massnahmen - Landeskriminalamt Baden-Württemberg
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MASSNAHMEN<br />
Eine problematische Entwicklung zeichnet sich nach Wahrnehmung von Polizeidienststellen durch<br />
die Einsparzwänge der Kommunen bei den Sozial- und Jugendhilfeeinrichtungen ab. Jugendhilfemaß-<br />
nahmen werden zunehmend einer finanziellen Prüfung unterzogen. Beispielsweise wird in Fällen auf-<br />
fällig gewordener Jugendlicher zunehmend die kostengünstigere Lösung der ambulanten Erziehungs-<br />
beratung gewählt, da stationäre Unterbringungskosten bei Tagessätzen von über 300 Euro erheblich<br />
teurer sind. Jugendliche werden nicht mehr aus der Familie herausgenommen und in einer Jugend-<br />
hilfeeinrichtung untergebracht. Polizeiliche Erfahrungen zeigen jedoch, dass die betroffenen Familien,<br />
viele davon mit Migrationshintergrund, ambulanten Beratungen eher zurückhaltend bis ablehnend<br />
gegenüberstehen und der problematischen Entwicklung auffälliger Jugendlicher so nicht wirkungsvoll<br />
begegnet werden kann. Weitere Einsparmaßnahmen der verantwortlichen Träger im sozialen Bereich<br />
mit der Folge von Personalreduzierungen oder der Zurückstellung dringend notwendiger personeller<br />
Verstärkungen führen u. a. dazu, dass polizeiliche Meldungen über Missstände nicht zeitnah durch die<br />
Jugendhilfe bearbeitet werden können. Auch könnte die personelle Beteiligung der Jugendbehörden<br />
bei präventiven Jugendschutzmaßnahmen und Kontrollen wesentlich intensiver sein.<br />
Die justizielle Bearbeitung von Jugendstrafsachen steht aus polizeilicher Sicht unverändert unter<br />
dem Gebot einer Beschleunigung der Verfahren. Bei Zeitspannen von mehreren Monaten zwischen<br />
Anzeigenaufnahme und Sanktion wird die gesellschaftliche bzw. juristische Reaktion nicht mehr<br />
als Hilfe oder Strafe von Jugendlichen wahrgenommen. Dies wird auch dem Erziehungsanspruch des<br />
Jugendkriminalrechts nicht gerecht. Wünschenswert wäre zudem eine konsequente Ausschöpfung<br />
be-stehender Strafrahmen bei Jugendsachen in den Fällen, in denen Verurteilungen zu einer erziehe-<br />
rischen Maßnahme unzureichend beachtet oder nicht eingehalten werden.<br />
Um Schulpflichtverletzungen durch Schulschwänzen entgegenzuwirken, überprüft die Polizei im<br />
Rahmen allgemeiner Streifentätigkeit oder bei Jugendschutzstreifen Örtlichkeiten, an denen sich<br />
Schulschwänzer erfahrungsgemäß häufig aufhalten. Um systematischer solchen Schulpflichtverletzun-<br />
gen zu begegnen, bedarf es einer effektiven Kooperation von Schulleitungen, Schulsozialarbeitern,<br />
Ortspolizeibehörden und Polizeivollzugsdienst. Nur wenn die Schulleitungen Schulschwänzer der<br />
Ortspolizeibehörde melden, kann diese ordnungsrechtliche Maßnahmen treffen und den Polizeivoll-<br />
zugsdienst mit der Zuführung des Schwänzers an die Schule beauftragen. Aus Gesprächen mit<br />
Lehrkräften ist bekannt, dass die tatsächliche Zahl von Schulschwänzern die gemeldeten Fälle deut-<br />
lich übersteigt.<br />
Aus dem Bereich des Regierungspräsidiums Stuttgart wird von einem Schulleiter einer Hauptschule<br />
mit hohem Migrantenanteil berichtet, der von einer Meldung von Schulschwänzern absieht, seit er<br />
feststellen musste, dass die vom Ordnungsamt gegen die Eltern verhängten Bußgelder teilweise durch<br />
die für Sozialhilfe zuständigen Stellen aus Steuermitteln beglichen oder erlassen wurden, da die Be-<br />
troffenen zu einer Zahlung finanziell nicht in der Lage waren.<br />
JUGENDKRIMINALITÄT UND JUGENDGEFÄHRDUNG 19