GTÜ Expert-Service 2/2012 (pdf, 1.4 MB)
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MANAGEMENT<br />
Erfolgreich Vorstellungsgespräche führen<br />
VON ANNIKA BINDER<br />
Prof. Dr. Ralf Mertens ist Dozent für Managementlehre, Personal- und<br />
Ausbildungswesen an der Fachhochschule Stralsund. Im Interview gibt er Tipps,<br />
was Werkstätten beim Einstellen von neuem Personal beachten sollten.<br />
24 | <strong>GTÜ</strong>-EXPERT-SERVICE 2/<strong>2012</strong><br />
Auf eine ausgeschriebene Stelle werden mehrere<br />
Bewerbungen eingereicht. Nach welchen Kriterien<br />
sollte die Auswahl für das Bewerbungsgespräch<br />
erfolgen?<br />
Ralf Mertens: Vor der Mitarbeitersuche sollten sich Personalverantwortliche<br />
erst einmal möglichst genau Gedanken<br />
über die Anforderungen an den Kandidaten machen. Das kann<br />
man in Form einer Checkliste tun, die die Grundlage für die<br />
A-B-C-Analyse und die Vorauswahl der Bewerber ist.<br />
Was ist mit A-B-C-Analyse gemeint?<br />
Mertens: Darunter versteht man eine Einteilung der<br />
Bewerber in drei Stufen: A-Kandidaten passen genau auf das<br />
Anfor derungsprofil und sollten schnellstmöglich zum<br />
Vorstellungsgespräch eingeladen werden. B-Kandidaten<br />
könnten mit Einschränkungen auf diese oder eine andere Stelle<br />
im Hause passen. Ihnen sollte man einen freund lichen<br />
Zwischenbescheid mit der Bitte um etwas Geduld schicken.<br />
C-Kandidaten passen dagegen überhaupt nicht auf das<br />
Anforderungsprofil. Sie sollten möglichst<br />
zeitnah eine freundliche Absage erhalten.<br />
Außerdem gilt das Mehraugen-Prinzip: Es<br />
sollten immer zwei Personen die Be -<br />
werbungen mit Hilfe einer Checkliste<br />
bewerten. Denn wie heißt es so schön: Vier<br />
Augen sehen immer mehr als zwei! Und<br />
diese Vorgehensweise ist auch definitiv objektiver als die Entscheidung<br />
aufgrund der Meinung einer Person. Zusätzlich<br />
empfehle ich, die Bewertung der Bewerbung immer schriftlich<br />
festzuhalten und auf die Bewerbung zu heften. Das hilft, sich<br />
später an alles Wichtige zu erinnern, ohne dass man gleich<br />
wieder die ganze Bewerbung lesen muss.<br />
Was ist bei Vorstellungsgesprächen zu beachten?<br />
Mertens: Kurz gesagt: eine ordentliche Vorbereitung,<br />
professionelle Durchführung und Nachbereitung. Zu einer<br />
guten Vorbereitung gehört ein Fragenkatalog, der die<br />
Grundstruktur zum Interview liefert. In einem sogenannten<br />
halbstrukturierten Interview können damit die<br />
verschiedenen Kandidaten verglichen werden, ohne dass<br />
das Gespräch zu starr wird. Daneben muss man sich natürlich<br />
die Unterlagen des Kandidaten genau anschauen und<br />
einen passenden Raum für das Interview vorbereiten. Beim<br />
Vorstellungsgespräch sollten mindestens zwei Vertreter des<br />
Hauses dabei sein: Der erste führt das Interview, während<br />
der zweite ein Gesprächsprotokoll anfertigt. Außerdem ist<br />
eine freundliche und störungsfreie Atmosphäre Grund -<br />
voraussetzung für ein gutes Gelingen.<br />
„JEDER BEWERBER<br />
KÖNNTE IRGENDWANN<br />
KUNDE WERDEN.“<br />
Wie könnten mögliche Fragen aussehen, um die<br />
Qualifikation des Bewerbers einschätzen zu können?<br />
Mertens: Vor dem Gespräch sollte man sich genau die<br />
Qualifikationsnachweise und Zeugnisse des Bewerbers<br />
anschauen. Aufbauend auf diesen Informationen kann dann<br />
gezielt danach gefragt werden. Anhand der Qualität der<br />
Antworten lässt sich meist sehr gut ablesen, ob jemand<br />
tatsächlich qualifiziert ist. Zu den klassischen, nicht fach -<br />
bezogenen Fragen gehören Fragen nach Stärken, verbesserungswürdigen<br />
Punkten der Persönlichkeit, Einschätzungen<br />
der Person durch Freunde und Kollegen, Vorstellungen von<br />
einer guten Führungskraft und Fragen nach zukünftigen<br />
Zielen. Interessant sind auch die Begründungen von<br />
Entscheidungen bei Schul- und Arbeitsplatzwechseln.<br />
Welche Fragen sind nicht erlaubt?<br />
Mertens: Prinzipiell darf man alle Fragen stellen, sofern sie<br />
der Feststellung der persönlichen und fachlichen Quali fikation<br />
des Kandidaten für die ausgeschriebene Tätigkeit dienen. Zu<br />
den „verbotenen“ Fragen gehören<br />
RALF MERTENS<br />
unter anderem Fragen nach Religions -<br />
zugehörigkeit, politischen Einstellungen,<br />
Gewerkschaftszugehörigkeit oder Krankheiten,<br />
wenn sie nicht im direkten<br />
Zusammenhang mit der Tätigkeit stehen.<br />
Bei Frauen ist außerdem die Frage nach<br />
einer Schwangerschaft spätestens nach Inkrafttreten des<br />
„All gemeinen Gleichbehandlungsgesetzes“ im Jahre 2006<br />
tabu. Sollten die Fragen trotzdem gestellt werden, ist unter<br />
Umständen mit einer Klage des Bewerbers zu rechnen. Im<br />
Zweifelsfall sollte daher ein Jurist zu Rate gezogen werden.<br />
Wie sollte sich ein Unternehmen nach dem Vorstellungsgespräch<br />
gegenüber den erfolgreichen und nicht<br />
erfolgreichen Bewerbern verhalten?<br />
Mertens: Zu einem ordentlichen Auswahlverfahren gehört<br />
eine professionelle Nachbereitung. Das heißt, dass nach der<br />
Entscheidung über einen Kandidaten, dieser oder diese auch<br />
möglichst schnell informiert werden und bei einer Negativ -<br />
entscheidung ihre Bewerbungsunterlagen zurückbekommen.<br />
Von einer exakten schriftlichen oder fernmündlichen<br />
Begründung auf Nachfrage rate ich aus rechtlichen Gründen<br />
ab. Das ist zwar gegenüber den Bewerbern nicht fair, erspart<br />
allerdings unnötige rechtliche Auseinandersetzungen. Auch<br />
hier ist im Zweifelsfall juristischer Beistand ratsam. Für die<br />
Nachbereitungsphase gilt, wie natürlich für das komplette<br />
Verfahren: Jeder Bewerber sollte als poten zieller Kunde des<br />
Hauses gesehen und auch als solcher behandelt werden! ⊳<br />
Foto: © Ralf Mertens