NEU - Rudolf Steiner Schule Zürcher Oberland
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dacht habe. Woche für Woche entsteht so ein farbenfroher Reigen. «Ich will ein<br />
Feuer sein...», darf das eine Kind berichten. Ein anderes entgegnet ihm: »Ich will<br />
kein Feuerwerkchen sein...» – Bemerken Sie einen Widerspruch? Ja? – Mitnichten!<br />
Allein der Kunst, hier in der Form der Sprache, ist es vorbehalten, Wahres in vermeintlichem<br />
Widerspruch zu offenbaren.<br />
Grosse Bilder von Sonne, Mond und Gottes Kraft wechseln sich ab mit solchen vom<br />
Erzählstoff des vergangenen Jahres. In meiner jetzigen dritten Klasse leben nochmals<br />
die heilsamen Taten von Elisabeth und Offerus, von Martin und Franziskus auf. Hinzu<br />
gesellen sich wilde Wasserfälle und sprudelnd helle Bäche, sammeln sich Schwalben<br />
zum südlichen Flug und wandeln sich Raupen zum Schmetterling. Die stete Begleitung<br />
meiner «Zöglinge» von solchen Wahrbildern trägt in sich die Hoffnung des Erziehers,<br />
dass sie daran wachsen und erstarken. So ganz nebenbei lernt ein Grossteil<br />
der Kinder bis zum Ende eines Jahres den gänzlichen Reigen der Sprüche auswendig.<br />
Lieber Leser!<br />
Eingedrungen sind wir in zwei Qualitäten des Wortes: im ersten Falle – dem Zeugnis-<br />
Text respektive dem Standortgespräch – offenbart sich jene des Gedanklichen<br />
und ist orientiert an dem Vergangenen, im zweiten Falle – dem Zeugnis-Spruch –<br />
äussert sich Willenhaftes und ist zukunftgerichtet. – Mit anderen Worten: Ersteres<br />
umkreist das (Geworden-)Sein und Letzteres das Werden: «Ich bin, also werde ich.»<br />
Ein Wort kann so bildhaft daherkommen, wie es will; es ist von anderer Qualität als<br />
ein gemaltes Bild. Noch nicht einmal das aus der Tätigkeit resultierende «Produkt»,<br />
allein schon die Tätigkeit selbst – und vor allem diese! – ist grundlegend verschieden,<br />
ob einer (der Lehrer) nun einen (Zeugnis-)Text schreibt oder ein (Zeugnis-)Bild<br />
malt: ich wende mich für eine bestimmte Zeit gänzlich dem Kinde hin in meinem<br />
Tun – ob ich schreibe oder male. Aber was tue ich denn? Ich male – und ich schreibe<br />
nicht; und meine Hinwendung zum Kind ist nicht eine gedankliche: Beim Malen<br />
ist meine Hinwendung eine gefühlsmässige. Auch wenn, bedingt durch äussere<br />
Umstände, beispielsweise ein Bildkonzept im Voraus erstellt werden musste: Die<br />
Momente des Malens sind eine Hinwendung im Gefühlsmässigen. Während dieser<br />
Momente begegne ich dem mir anvertrauten Kind im Seelischen.<br />
Gerne nehme ich Sie mit auf den Weg der Bildsuche und -findung meiner jetzigen<br />
dritten, damaligen zweiten Klasse.<br />
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