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Sonderdruck aus: <strong>Testinformationen</strong><br />

Diagnostica, 51, Heft 4, 207–214 © Hogrefe Verlag Göttingen 2005 207<br />

Skalen zur Erfassung der Lern- und Leistungsmotivation<br />

(SELLMO) von Birgit Spinath, Joachim Stiensmeier-Pelster,<br />

Claudia Schöne und Oliver Dickhäuser<br />

(2002). [Göttingen: Hogrefe, Testmappe komplett Euro<br />

59.–].<br />

Uwe Berger und Katrin Rockenbauch<br />

1. Testart<br />

Die Skalen zur Erfassung der Lern- und Leistungsmotivation<br />

(SELLMO) messen die motivationalen Anteile bei<br />

Lern- und Leistungsdefiziten in Form von Zielorientierungen.<br />

Der Test eignet sich zur vergleichenden Klassifizierung<br />

von Schülerinnen und Schülern (SELLMO-S) und ist<br />

damit eine Entscheidungsgrundlage für Förderbedarfe.<br />

Die Version für Studierende (SELLMO-ST) ist auf eine intraindividuelle<br />

Betrachtung der Skalenwerte untereinander<br />

beschränkt. Die SELLMO sollten im Rahmen einer<br />

pädagogisch-psychologischen Diagnostik insbesondere<br />

dann eingesetzt werden, wenn die Leistungen einer Person<br />

hinter deren eigentlichen Fähigkeiten zurückbleiben<br />

(z.B. bei Prüfungsangst).<br />

2. Testmaterial<br />

Die SELLMO bestehen aus einem Testmanual (TM, 56<br />

Seiten), 10 Fragebogen SELLMO-S, 10 Fragebogen SELL-<br />

Tabelle 1. Beispiel-Items der SELLMO.<br />

In der Schule/im Studium geht es mir darum ...<br />

<strong>Testinformationen</strong><br />

MO-ST, Schablone, 10 Auswertungsbogen SELLMO-S,<br />

10 Auswertungsbogen SELLMO-ST und Mappe. Zusätzlich<br />

wird ein Schreibgerät benötigt.<br />

3. Testgliederung<br />

Lernziele Vermeidungs-Leistungsziele<br />

Die SELLMO umfassen 31 Items (auf 2 DIN A 4 Seiten), die<br />

sich in vier Zielorientierungen untergliedern: „Lernziele“,<br />

„Vermeidungs-Leistungsziele“ sowie „Arbeitsvermeidung“<br />

(je 8 Items) und „Annäherungs-Leistungsziele“ (7<br />

Items; Beispiele dazu in Tabelle 1).<br />

Die Items sind als Ergänzung der vorangestellten Aussage<br />

„In der Schule/im Studium geht es mir darum, ...“ formuliert<br />

(z.B. „... dass das Gelernte für mich Sinn ergibt“).<br />

Die Antwort-Skala ist fünfstufig von „stimmt gar nicht“<br />

über „stimmt eher nicht“, „weder/noch“, „stimmt eher“ zu<br />

„stimmt genau“.<br />

Soziodemografische und sonstige Angaben werden<br />

auf der ersten Seite des Testbogens erfasst (Datum, Name,<br />

Vorname, Alter, Geburtsdatum, Klasse/Semesterzahl sowie<br />

Schultyp/Studiengang). Anschließend erfolgt auf der<br />

zweiten Seite eine schriftliche Instruktion und ein ausführlich<br />

erläutertes Beispiel-Item.<br />

Das TM ist in die vier Kapitel „Skalenbeschreibung“,<br />

„Theoretischer Hintergrund“, „Konstruktion“ und „Prak-<br />

01 ... neue Ideen zu bekommen.* 10 ... dass niemand merkt, wenn ich etwas nicht verstehe.<br />

05 ... etwas Interessantes zu lernen.* 14 ... dass niemand denkt, ich sei weniger schlau als andere.<br />

12 ... komplizierte Inhalte zu verstehen.* 22 ... keine falschen Antworten auf Fragen der<br />

Lehrer/Dozenten zu geben.<br />

24 ... so viel wie möglich zu lernen. 26 ... nicht durch dumme Fragen aufzufallen.<br />

Annäherungs-Leistungsziele Arbeitsvermeidung<br />

02 ... zu zeigen, dass ich bei einer Sache gut bin.* 04 ... keine schwierigen Tests/Prüfungen oder<br />

Arbeiten/Klausuren zu haben.*<br />

17 ... dass andere denken, dass ich klug bin.* 07 ... zu Hause keine Arbeiten erledigen zu müssen.*<br />

21 ... zu zeigen, dass ich die Inhalte beherrsche. 19 ... dass die Arbeit leicht ist.*<br />

25 ... das was ich kann und weiß auch zu zeigen. 31 ... den Arbeitsaufwand stets gering zu halten.<br />

Anmerkung: Mit einem * gekennzeichnete Items sind aus der MOS-D (Balke & Stiensmeier-Pelster, 1995) übernommen worden.


208 <strong>Testinformationen</strong><br />

tische Anwendung“ gegliedert. Die standardisierte Durchführung<br />

und Auswertung ist bei alleiniger Kenntnis des<br />

letzten Kapitels (10 Seiten) möglich.<br />

4. Grundkonzept<br />

Die SELLMO sollen „die reliable und valide Erfassung von<br />

Zielen in Lern- und Leistungskontexten bei Schülerinnen<br />

und Schülern sowie Studierenden“ ermöglichen (TM,<br />

S. 7). Theoretische Grundlage sind neuere Theorien der<br />

Leistungsmotivation z. B. nach Ames (1992) oder Elliot<br />

(1999). Auf dieser Basis werden zunächst zwei Kategorien<br />

von Zielen bei der Lern- und Leistungsmotivation unterschieden:<br />

„Erstens das Ziel, eigene Fähigkeiten zu erweitern<br />

[Lernziele] und zweitens das Ziel, anderen gegenüber<br />

hohe Fähigkeit zu demonstrieren [Annäherungs-Leistungsziele]<br />

bzw. niedrige Fähigkeit zu verbergen [Vermeidungs-Leistungsziele]“<br />

(TM, S. 7). Ergänzt werden diese<br />

Ziele durch die allgemeine Tendenz, Arbeit zu vermeiden,<br />

wobei hier kein allgemeines affektives Ziel der Anstrengungsvermeidung<br />

(wie bei Rollett, 1970) angenommen<br />

wird. Im Gegensatz zu den anderen drei Zielen beruht „Arbeitsvermeidung“<br />

nicht auf einem Vergleich mit anderen<br />

oder einem Gütemaßstab. Die Autoren verweisen auf die<br />

Nähe der älteren theoretischen Konstrukte „intrinsische<br />

Motivation“ und „individuelle Bezugsnormen“ zu den<br />

Lernzielen sowie „extrinsische Motivation“ und „soziale<br />

Bezugsnormen“ zu den Leistungszielen, betonen aber die<br />

größere Klarheit und empirische Eindeutigkeit der hier gewählten<br />

Begriffe.<br />

Aus persönlichkeitspsychologischer Sicht können<br />

Lern- und Leistungsziele sowohl als situativ variierende<br />

Zustände (states) als auch als relativ stabile Eigenschaften<br />

(traits) auftreten. Sie können zudem eher unabhängig<br />

voneinander, aber auch in verschiedenen Kombinationen<br />

in einer Person vorhanden sein. Lediglich die „Tendenz<br />

zur Arbeitsvermeidung ist mit einer ausgeprägten Lernzielorientierung<br />

unvereinbar“ (TM, S. 10).<br />

Bedeutsam für spätere Konsequenzen aus den Testergebnissen<br />

ist die Analyse des Zusammenhanges von<br />

Lern- und Leistungszielen mit tatsächlich vollbrachten<br />

Leistungen. Hier zeigt die empirische Forschung, dass die<br />

Annahme von Lernzielen sowohl bei schlechten als auch<br />

bei guten Leistungen mit vorteilhaften Attributionen und<br />

damit mit einer günstigeren Prognose zukünftiger Leistungen<br />

einhergeht. Dies betrifft adaptive Kognitionen ebenso<br />

wie Emotionen und förderliche Verhaltensweisen. Als förderlich<br />

für gute Leistungen erwiesen sich zudem Annäherungs-Leistungsziele,<br />

also das Streben, eigene Fähigkeiten<br />

zu demonstrieren. Hingegen führen Vermeidungs-<br />

Leistungsziele zu schlechten Leistungen und dies um so<br />

mehr, wenn gleichzeitig ein negatives Fähigkeitskonzept<br />

vorliegt. Die Autorinnen und Autoren empfehlen bei einer<br />

solchen Motivationslage, die Person systematisch auf<br />

Lernziele hin zu orientieren, um „dem Teufelskreis aus geringer<br />

Fähigkeitseinschätzung und geringer Lernmotivation<br />

zu entkommen“ (TM, S. 11). Dauerhaft weniger erfolgreich<br />

wäre an dieser Stelle die Veränderung des Fähigkeitskonzeptes.<br />

Generell ungünstig für gute Leistungen<br />

ist eine hohe Tendenz zur Arbeitsvermeidung.<br />

5. Durchführung<br />

Alter: Schülerinnen und Schüler ab der 4. Klasse und Studierende<br />

jeden Alters<br />

Ausschluss: unregelmäßiger Schulbesuch und mangelhafte<br />

Sprach- und Lesefähigkeiten<br />

Dauer: 8 bis 15 Minuten<br />

Formen: Einzel- und Gruppen-Test (mit jeweils speziell angepasster<br />

Instruktion im TM) möglich, keine Parallelformen,<br />

Paper-Pencil-Version.<br />

6. Auswertung und Interpretation<br />

Fragebogen mit mehr als drei fehlenden oder in Bezug auf<br />

die Benutzung der Antwortskala fehlerhaften Antworten<br />

sollten von der Auswertung ausgeschlossen werden. Die<br />

Auswertung erfolgt mittels Schablone und Auswertungsbogen.<br />

Auf der Schablone sind die vier verschiedenen<br />

Zielorientierungen jeweils mit einer eigenen Farbe gekennzeichnet.<br />

Der fünf-stufigen Antwortskala von „stimmt gar<br />

nicht“ bis „stimmt genau“ sind die Ziffern 1 bis 5 zugeordnet.<br />

Für jede der vier Zielorientierungen werden zunächst<br />

die den angekreuzten Kästchen zugeordneten Zahlen auf<br />

der 3. Seite des Fragebogens aufsummiert und dann die<br />

Werte auf der 4. Seite dazugezählt. Für die Skalen Lernziele,<br />

Vermeidungs-Leistungsziele und Arbeitsvermeidung<br />

ergibt sich damit ein Rohwert zwischen 8 und 40, für die<br />

Skala Annäherungs-Leistungsziele zwischen 7 und 35. Die<br />

Rohwerte werden für jede Skala getrennt zusammen mit<br />

Name, Vorname und Klassenstufe/Semesterzahl (inkl. Studiengang<br />

und Alter bei Studierenden) auf dem Auswertungsbogen<br />

notiert. Für die SELLMO-ST ist die Auswertung<br />

damit abgeschlossen.<br />

Für die Schülerinnen und Schüler (SELLMO-S) kann<br />

zusätzlich ein so genanntes Rohwerteband (Konfidenzintervall),<br />

der Prozentrang, der T-Wert und ein T-Werteband<br />

ermittelt werden. Dies geschieht unter Rückgriff auf die<br />

Normtabellen am Ende des TM. Die Normtabellen liegen<br />

getrennt für die Klassenstufen 4 bis 6 sowie 7 bis 10 vor.<br />

Jedem Rohwert sind in den Normtabellen zeilenweise die<br />

anderen vier Werte zugeordnet. Abschließend kann ein<br />

grafisches Profil der T-Werte erstellt werden. Hierzu wird<br />

auf dem unteren Teil des Auswertungsbogens der erreichte<br />

T-Wert auf der Skala zwischen 15 und 85 angekreuzt.<br />

Dann werden die vier Kreuze durch gerade Linien verbunden.<br />

Die T-Werte zwischen 40 und 60 sind dabei hell hervorgehoben<br />

und markieren durchschnittliche Werte, während<br />

T-Werte unter 40 unterdurchschnittliche und T-Werte<br />

über 60 überdurchschnittliche Werte anzeigen. Das Profil<br />

dient vor allem als anschauliche Rückmeldung für die<br />

Probanden und Probandinnen selbst, aber auch für Eltern<br />

oder Lehrerinnen bzw. Lehrer.<br />

Je nachdem, welches Ziel der Einsatz der SELLMO-S<br />

verfolgt, kommt den verschiedenen Werten eine entsprechende<br />

Bedeutung zu. Das Rohwerteband informiert über<br />

den bei der Messung zu erwartenden Messfehler. Diese<br />

Information gestattet einen Vergleich zwischen zwei Mes-


sungen bei demselben Schüler oder derselben Schülerin,<br />

aber auch einen Vergleich zwischen zwei Schülerinnen<br />

oder Schülern, die den SELLMO-S beantwortet haben. Erreicht<br />

z. B. ein Schüler der Klasse 7 bei der Skala „Arbeitsvermeidung“<br />

einen Rohwert von 30 Punkten, so liegt das<br />

Rohwerteband zwischen 27 und 33 Punkten. Liegt das<br />

Rohwerteband eines anderen Schülers (einer anderen<br />

Schülerin) oder desselben Schülers (derselben Schülerin)<br />

bei einer zweiten Messung außerhalb dieses Bereiches, so<br />

dürfen die erreichten Werte als unterschiedlich interpretiert<br />

werden. Überlappen sich hingegen die Bänder, ist<br />

die Unterschiedlichkeit nicht gesichert, auch wenn die<br />

Rohwerte unterschiedlich sind. Sollen die Werte der<br />

SELLMO-S mit den Werten eines anderen Fragebogens,<br />

wie z.B. den Skalen zur Erfassung des schulischen Selbstkonzepts<br />

(SESSKO von Schöne, Dickhäuser, Spinath &<br />

Stiensmeier-Pelster, 2002) oder den Werten einer Schülerin<br />

oder eines Schülers der Klassenstufen 4 bis 6 verglichen<br />

werden, müssen die T-Werte bzw. das T-Werteband<br />

herangezogen werden. Der dem Rohwert von 30 Punkten<br />

zugeordnete standardisierte T-Wert beträgt 63 Punkte und<br />

entspricht einem überdurchschnittlichen Vermeidungsverhalten.<br />

Wird der mögliche Messfehler mit Hilfe des<br />

T-Wertebandes mit berücksichtigt, liegt der „wahre“<br />

T-Wert zwischen 59 und 67. Dieses Ergebnis könnte demnach<br />

als gerade noch durchschnittlich interpretiert werden.<br />

Hat unser Schüler in der 5. Klasse bereits einmal den<br />

SELLMO-S ausgefüllt und damals 38 Rohwerte-Punkte<br />

erreicht (dies entspricht einem T-Werteband von 70 bis 80<br />

Punkten), so kann der neue Wert als Verbesserung interpretiert<br />

werden, da sich die beiden T-Wertebänder nicht<br />

überschneiden. Schließlich informiert der Prozentrang<br />

darüber, wieviel Prozent der Eichstichprobe einen höheren<br />

bzw. niedrigeren Wert als der Proband oder die Probandin<br />

bei der jeweiligen Skala erreicht haben. Bei einem<br />

Rohwert von 30 Punkten für „Arbeitsvermeidung“ beträgt<br />

der Prozentrang 88,6. Demnach zeigen 88,6% aller Schülerinnen<br />

und Schüler der Eichstichprobe eine gleich oder<br />

geringer ausgeprägte Arbeitsvermeidung als „unser“<br />

Schüler, während nur 11,4% eine höhere Arbeitsvermeidung<br />

aufweisen.<br />

In Bezug auf die praktischen Konsequenzen der Interpretation<br />

des SELLMO-S unterscheiden die Autorinnen<br />

und Autoren zwischen den bislang skizzierten allgemeinen<br />

Aussagen und speziellen Schlussfolgerungen. Hierzu<br />

zählt die Berücksichtigung der relativen Ausprägung der<br />

Werte auf den vier Skalen der Zielorientierung untereinander<br />

und der Vergleich mit externen Leistungsindikatoren<br />

wie z.B. einem Intelligenztest. Der zusätzliche Einsatz<br />

eines Intelligenztests ist z. B. sinnvoll bei einer unterdurchschnittlichen<br />

Lernzielorientierung, um Fähigkeitsdefizite<br />

abzuklären. Generell gilt eine möglichst hohe Lernzielorientierung<br />

als positiver Prädiktor für gute schulische<br />

Leistungen. Als besonders ungünstig ist eine Kombination<br />

aus niedriger Lernzielorientierung und hoher Tendenz<br />

zur Arbeitsvermeidung zu interpretieren. Bei einer hohen<br />

Leistungsorientierung und gleichzeitig geringer Lernzielorientierung<br />

läuft die Schülerin bzw. der Schüler „Gefahr,<br />

insbesondere in Anbetracht von Schwierigkeiten das Interesse<br />

an einer Sache zu verlieren, zu schnell aufzugeben<br />

<strong>Testinformationen</strong><br />

209<br />

und sich Felder zu suchen, in denen leichter Erfolge zu<br />

erzielen sind“ (TM, S. 44).<br />

7. Gütekriterien<br />

7.1 Objektivität: Die Durchführungsobjektivität ist durch<br />

die ausführliche Instruktion getrennt für Einzel- und Gruppentest<br />

mit Beispielitem und durch das vorgegebene Antwortformat<br />

gesichert. Die Auswertungsobjektivität ist<br />

durch die klare Beschreibung im TM und durch den Einsatz<br />

einer vier-farbigen Schablone gegeben. Die Interpretationsobjektivität<br />

ist für den SELLMO-S für die<br />

Kennwerte „Rohwerteband“, „Prozentrang“, „T-Wert“<br />

und „T-Werteband“ durch den Bezug auf die Normwerte<br />

gesichert. Die Interpretation des grafischen Profils der<br />

T-Werte bleibt hingegen teilweise unklar. Für den SELL-<br />

MO-ST werden nur Rohwerte ermittelt, die auf Grund der<br />

fehlenden Normierung keine intra- oder interindividuell<br />

vergleichende Interpretation der Testergebnisse zulassen.<br />

Hier kann lediglich ein deskriptiver Vergleich der vier<br />

Skalen untereinander vorgenommen werden.<br />

7.2 Reliabilität: Die interne Konsistenz (Cronbach’s Alpha)<br />

über alle Skalen liegt für die SELLMO insgesamt zwischen<br />

� = .75 (Lernziele SELLMO-S) und � = .89 (Vermeidungs-Leistungsziele<br />

SELLMO-ST) und kann damit als<br />

befriedigend bis gut bezeichnet werden. Dies gilt auch für<br />

die Test-Halbierungs-Reliabilität (split half) mit Werten<br />

zwischen r = .73 (Lernziele SELLMO-S) und r = .87 (Vermeidungs-Leistungsziele<br />

SELLMO-ST). Die Test-Retest-<br />

Reliabilität ist etwas niedriger und beträgt für ein 2-wöchiges<br />

Intervall (N = 145) zwischen r = .60 und r = .74; für ein<br />

6-wöchiges Intervall (N = 371) zwischen r = .53 und<br />

r = .68. Die Autoren begründen dies mit der Entscheidung<br />

für eine hohe Ökonomie der SELLMO zugunsten einer<br />

Testverlängerung, mit der höhere Reliabilitäten erreicht<br />

werden könnten. Die Trennschärfe der einzelnen Items<br />

liegt zwischen r = .32 (Lernziele „neue Ideen“, Item 01,<br />

SELLMO-ST) und r = .72 (Vermeidungs-Leistungsziele<br />

„weniger schlau“, Item 14, SELLMO-ST, vgl. Tabelle 1).<br />

7.3 Validität: Die inhaltliche Zuordnung der Items zu den<br />

vier Skalen als Kriterium für die Konstrukt-Validität konnte<br />

durch die faktorielle Struktur bis auf wenige Ausnahmen<br />

eindeutig bestätigt werden. Die vier Skalen klären<br />

beim SELLMO-S 43.7% und beim SELLMO-ST 50.9% der<br />

Gesamtvarianz auf. Die Inter-Skalen-Korrelationen stehen<br />

im Einklang mit den theoretischen Annahmen. Gleichzeitig<br />

liegt das Maximum bei r = .55 für den Zusammenhang zwischen<br />

Annäherungs- und Vermeidungs-Leistungszielen.<br />

Dies spricht für eine zufriedenstellende diskriminante Validität.<br />

Die konvergente Validität konnte ebenfalls nachgewiesen<br />

werden, da die einzelnen Skalen der SELLMO im<br />

mittleren Bereich mit nahe verwandten Skalen korrelieren<br />

(z.B. „Lernziele“ mit „Aufgabenorientierung“ des Instrumentes<br />

zur Zielorientierung von Köller & Baumert (1998)<br />

mit r = .54), gleichzeitig aber mit entfernteren Konstrukten<br />

deutlich niedrigere Zusammenhänge aufweisen (z. B.<br />

„Lernziele“ mit „Besorgtheit“ des TAI nach Hodapp, Laux<br />

& Spielberger (1982) zur Messung der emotionalen und<br />

kognitiven Komponenten der Prüfungsangst, mit r = .13).


210 <strong>Testinformationen</strong><br />

Schließlich wurde die Kriteriumsvalidität durch Ermittlung<br />

der Zusammenhänge zwischen erreichten Skalenwerten<br />

und Prüfungsnoten für die SELLMO-S geprüft. Hier zeigten<br />

sich ebenfalls erwartungskonform z. B. durchweg signifikante<br />

negative Korrelationen für verschiedene Schultypen,<br />

Klassenstufen und Fächer zwischen „Lernzielen“<br />

und Schulnoten von r = .14 bis r = .32 (d.h. je höher die<br />

motivationale Ausprägung für die Lernziele, desto kleiner<br />

bzw. besser die Note). Hingegen waren die Korrelationen<br />

zwischen „Arbeitsvermeidung“ und Schulnoten mit Werten<br />

zwischen r = .17 und r = .35 durchweg positiv (d.h. je<br />

größer die Tendenz zur Arbeitsvermeidung, desto höher<br />

bzw. schlechter die Note).<br />

7.4 Normierung: Die Normierung erfolgte an einer Eichstichprobe<br />

von N = 3105 Schülerinnen und Schülern. Alters-,<br />

Geschlechts- und Schulform-Effekte konnten durch<br />

varianzanalytische Vergleiche ausgeschlossen werden. Es<br />

ergaben sich lediglich Effekte für die Klassenstufe, so<br />

dass für die Klassenstufen 4 bis 6 (N = 1304) sowie 7 bis 10<br />

(N = 1805) getrennte Normtabellen für alle Skalen erstellt<br />

wurden. Warum sich die Stichprobengrößen der beiden<br />

Teilstichproben nicht zur Größe der gesamten Eichstichprobe<br />

addieren, geht aus dem TM nicht hervor. Zudem<br />

werden in den Tabellen 17 bis 19 des TM für die Stichprobe<br />

der älteren Schülerinnen und Schüler wiederum abweichend<br />

N = 1806 angegeben.<br />

8. Kritik<br />

8.1 Die SELLMO-S ermöglichen eine valide und zuverlässige<br />

vergleichende Feststellung von motivationalen<br />

Defiziten im Hinblick auf Lernziel- und Leistungsorientierungen<br />

bei Schülerinnen und Schülern. Auf Grund der fehlenden<br />

Normierung gilt diese Aussage nur sehr eingeschränkt<br />

für die SELLMO-ST. Insbesondere für Schülerinnen<br />

und Schüler, bei denen eine große Diskrepanz zwischen<br />

Fähigkeit und Leistung vermutet wird oder bereits<br />

festgestellt worden ist, stellen die SELLMO-S ein wichtiges<br />

diagnostisches Instrument für Schulpsychologen<br />

bzw. -psychologinnen und Pädagoginnen bzw. Pädagogen<br />

dar. Sie liefern statistisch abgesicherte Hinweise, welche<br />

Zielorientierung (Lernziel-, Leistungsorientierung<br />

oder Vermeidungsverhalten) durch entsprechende Maßnahmen<br />

besonders gefördert werden sollte.<br />

8.2 Die Normierung des Fragebogens umfasst eine Eichstichprobe<br />

von N = 3105 Schülerinnen und Schülern aus<br />

vier Bundesländern. Sie kann laut Angabe der Autorinnen<br />

und Autoren als repräsentativ betrachtet werden. Dies<br />

stimmt jedoch zumindest in Bezug auf die ausgewählten<br />

Bundesländer nicht, da über 70% der Stichprobe aus Niedersachsen<br />

und NRW stammen. Es fehlen die großen<br />

Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg vollständig,<br />

zudem sind die Neuen Länder mit einem Anteil von<br />

9,3% (ausschließlich aus Sachsen) unterrepräsentiert. Da<br />

an die Testergebnisse unter Umständen schwerwiegende<br />

pädagogische Entscheidungen geknüpft sind, wäre eine<br />

repräsentative Normierung sowohl hinsichtlich der Bundesländer<br />

als auch hinsichtlich des Schultyps wünschenswert.<br />

8.3 Die unterschiedlichen Angaben der Größen der Teilstichproben<br />

(N = 1304 für die Klassenstufen 4 bis 6 und<br />

N = 1805 bzw. 1806 für die Klassenstufen 7 bis 10) und der<br />

gesamten Eichstichprobe (N = 3105) verwirren und sollten<br />

in späteren Auflagen des Tests aufgeklärt werden.<br />

8.4 Den Einsatz der SELLMO-ST sehen die Autorinnen<br />

und Autoren auf Erhebungen für Forschungszwecke beschränkt,<br />

bei denen lediglich die vier Skalen untereinander<br />

in Beziehung gesetzt werden sollen und intra- oder interindividuelle<br />

Vergleiche nicht von Interesse sind. Daher wurde<br />

hier auf eine Normierung verzichtet. Da die SELLMO-<br />

ST jedoch nur an zwei eher kleinen Stichproben von<br />

insgesamt N = 265 geprüft wurde und zudem die Skalenkonstruktion<br />

an zwei kleineren Stichproben (N = 38 und<br />

N = 101), die ausschließlich aus Lehramt- und Psychologiestudierenden<br />

im Grundstudium bestanden, vorgenommen<br />

wurde, bleibt die Frage, ob sie sich damit nicht auch<br />

für Forschungszwecke disqualifiziert. Unseres Erachtens<br />

wäre die alleinige Konzentration auf den SELLMO-S stringenter,<br />

denn so kauft der Anwender bzw. die Anwenderin<br />

notgedrungen zwei Tests in einer Mappe, von denen nur<br />

einer den Anforderungen an ein wissenschaftliches Inventar<br />

entspricht (alle Bestandteile der SELLMO sind zwar<br />

auch einzeln erhältlich, übersteigen dann aber bei alleinigem<br />

Erwerb der SELLMO-S den Preis des kompletten<br />

Tests).<br />

8.5 Die Bezeichnung „Werteband“ statt Konfidenz- oder<br />

Vertrauensintervall ist unüblich. Vermutlich soll hier versucht<br />

werden, Anwenderinnen und Anwendern ohne<br />

inferenzstatistische Grundkenntnisse den Zugang zum<br />

methodischen Verständnis eines wissenschaftlichen Fragebogen-Einsatzes<br />

zu erleichtern. Allerdings ist „Werteband“<br />

kein Begriff der Alltagssprache, d.h. er muss im TM<br />

ebenfalls erst erklärt werden. Letztlich erschwert die Einführung<br />

des Begriffes „Werteband“ dann wieder die Kommunikation<br />

zwischen verschiedenen Anwenderinnen Anwendern,<br />

insbesondere zwischen Lehrerinnen/Lehrern<br />

und Psychologinnen/Psychologen, da letzteren von ihrer<br />

Methodenausbildung her die Begriffe „Konfidenzintervall“<br />

oder „Vertrauensintervall“ bereits geläufig sind.<br />

8.6 Die Erstellung eines grafischen Profils der erreichten<br />

Skalenwerte ist zwar nicht unüblich, aber deshalb noch<br />

nicht methodisch korrekt. Insbesondere die Verbindung<br />

der T-Werte durch Linien suggeriert einen Zusammenhang<br />

zwischen allen vier Skalen, der durch die Theorie nur<br />

teilweise abgedeckt ist. So finden sich auch keine Hinweise<br />

im TM, wie genau unterschiedliche Muster im Profil<br />

interpretiert werden sollen, sondern es wird lediglich der<br />

Zusammenhang einzelner Skalen zueinander erklärt. Auch<br />

wird durch die Profildarstellung nahe gelegt, zwei T-Werte<br />

direkt miteinander zu vergleichen, obwohl im TM zu recht<br />

darauf hingewiesen wird, dass solche Vergleiche nur unter<br />

Berücksichtigung des Wertebandes (des Vertrauensintervalles)<br />

zuverlässig sind.<br />

8.7 Auswertung und Interpretation sind insgesamt sehr<br />

ausführlich und gut erklärt, so dass der Test auch von<br />

inferenzstatistisch weniger geschulten Anwendern bzw.<br />

Anwenderinnen wissenschaftlich korrekt eingesetzt wer-


den kann. Allerdings empfehlen die Autorinnen und Autoren<br />

zunächst, den Fragebogen bei mehr als drei gar nicht<br />

oder fehlerhaft ausgefüllten Items nicht auszuwerten (TM,<br />

S. 40, 1. Spalte). Sie schildern dann aber explizit die spezielle<br />

Auswertungsprozedur, wenn mehr als 3 Items einer Skala<br />

fehlen und die Anwenderin bzw. der Anwender sie dennoch<br />

gerne auswerten möchte (TM, S. 40, 2. Spalte). Gerade<br />

für methodisch weniger geschulte Anwenderinnen<br />

bzw. Anwender ist diese inkonsistente Anleitung kaum<br />

hilfreich.<br />

9. Empfehlung<br />

Die SELLMO-S sind ein methodisch solides und theoretisch<br />

fundiertes Instrument, um Minderleistungen bei<br />

Schülerinnen und Schülern auf Grund motivationaler Defizite<br />

aufzuklären. Hierzu sollten flankierend die intellektuellen<br />

Fähigkeiten mittels eines standardisierten Intelligenztests<br />

(z.B. HAWIK-III von Wechsler, herausgegeben von<br />

Tewes, Rossmann & Schallberger, 2001) sowie das schulische<br />

Selbstkonzept mittels des SESSKO (Schöne et al.,<br />

2002) abgeklärt werden. Ergänzend kann die Feststellung<br />

des bevorzugten Attributionsstils mittels des ASF-KJ von<br />

Stiensmeier-Pelster, Schürmann, Eckert & Pelster, (1994)<br />

sinnvoll sein. Ziel der Diagnostik ist z.B. die Entwicklung<br />

gezielter Fördermaßnahmen für einzelne Schülerinnen und<br />

Schüler. Für Studierende sind die SELLMO-ST nicht in<br />

gleicher Weise nutzbar, da hier auf eine Normierung verzichtet<br />

wurde. Sie eignen sich bislang allenfalls für Forschungszwecke,<br />

um Beziehungen der vier Skalen untereinander<br />

abzuklären. Wir würden uns wünschen, die SELL-<br />

MO-ST entweder ebenfalls zu normieren – dann könnten<br />

sie z.B. für eine Verlaufskontrolle bei der Behandlung von<br />

Prüfungsangst eingesetzt werden – oder sie ganz aus der<br />

Testmappe herauszunehmen.<br />

Literatur<br />

Ames, C. (1992). Classrooms: Goals, structures, and student<br />

motivation. Journal of Educational Psychology, 84, 261–271.<br />

Balke, S. & Stiensmeier-Pelster, J. (1995). Die Erfassung der<br />

motivationalen Orientierung – eine deutsche Form der Motivational<br />

Orientation Scales (MOS-D). Diagnostica, 41, 80–<br />

94.<br />

Elliot, A. J. (1999). Approach and avoidance motivation and<br />

achievement goals. Educational Psychologist, 34, 169–189.<br />

Hodapp, V., Laux, L. & Spielberger, C. D. (1982). Theorie und<br />

Messung der emotionalen und kognitiven Komponenten der<br />

Prüfungsangst. Zeitschrift für Differentielle und Diagnostische<br />

Psychologie, 3, 169–184.<br />

Köller, O. & Baumert, J. (1998). Ein deutsches Instrument zur<br />

Erfassung von Zielorientierungen bei Schülerinnen und Schülern.<br />

Diagnostica, 44, 173–181.<br />

Rollett, B. (1970). Der Anstrengungsvermeidungstest. Rodenkirchen:<br />

Ritter.<br />

Schöne, C., Dickhäuser, O., Spinath, B. & Stiensmeier-Pelster, J.<br />

(2002). Die Skalen zur Erfassung des schulischen Selbstkonzepts<br />

(SESSKO). Göttingen: Hogrefe.<br />

Stiensmeier-Pelster, J. Schürmann, M., Eckert, C. & Pelster, A.<br />

(1994). Attributionsstilfragebogen für Kinder und Jugendliche<br />

(ASF-KJ). Göttingen: Hogrefe.<br />

Tewes, U., Rossmann, P. & Schallberger, U. (Hrsg.). (2001).<br />

Hamburg-Wechsler-Intelligenztest für Kinder – III (HAWIK-<br />

III von D. Wechsler, 2. Aufl.). Bern: Huber.<br />

<strong>Testinformationen</strong><br />

Dr. Uwe Berger<br />

Klinikum der Friedrich-Schiller-Universität Jena<br />

Institut für Medizinische Psychologie<br />

Steubenstraße 2<br />

07740 Jena<br />

E-Mail: uwe.berger@uni-jena.de<br />

Dipl.-Psych. Katrin Rockenbauch<br />

Universität Leipzig<br />

Selbständige Abteilung für Medizinische Psychologie<br />

und Medizinische Soziologie<br />

Stephanstraße 11<br />

04103 Leipzig<br />

E-Mail: katrin.rockenbauch@medizin.uni-leipzig.de<br />

211<br />

DOI: 10.1026/0012-1924.51.4.207


Testbesprechungen 129<br />

Birgit Spinath, Joachim Stiensmeier-Pelster, Claudia<br />

Schöne & Oliver Dickhäuser (2002). SELLMO. Skalen<br />

zur Erfassung der Lern- und Leistungsmotivation.<br />

Göttingen: Hogrefe, 56 Seiten, Preis des kompletten<br />

Tests 59,± EUR.<br />

1. Testart<br />

Fragebogen für Schüler/Schülerinnen der Klassenstufen<br />

4 bis 10 oder für Studenten.<br />

2. Testmaterial<br />

Die Testmappe enthält ein Manual (DIN A4-Format gebunden,<br />

56 Seiten), 10 Fragebögen der Schülerversion<br />

und 10 Fragebögen der Studentenversion, für beide Versionen<br />

jeweils 10 Auswertungsbögen sowie eine Auswertungsschablone<br />

(DIN A4-Format).


130<br />

3. Testgliederung<br />

Der Fragebogen dient der Erfassung der Lern- und Leistungsmotivation<br />

bei Schülerinnen und Schülern der<br />

Klassenstufen 4 bis 10 und bei Studenten. Er setzt sich<br />

aus 31 Items zusammen und erfasst damit die motivationalen<br />

Aspekte ¹Lernzieleª, ¹Annäherungs-Leistungszieleª,<br />

¹Vermeidungs-Leistungszieleª und ¹Arbeitsvermeidungª.<br />

4. Grundkonzept<br />

Um die Ursachen schlechter Schulleistungen aufklären<br />

zu können, muss zwischen einer fehlenden Begabung einerseits<br />

und einer mangelnden Lern- und Leistungsmotivation<br />

andererseits differenziert werden. Die Erfassung<br />

motivationaler Aspekte erfolgt dabei über die individuelle<br />

Zielorientierung. In der Literatur werden häufig zwei<br />

Kategorien motivationaler Zielorientierungen unterschieden:<br />

1. Das Ziel, die eigenen Fähigkeiten zu erweitern<br />

(¹masteryª ¹Lernzieleª), und<br />

2. das Ziel, anderen Personen eigene hohe Fähigkeiten<br />

zu demonstrieren und niedrige Fähigkeiten zu verbergen<br />

(¹performanceª ¹Leistungszieleª).<br />

Zusätzlich können Personen anhand ihres Arbeitsaufwandes<br />

in Lern- und Leistungssituationen unterschieden<br />

werden. Das Bestreben, den eigenen Aufwand zur Erbringung<br />

einer Leistung so weit wie möglich zu reduzieren,<br />

wird als Arbeitsvermeidung bezeichnet.<br />

Der von Spinath, Stiensmeier-Pelster, Schöne und<br />

Dickhäuser veröffentlichte Fragebogen zielt auf die Erfassung<br />

dieser Ziele in Lern- und Leistungssituationen<br />

ab. Die individuelle Variation der Ziele wird hierbei auf<br />

vier Ebenen beschrieben:<br />

1. Die Motivation, das eigene Wissen zu erweitern<br />

(¹Lernzielª),<br />

2. das Bemühen, die eigenen Kompetenzen zu präsentieren<br />

(¹Annäherungs-Leistungsziele),<br />

3. das Bemühen, fehlende Kompetenzen zu verbergen<br />

(¹Vermeidungs-Leistungszieleª), und<br />

4. die Intention, bei der Bearbeitung von Aufgaben<br />

möglichst wenig Arbeit zu investieren (¹Arbeitsvermeidungª).<br />

Die SELLMO bauen auf den Skalen zur Erfassung<br />

der motivationalen Orientierung (MOS-D, Balke &<br />

Stiensmeier-Pelster, 1995) auf. Dieser Fragebogen wurde<br />

jedoch nicht normiert und differenziert nach Auffassung<br />

der Autoren nicht genügend zwischen den Annäherungsund<br />

den Vermeidungs-Leistungszielen. Zur Erhöhung<br />

der Skalenreliabilität und zur besseren Unterscheidung<br />

zwischen den genannten Leistungszielen wurde die Anzahl<br />

der im MOS-D enthaltenen Items erhöht. Die neu<br />

gewählte Formulierung: ¹In der Schule/im Studium geht<br />

Testbesprechungen<br />

es mir darum ¼ª (statt: ¹Ich fühle mich erfolgreich,<br />

wenn ¼ª) soll die Fokussierung auf die angestrebten<br />

Ziele verdeutlichen.<br />

Die Autoren beschreiben verschiedene Studien, die<br />

den Einfluss der einzelnen Zielorientierungen auf die<br />

Leistungsergebnisse untersuchen. Hierbei wird deutlich,<br />

dass insbesondere eine hohe Lernzielorientierung mit<br />

guten Schulleistungen einhergeht. Hohe Lernziele sind<br />

verbunden mit einer erhöhten Anstrengungsbereitschaft<br />

und führen daher meist zu guten Leistungen. Das Streben<br />

nach einer guten Darstellung der eigenen Fähigkeiten<br />

(Leistungsziele) kann kurzfristig positiv mit guten Leistungen<br />

zusammenhängen, langfristig ist diese positive<br />

Darstellung allerdings mit der Qualität des eigenen Wissens<br />

assoziiert. Die Motivation, geringe Fähigkeiten zu<br />

verbergen, geht langfristig mit niedrigen Leistungen einher<br />

(Manual, S. 11). Noch deutlicher zeigen sich die negativen<br />

Auswirkungen auf die schulischen Leistungen<br />

durch Arbeitsvermeidungstendenzen.<br />

5. Anwendungsbereiche<br />

Die SELLMO dienen der Identifikation von ungünstigen<br />

Motivationslagen in Lern- und Leistungskontexten für<br />

Schüler und Schülerinnen der 4. bis 10. Klasse und Studenten.<br />

Eine aktuelle Studie weist sogar auf eine Einsatzmöglichkeit<br />

ab der dritten Klasse hin (Schöler, Müller,<br />

Scheib & Roos, 2004). Diese Erfassung ermöglicht in<br />

der pädagogischen oder klinischen Diagnostik eine differenziertere<br />

Beurteilung von niedrigen (Schul-)Leistungen.<br />

6. Durchführung<br />

Die Beschreibungen zur Testdurchführung sind im Manual<br />

detailliert ausgeführt und ermöglichen somit eine<br />

standardisierte Durchführung. Der Test kann als Einzelverfahren<br />

oder als Gruppentest eingesetzt werden; die<br />

Testanweisungen sind für die Gruppen- und Individualdiagnostik<br />

getrennt aufgeführt. Die Vorgabe der Instruktionen<br />

und die Bearbeitungsdauer werden mit insgesamt<br />

acht bis 15 Minuten angegeben. Für die Durchführung<br />

mit jüngeren Kindern wird die Demonstration des fünfstufigen<br />

Antwortmodus empfohlen.<br />

7. Auswertung und Interpretation<br />

Für jedes Item wird der Grad der Zustimmung durch die<br />

Vergabe von ein bis fünf Punkten quantifiziert. Die Zuordnung<br />

der Items zu der jeweiligen übergeordneten Skala<br />

erfolgt durch die farbige Kennzeichnung des Items auf<br />

der Antwortschablone. Die Punktwerte werden für jede<br />

der vier Skalen aufsummiert und auf dem Auswertungsbogen<br />

notiert. Die Autoren empfehlen, dass Fragebögen<br />

mit mehr als drei uneindeutigen Antworten nicht ausgewertet<br />

werden sollten. Sollten bis maximal drei Items


nicht eindeutig beantwortet werden, ist eine Schätzung<br />

der Antwort durch den Skalenmittelwert vorzunehmen.<br />

Dadurch ist eine Interpretation der Ergebnisse trotz fehlender<br />

Werte möglich.<br />

Die Rohwerte der vier Skalen werden mithilfe der<br />

Normtabellen in Rohwertebänder, Prozentränge, T-Werte<br />

und T-Wert-Bänder umgewandelt. Die T-Werte werden<br />

anschlieûend in ein Profil eingezeichnet; durch die Markierung<br />

des überdurchschnittlichen bzw. unterdurchschnittlichen<br />

Bereichs ist der Ausprägungsgrad der jeweils<br />

erhobenen Zielorientierung abzulesen. Interpretationshinweise<br />

für signifikante intra- und interindividuelle<br />

Unterschiede werden im Manual ausführlich beschrieben.<br />

8. Gütekriterien<br />

Normen. Die Gesamtstichprobe im Rahmen der Normierung<br />

bestand aus 3105 Schülern und Schülerinnen der<br />

Klassen 4 bis 10. Die Erhebung erfolgte an Grund- und<br />

weiterführenden Schulen der Bundesländer Niedersachsen,<br />

Nordrhein-Westfalen, Hessen und Sachsen. Ein Einsatz<br />

des Verfahrens ist nach Darstellung der Autoren vor<br />

allem im schulischen Setting zu erwarten, so dass nur<br />

Normen für Schüler und nicht für Studenten erstellt wurden<br />

(Manual, S. 30), obwohl das Verfahren eigentlich<br />

auch für dieses Klientel entwickelt wurde. Da für die<br />

SELLMO-ST also keine Normen vorliegen, wird im Folgenden<br />

auf eine differenzierte Betrachtung dieser Version<br />

der SELLMO verzichtet.<br />

Varianzanalytische Untersuchungen zu Geschlechts-,<br />

Alters- und Schulformeffekten zeigten Haupteffekte der<br />

Klassenstufe. Die Unterschiede wurden vor allem zwischen<br />

den Klassen 4 bis 6 im Vergleich zu den 7. bis 10.<br />

Klassen deutlich. Dementsprechend gibt es getrennte<br />

Normen für beide Altersgruppen. Praktisch bedeutsame<br />

Geschlechts- und Schulformeffekte zeigten sich nicht.<br />

Objektivität. Aufgrund der standardisierten Instruktionen<br />

und der Verwendung einer Auswertungsschablone<br />

kann von einer hohen Durchführungs- und Auswertungsobjektivität<br />

ausgegangen werden.<br />

Reliabilität. Zur Einschätzung der Zuverlässigkeit<br />

der SELLMO-S wurden interne Konsistenzen, Testhalbierungs-Reliabilitäten<br />

und Test-Retest-Reliabilitäten<br />

berechnet. Cronbach s a ergibt für die Skalen ¹Lernzieleª<br />

und ¹Annäherungs-Leistungszieleª nur befriedigende<br />

Werte, für die anderen beiden Skalen können die<br />

internen Konsistenzen als gut bezeichnet werden. Die<br />

nach Spearman-Brown berechneten Split-Half-Reliabilitäten<br />

ergaben ebenfalls nur befriedigende Werte (zwischen<br />

.73 und .78 für die Gesamtstichprobe). Für einzelne<br />

Subgruppen liegen die Testhalbierungs-Reliabilitäten<br />

zum Teil nur bei .55 bis .66 (5. und 6. Klassenstufe<br />

bzw. Orientierungs-/Förderstufe). Zugunsten der Ökonomie<br />

wurde von den Autoren auf eine Erhöhung der Relia-<br />

Testbesprechungen 131<br />

bilitäten verzichtet, die durch eine Verlängerung der Skalen<br />

zu erreichen gewesen wäre. Die Test-Retest-Reliabilitäten<br />

variieren in Abhängigkeit von dem zu Grunde gelegten<br />

Intervall zwischen .54 und .74.<br />

Konstruktvalidität. Die Konstruktvalidität wurde mittels<br />

einer Hauptkomponentenanalyse bestätigt. Es wurden<br />

vier Faktoren extrahiert und varimax-rotiert. Mit<br />

den vier Faktoren konnten 43,7% der Gesamtvarianz aufgeklärt<br />

werden, wobei der Faktor ¹Annäherungs-Leistungszieleª<br />

den geringsten Anteil an der Varianzaufklärung<br />

aufweist. Zusätzlich weisen einige Items dieser Skala<br />

deutliche Fremdladungen auf.<br />

Kriteriumsvalidität. Die erhobenen Interkorrelationen<br />

der Skalen werden als im Einklang mit den theoretischen<br />

Annahmen stehend beschrieben.<br />

Zur Überprüfung der kriteriumsbezogenen Validität<br />

wurde sowohl auf konstruktverwandte als auch konstruktferne<br />

Verfahren zurückgegriffen, diese wurden mit<br />

den SELLMO-Kennwerten korreliert. Es ergaben sich<br />

übereinstimmend für alle vier Skalen erwartungsgemäû<br />

höhere Zusammenhänge zu den verwandten und niedrige<br />

Korrelationen zu den nicht-verwandten theoretischen<br />

Konstrukten. Für einen Teil der Stichprobe liegen Daten<br />

über den Zusammenhang zwischen den SELLMO-Skalen<br />

und zusammengefassten Schulnoten vor. Dabei zeigt<br />

sich ein Zusammenhang zwischen höheren Werten auf<br />

der Skala ¹Lernzieleª und besseren Schulnoten sowie<br />

ein inverses Muster zwischen der Skala ¹Arbeitsvermeidungª<br />

und schlechteren Noten.<br />

9. Kritik<br />

Die SELLMO sind als objektiv und ausreichend zuverlässig<br />

einzustufen. Sie stellen momentan eines der wenigen<br />

standardisierten Verfahren zur Erfassung der schulbezogenen<br />

Leistungsmotivation dar, die eine aktuelle<br />

Normierung für den deutschen Sprachraum aufweisen.<br />

Auûerdem kann dieses Verfahren bereits am Ende der<br />

Grundschule durchgeführt werden und erfasst daher<br />

schon früh ungünstige Lern- und Leistungsmotivationen.<br />

Die kurze Bearbeitungsdauer und die einfache Auswertung<br />

ermöglichen eine ökonomische Durchführung. Die<br />

Konzeption erscheint plausibel und ist theoretisch fundiert.<br />

Es bleibt offen, ob die SELLMO ihrem Anspruch,<br />

Zielpräferenzen im Sinne überdauernder Neigungen oder<br />

stabiler Persönlichkeitsmerkmale unabhängig von situativen<br />

Einflüssen zu erfassen (Spinath & Schöne, 2003),<br />

gerecht werden. So wäre es möglich, dass ein Kind aufgrund<br />

einer gerade vergebenen schlechten Schulnote<br />

kurzfristig Motivationseinbuûen zeigt. Dies könnte sich<br />

auf die Beantwortung des Fragebogens auswirken. Es erscheint<br />

sinnvoll, Informationen aus Anamnese und Ex-


132<br />

ploration mit den Ergebnissen des Fragebogens zu verknüpfen.<br />

Die Entwicklung der erhobenen Zielorientierungen<br />

könnte dadurch nachvollzogen werden.<br />

Auf der Durchführungsebene kann für Kinder mit Leseschwächen<br />

zum Problem werden, dass viel Text zu lesen<br />

und zu verstehen ist. Wird der Text aber vom Testleiter<br />

vorgelesen, verändert sich möglicherweise das Antwortverhalten<br />

des Kindes durch die höhere Kontrolle<br />

des Testleiters.<br />

Im Manual wird auf die ungünstige Kombination von<br />

hohen Leistungszielen mit einem gleichzeitig niedrigem<br />

Fähigkeitskonzept hingewiesen. Eine kombinierte Anwendung<br />

des Verfahrens mit den Skalen zur Erfassung<br />

des schulischen Selbstkonzepts (SESSKO) könnte dieses<br />

Missverhältnis aufzeigen und zur Aufklärung von<br />

schlechten Schulleistungen beitragen.<br />

Allgemein ist zu beachten, dass es sich um ein ergänzendes<br />

Instrumentarium zur Intelligenz- und Leistungsdiagnostik<br />

handelt und nicht um ein eigenständiges<br />

Diagnoseverfahren.<br />

Testbesprechungen<br />

Literatur<br />

Balke, S. & Stiensmeier-Pelster, J. (1995). Die Erfassung der<br />

motivationalen Orientierung ± eine deutsche Form der Motivational<br />

Orientation Scales (MOS-D). Diagnostica, 41,<br />

80 ± 94.<br />

Schöler, H., Müller, I., Scheib, K. & Roos, J. (2004). Selbsteinschätzungen<br />

der Lern- und Leistungsmotivation von Drittklässlern.<br />

Zur Brauchbarkeit der Skalen zur Erfassung der<br />

Lern- und Leistungsmotivation (SELLMO) (¹EVESª-Arbeitsberichte<br />

Nr. 5). Heidelberg: Pädagogische Hochschule,<br />

Erziehungs- und Sozialwissenschaftliche Fakultät. Verfügbar<br />

unter www.ph-heidelberg.de/wp/schoeler/EVES.htm<br />

[08.03. 2005].<br />

Spinath, B. & Schöne, C. (2003). Ziele als Bedingungen von<br />

Motivation am Beispiel der Skalen zur Erfassung der Lernund<br />

Leistungsmotivation (SELLMO). In J. Stiensmeier-Pelster<br />

& F. Rheinsberg (Hrsg.), Diagnostik von Selbstkonzept,<br />

Lernmotivation und Selbstregulation (S. 29 ±40). Göttingen:<br />

Hogrefe.<br />

Dr. Monika Daseking,<br />

Dipl.-Psych. Julia Lemcke und<br />

Prof. Dr. Franz Petermann, Bremen<br />

DOI: 10.1026/0942-5403.15.2.129


Sonderdruck aus: Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 36 (1), 59–61<br />

Testbesprechung<br />

© Hogrefe-Verlag Göttingen 2004 59<br />

Spinath, B., Stiensmeier-Pelster, J., Schöne, C. & Dickhäuser,<br />

O. (2002). SELLMO – Skalen zur Erfassung der<br />

Lern- und Leistungsmotivation. Göttingen: Hogrefe.<br />

Preis: € 59,–.<br />

Schulleistungen sind durch drei wesentliche Merkmale der<br />

Schülerpersönlichkeit bedingt. Neben kognitiven Fähigkeitsmerkmalen<br />

und dem Vorwissen bzw. Leistungsstand<br />

eines Schülers stellt die Lernmotivation eine dritte Einflussgröße<br />

auf die Schulleistung dar (Heller, 1991). Für die<br />

Planung von Interventionsmaßnahmen bei Schulleistungsproblemen<br />

ist es daher diagnostisch relevant, nicht<br />

nur die kognitiven Fähigkeiten des Schülers mittels Intelligenztestverfahren<br />

oder speziellen Leistungstests zu erfassen,<br />

sondern auch die Lernmotivation. Mit den Skalen zur<br />

Erfassung der Lern- und Leistungsmotivation (SELLMO)<br />

liegt ein Fragebogenverfahren vor, mit dem es gelingen<br />

soll, Zielorientierungen des Lernens von Schülern und<br />

Studenten zu erheben und dadurch ihre Lernmotivation zu<br />

beurteilen.<br />

Theoretischer Hintergrund<br />

Die SELLMO setzt sich zum Ziel, die Lernmotivation von<br />

Schülern und Studierenden zu erfassen. Die AutorInnen<br />

gehen von Zielpräferenzen als Ausdruck der Lernmotivation<br />

aus und unterscheiden vier Dimensionen der<br />

Zielorientierung, die die Lernleistung von Schülern und<br />

Studierenden beeinflussen können: Lernziele, Annäherungs-Leistungsziele,<br />

Vermeidungs-Leistungsziele und<br />

Arbeitsvermeidung. Lernziele beziehen sich auf den Prozess<br />

des Lernens selbst und bezeichnen das Bedürfnis<br />

einer Person, die eigenen Kompetenzen zu steigern. Leistungsziele<br />

sind im Gegensatz dazu von der Lernleistung<br />

im sozialen Vergleich geprägt, wobei das Motiv, Wissen<br />

und Können zu zeigen mit dem Begriff der Annäherungs-<br />

Leistungsziele beschrieben wird, das Motiv, mangelndes<br />

Wissen oder Können zu verbergen, als Vermeidungs-<br />

Leistungsziel. Abgegrenzt von Lern- und Leistungszielen<br />

definieren die AutorInnen das Ziel der Arbeitsvermeidung<br />

durch das Bemühen, Arbeit in Lern- und Leistungssituationen<br />

zu vermeiden. Spinath et al. grenzen diese Dimension<br />

vom Konzept der Anstrengungsvermeidung (Rollett,<br />

1977) ab, das nach ihrem Verständnis dem Vermeidungs-<br />

Leistungsziel näher steht als dem Konzept der Arbeitsvermeidung.<br />

Während bei der Anstrengungsvermeidung<br />

angenommen wird, „... dass das Individuum durch den<br />

aktiven Einsatz bestimmter Strategien Anstrengungen<br />

in einem eingegrenzten Tätigkeitsbereich vermeidet, um<br />

negativen Konsequenzen zu entgehen ...“ definieren die<br />

AutorInnen Arbeitsvermeidung als eine „Neigung zur Vermeidung<br />

von Arbeit (...), ohne jedoch darin ein bestimmtes<br />

affektives Ziel zu vermuten“ (S. 8).<br />

Testbesprechung<br />

Die verschiedenen Zielorientierungen werden von den<br />

AutorInnen mit Leistungserfolgen, durch empirische Befunde<br />

belegt, in Zusammenhang gebracht. So stehen<br />

Lernziele mit langfristigen positiven Lernerfolgen in Zusammenhang,<br />

Annäherungs-Leistungsziele führen kurzfristig<br />

zu positiven Leistungen. Vermeidungs-Leistungsziele<br />

haben kurzfristig meist negative Leistungen zur Folge,<br />

während Arbeitsvermeidung sowohl kurz- als auch<br />

langfristig ausschließlich zu negativen Lernleistungen<br />

führt.<br />

Die AutorInnen betonen den förderdiagnostischen<br />

Aspekt der Erfassung der Lernmotivation von Schülern<br />

und Studierenden. Kennt man neben der Begabung auch<br />

die Zielorientierung einer Person, so kann man damit nicht<br />

nur die Lernleistung erklären, sondern auch Fördermaßnahmen<br />

bei mangelnder bzw. ungünstiger Lernmotivationshaltung<br />

ableiten. Vorrangig betrachten die AutorInnen<br />

dabei die Förderung der Lernzielorientierung als<br />

effektiv, da diese mit langfristigen Lernerfolgen in Zusammenhang<br />

gesehen wird. Die Förderung von Leistungszielorientierungen<br />

führe nur kurzfristig zu positiven Leistungseffekten,<br />

bzw. könne auch negative Auswirkungen<br />

nach sich ziehen, z.B. wenn eine Diskrepanz zwischen dem<br />

Annäherungs-Leistungsziel des Beweisens von Wissen<br />

oder Können einer Person und ihrem tatsächlichen Begabungsniveau<br />

besteht.<br />

Die SELLMO, die in einer Schülerversion (SELLMO-S)<br />

und einer Version für Studierende (SELLMO-ST) vorliegen,<br />

können für Forschungszwecke, in der Schülerform<br />

aber auch für Diagnostik und Beratung bei Lern- und Leistungsproblemen<br />

Einsatz finden. Das Verfahren soll der<br />

frühzeitigen Erkennung von motivationalen Lernbedingungen<br />

ab der vierten Schulstufe dienen, nicht fähigkeitsbedingte<br />

Leistungsdefizite erklären oder präventiv eingesetzt<br />

werden, mit dem Ziel, ungünstige Zielorientierungen<br />

im Lernverhalten frühzeitig zu erkennen.<br />

Testaufbau und Material<br />

Die Skalen zur Erfassung der Lern- und Leistungsmotivation<br />

sind eine Weiterentwicklung der Skalen zur Erfassung<br />

der Motivationalen Orientierung (MOS-D) von Balke und<br />

Stiensmeier-Pelster (1995). Sie bestehen aus insgesamt 31<br />

Items. Es liegen zwei Parallelformen vor: eine Form für<br />

Schüler der vierten bis zehnten Schulstufe (SELLMO-S)<br />

sowie eine Version für Studenten (SELLMO-ST). Nur für<br />

die Schulform wurden Normen erstellt, weil die TestautorInnen<br />

nur für diese Probandengruppe eine einzelfalldiagnostische<br />

Anwendung erwarten.<br />

Auf der ersten Seite des Fragebogens soll der Schüler/<br />

die Schülerin Angaben zur eigenen Person tätigen. Die


60 Testbesprechung<br />

Testperson soll das Datum angeben, Namen, Alter und<br />

Schulklasse nennen, sowie von sechs möglichen Schulformen<br />

die für sie zutreffende Schulform ankreuzen. Zur<br />

Auswahl stehen die in Deutschland vorherrschenden<br />

Schultypen „Grundschule“, „Orientierungsstufe“, „Gesamtschule“,<br />

„Hauptschule“, „Realschule“ und „Gymnasium“.<br />

Danach folgen Erklärungen, wie der Fragebogen beantwortet<br />

werden soll. Dies wird zusätzlich anhand eines<br />

Beispieles erläutert.<br />

An den Anfang der 31 Items des Fragebogens ist die<br />

Einleitung („Itemstamm“) „In der Schule/Im Studium geht<br />

es mir darum ...“ gestellt. Es folgen Statements, welche die<br />

Testperson auf einer fünfstufigen Skala danach beurteilen<br />

soll, in welchem Ausmaß diese Aussage für sie selbst<br />

zutrifft. Die Statements sind den vier Skalen Lernziele, Annäherungs-Leistungsziele,<br />

Vermeidungs-Leistungsziele<br />

und Arbeitsvermeidung zugeordnet und sind im Fragebogen<br />

in alternierender Reihenfolge vorgegeben.<br />

Die SELLMO können sowohl in Gruppentestungen<br />

als auch in Einzeltestungen vorgegeben werden. Die Bearbeitungsdauer<br />

beträgt zwischen 8 und 15 Minuten incl.<br />

Instruktion bei der Einzelvorgabe. Mittels einer Auswertungsschablone<br />

können die Rohwerte ermittelt werden,<br />

die anhand der Normtabellen in T-Werte und Prozentränge<br />

übertragen werden. Auf dem Profilbogen werden diese<br />

Ergebnisse eingetragen. Die T-Werte können auch in<br />

einer Graphik veranschaulicht werden, in der der durchschnittliche<br />

Bereich der Testergebnisse bereits gekennzeichnet<br />

ist. Die TestautorInnen schlagen vor, dass Fragebögen,<br />

bei denen mindestens drei Antworten fehlen,<br />

nicht ausgewertet werden sollen. Im äußersten Fall kann<br />

eine Annäherung der Ergebnisse vorgenommen werden,<br />

wie sie im Manual beschrieben wird.<br />

Testanalyse und Normierung<br />

Das Manual enthält ausführliche Angaben zur Testkonstruktion<br />

und Testanalyse, die nach klassischen Kriterien<br />

durchgeführt wurde. Während in der Konstruktionsphase<br />

3 kleinere, nicht repräsentative Stichproben herangezogen<br />

wurden, wurde für die Normierung und neuerliche Überprüfung<br />

der Item- und Testkennwerte 3105 SchülerInnen<br />

aus den Bundesländern Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen,<br />

Hessen und Sachsen untersucht. Die SchülerInnen<br />

der Normierungsstichprobe besuchten die vierte bis zehnte<br />

Klasse, wobei nur 6% der Stichprobe Schüler der vierten<br />

Schulstufe darstellen. Die weiteren Schulstufen sind<br />

jeweils mit einem Anteil zwischen 12% und 19% vertreten.<br />

Folgende Schulformen fanden Eingang: Grundschule,<br />

Orientierungs-/Förderstufe, Hauptschule, Realschule,<br />

Gymnasium, Integrierte Gesamtschule. Für die Ermittlung<br />

von Testkennwerten der Fragebogenversion für Studierende<br />

wurde eine Gesamtstichprobe von Studierenden<br />

aus Hessen und Nordrhein-Westfalen (n = 265) herangezogen.<br />

Im Folgenden werden die Ergebnisse der Reliabilitätsund<br />

Validitätsüberprüfungen für die Testversion für Schüler<br />

dargestellt:<br />

Die Testreliabilität der SELLMO-S wird mittels Cronbachs-α<br />

als Maß der internen Konsistenz und Split-half<br />

Reliabilität (nach Spearman-Brown) berechnet. Dabei<br />

schwanken die Werte der internen Konsistenz für die vier<br />

Skalen, verteilt über die Schulstufen 4 bis 10 bzw. in Abhängigkeit<br />

verschiedener Schulformen zwischen .70 und<br />

.84. Die Split-half Reliabilitäten schwanken zwischen .70<br />

und .81.<br />

Im Vergleich dazu fallen die Test-Retest-Reliabilitäten<br />

geringer aus, was die TestautorInnen auf entwicklungsbedingte<br />

Schwankungen in der Zielorientierung von<br />

Schülern der betreffenden Schulstufen zurückführen. Bei<br />

einem zweiwöchigen Intervall zwischen den Testzeitpunkten<br />

liegen die Werte zwischen .60 und .74; bei einem sechsmonatigen<br />

Intervall zwischen .54 und .63.<br />

Eine Faktorenanalyse liefert die vier Skalen der<br />

SELLMO als Faktoren, die gemeinsam 43.7% der Gesamtvarianz<br />

erklären. Allerdings laden zwei Items der Skala<br />

Annäherungs-Leistungsziele auch auf dem Faktor Lernziele.<br />

Dies begründen die AutorInnen mit dem zu Grunde<br />

liegenden motivationstheoretischen Konzept, das Zusammenhänge<br />

zwischen Lernzielen und Annäherungs-Leistungszielen<br />

erwarten lässt (S. 26).<br />

Zur Messung der Konstruktvalidität werden Korrelationen<br />

mit einem Verfahren zur Erfassung der Zielorientierung<br />

von Köller und Baumert (1998), mit den Konstrukten<br />

„Hoffnung auf Erfolg“ bzw. „Furcht vor Misserfolg“,<br />

sowie mit dem Konstrukt der „Prüfungsängstlichkeit“,<br />

erfasst durch das Prüfungsängstlichkeitsinventar von<br />

Hodapp, Laux und Spielberger (1982) berichtet. Die Zusammenhänge<br />

entsprechen überwiegend den Erwartungen<br />

der AutorInnen, wobei sie bereits Korrelationen von<br />

.54 als hoch beurteilen.<br />

Im Handbuch finden sich auch Zusammenhänge mit<br />

Schulnoten in den Fächern Mathematik, Deutsch und<br />

Englisch. Höhere Werte auf der Skala Lernziele gehen mit<br />

besseren Noten in diesen Fächern einher (r = –.14 und<br />

–.32). Die Skala Arbeitsvermeidung korreliert mit den<br />

Schulnoten schwach positiv (r = .17 bis .35) (S. 30).<br />

Für die Schulversion (SELLMO-S) liegen Normen für<br />

die einzelnen Skalen der Zielorientierungen vor, jeweils<br />

getrennt für Schüler der vierten bis sechsten Schulstufe<br />

sowie für Schüler der siebenten bis zehnten Schulstufe,<br />

weil sich Mittelwertsunterschiede in den vier Skalen zwischen<br />

diesen beiden Gruppen ergaben.<br />

Anhand der Normentabellen können für die Zielorientierungen<br />

T-Werte und Prozentränge ermittelt werden.<br />

Weiters werden auch die Konfidenzintervalle für die<br />

T-Werte in Form von T-Wertebändern angegeben. Für<br />

die vierte bis sechste Schulstufe beträgt der Standardmessfehler<br />

der T-Werte zwischen 4.5 und 5.9 T-Werten;<br />

für die höheren Schulstufen (siebente bis zehnte Schulstufe)<br />

liegen diese Werte zwischen 4.1 und 5.0.


Plus/Minus<br />

Die Skalen zur Erfassung der Lern- und Leistungsmotivation<br />

überzeugen durch ihre aktuelle motivationstheoretische<br />

Fundierung. Das Testkonzept und die Items sind<br />

schlüssig aus der Theorie abgeleitet. Testkonstruktion<br />

und Testanalyse nach klassischen Kriterien wurden lege<br />

artis durchgeführt und lieferten durchweg akzeptable bis<br />

sehr gute Item- und Testkennwerte. Die Schülerversion<br />

SELLMO-S verfügt darüber hinaus über eine Normierung<br />

und ist somit auch für den Einsatz in der Praxis der Schulberatung<br />

gut geeignet. Der Einschätzung der Lernmotivation<br />

von Schülern mit Leistungsproblemen kommt innerhalb<br />

des diagnostischen Prozesses ein hoher Stellenwert<br />

zu. Mit der SELLMO-S ist es möglich, ergänzend zur Intelligenz-<br />

und Leistungsdiagnose auch die Zielorientierungen<br />

eines Schülers zu erheben und damit die Beeinflussung<br />

ungünstiger motivationaler Lernvoraussetzungen in<br />

die Interventionsplanung aufzunehmen. Den Praktiker<br />

werden die Hinweise zur Interpretation interessieren, die<br />

bereits Überlegungen für ein therapeutisches Vorgehen<br />

beinhalten. Positiv hervorzuheben ist auch die Ökonomie<br />

des Verfahrens, das in Material, Durchführung und Auswertung<br />

wenig aufwändig ist.<br />

Diesen Vorzügen sind nur wenige Kritikpunkte entgegenzusetzen.<br />

Zunächst erscheint kaum verständlich, warum<br />

nicht auch die Studentenversion (SELLMO-ST) normiert<br />

wurde. Die Begründung, es sei nicht zu erwarten,<br />

„dass diese verstärkt zur Beratung bei Studienschwierigkeiten<br />

eingesetzt werden wird, sondern statt dessen ausschließlich<br />

bei Forschungsfragestellungen Anwendung<br />

finden dürfte“ (S.30), kann den Anwender nicht zufriedenstellen,<br />

zumal auch Studierende ungünstige, behandlungsbedürftige<br />

Zielpräferenzen aufweisen und andererseits<br />

repräsentative Normen auch in wissenschaftlichen<br />

Studien gefragt sind.<br />

Testbesprechung<br />

61<br />

Der zweite Kritikpunkt betrifft die Zieldimension<br />

Arbeitsvermeidung, die für Diagnostik und Intervention<br />

besonders relevant ist, weil hohe Arbeitsvermeidung in<br />

der Regel mit schlechten Leistungen verbunden ist. Die<br />

TestautorInnen grenzen diese Dimension vom Konzept<br />

der Anstrengungsvermeidung sensu Rollett mit der Begründung<br />

ab, dass Arbeitsvermeidung kein bestimmtes<br />

affektives Ziel hätte. Ohne die affektive Komponente<br />

bleibt das Konstrukt aber ohne Funktion: Warum vermeidet<br />

jemand Arbeit? Welchen psychischen Gewinn hat die<br />

Person davon? Die Items, die Arbeitsvermeidung messen<br />

sollen, sind jedenfalls klassische Anstrengungsvermeidungsitems:<br />

„... dass die Arbeit leicht ist; aufwändige Arbeiten<br />

nicht selber erledigen müssen; mit wenig Arbeit<br />

durch die Schule zu kommen“ (S.14). Interessant wäre es,<br />

die beiden Konzepte empirisch zu vergleichen. Möglicherweise<br />

zeigt sich dann, dass eine Abgrenzung nicht notwendig<br />

ist.<br />

Literatur<br />

Balke, S. & Stiensmeier-Pelster, J. (1995). Die Erfassung der<br />

motivationalen Orientierung – eine deutsche Form der Motivational<br />

Orientation Scales (MOS-D). Diagnostica, 41, 80–<br />

94.<br />

Heller, K. A. (Hrsg.). (1991). Begabungsdiagnostik in der Schulund<br />

Erziehungsberatung. Bern: Huber.<br />

Hodapp, V., Laux, L. & Spielberger, C. D. (1982). Theorie und<br />

Messung der emotionalen und kognitiven Komponenten der<br />

Prüfungsangst. Zeitschrift für Differentielle und Diagnostische<br />

Psychologie, 3, 169–184.<br />

Köller, O. & Baumert, J. (1998). Ein deutsches Instrument zur<br />

Erfassung von Zielorientierungen bei Schülerinnen und Schülern.<br />

Diagnostica, 44, 173–181.<br />

Rollett, B. & Bartram, M. (1977). Anstrengungsvermeidungstest<br />

(AVT). Braunschweig: Westermann.<br />

Birgit Fischer, Ursula Kastner-Koller<br />

und Pia Deimann<br />

DOI: 10.1026/0049-8637.36.1.59

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