1 Dr. Gernot Sittner Zentrum Seniorenstudium Kunst, Kultur ...
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nach Orientierung offensichtlich am meisten zu entsprechen. Mehr noch als<br />
das Fernsehen und schon gleich gar die Boulevardpresse.<br />
Tom Wolfe, einer der Hauptvertreter des New Journalism, hat schon lange<br />
vor der gegenwärtigen Krise die Merkmale einer Qualitätspublizistik<br />
benannt:<br />
- erstens die realistische, szenische Beschreibung von Vorgängen,<br />
- zweitens die Vorzüge präzise wiedergegebener Dialoge;<br />
- drittens der Standpunkt der dritten Person, also die Fähigkeit des<br />
Autors, sich in Sicht- und Denkweisen anderer Menschen<br />
hineinzuversetzen;<br />
- und schließlich die genaue Beschreibung von Gesten, Posen, Moden,<br />
Blicken.<br />
Gewiss, Internet und Fernsehen sind schneller als der Zeitungsreporter, aber<br />
dafür geht das, was er dem Leser präsentiert, wesentlich tiefer. Einer, der<br />
das Reporterhandwerk beispielhaft und meisterhaft beherrschte, war Hans<br />
Ulrich Kempski, der langjährige Chefkorrespondent der Süddeutschen<br />
Zeitung. Den Siegeszug des Internets hat er kaum noch erlebt, aber das<br />
Fernsehen sah er nie als bedrohliche Konkurrenz an. Er räumte zwar ein:<br />
„Seit es das Fernsehen gibt, haben sich die Zeitungen verändern müssen.<br />
Das war ja auch gut so. Aber das Fernsehen dringt fast nie hinter die<br />
Kulissen. Die Kamera dreht, aber sie kann nicht denken. Fernsehbilder<br />
werden geistig nicht wahrgenommen.“<br />
Demokratie setzt öffentliche Debatte voraus, die nicht möglich ist, wenn<br />
nicht wenigstens eine größere Anzahl von Menschen die gleiche<br />
Wissensbasis für ihre Fragen, Gegenentwürfe und ihre Entscheidungen hat.<br />
Ich wüsste nicht, welches Medium diese Funktion in ähnlich wirksamer<br />
Weise übernehmen könnte wie die Zeitungen. Ein Schweizer Journalist<br />
meinte dazu jüngst: „Gesellschaftliche Diskurse brauchen mediale<br />
Leithammel“ - er meinte damit die Tageszeitungen – und er fuhr fort: „Das<br />
wollen nur jene nicht einsehen, welche der derzeit grassierende digitale<br />
Rinderwahnsinn befallen hat.“ Und der Springer-Vorstandsvorsitzende<br />
Matthias Döpfner hat dazu einmal gesagt: „Das Prinzip Zeitung ist das<br />
Prinzip Führung. Das macht sie scheinbar altmodisch. Und das Prinzip<br />
Führung macht sie zugleich zukunftssicher. Die Menschen wollen dorthin,<br />
wo sich möglichst viele treffen, um Informationen und Meinungen und<br />
Waren auszutauschen. Je fraktionierter, vielfältiger, zerklüfteter die<br />
Medienlandschaft wird durch immer mehr Spartenkanäle, Special-Interest-<br />
Zeitschriften und Internet-Sites, desto größer wird auf der anderen Seite das<br />
Bedürfnis nach einem gesprächsstiftenden Kommunikationserlebnis.“<br />
Die Zeitung kann diesem Bedürfnis entsprechen; dazu muss sie ein breites<br />
Spektrum an redaktionellen Inhalten bieten. Niemand kann heute auch nur<br />
annähernd für sich beanspruchen, dass er allein den Überblick behielte. Je<br />
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