Teil 1 - Kinderrechte Afrika eV

Weitere Magazine

Empfehlungen

Info

© Reuters / Jacky Naegelen 10 Projekt zur Unterstützung der Rehabilitation und Wiedereingliederung von ehemaligen Kindersoldaten und Kindern als Opfer von bewaffneten Konflikten. Kinshasa und Kasaï-Provinzen, D.R. Kongo Projektfinanzierung: 303.380 Euro Frieden - eine Herausforderung für dieses Land, das schon zu viele Jahre unter Krieg gelitten hat. Frieden schaffen, das heißt: neues Vertrauen fassen, sich auf die eigene Identität sowie die Grundlagen des gemeinschaftlichen Zusammenlebens besinnen, die Achtung vor dem Gesetz neu etablieren und den Rechtsstaat wieder aufbauen. BICE ist hiervon überzeugt und leistet durch dieses Programm einen kleinen Beitrag dazu. Seit Anfang 2003 befindet sich die Demokratische Republik Kongo in einem Friedensprozess. Die internationale Gemeinschaft übt weiterhin Druck aus, um dem innerstaatlichen Dialog zu einem erfolgreichen Abschluss zu verhelfen. Inzwischen wurde von den verschiedenen Konfliktparteien und Interessengruppen ein Übereinkommen erzielt und unterzeichnet. Damit besitzt dieses Land endlich eine vorläufige Verfassung und eine Übergangsregierung. Einziehung von Kindern: keiner entkommt dem Krieg unbeschadet. »Willkommen! Wir sind die ‚têtes troublées‘ (verwirrten Köpfe). Pascal hier, das ist der Anführer; der dort, ist Stellvertreter... Lach‘ nicht. Wir haben wirklich jeder einen verwirrten Kopf. Es gibt Momente, da geht’s uns gut, und plötzlich tut der Kopf weh und Wut steigt auf. Schuld sind die ‚gri-gri‘, die man uns gegeben hat, damit wir im Kampf keine Angst haben und unverletzbar sind. Siehst Du, mir haben sie da in den Arm Nadeln eingeführt, die nun in meinem Körper herumirren. Die müsste man entfernen, damit es besser wird, damit ich wieder normal werde.« Das waren die Begrüßungsworte einer Gruppe ehemaliger Kindersoldaten in Tubuluku, wo BICE ein Rehabilitationszentrum am Stadtrand von Kananga aufgebaut hat. Die 17 Jugendlichen wurden im letzten September entwaffnet und nach 8-jährigem Militärdienst aus der Armee entlassen. Sie sind hier im Friedensdorf BUPOLE, um sich auf ihre Rückkehr ins zivile Leben vorzubereiten. Zeit für die Wiedereingliederung; ein Übergang zum friedlichen Leben Erlernen konstruktiven Verhaltens. Die aus der Armee entlassenen Jugendlichen wurden von den BICE Mitarbeitern sowie den Dorfbewohnern von Tubuluku, die beim Bau des Rehabilitationszentrums mitgeholfen und seit Monaten etwas ängstlich auf die Ankunft der Jugendlichen gewartet haben, empfangen. Die Einbeziehung der Gemeinde ist <strong>Teil</strong> des Rehabilitationsprojektes. Toleranz und Offenheit gegenüber den Jugendlichen seitens der Gemeinde ist Voraussetzung dafür, dass die Jugendlichen wieder einen Platz innerhalb der Gemeinde einnehmen können. Mit der Pflanzung von Bäumen wurde ein erstes Zeichen des Neubeginns gesetzt. Vom Soldat zum Zivilbürger. Die Jugendlichen konnten sich satt essen, medizinisch behandelt werden sowie von ihren Erlebnissen, Träumen und Ängsten berichten. Die gesundheitliche Rehabilitierung ist ein erster Schritt. Aber auch das Leben als Zivilist muss neu erlernt werden. Vormittags wird unterrichtet: Lesen, Schreiben, Rechnen (Kenntnisse, die beim Überlebenskampf oft in Vergessenheit geraten sind) sowie Friedenserziehung und Gesellschaftskunde. Nachmittags werden praktische Kenntnisse in einem Berufsfeld vermittelt. Dies eröffnet den Jugendlichen die Möglichkeit, Anerkennung nicht wie bisher durch das Tragen einer Waffe, sondern durch ihre besonderen Fähigkeiten und deren Einsatz zugunsten der Gemeinde zu erlangen. Am Abend ist Zeit für 11
Sport und Spiel zur Entspannung... Die Dorfbewohner sind jedoch so gute Fußballer, dass unsere Jugendlichen nicht mehr mit ihnen spielen wollen. Sie fühlen sich unterlegen. Der Alltag ist gepflastert mit kleinen Erfolgen sowie mit Rückfällen zu Drogen, um die Sorgen wie bisher zu verdrängen. Streitereien wegen Kleinigkeiten entstehen so schnell wie Sommergewitter. Erneuerung der Familienbande nach langer Unterbrechung. Mit Hilfe des Internationalen Roten Kreuzes werden die Familien der ehemaligen Kindersoldaten ausfindig gemacht. Dann der erste telefonische Kontakt. Die Angst vor dem Telefonat und die Emotionen danach sind so stark, dass sie fast greifbar sind. Bei einigen ging es schnell, andere warten noch immer auf Nachricht. Die seelische Belastung ist groß und kann verschiedene Formen annehmen: Magenschmerzen, Aggressivität, Depression… Enttäuschungen und große Ängste Nach so langer Abwesenheit – keine Rückkehr mit leeren Händen. Obwohl die Erzieher versichern, dass die Jugendlichen nach Verlassen des Rehabilitationszentrums auch weiterhin bei der Wiedereingliederung unterstützt werden, sind diese verunsichert. Die Armeebehörden hatten eine Wiedereingliederungsprämie versprochen; den Gerüchten zufolge fehlt hierfür aber das Geld. Was sollen sie ohne diese Prämie machen? Eine Rückkehr nach Hause mit leeren Händen ist unmöglich. Wut kommt auf; die Jugendlichen fühlen sich verraten und möchten sich wehren; die Erzieher können nicht verhindern, dass der Streit eskaliert. Plötzlich sind die nach und nach aufgegebenen militärischen Verhaltensmuster wieder da. Die Erzieher sind verunsichert, auch sie haben Angst. Ausgerüstet für einen Neuanfang. Der Arbeitsalltag nimmt seinen Lauf. Ein neuer Beruf kommt hinzu. Und schon verabschiedet sich Paul. Er trägt neue Kleidung und einen Rucksack mit seinen persönlichen Sachen. Er hat ein paar Dollar in der Tasche und besitzt die nötige Ausrüstung, um eine Arbeit Der Erwerb handwerklicher Fähigkeiten ist ein wichtiger Schritt bei der Vorbereitung der sozialen Integration von ehemaligen Kindersoldaten. Die Jugendlichen 12 sind stolz, etwas Positives und Nützliches geschaffen zu haben und können so auch besser ihre Aggressionen bewältigen. als Bäcker zu beginnen. Er kehrt nicht mit leeren Händen zurück. Er ist stolz und zufrieden, aber auch beunruhigt. Was erwartet ihn zu Hause? Wird er sich wieder eingewöhnen können? Die anderen beneiden ihn, wünschen ihm viel Glück. Sie werden auch bald gehen. Nach und nach leert sich das Zentrum, aber die nächste Gruppe ist bereits angekündigt. Die Wiedereingliederung ehemaliger Kindersoldaten – ein schwieriges Unterfangen. Einige Jugendliche haben ihre Einheit verlassen, ohne ihre offizielle Entlassung aus der Armee abzuwarten. Mit dem Sold, den sie noch immer erhalten, haben sich manche ein Zimmer in einem der ärmeren Stadtviertel gemietet und erste Kontakte in der Nachbarschaft geknüpft. Die Rückkehr ins Zivilleben hat dort also bereits begonnen. Für BICE kommt es daher nicht in Frage, diese Jugendlichen anderswo unterzubringen. Das wäre ein Schritt zurück. BICE und seine lokalen Partner haben vielmehr entschieden, unmittelbar in den Vierteln Hilfe zu leisten. Die Maßnahmen des Rehabilitationszentrums werden damit dezentralisiert und der Realität vor Ort angepasst. Die Gemeinde lässt sich trotzdem nur ungern einbeziehen; das Leben ist für jeden einzelnen sehr hart geworden, für Solidarität ist kaum Platz. Außerdem herrscht Misstrauen; die ehemaligen Soldaten könnten gefährlich sein; man hat gelernt, nur noch sich selbst zu vertrauen. Alle Kinder sind von den bewaffneten Auseinandersetzungen gezeichnet. Diejenigen, die den Krieg nicht führten, mussten ihn ertragen. Vertreibung, Flucht und Übergriffe jeglicher Art: Gewalttätigkeiten, Erniedrigungen, Plünderungen, Vergewaltigungen... Alle Zivilisten ohne Altersunterschied waren hiervon betroffen. Viel Grund also für Leid und Not. In den meisten Familien wird abwechselnd gegessen, da das Essen an einem Tag nicht für alle reicht. Krankenstationen sind geschlossen, die Schule funktioniert kaum. Die Kinder trifft dies besonders hart, und die Situation der Mädchen ist beunruhigend, oft tragisch. Zu den Auswirkungen des Krieges kommt für sie noch die traditionelle Rolle hinzu, nach der Mädchen und Frauen kaum von Wert sind. Und die Mädchen? Die Mädchen wurden nicht nur für den aktiven Kampf eingesetzt, sondern darüber hinaus auch fast systematisch vergewaltigt. Frühe Schwangerschaften, eine hohe Mütter- und Kindersterblichkeit aufgrund fehlender Vorsorge, Behandlung und unzureichender Ernährung sowie eine häufige Infizierung mit übertragbaren Geschlechtskrankheiten (HIV-Virus/Aids) sind die Folgen. Einige der Mädchen wurden »Ehefrauen der Kommandeure«, so die Bezeichnung der Männer. In Wirklichkeit sind sie unter Zwang und später aufgrund von Gewohnheit und Überlebensnotwendigkeit zu ihren Konkubinen geworden, ohne Status und Schutz. Weder in der Armee noch in der Sozialgemeinschaft des Dorfs oder der Stadt können die Mädchen von Vergewaltigung sprechen. Überall betrachtet man sie als die Schuldigen, die Schande über die Familie gebracht haben. Sie werden von der Gemeinschaft verstoßen und verlieren jede Aussicht auf eine Heirat. Auch hier ist ein auf die Zivilgesellschaft ausgerichteter Ansatz sowie eine systematische Sensibilisierung unerlässlich. Die Aktivierung der Familien und der Gemeinden für die Zukunft der Kinder, Opfer des Krieges, ist eine von vielen zu meisternden Herausforderungen auf dem Weg zu einem dauerhaften Frieden. Im Gespräch mit den BICE-Psychologen und -Sozialarbeitern bringen ehemalige Kindersoldaten ihre Erwartungen im Hinblick auf die Rückkehr ins zivile Leben zum Ausdruck – ihre Hoffnungen, ihre Ängste. 13
Seite 1 und 2: BICE Deutschland e.V. International
Seite 3 und 4: Kinder in Gefängnissen und in Poli
Seite 5: mer Schutz ihrer psychischen sowie
Seite 9 und 10: Als Hexen verfemte Kinder. Ausgebeu

Teil 1 - Kinderrechte Afrika eV

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Template löschen?

Als Template speichern?