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Werner T. Fuchs: Storytelling und Mundpropaganda<br />
der Gaststätten aufgerufen wurden, sprach unhörbar einige der Wirte an, deren<br />
Portraits in verschiedenen Schärfegraden auftauchten und rief zuerst mein<br />
Lieblingsrestaurant an. Nach der ersten Absage folgte Nummer zwei, dann<br />
drei, vier und fünf. Da es mich schon beim fünften Anruf Überwindung kostete,<br />
eine erneute Absage zu riskieren, verschob ich das Problem auf den nächsten<br />
Tag und danach auf die nächste Woche. Während dieser Zeit stellte ich das<br />
Problem meinem Bekannten- und Freundeskreis vor. Ein Stammesverhalten,<br />
das für die Verbreitung von Mundpropaganda noch heute von Bedeutung ist. Als<br />
dann zwei Zuhörer den Namen einer Fastfood-Kette nannten, deren Erfolg ich<br />
aus ideologischen Gründen skeptisch gegenüberstand, rief ich bei McDonald‘s<br />
an. Denn beide argumentierten mit eigenen Erfahrungen, die das Selbstbild<br />
„Unkomplizierter Ort für Familien und Junge“ bestätigten.<br />
Der Anfang der neuen Geschichte war überwältigend und klang so: „Schön,<br />
dass Sie an uns gedacht haben. Selbstverständlich unternehmen wir alles, damit<br />
das Geburtstagsfest für Ihre Tochter und deren Freundinnen zum schönsten Tag<br />
des Jahres wird.“ Unsicher, ob der Mann mein Problem auch richtig verstanden<br />
habe, erinnerte ich ihn daran, dass meine Tochter und viele der Eingeladenen<br />
nicht unter die Kategorie „Normalkinder“ fallen. Zudem bestehe die Möglichkeit<br />
eines epileptischen Anfalls, wobei selbstverständlich mindestens ein Elterteil<br />
von Olivia anwesend sei. Nächste Überraschung: „Ich habe Sie schon richtig<br />
verstanden. Ich werde deshalb veranlassen, dass während der Geburtstagsparty<br />
eine ausgebildete Krankenschwester dabei ist, natürlich auf unsere Kosten.“<br />
Storytelling ist Mundpropaganda. Wie bei jeder Mundpropaganda lässt sich<br />
auch bei diesem Beispiel der Return-of-Investment, ROI, nicht genau berechnen.<br />
Fest steht allerdings, dass ich diese Geschichte im ganzen Dorf erzählte, einen<br />
Leserbrief verfasste, mehrmals jährlich in Referate einbaue und zwölf Jahre<br />
später in dieses Buch aufnehme. Ganz abgesehen davon, dass ich inzwischen<br />
selber regelmäßiger Gast bei McDonald‘s bin, vor allem unterwegs zu Kunden<br />
und Vortragsreisen.<br />
Ich erzähle diese Geschichte nicht nur deshalb weiter, weil sie von meiner Tochter<br />
handelt, sondern weil sie Strukturen und Programmcodes folgt, die eine sehr<br />
lange Entwicklungszeit hinter sich haben. Und den Praxistest haben sie immerhin<br />
so gut bestanden, dass die Gattung Mensch ziemlich erfolgreich war. Zumindest<br />
bis heute. Auf diese Strukturen und Codes will ich im Folgenden näher eingehen.<br />
Sie lassen sich zwar allesamt anders benennen, was nichts daran ändert, dass sie<br />
aus wissenschaftlicher Sicht Grundmuster neuronaler Datenverarbeitung sind.<br />
Naturtalente, die in ihren frühen Lebensjahren gute Geschichtenerzähler um sich<br />
hatten und denen die Lust am Fabulieren und Inszenieren nicht ausgetrieben<br />
wurde, haben diese Grundmuster in ihrem Erfahrungswissen abgespeichert und<br />
wenden sie intuitiv an. Und wer nicht zu diesen Meistern der Mundpropaganda<br />
gehört, muss das Handwerkszeug zumindest nicht von Grund auf erlernen. Es<br />
genügt, sich die folgenden Elemente guter Geschichten in Erinnerung zu rufen<br />
und häufiger anzuwenden.<br />
63<br />
Geschichten<br />
folgen<br />
bestimmten<br />
Strukturen und<br />
Programmcodes