drama queen - Freunde der Wiener Staatsoper
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Heinz Irrgeher (c) Foto Fayer<br />
Salzburger Festspiele 2012: La Bohème<br />
Anna Netrebko (Mimì),<br />
Piotr Beczala (Rodolfo) © Silvia Lelli<br />
Nach dem calvinistischem Zürich tut<br />
das barocke Salzburg Alexan<strong>der</strong> Pereira<br />
sehr wohl: selbst auch etwas barock geworden<br />
breitete er heuer ein fast unüberschaubares<br />
Programm in barockem Überfluss<br />
aus. Beginnend mit einer Woche <strong>der</strong><br />
Geistlichen Musik bis zum Ende mit Verdis<br />
Requiem gab es dazwischen so viele Opern<br />
wie noch nie, Konzerte mit allen Orchestern<br />
von Rang und Namen, Lie<strong>der</strong>abende,<br />
Kammermusik, Schauspiel, Zeitgenössisches,<br />
und und und... Und einen pompösen Schluss -<br />
ball.<br />
Eine Schlussbilanz traute sich kein Kulturjournalist<br />
wirklich zu ziehen. War es bis<br />
2012 noch möglich, die Übersicht zu behalten<br />
und damit die Festspiele insgesamt<br />
zu beurteilen, ging das heuer nicht mehr.<br />
Keiner konnte bei allen auch nur beson<strong>der</strong>s<br />
wichtigen Ereignissen anwesend<br />
sein, weil das eine Absenz von <strong>der</strong> Redaktion<br />
für Wochen bedeutet hätte, ge -<br />
schweige denn, dass <strong>der</strong> nötige Platz zu<br />
berichten vorhanden gewesen wäre. Das<br />
nutzt den Festspielen insgesamt, weil man<br />
den ungefähren Eindruck bekommen hat,<br />
dass die Qualität trotz <strong>der</strong> Quantität<br />
durchgeschlagen hat, ohne es im Detail<br />
nachprüfen zu können. An<strong>der</strong>erseits ist es<br />
auch zu ihrem Schaden, da während <strong>der</strong><br />
Festspiele stattgefundene Sternstunden im<br />
nicht so sensationell beworbenen Bereich<br />
untergingen, wie zum Beispiel in den<br />
Geistlichen Wochen Konzerte in <strong>der</strong> Kollegienkirche<br />
(Monteverdi-Chor) o<strong>der</strong> das<br />
hinreißende Kammerkonzert des Barenboim-Ensembles<br />
mit tschechischen Komponisten,<br />
selbst Domingo passierte<br />
irgendwie zwischendurch. Auch äußerte<br />
sich die Unsicherheit <strong>der</strong> Beurteilenden<br />
darin, dass ständig neue Höhepunkte ausgerufen<br />
wurden: Erst war es <strong>der</strong> Prinz von<br />
Homburg, dann die Bohème und dann<br />
Die Soldaten.<br />
Sicher kein Höhepunkt war Carmen, was<br />
man aber schon wusste: Das passiert halt,<br />
weil je<strong>der</strong> Mezzo dieser Welt irgendwann<br />
Carmen singen will, und wenn <strong>der</strong> eigene<br />
Mann dirigiert, dann passiert es auch.<br />
Und ebenso wie Wagner „<strong>der</strong> Welt einen<br />
Tannhäuser schuldig blieb“, ist Harnoncourt<br />
nach wie vor <strong>der</strong> Welt eine Zauberflöte<br />
schuldig, bei <strong>der</strong> man die Anwesenheit<br />
con brio<br />
Das Neue Salzburg<br />
Mozarts spürt – bisher ist ihm das noch<br />
nicht gelungen (aber ich freue mich schon<br />
auf das nächste Concentus-Konzert mit<br />
ihm, warum macht er das nicht auch in<br />
Salzburg?).<br />
Zahlreich waren dieses Jahr auch die TV-<br />
Übertragungen von den Highlights: erfreulich,<br />
aber nicht immer das Wie, wie<br />
am Beispiel <strong>der</strong> Bohème zu erleben war.<br />
Beim zweiten Akt dauerte es Minuten, bis<br />
man erstmals einen Eindruck vom Gesamtbühnenbild<br />
hatte, weil sich die Kamera in<br />
Details verlor. Im dritten Akt hatte <strong>der</strong> TV-<br />
Zuschauer plötzlich übergangslos ein an<strong>der</strong>es<br />
Bühnenbild vor Auge, den Wandel<br />
von Imbissstand auf Telefonbuchseite<br />
durfte man nicht miterleben, obwohl die<br />
Mitwirkung <strong>der</strong> Technik auf <strong>der</strong> Bühne zu<br />
jener beson<strong>der</strong>en Faszination gehört, die<br />
Theater zu bieten hat. Und Dialoge zwischen<br />
Mimì und Rodolfo litten darunter, dass<br />
man immer nur einen <strong>der</strong> beiden in Großaufnahme<br />
sah, nicht aber die Reaktion des<br />
einen auf den an<strong>der</strong>en: beson<strong>der</strong>s schade<br />
bei so begnadeten Sängerschauspielern<br />
wie Netrebko und Beczala, <strong>der</strong>entwegen<br />
vermutlich auch die Zuschauer „dran“<br />
blieben. Auch berühmte TV-Regisseure<br />
werden einmal alt – bei den statischen<br />
Neujahrskonzerten kann Brian Large ja<br />
photographieren mit seinen Kameras, aber<br />
bei Oper müsste er filmen. Dem Vernehmen<br />
nach war ja auch tatsächlich schon<br />
ein an<strong>der</strong>er TV-Regisseur im Gespräch,<br />
letztlich soll er sich aber dann doch wie<strong>der</strong><br />
hineingezwickt haben.<br />
Dreimal war ich heuer in Salzburg, jedes<br />
Mal für ein paar Abende, die ich sehr genoss,<br />
darüber aber, wieviel ich von den<br />
Festspielen insgesamt mitbekommen habe,<br />
bin ich mir nicht sicher. Das ist aber kein<br />
Appell im Sinne von Weniger wäre Mehr:<br />
Es soll schon beim Mehr bleiben, aber<br />
das Neue Salzburg sollte etwas nachvollziehbarer<br />
gestaltet werden.