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drama queen - Freunde der Wiener Staatsoper

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Hans Sachs<br />

als zeitgenössische Darstellung<br />

Anfang des „kurzen Tons“.<br />

Originalschrift von Hans Sachs<br />

Wie Sachs zum Mythos und Die Meistersinger<br />

zur nationalen Oper wurden / Heinz Irrgeher<br />

Wenn Stolzing das Genie ohne Regeln<br />

und Beckmesser die fleischgewordene<br />

Regel ohne Genie, dann ist<br />

Sachs die ideale Verbindung von Beidem.<br />

Wagner selbst sieht in Sachs den „Bonhomme“,<br />

ein bei ihm offenbar positiver<br />

als im Französischen besetzter Begriff,<br />

wo er schlicht „Spießbürger“ bedeutet.<br />

Wagner assoziiert damit Wackerheit,<br />

Bie<strong>der</strong>sinn, empathisches Gemüt und<br />

Schalkhaftigkeit, ebenso ist er ein meisterlicher<br />

Vertreter <strong>der</strong> populären Volkskunst<br />

und eine historisch belegte Persönlichkeit.<br />

Nicht zu vergessen ist <strong>der</strong><br />

Umstand, dass Sachs auch ein Meister<br />

seines Handwerks ist: Deutsches Handwerk<br />

stellt seit dem Mittelalter einen<br />

deutschen Wertbegriff an sich dar und<br />

hat noch Rudolf II. dazu gebracht, deutsche<br />

Handwerker zum Einwan<strong>der</strong>n<br />

nach Böhmen und Prag einzuladen. Im<br />

Begriff „Deutsche Wertarbeit“ lebt das<br />

heute noch fort, man ist darauf stolz und<br />

hält es für eine nationale Eigenschaft.<br />

Sachs, <strong>der</strong> im ersten Akt den Fortschritt<br />

in <strong>der</strong> Person Walters unterstützt, im<br />

zweiten Akt sich als sensibel und romantisch<br />

erweist, zur selben Zeit aber<br />

<strong>der</strong> maskierten Bösartigkeit des Kleinbürgertums<br />

Gelegenheit zur Entladung<br />

gibt und sich zum Verzicht auf seine<br />

eigenen Interessen durchringt, im dritten<br />

Akt sich als Lehrmeister und über dem<br />

überall vorhandenen Wahn stehend erweist,<br />

<strong>der</strong> alles in die richtigen Bahnen<br />

bringt und die Richtung vorgibt, er wird<br />

zur Symbolfigur, zum Synonym für den<br />

guten Deutschen, zu dem, wie sich <strong>der</strong><br />

Deutsche gerne sieht und wie es 1916,<br />

mitten im Ersten Weltkrieg, Richard<br />

Sternfeld, wiewohl jüdischer Herkunft<br />

zum Bayreuther Kreis zählend, definiert:<br />

Ehrt Eure deutschen Meister! – so ruft<br />

uns das Werk zu, das die Deutschen in<br />

ihr Herz geschlossen haben, weil nur sie<br />

es ganz verstehen können: Die Meistersinger<br />

von Nürnberg. In diesem Werk<br />

darf <strong>der</strong> Deutsche sehen, was ihm ganz<br />

zu eigen ist: Kraft und Einfalt, Gemüt<br />

und Humor, Sinnigkeit und Weltweisheit,<br />

Idealismus und Realität. Hier findet<br />

er seine Kultur: fest mit den Füßen auf<br />

dem Heimatboden stehend und sich gegen<br />

eine Welt behaupten aber mit dem<br />

Haupte über die Wolken erhoben und<br />

zum Ewigen aufblicken.<br />

Die Mythologisierung von Sachs entwickelte<br />

sich rasch: Die Uraufführung<br />

<strong>der</strong> Meistersinger von Nürnberg fand am<br />

21. Juni 1866 in München statt und es<br />

dauerte lediglich acht Jahre, bis 1874<br />

das erste Hans Sachs-Denkmal in Nürnberg<br />

enthüllt wurde.<br />

Schon vor Sternfeld hatte Immanuel<br />

Dammann Sachs in den Bayreuther<br />

Blättern 1907 religiös überhöht (Das religiöse<br />

Element in den Meistersingern),<br />

eine Richtung, die in Bayreuth hauptsächlich<br />

von Chamberlain und Wolzogen<br />

eingeschlagen wurde: Hans Sachs, die<br />

Sonne, von <strong>der</strong> alles Licht ausgeht, die<br />

alles erwärmt, was in ihren Wirkungskreis<br />

geht, die stets neues Leben verbreitet,<br />

wohin sie dringt – dieser Hans Sachs<br />

ist das Bild eines in Gott gegründeten<br />

Christen...<br />

Der Autor sieht Sachs als Helden <strong>der</strong><br />

Entsagung in Hinsicht auf Eva, dessen<br />

Religiosität sich wegen seiner Bescheidenheit<br />

äußerlich nicht stark dokumentiere,<br />

son<strong>der</strong>n eben durch seine Taten:<br />

Einen so christlichen Charakter wie<br />

Sachs habe Wagner we<strong>der</strong> vorher noch<br />

nachher gezeichnet, warum auch in den<br />

Meistersingern ein über je<strong>der</strong> Konvention<br />

und Konfession stehendes Christentum<br />

pulsiere.<br />

Ein weiterer Höhepunkt des Hochstilisierens<br />

von Sachs und den Meistersingern<br />

findet sich in den Bayreuther Blättern<br />

aus 1911, wo <strong>der</strong> <strong>Wiener</strong> Mediziner<br />

und Musiker Felix Gotthelf Sachs unter<br />

Verzicht auf religiöse Aspekte ihn in<br />

Hinsicht auf seine innere Einsamkeit mit<br />

Parsifal vergleicht, <strong>der</strong> die Qualen des<br />

Genies durchleidet und dadurch zum<br />

visionären Künstler wird. Sachs ist <strong>der</strong><br />

wahre „Held des Mythos“, und er stellt<br />

ihn in eine Reihe mit Klopstock, Bach<br />

und Goethe: Fortsetzung S. 12<br />

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