Hebammen im Auslandeinsatz Les sages-femmes en mission à l ...
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Taus<strong>en</strong>de wartet<strong>en</strong> auf unsere Hilfe…<br />
– ein Interview mit Marlies Vinc<strong>en</strong>z, Vella<br />
Haiti wurde <strong>im</strong> Januar 2010 von einem verheer<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Erdbeb<strong>en</strong> he<strong>im</strong>gesucht. 250 000 M<strong>en</strong>sch<strong>en</strong> starb<strong>en</strong>,<br />
Zehntaus<strong>en</strong>de war<strong>en</strong> verschüttet, wurd<strong>en</strong> zu spät oder nie gefund<strong>en</strong> und Zehntaus<strong>en</strong>de von M<strong>en</strong>sch<strong>en</strong><br />
war<strong>en</strong> verletzt.<br />
Marlies Vinc<strong>en</strong>z,<br />
geb. 1957, ist dipl. Hebamme<br />
und dipl. Pflegefachfrau.<br />
Sie arbeitet als frei<br />
praktizier<strong>en</strong>de Hebamme<br />
und steht in einem 60%-<br />
Arbeitsverhältnis als Einsatzleiterin<br />
der «Spitex Cadi».<br />
Sie ist verheiratet und<br />
Mutter von vier Kindern <strong>im</strong><br />
Alter von 18 bis 23 Jahr<strong>en</strong>. Seit 2004 ist sie be<strong>im</strong><br />
Schweizerisch<strong>en</strong> Rot<strong>en</strong> Kreuz (SRK) <strong>im</strong>mer wieder<br />
als Freiwillige in Kris<strong>en</strong>einsätz<strong>en</strong> tätig. Im Januar<br />
2010 und <strong>im</strong> Januar 2011 war sie währ<strong>en</strong>d mehrerer<br />
Woch<strong>en</strong> auf Haiti und arbeitete als Hebamme<br />
in einem Kris<strong>en</strong>einsatzteam mit.<br />
Wolfgang Wettstein: Frau Vinc<strong>en</strong>z, wie<br />
war die Situation als Sie mit Ihr<strong>en</strong> Kolleginn<strong>en</strong><br />
und Kolleg<strong>en</strong> <strong>im</strong> Januar 2010 auf<br />
Haiti eintraf<strong>en</strong>?<br />
Marlis Vinc<strong>en</strong>z: Es war apokalyptisch,<br />
die Hölle. Alles was man sich vorstell<strong>en</strong><br />
kann, wurde von der Realität übertroff<strong>en</strong>.<br />
Die Bilder, die man bei uns in d<strong>en</strong> Medi<strong>en</strong><br />
geseh<strong>en</strong> hat, war<strong>en</strong> kleine Mom<strong>en</strong>taufnahm<strong>en</strong>.<br />
Alles lag in Trümmern, alles war<br />
zerstört. Ich hatte so etwas in meinem<br />
Leb<strong>en</strong> noch nie geseh<strong>en</strong>.<br />
Unser Team – wir war<strong>en</strong> rund 70 Person<strong>en</strong><br />
– war eines der erst<strong>en</strong>, das auf Haiti<br />
eintraf. Und w<strong>en</strong>n ich von «unserem<br />
Team» rede, dann war<strong>en</strong> das Logistiker,<br />
Pflegefachkräfte, Ärztinn<strong>en</strong> und Ärzte,<br />
und ich als einzige Hebamme.<br />
Wer hatte Ihr<strong>en</strong> Einsatz auf Haiti geplant?<br />
In solch einer Kris<strong>en</strong>situation sind jeweils<br />
ein bis zwei Länder federführ<strong>en</strong>d. In diesem<br />
Falle war<strong>en</strong> es das Finnische und das<br />
Deutsche Rote Kreuz, die europaweit die<br />
Hilfseinsätze auf Haiti plant<strong>en</strong> und durchführt<strong>en</strong>.<br />
Die Rotkreuz-Gesellschaft<strong>en</strong> der<br />
ander<strong>en</strong> europäisch<strong>en</strong> Länder stellt<strong>en</strong> dabei<br />
Personal zur Verfügung. Aus der<br />
Schweiz war<strong>en</strong> wir zu Dritt.<br />
Keiner weiss <strong>im</strong> voraus mit wem er zusamm<strong>en</strong>arbeitet.<br />
Das ist anspruchsvoll und<br />
<strong>im</strong>mer wieder eine Herausforderung – aber<br />
in vielerlei Hinsicht auch sehr bereichernd.<br />
Wann traf<strong>en</strong> Sie auf Haiti ein und welche<br />
Aufgab<strong>en</strong> hatte das Team?<br />
Drei Tage nach dem Erdbeb<strong>en</strong> flog<strong>en</strong> wir<br />
in Berlin ab. Wir hatt<strong>en</strong> uns alle dort versammelt<br />
– ich war eb<strong>en</strong> aus d<strong>en</strong> Feri<strong>en</strong><br />
zurückgekehrt, hatte ein<strong>en</strong> Tag Zeit, um<br />
mich vorzubereit<strong>en</strong> und mich von meiner<br />
Familie zu verabschied<strong>en</strong>. Wir wurd<strong>en</strong> in<br />
Berlin über die Lage auf Haiti informiert,<br />
wurd<strong>en</strong> eingeteilt und dann ging es los.<br />
Wir war<strong>en</strong> <strong>im</strong> Anflug auf Port-au-Prince<br />
als wir plötzlich die Richtung ändert<strong>en</strong>.<br />
Man könne auf Haiti nicht land<strong>en</strong> – nur die<br />
Dominikanische Republik verfüge über<br />
ein<strong>en</strong> funktionier<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Flughaf<strong>en</strong>. Also<br />
ging der Flug weiter, bis wir kurz vor der<br />
Landung die Information erhielt<strong>en</strong>, dass<br />
Land<strong>en</strong> auf Haiti nun doch möglich sei.<br />
Nach der Landung half<strong>en</strong> uns US-amerikanische<br />
Soldat<strong>en</strong> das Flugzeug zu <strong>en</strong>tlad<strong>en</strong>,<br />
und dann stand<strong>en</strong> wir da – alle miteinander<br />
– und wartet<strong>en</strong>.<br />
Und wie ging es dann weiter?<br />
Der Leiter der Gruppe, also in diesem Fall<br />
der Klinikleiter – wir hatt<strong>en</strong> ja die Aufgabe<br />
ein Zeltspital aufzubau<strong>en</strong> und zu betreib<strong>en</strong><br />
–, nahm mit dem Kanadisch<strong>en</strong> Rot<strong>en</strong> Kreuz<br />
Nach der Landung auf dem Flughaf<strong>en</strong> von Port-au-Prince.<br />
Kontakt auf und wir erhielt<strong>en</strong> die Erlaubnis<br />
auf ihrem Gelände zu campier<strong>en</strong>.<br />
Die Reise durch die Stadt begann. Uns<br />
bot sich ein Bild des Grau<strong>en</strong>s, alles war zerstört,<br />
überall lag<strong>en</strong> Leich<strong>en</strong>, verzweifelte<br />
M<strong>en</strong>sch<strong>en</strong> irrt<strong>en</strong> durch die Strass<strong>en</strong>, Leintücher<br />
mit Hilferuf<strong>en</strong> war<strong>en</strong> auf d<strong>en</strong> Trümmern<br />
ausgelegt. Wir fuhr<strong>en</strong> über die w<strong>en</strong>ig<strong>en</strong><br />
Strass<strong>en</strong>, die man inzwisch<strong>en</strong> behelfsmässig<br />
freigeräumt hatte – es war grau<strong>en</strong>haft.<br />
Welches war<strong>en</strong> dann die wichtigst<strong>en</strong><br />
Arbeit<strong>en</strong> vor Ort?<br />
Wir hatt<strong>en</strong> d<strong>en</strong> Auftrag ein Feldspital mit<br />
einer Geburt<strong>en</strong>abteilung aufzubau<strong>en</strong>. Die<br />
Logistiker musst<strong>en</strong> die Grundlag<strong>en</strong> für d<strong>en</strong><br />
Bau schaff<strong>en</strong> – und wir <strong>im</strong>provisiert<strong>en</strong> uns<br />
als Erstes eine Toilette, dann die Waschmöglichkeit<strong>en</strong><br />
usw. – wir fing<strong>en</strong> bei Null<br />
an. Nichts war da.<br />
Was war<strong>en</strong> Ihre Aufgab<strong>en</strong>, Frau Vinc<strong>en</strong>z?<br />
Unser Team – mit dabei war<strong>en</strong> eine<br />
Gynäkologin, ein Kinderarzt und Pflegefachkräfte<br />
– war für die Betreuung der<br />
Hebamme.ch<br />
Sage-femme.ch 12/2011 13