Austenitische Gusseisen - Konstruieren und Gießen
Austenitische Gusseisen - Konstruieren und Gießen
Austenitische Gusseisen - Konstruieren und Gießen
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10 Eigenschaften bei<br />
tiefen Temperaturen<br />
Die austenitische Gr<strong>und</strong>masse behält auch<br />
bei tiefen Temperaturen eine hohe Zähigkeit.<br />
Es ist keine Übergangstemperatur der<br />
Kerbschlagarbeit zu beobachten (Bild 5).<br />
<strong>Austenitische</strong> <strong>Gusseisen</strong> sind also für den<br />
Einsatz bei tiefen Temperaturen geeignet,<br />
wobei heute wegen ihrer günstigeren Eigenschaften<br />
fast ausschließlich die Sorten mit<br />
Kugelgraphit Verwendung finden.<br />
Wie aus Bild 5 zu entnehmen ist, ist GJSA-<br />
XNi22 für Temperaturen bis - 80 °C <strong>und</strong><br />
GJSA-XNiMn23-4 sogar bis -196 °C geeignet.<br />
Auch chromfreies GJSA-XNiCr30-2 hat<br />
bei niedrigen Temperaturen hohe Werte für<br />
die Kerbschlagarbeit.<br />
GJSA-XNiMn23-4 ist speziell für Tieftemperaturzwecke<br />
entwickelt worden [7, 16, 68].<br />
Nach [75] hat es das beste Z ähigkeitsverhalten<br />
aller bekannten <strong>Gusseisen</strong>werkstoffe<br />
sowohl bei Raum- als auch bei tiefer<br />
Temperatur. Das Gefüge bleibt auch nach<br />
langzeitigem Halten bei -196 °C stabil austenitisch.<br />
Auch metallographische Untersuchungen<br />
von Proben nach 2550 h Haltezeit<br />
in flüssigem Stickstoff ergaben keinerlei<br />
Gefügeänderungen. Das gleiche Ergebnis<br />
zeigten Proben, die 20-mal hintereinander<br />
schnell von +20 auf -196 °C abgeschreckt<br />
<strong>und</strong> wieder erwärmt wurden.<br />
Im Bild 48 ist der Einfluss der Temperatur<br />
auf die Kerbschlagarbeit von GJSA-XNiMn-<br />
23-4, der an Proben aus zahlreichen Betriebs-<br />
<strong>und</strong> Laboratoriumsschmelzen ermittelt<br />
wurde, dargestellt. Wie zu erkennen,<br />
fallen selbst bei -200 °C die Werte gegenüber<br />
Raumtemperatur nicht ab. Auch<br />
nach mehr als 2 500 h Haltezeit in flüssigem<br />
Stickstoff <strong>und</strong> Kerbschlagprüfung bei<br />
-196°C zeigten die Proben praktisch keinen<br />
Abfall [68].<br />
Gussteile aus diesem Werkstoff werden vor<br />
allem in Anlagen der Kältetechnik verwendet,<br />
wo sie eine Alternative zu kaltzähen<br />
austenitischen Stählen darstellen.<br />
konstruieren + giessen 29 (2004) Nr. 2<br />
11 Verschleißbeständigkeit<br />
<strong>und</strong> Gleiteigenschaften<br />
<strong>Austenitische</strong> <strong>Gusseisen</strong> haben wegen der<br />
in der Matrix eingelagerten, fein verteilten<br />
Graphitlamellen oder Graphitkugeln ähnlich<br />
gute Gleiteigenschaften wie die üblichen<br />
grauen <strong>Gusseisen</strong>. Hinzu kommt, dass sich<br />
das austenitische Gr<strong>und</strong>gefüge an der<br />
Oberfläche kaltverfestigt <strong>und</strong> somit widerstandsfähig<br />
gegenüber Abrieb <strong>und</strong> Festfressen<br />
gleitender Teile wird [1]. Um gute<br />
Laufeigenschaften zu erzielen, solIen die<br />
Carbide in fein verteilter Form ausgeschieden<br />
sein. Grobe Carbideinschlüsse führen<br />
zum vorzeitigen Verschleiß des Gegenwerkstoffs.<br />
Daraus folgt, dass sich besonders<br />
die Sorten mit niedrigem <strong>und</strong> mittlerem<br />
Chromgehalt als Gleitwerkstoffe eignen.<br />
Die Brinellhärte von austenitischen<br />
<strong>Gusseisen</strong> mit gutem Widerstand gegenüber<br />
Verschleiß <strong>und</strong> Fressen liegt daher oft<br />
im Bereich zwischen 130 <strong>und</strong> 175 [1]. Eine<br />
höhere Härte deutet meist auf grobe<br />
Carbide.<br />
<strong>Austenitische</strong> <strong>Gusseisen</strong> werden für Zylinderlaufbüchsen<br />
in Pumpen <strong>und</strong> Motoren,<br />
für Kolben, Kolbenringträger, Kolbenringe,<br />
Lager <strong>und</strong> Dichtungen im Gegenlauf mit<br />
austenitischem <strong>Gusseisen</strong>, nichtros-endem<br />
Edelstahl mit 12 bis 13 % Chrom,<br />
NiCu-30Fe oder legiertem Grauguss benutzt.<br />
Sie haben sich besonders dann bewährt,<br />
wenn der Werkstoff sowohl gegenüber<br />
reibendem Verschleiß als auch gegen<br />
korrosive Medien beständig sein muss.<br />
<strong>Austenitische</strong> <strong>Gusseisen</strong> haben zwar im<br />
Gusszustand nur eine mäßige Härte, neigen<br />
aber zur Kaltverfestigung. Aus diesem<br />
Gr<strong>und</strong>e können gleitende Teile beim Einlaufen<br />
an der Oberfläche gut kaltverfestigen.<br />
Für manche Anwendungsfälle wie<br />
zum Beispiel Zylinderlaufbüchsen haben<br />
sich Phosphorgehalte zwischen 0,4 <strong>und</strong> 1,0<br />
% bewährt.<br />
Bild 49: Abgaskrümmer aus GJSA-XNiSiCr35-5-2 mit eingeschweißtem Dehnungsglied, der<br />
einteilig gegossen, anschließend bearbeitet <strong>und</strong> geschnitten wird, bevor er ohne Vorwärmen<br />
geschweißt werden kann (Bild: Monforts, Mönchengladbach)<br />
Bild 50: Schleuderguss-Lagerbüchsen für den<br />
Chemieanlagenbau - links Rohguss, rechts<br />
vorbearbeitete Abschnitte aus GJSA-<br />
XNiCr20-3 <strong>und</strong> GJLA-X15-6-2 (Bild: Kuhn,<br />
Radevormwald)<br />
12 Physikalische Eigenschaften<br />
Die austenitischen <strong>Gusseisen</strong> haben auf<br />
Gr<strong>und</strong> ihres hohen Nickelgehalts <strong>und</strong> ihrer<br />
austenitischen Gr<strong>und</strong>masse besondere<br />
physikalische Eigenschaften (Tabelle 3),<br />
die in mehreren Anwendungsbereichen<br />
ausgenutzt werden. Besonders zu nennen<br />
sind die Wärmeausdehnung <strong>und</strong> die Nichtmagnetisierbarkeit.<br />
12.1 Thermischer Ausdehnungskoeffizient<br />
Eisen-Nickel-Legierungen sind für eine spezielle<br />
mit dem magnetischen Verhalten<br />
(Magnetostriktion) zusammenhängende<br />
Abhängigkeit des thermischen Ausdehnungskoeffizienten<br />
vom Nickelgehalt<br />
bekannt (Bild 51). Bei etwa 35 % Ni tritt<br />
ein ausgeprägtes Minimum auf, das sich<br />
mit steigender Temperatur abflacht <strong>und</strong> zu<br />
höheren Nickelgehalten verschiebt. Weitere<br />
Legierungselemente wie Kohlenstoff,<br />
Chrom, Mangan, Kupfer <strong>und</strong> vermutlich<br />
auch Silicium über die Silicide erhöhen den<br />
Ausdehnungskoeffizienten, woraus sich<br />
der hohe Ausdehnungskoeffizient der Legierungen<br />
mit 10 bis 20 % Ni wie GJSA-<br />
XNiCr20-2 oder auch austenitischer Cr-Ni-<br />
Stähle erklärt.<br />
<strong>Austenitische</strong> <strong>Gusseisen</strong> können also mit<br />
definiertem sowohl besonders hohem als<br />
auch besonders niedrigem thermischen<br />
Ausdehnungskoeffizienten erzeugt werden.<br />
Von Interesse ist ein niedriger thermischer<br />
Ausdehnungskoeffizient, da die bei<br />
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