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Hindenburger Stadtzeitschrift für Mönchengladbach ...

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10<br />

mg INSIDE<br />

MENSCHEN<br />

BLINdE MENSCHEN IN MöNCHENGLAdBACH<br />

Der KlAnG<br />

Des sommers<br />

Blühende Gärten, kurze Hosen, lachende Gesichter und bunte<br />

Farben – das sind die Dinge, die die meisten von uns in erster<br />

Linie mit der Jahreszeit Sommer verbinden. Wie aber erlebt<br />

jemand den Sommer, der nicht sehen kann?<br />

Kennen Sie das? Sie gehen vor die Türe,<br />

schauen in den Himmel und denken: „Es<br />

sieht so aus, als ob das ein wunderschöner<br />

Tag werden wird.“ Kaum eine Wolke ist zu<br />

sehen, die Sonne scheint und die Primeln<br />

auf dem Balkon leuchten in den schönsten<br />

Farben. Kein Zweifel – der Winter ist lange<br />

vorbei. An die verlorene Stunde im Zuge<br />

der Umstellung auf die Sommerzeit haben<br />

wir uns schon längst gewöhnt; es wird eben<br />

einfach früher hell und später dunkel. Alles<br />

ganz normal – <strong>für</strong> Sehende. Manfred Wachten<br />

ist blind. Per Definition bedeutet dies,<br />

dass man auf dem besseren Auge nicht mehr<br />

inFo<br />

blinden- und sehbehindertenverein<br />

<strong>für</strong> mönchengladbach und Viersen e.V.<br />

Albertusstr. 22, 41061 MG<br />

Tel. 02161/181973, info@bsv-mg.de<br />

als 2 % Sehkraft besitzt. Manfred Wachten<br />

hat 0 % – den Unterschied zwischen hell und<br />

dunkel kann er nicht wahrnehmen. Die Zeitumstellung<br />

macht ihm deshalb in den ersten<br />

Tagen zu schaffen. „Abends muss ich<br />

meine Frau fragen, ob es schon dunkel ist,<br />

sonst mache ich die Rollläden zu früh runter“,<br />

erzählt der ehemalige Vorsitzende des<br />

<strong>Mönchengladbach</strong>er Blindenvereins.<br />

die leute sprechen<br />

im sommer lauter<br />

Die Veränderung der Jahreszeit macht sich<br />

<strong>für</strong> ihn an anderen Dingen fest. An Geräuschen,<br />

der Temperatur und Gerüchen.<br />

„Wenn ich morgens auf den Hof gehe, merke<br />

ich, dass die Luft anders ist, der Geruch,<br />

wenn die Wiesen anfangen zu wachsen und<br />

die Blätter grün werden.“ Überhaupt können<br />

Düfte nicht intensiv genug sein. Je intensiver,<br />

desto besser. „Besonders toll ist der<br />

Wechsel der Düfte. Gerade im Bunten Garten<br />

riecht es manchmal alle 5 bis 10 Meter<br />

Das Johanna-Hölters-Haus,<br />

Begegnungsstätte des Blinden-<br />

und Sehbehindertenvereins e.V.<br />

an der Mozartstraße 3.<br />

anders, je nachdem, was dort wächst oder<br />

blüht. Das ist eine tolle Sache“, schwärmt<br />

Manfred Wachten. Typisch <strong>für</strong> die warmen<br />

Monate sind auch der Wagen des Eismanns<br />

und das fröhliche Kindergeschrei vom nahe<br />

gelegenen Spielplatz. „Im Sommer sind viel<br />

mehr Menschen unterwegs, das höre ich,<br />

und sie sprechen auch lauter.“<br />

schwimmen im öffentlichen<br />

badebetrieb ist nicht möglich<br />

Doch gerade viele Menschen auf einem<br />

Fleck können auch schon einmal zum Problem<br />

werden. Das Schwimmen im Freien zum<br />

Beispiel ist nicht so ohne weiteres möglich<br />

<strong>für</strong> den 68-Jährigen. Früher war er zwei Mal<br />

in der Woche im alten Kaiserbad auf extra<br />

abgetrennten Bahnen schwimmen, doch der<br />

öffentliche Badebetrieb eignet sich nicht <strong>für</strong><br />

Blinde. Was <strong>für</strong> viele spaßbringende Freizeitaktivität<br />

ist, ist <strong>für</strong> sie eher eine Tortur. „Alle<br />

schreien durcheinander: „Vorsicht, links,<br />

rechts, hierüber“, schwimmen kreuz und<br />

quer, so dass ich versehentlich andere berühre.<br />

Da reagieren manche sehr ungehalten:<br />

„Bist Du blind!?“ Das ist nicht erholsam<br />

– weder <strong>für</strong> ihn, noch <strong>für</strong> die anderen. Um<br />

dennoch nicht aufs Schwimmen und Saunieren<br />

verzichten zu müssen, fährt er mit dem<br />

Blindenverein dieses Jahr in eines von neun<br />

AURA-Hotels deutschlandweit, die ganz auf<br />

die besonderen Bedürfnisse und Wünsche<br />

sehbehinderter und blinder Menschen eingestellt<br />

sind. „Da kenne ich mich aus.“<br />

das schönste am sommer ist es,<br />

nach draußen zu können<br />

„Was ist <strong>für</strong> Sie das Schönste am Sommer?“<br />

Über diese Frage denkt Manfred Wachten<br />

lange nach. „Nach garstig langen kalten Monaten,<br />

in denen ich am liebsten im Bett liege<br />

und Radio höre, sehne ich mich danach,<br />

mich draußen vor die Türe auf die Bank zu<br />

setzen. Da trinke ich tagsüber Kaffee und genieße<br />

abends zwei Flaschen Bier.“ Oft merkt<br />

er dann, dass nicht nur die Menschen, sondern<br />

auch die Vögel lauter sind. „Aber das<br />

stört mich nicht, weil es schön ist und mir<br />

ein wohliges Gefühl vermittelt.“<br />

Text: Andrea Peters

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