Hochzeitsvideo <strong>und</strong> fotografierende<br />

Hochzeitsgäste gehören dazu. Die Eheleute haben sich<br />

nicht selten selbst gewählt, individuelle Entscheidungen werden<br />

respektiert.<br />

In Bunlap wird der Brautpreis vor den Augen des Dorfes ausgebreitet.<br />

Hier besiegeln die wertvollen redmat – aufwändig gefärbte<br />

Matten – , die Gabe von Taro <strong>und</strong> Kokosnüssen, ein Schwein<br />

<strong>und</strong> auch Vatu den B<strong>und</strong> der Ehe. Auch hier kommt es immer<br />

wieder zu „Liebesheiraten“, allerdings überwiegen doch die von<br />

den Eltern der Brautleute arrangierten Ehen. Der Austausch<br />

zwischen den Großfamilien wird so gepflegt <strong>und</strong> der Frieden<br />

bewahrt.<br />

Christliche Hochzeit in Ranwas (2009)<br />

Kastom Hochzeit in Bunlap (2002)<br />

Die Braut wird mit Batsi bedeckt, der Brautpreis öffentlich zur Schau gestellt.<br />

070 UrSprung in der Südsee Kastom versus Skul<br />

Kastom versus Skul UrSprung in der Südsee<br />

071<br />

Fotos: <strong>Thorolf</strong> <strong>Lipp</strong>


Fotos: Katrin Martin<br />

Stringban<br />

Laef Kastom<br />

Stringban<br />

Die Laef Kastom Stringban war zwischen 2000 <strong>und</strong> 2006<br />

eine der beliebtesten Stringbands in Südpentecost.<br />

Gita – ein, zwei Gitarren. Yukalele – eine selbstgeschnitzte<br />

Ukulele. Seka – die Rassel, bei der Kronkorken auf ein Stück<br />

Hartholz genagelt werden. Bes – der Bass, der aus einer Holzkiste<br />

<strong>und</strong> einem „Besenstiel“ besteht. Und natürlich die Stimmen der<br />

Männer, die die Instrumente spielen. Dies ist bei der Laef Kastom<br />

Stringban ganz genauso wie bei den vielen anderen Stringbands<br />

Vanuatus.<br />

Gründer <strong>und</strong> Bandleader ist der heute etwa 45-jährige Moses<br />

Watas. Er schreibt die Texte, einige auf Bislama, andere auf Sa,<br />

<strong>und</strong> komponiert auch die passende Melodie dazu. Lieder, die immer<br />

wieder auch die besondere Situation des Kastom Lebensstils<br />

thematisieren.<br />

Sie treten in Bi pis auf <strong>und</strong> spielen auf modernen Instrumenten,<br />

sie singen die Hits anderer Stringbands <strong>und</strong> Lieder in ihrer<br />

eigenen Sprache. Die Laef Kastom Stringban zeigt einmal<br />

mehr, wie spielerisch <strong>und</strong> zwanglos die Kastom Sa vermeintliche<br />

Gegensätze zu integrieren wissen.<br />

Stringban salo?<br />

: Stringban salo? Laef kastom strinban :<br />

: Emi fas taem blong ol mi mi kam tuarem :<br />

Long fanis fil mi welkam evriwan :<br />

: Welkam evriwan /hapi aniveseri :<br />

: Laef kastom stringban i kam antap long stej blong welkam yu :<br />

: Welkam ol spotman and woman, olfala mo pikinini :<br />

: Mo an mo, wan impoten histri :<br />

: Mi happi joenem memori de long Vanuatu :<br />

Wer ist diese Stringband?<br />

: Wer ist dies Stringband? Die Laef Kastom Stringband :<br />

: Es ist das erste Mal <strong>für</strong> uns, daß wir auf Tour sind <strong>und</strong> hierher<br />

kommen,<br />

auf diesen Sportplatz heißen wir alle willkommen. :<br />

: Herzlich Willkommen! Alles Gute zum Unabhängigkeitstag! :<br />

: Die Laef Kastom Stringban kommt auf die Bühne, um Euch<br />

zu begrüßen :<br />

: Ein Willkommen allen Sportlern <strong>und</strong> Sportlerinnen, den Alten<br />

<strong>und</strong> den Kindern :<br />

: Mehr noch, ein wichtiges Ereignis :<br />

: Wir freuen uns, mit Euch zusammen den Unabhängigkeitstag<br />

zu feiern :<br />

Moses Watas Sali Bebeul Brang Sus Tolak Moltavil Telkon Wariat Warisul<br />

072 Laef Kastom Stringban UrSprung in der Südsee<br />

073


Telefon Song<br />

: Telefon ring e mo ring<br />

antonire koro si ni<br />

: gasumarwe eka alo silo erendung kama epesire :<br />

: Oh yes, telefon ring :<br />

: nagarentu nimse ran airengo betu na ran :<br />

: projek en mama ransa siere mamangam re si nia :<br />

: Oh yes telefon kol :<br />

: Telefon ring emo ring<br />

antonire koro si ni :<br />

: gasumarwe eka alo silo erendung kama epesire :<br />

: Oh yes, telefon ring :<br />

Der Telefon-Song<br />

: Das Telefon klingelt <strong>und</strong> klingelt.<br />

Alle laufen schnell zum Telefon, um abzuheben.<br />

: Die, die darum stehen, fragen: Wer ist dran? :<br />

: Oh ja, das Telefon klingelt! :<br />

: In meinem Dorf geht es mir gut :<br />

: Denn durch das Projekt in meinem Dorf kommt es zu einer<br />

Verbesserung :<br />

: Oh ja, ein Telefonanruf :<br />

: Das Telefon klingelt <strong>und</strong> klingelt.<br />

Alle laufen schnell zum Telefon, um abzuheben.:<br />

: Die, die darum stehen, fragen: Wer ist dran?:<br />

: Oh ja, das Telefon klingelt! :<br />

Salem Kava Vila<br />

: Moses yu go wea nao? :<br />

: Mi go long sip marung (sip blong ambrym) :<br />

: Yu go from wanem? :<br />

: Mi salem kava long Vila :<br />

: Taem mi stap long Vila mi tingbaot aelan blong mi<br />

Pentekos aelan :<br />

Kava - Verkauf in Vila<br />

: Moses, wohin gehst Du gerade? :<br />

: Ich fahre mit dem Schiff „Marung“ :<br />

: Warum gehst Du? :<br />

: Ich verkaufe Kava in Vila :<br />

: Wenn ich in Vila bin, denke ich immer an meine<br />

Insel, Pentecost :<br />

074 UrSprung in der Südsee Laef Kastom Stringban<br />

Laef Kastom Stringban UrSprung in der Südsee<br />

075<br />

Foto: Katrin Martin


22.05.09<br />

Ich dachte, dass<br />

ihr Weissen keinen<br />

Markt habt. Ich<br />

dachte, ihr kauft<br />

das Essen nur im<br />

Geschaeft.<br />

Mi ting yufala ol<br />

waetman oli no<br />

mekem maket. Mi<br />

ting oli pem kakae<br />

nomo long stoa.<br />

Reverse Anthropology<br />

Wir haben bei unseren Aufenthalten unsere Sicht auf<br />

Bunlap immer auch in Bildern festgehalten. Einige<br />

davon haben Sie gerade gesehen. Dabei ist unsere<br />

Sicht auf die Welt von vielen verschiedenen Faktoren geprägt:<br />

Herkunft, Alter, Geschlecht, Ausbildung usw. Für manches<br />

haben wir uns offenk<strong>und</strong>ig mehr interessiert als <strong>für</strong> anderes.<br />

Wahrscheinlich haben wir, vor allem anfangs <strong>und</strong> mitunter sogar,<br />

ohne es zu merken, vor allem das im Bild festgehalten, was<br />

uns am fremdartigsten erschien, oder was unseren Konzepten<br />

von Ästhetik am ehesten entsprach. Wenn wir heute die ersten<br />

Bilder aus dem Jahre 1997 ansehen, kommt uns vieles idealisiert<br />

vor. Sollten wir sie daher heute gar nicht mehr zeigen?<br />

Blickwechsel.<br />

Für unsere Gäste aus Bunlap ist unsere Heimat die „exotische“,<br />

16.05.09<br />

Solche Blumen gibt<br />

es bei uns nicht.<br />

Flaoa olsem nogat<br />

longwe.<br />

faszinierende Fremde.<br />

Wir haben sie eingeladen, damit sie unser Land sehen <strong>und</strong><br />

unsere Lebensweise selbst kennen lernen. Und wir haben sie<br />

gebeten, während der Wochen in Deutschland in Bildern<br />

festzuhalten, was ihnen auffällt – <strong>und</strong> worüber sie zuhause<br />

berichten werden.<br />

Machen wiederum Sie sich nun selbst ein Bild von den<br />

Fotografien <strong>und</strong> Kommentaren unserer Besucher. Informationen<br />

dazu, sowie einen Überblick über das Gesamtvorhaben<br />

finden Sie jetzt schon im Internet unter:<br />

www.ursprung-in-der-suedsee.de<br />

22.05.09<br />

Hier der Wasserfall. Weil ich dachte,<br />

es gibt keine Wasserfaelle in<br />

Deutschland. Das erste Mal, dass ich<br />

einen sehe. Ich werde berichten, dass ich<br />

ihre Wasserfaelle gesehen habe.<br />

Wotafol ia nao. From mi ting se i<br />

nogat wotafol long Jemani. Faes taem<br />

mi kam luk. Mi talem mi luk<br />

wotafol blong olgeta.<br />

Ausklang<br />

Reverse Anthropology Ausklang<br />

Diese Ausstellung möchte Einblicke in ein faszinierendes<br />

kulturelles Phänomen vermitteln. Dabei ist die<br />

Repräsentation von Kultur immer eine Herausforderung.<br />

Was dem Einen zu ungenau erscheint, ist <strong>für</strong> den Anderen<br />

viel zu detailliert. Wo der Eine klare Antworten erwartet, erwartet<br />

ein Anderer das Stellen von Fragen.<br />

Eines ist sicher: eine endgültige oder vollständige Darstellung des<br />

Phänomens Kastom kann niemals gelingen. Kastom ist, wie alle<br />

Kulturen, von Widersprüchen durchzogen.<br />

In dieser Ausstellung spiegelt sich daher letztlich genauso wenig<br />

das „reale Leben“ wie im Ritual, im Theater oder im Film. Am<br />

Ende dieses R<strong>und</strong>gangs bleiben hoffentlich auch viele Fragen<br />

offen, kommen neue hinzu.<br />

An dieser Stelle möchten wir Ihnen – durch die ausgelegte<br />

Literatur oder das Internet – die Möglichkeit geben Antworten<br />

auf Ihre Fragen zu finden, Ihre Interesse nach Themen zu<br />

vertiefen oder zu kontextualisieren. Nach dem Ende des Projektes<br />

wird auch ein Buch mit multimedialer DVD erscheinen.<br />

Weitere Informationen finden Sie auf unserer Homepage<br />

www.ursprung-in-der-suedsee.de<br />

076 UrSprung in der Südsee Reverse Anthropology<br />

Ausklang UrSprung in der Südsee<br />

077<br />

Foto: Betu Watas


Kuratoren:<br />

Dr. <strong>Thorolf</strong> <strong>Lipp</strong><br />

<strong>Martina</strong> <strong>Kleinert</strong>, M.A.<br />

Dr. Michaela Appel<br />

Ausstellungskonzept:<br />

<strong>Martina</strong> <strong>Kleinert</strong>, M.A.<br />

Dr. <strong>Thorolf</strong> <strong>Lipp</strong><br />

Katrin Martin<br />

Mitarbeit & Dank<br />

Mitarbeit & Dank<br />

Ausstellungsbau:<br />

Werkstätten des Staatlichen <strong>Museum</strong> <strong>für</strong> Völkerk<strong>und</strong>e<br />

München unter Leitung von Klaus Hehn<br />

Bildmaterial:<br />

<strong>Thorolf</strong> <strong>Lipp</strong> (Filme, Fotografien)<br />

Katrin Martin (Fotografien)<br />

Sascha Martin (Zeichnungen)<br />

<strong>Martina</strong> <strong>Kleinert</strong> (Fotografien)<br />

Vanuatu National Film & So<strong>und</strong> Unit (Filmmaterial)<br />

Amelie Hüneke (Karten)<br />

Unser besonderer Dank gilt all denjenigen, die uns bei der<br />

Realisierung dieser Ausstellung <strong>und</strong> des damit verb<strong>und</strong>enen<br />

Begegnungsprojektes – von der Idee bis zur Durchführung –<br />

über Jahre hinweg begleitet haben.<br />

Projektteam: (in alphabetischer Reihenfolge)<br />

Telkon Betu (Bunlap)<br />

Angelika Brunner (München)<br />

Ulrike Folie (München)<br />

Gitte Gesner (Frankfurt)<br />

Sabine Hess (Heidelberg)<br />

Jacob Kapere (Port Vila)<br />

Stephanie Knöbl (Luzern)<br />

Thomas Kulik (Bonn)<br />

Bebe Malegel †(Bunlap)<br />

Alexis von Poser (Heidelberg)<br />

Dorothee Schäfer (München)<br />

Tolak Moltavil Telkon (Bunlap)<br />

Warisul Telkon (Bunlap)<br />

Betu Watas (Port Vila)<br />

Matthias Wataskon (Point Cross)<br />

Mathias Ziegler (Bayreuth)<br />

Insbesondere sind wir unseren Sponsoren <strong>und</strong> Förderern<br />

zu Dank verpflichtet, da ein solches Kulturprojekt ohne<br />

entsprechende Geldmittel nicht zu verwirklichen ist.<br />

Herr Jamal Zeinal-Zade hat uns ideell <strong>und</strong> finanziell sehr<br />

großzügig unterstützt. Da<strong>für</strong> möchten wir ihm an dieser Stelle<br />

unseren aufrichtigen Dank aussprechen.<br />

Des weiteren danken wir <strong>für</strong> die Unterstützung durch folgende<br />

Institutionen: (in alphabetischer Reihenfolge)<br />

Initiiert <strong>und</strong> veranstaltet von<br />

078 UrSprung in der Südsee Mitarbeit & Dank<br />

Mitarbeit & Dank UrSprung in der Südsee<br />

079


Lektorat: Michaela Appel<br />

Übersetzungen aus dem Bislama: <strong>Martina</strong> <strong>Kleinert</strong><br />

Layout: Transformator GmbH, Katrin Martin<br />

Fotos Umschlag: Katrin Martin<br />

Alle Rechte vorbehalten<br />

© 2009 by <strong>Staatliches</strong> <strong>Museum</strong> <strong>für</strong> Völkerk<strong>und</strong>e München<br />

www.voelkerk<strong>und</strong>emuseum-muenchen.de<br />

ISBN 978-3-927270-58-9


<strong>Staatliches</strong> <strong>Museum</strong> <strong>für</strong> Völkerk<strong>und</strong>e München

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!