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Teil 1 - Kinderrechte Afrika eV

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Weg der familiären und sozialen Wiedereingliederung eines<br />

ehemaligen Kindersoldaten.<br />

Salumu (18) gehörte zur ersten Gruppe von jungen Soldaten, die von der Regierung im<br />

September 2003 in Kananga entlassen wurden. Er stammt aus Kindu (ca. 800 km südlich von<br />

Kisangani im Osten des Landes). Zusammen mit 17 anderen Jugendlichen wurde er im BICE-<br />

Zentrum für Rehabilitation und Wiedereingliederung BUPOLE (Friedensdorf) aufgenommen.<br />

Während unser Pädagogikteam versuchte, seine Familie ausfindig zu machen, setzte Salumu seine<br />

Ausbildung zum Bäcker fort. Der Junge war aufgrund seines Verhaltens ziemlich schwierig und gehörte<br />

zum »harten Kern« der Gruppe. Über Frau Kapunga, Leiterin des Familienministeriums der Kindu-<br />

Provinz, fanden wir seine Familie. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Junge bereits 5 Monate bei uns.<br />

An dem Tag, an dem er das erste Mal mit seiner Mutter telefonierte, stieß er laute Freudenschreie<br />

aus und machte Luftsprünge. Seine Mutter am anderen Ende der Leitung, in Kindu, schrie: »Ja, er ist<br />

es. Das ist mein Sohn. Ich habe seine Stimme erkannt… Er lebt.« Von diesem Tag an war er völlig verändert.<br />

Er wurde sehr kooperativ, zugänglich, entgegenkommend und zeigte sich bereit, mit den<br />

Erziehern und seinen Kameraden zusammenzuarbeiten. 8 Jahre lang hatte Salumu, der mit 10 eingezogen<br />

wurde, keinen Kontakt zu seiner Familie.<br />

… Das Flugzeug der MONUC (Friedenstruppe der Vereinten Nationen im Kongo) ist in Kindu gelandet.<br />

Der Bus hat uns zum Sitz der UN-Organisation im Stadtzentrum gebracht.<br />

50 Meter weiter, im Büro von Frau Kapunga, warteten seine Mutter und seine Tante. Frau Kapunga<br />

kam zu uns und begrüßte die Jugendlichen (Wir begleiteten 2 Jugendliche bei der Zusammenführung<br />

und der Wiedereingliederung in ihre Familien: Salumu in Kindu und Rashidi in dem ca. 200 km<br />

Begleitet von einem Chor aus Kananga, der von Frieden, Versöhnung und<br />

Hoffnung singt, beginnen ehemalige Kindersoldaten die ersten Schritte in ein<br />

ziviles Leben im von BICE aufgebauten Friedensdorf »BUPOLE«.<br />

14<br />

entfernten Samba). Dann rief sie der Mutter zu: »mutoto ye uyu, mukuye uku« (»Hier ist ihr Kind.<br />

Kommen Sie!«). Woraufhin die alte Mutter (über 60) mit offenen Armen und laut rufend über die<br />

Straße lief: »mutete wangu, mutete wangu...« (»mein Sohn, mein Sohn…«). Der junge »Rdc« (sein<br />

Spitzname) schloss wie hypnotisiert die Augen und kuschelte sich in die Arme seiner Mutter, die weinte.<br />

Sie blieben einen Moment so stehen und ein Fotograf verewigte diesen Augenblick durch ein Foto.<br />

Passanten und andere Schaulustige wunderten sich, was da wohl passiert sei und riefen: »yooooh...«,<br />

was abhängig von der jeweiligen Situation Mitgefühl, Freude oder Mitleid ausdrückt. Salumu und<br />

seine Mutter genossen indessen ihr Wiedersehen.<br />

Nach einem ersten Treffen mit der Partnerorganisation ASEFA (Bündnis zum Schutz des Kindes und<br />

alleinstehender Frauen), die den Jugendlichen bei der familiären und sozialen Wiedereingliederung<br />

betreuen wird, gingen wir zu der Familie nach Hause.<br />

Die Mutter trug den Koffer des Jungen auf dem Kopf, und wir liefen in das 3 km vom Stadtzentrum<br />

entfernte Viertel Lumbulumba. Das mit Stroh gedeckte Haus ist in 3 Räume unterteilt, sauber und<br />

gepflegt. Nachdem uns die Mutter hereingebeten hatte, ergriff ich das Wort und sagte in Swahili:<br />

»Mutter, hier ist dein Kind; Salumu, dort ist deine Mutter. Du bist jetzt bei deiner Familie, zu Hause.«<br />

Und die Mutter wandte sich an den Jungen: »Ich hatte 12 Kinder. 10 sind gegangen (gestorben). Ihr<br />

seid jetzt nur noch zu zweit, deine älteste Schwester und Du, mein jüngstes Kind. Dein Vater ist gestorben<br />

als du 8 warst, mit 10 bist Du gegangen. Und heute, dank Gottes, kommst Du wieder zurück, lebend.<br />

Du musst arbeiten, heiraten und den Namen deines Vaters weitergeben. Vorsicht bei den Mädchen hier,<br />

es gibt Krankheiten (Anspielung auf Aids), viele junge Leute sterben...«<br />

Sie hörte auch nicht auf, uns zu danken.<br />

Als wir uns erhoben um zu gehen, forderten uns Mutter, Tante und der Junge auf, zum Essen zu bleiben.<br />

Neben dem Kochtopf lag bereits ein großer Hahn, der uns zu Ehren geschlachtet werden sollte.<br />

Dies erinnerte mich sofort an die Gewohnheit meiner eigenen Mutter, zu Ehren besonderer Gäste ein<br />

Huhn oder einen Hahn zu opfern...! In unserer Kultur ist ein als Opfer dargebrachter Hahn mehr wert<br />

als ein Elefant. Da unser Flug bereits am Nachmittag ging (der Betreuer flog zurück nach Kananga<br />

und ich weiter bis nach Kinshasa) mussten wir dankend ablehnen.<br />

Der Junge begleitete uns noch zurück und sagte zum Abschied: »Vergessen sie nicht, mich immer zu<br />

besuchen, wenn sie in Kindu sind. Unser Haus ist Ihr Haus…«<br />

Damit begann für den ehemaligen Kindersoldat ein neues Leben…<br />

Grégoire NTAMBUA K.N. Koordinateur von BICE-KONGO<br />

Von Zukunftsängsten geplagt suchen die Jugendlichen das Gespräch mit dem<br />

Vizegouverneur der Provinz: »Was wird aus uns? Wird der Staat seine Versprechen<br />

uns gegenüber einhalten?«<br />

15<br />

Nach 3 Monaten intensiver Vorbereitung im Friedensdorf »BUPOLE« kommt der<br />

Abschied, der Aufbruch, die Rückkehr in die Familie oder die Integration in eine<br />

neue Sozialgemeinschaft. Fast alle stellen sich die bange Frage: »Wie werden wir<br />

aufgenommen?«

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