drama queen - Freunde der Wiener Staatsoper
drama queen - Freunde der Wiener Staatsoper
drama queen - Freunde der Wiener Staatsoper
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
100 Jahre 1868 - 1968<br />
Die Meistersinger von Nürnberg<br />
Briefmarke <strong>der</strong> Deutschen Bundespost<br />
Richard Wagner<br />
Die Meistersinger von<br />
Nürnberg<br />
Regie: Otto Schenk<br />
Dirigentin: Simone Young<br />
James Rutherford<br />
(Hans Sachs)<br />
Ain Anger (Veit Pogner)<br />
Adrian Eröd<br />
(Sixtus Beckmesser)<br />
Johan Botha<br />
(Walther von Stolzing)<br />
Norbert Ernst (David)<br />
Christina Carvi (Eva)<br />
Zoryana Kushpler<br />
(Magdalena)<br />
Wie<strong>der</strong>aufnahme<br />
Mi. 21. November 2012<br />
Reprisen<br />
25. (FREUNDE-Kontingent),<br />
29. November,<br />
2. Dezember 2012<br />
<strong>der</strong> Goldenen Bulle die Wahlordnung für<br />
den Kaiser des Heiligen Römischen Reiches<br />
deutscher Nation. 1649 wurde in Nürnberg<br />
zur Besiegelung des 1648 in Münster<br />
und Osnabrück abgeschlossenen<br />
Westfälischen Friedens das Ende des Dreißigjährigen<br />
Krieges mit einem sich über<br />
Tage erstreckenden so genannten Friedensmahl<br />
gefeiert.<br />
Wofür Nürnberg im deutschen Verständnis<br />
steht, ist: Freie Stadt in europäisch zentraler<br />
Lage, von Bürgern regiert, zentrale historische<br />
Rolle im Heiligen Römischen Reich und<br />
lutherisch, also auch unabhängig vom<br />
mächtigen Rom. Darüber hinaus stand<br />
Nürnberg auch beispielhaft für die deutsche<br />
Kunstblüte im Mittelalter und war damit<br />
Symbol einer über die Kunst erreichten<br />
nationalen Identität. Sachs und Nürnberg<br />
waren eine einmalige Kombination, um<br />
Gedanken <strong>der</strong> nationalen Einheit zu beflügeln.<br />
Mit <strong>der</strong> vom Image her transportierten<br />
Lebensart <strong>der</strong> Nürnberger konnte<br />
man sich identifizieren, mit jener <strong>der</strong> Berliner<br />
o<strong>der</strong> Hamburger wäre das schon schwieriger<br />
gewesen. Natürlich sind wir vom Titel<br />
<strong>der</strong> Oper her darauf konditioniert, dass<br />
die Meistersinger in Nürnberg und nirgendwo<br />
an<strong>der</strong>s beheimatet waren, aber ein Erfolg<br />
<strong>der</strong> Meistersinger von Frankfurt, Berlin,<br />
Leipzig o<strong>der</strong> Bremen ist auch dann nicht<br />
vorstellbar, wenn Sachs in einer dieser<br />
Städte gewohnt hätte.<br />
Als Wagner 1866 einsah, dass eine Rückkehr<br />
nach München nicht möglich war<br />
und sie ihm auch von seinem König Ludwig<br />
nicht ermöglicht werden konnte, begann<br />
er an Nürnberg zu denken:<br />
Dagegen fasse ich Nürnberg immer<br />
schärfer in das Auge. Son<strong>der</strong>barer Weise<br />
schreibt mir heute auch Const. Frantz<br />
lang und warm über Nürnberg, und for<strong>der</strong>t<br />
mich auf, es in das Auge zu fassen.<br />
Daß dieser eigentliche wahre und einzige<br />
»deutsche« Kunstsitz, das protestantische<br />
Nürnberg - zur bayerischen Krone gekommen<br />
ist, und dadurch in die Domäne<br />
meines katholisch-enthusiastischen Königfreundes<br />
gerathen, ist wun<strong>der</strong>bar bedeutend.<br />
Dahin gehört die einstige »Deutsche<br />
Heinz Irrgeher<br />
Akademie«; dahin alles, was in den verrotteten,<br />
undeutschen Residenzen unsres<br />
kleinen Louis XIV nicht gedeihen kann;<br />
dahin die Blüthe des deutschen Vergesellschaftungswesens:<br />
dahin auch unsre Schule,<br />
an die sich endlich eine allgemeine Schule<br />
<strong>der</strong> Kunst u. Wissenschaft, deutsch und unjüdisch<br />
anbilden soll.<br />
Eigentlich macht Wagner dabei bei sich<br />
selbst eine Anleihe, nämlich bei seinen<br />
Zürcher Kunstschriften, in denen er sich<br />
modellhaft für das Gemeinwesen mit <strong>der</strong><br />
Gründung und dem Funktionieren einer<br />
künstlerischen und sozial organisierten<br />
Gemeinschaft beschäftigt. Der Revolutionär<br />
Wagner von 1848 mit seinen <strong>der</strong> Ästhetik<br />
<strong>der</strong> Kunst untergeordneten politischen<br />
Vorstellungen, in denen sich eine erneuerte<br />
Kunst mit nationalen Gedanken verband,<br />
potenzierte mit dem Stellenwert von<br />
Nürnberg in historischer, politischer und<br />
künstlerischer Hinsicht die nationale<br />
Sprengkraft seiner Oper. Da ist es nicht<br />
weiter überraschend, wenn ihm als zukünftiger<br />
Wohnsitz Nürnberg einfällt, was<br />
er offenbar dem König zu unterbreiten<br />
beabsichtigte, wie aus einem Brief von<br />
ihm an Ludwig hervorgeht. Auch kann<br />
man sich nun nicht mehr des Gedankens<br />
erwehren, dass Wagner selbst die Oper<br />
auf den Rezeptions- und Vereinnahmungsweg<br />
gebracht hat, den sie schon zu seinen<br />
Lebzeiten einschlug. Ob deutsch und unjüdisch<br />
synonym zu verstehen ist o<strong>der</strong> als<br />
zwei nebeneinan<strong>der</strong> stehende Adjektive<br />
zu sehen sind, bleibt offen – bestürzend<br />
ist die Selbstverständlichkeit, mit <strong>der</strong><br />
Wagner seine antisemitischen Akzente<br />
setzt.<br />
Dr. Mag. Heinz Irrgeher hat Jus und<br />
Musikwissenschaft studiert und war von<br />
1981 bis 1994 Präsident <strong>der</strong> FREUNDE.<br />
Nach Beendigung seiner beruflichen<br />
Tätigkeit im Finanzdienstleistungsbereich<br />
übernahm er als Vorstandsmitglied Aufbau<br />
und Gesamtleitung <strong>der</strong> Stretta.<br />
13