27.04.2013 Aufrufe

Teil 1 - Kinderrechte Afrika eV

Teil 1 - Kinderrechte Afrika eV

Teil 1 - Kinderrechte Afrika eV

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Sport und Spiel zur Entspannung... Die Dorfbewohner sind jedoch so gute Fußballer, dass unsere<br />

Jugendlichen nicht mehr mit ihnen spielen wollen. Sie fühlen sich unterlegen. Der Alltag ist gepflastert<br />

mit kleinen Erfolgen sowie mit Rückfällen zu Drogen, um die Sorgen wie bisher zu verdrängen.<br />

Streitereien wegen Kleinigkeiten entstehen so schnell wie Sommergewitter.<br />

Erneuerung der Familienbande nach langer Unterbrechung. Mit Hilfe des Internationalen Roten Kreuzes<br />

werden die Familien der ehemaligen Kindersoldaten ausfindig gemacht. Dann der erste telefonische<br />

Kontakt. Die Angst vor dem Telefonat und die Emotionen danach sind so stark, dass sie fast<br />

greifbar sind. Bei einigen ging es schnell, andere warten noch immer auf Nachricht. Die seelische<br />

Belastung ist groß und kann verschiedene Formen annehmen: Magenschmerzen, Aggressivität,<br />

Depression…<br />

Enttäuschungen und große Ängste<br />

Nach so langer Abwesenheit – keine Rückkehr mit leeren Händen. Obwohl die Erzieher versichern, dass<br />

die Jugendlichen nach Verlassen des Rehabilitationszentrums auch weiterhin bei der<br />

Wiedereingliederung unterstützt werden, sind diese verunsichert. Die Armeebehörden hatten eine<br />

Wiedereingliederungsprämie versprochen; den Gerüchten zufolge fehlt hierfür aber das Geld. Was sollen<br />

sie ohne diese Prämie machen? Eine Rückkehr nach Hause mit leeren Händen ist unmöglich. Wut<br />

kommt auf; die Jugendlichen fühlen sich verraten und möchten sich wehren; die Erzieher können<br />

nicht verhindern, dass der Streit eskaliert. Plötzlich sind die nach und nach aufgegebenen militärischen<br />

Verhaltensmuster wieder da. Die Erzieher sind verunsichert, auch sie haben Angst.<br />

Ausgerüstet für einen Neuanfang. Der Arbeitsalltag nimmt seinen Lauf. Ein neuer Beruf kommt hinzu.<br />

Und schon verabschiedet sich Paul. Er trägt neue Kleidung und einen Rucksack mit seinen persönlichen<br />

Sachen. Er hat ein paar Dollar in der Tasche und besitzt die nötige Ausrüstung, um eine Arbeit<br />

Der Erwerb handwerklicher Fähigkeiten ist ein wichtiger Schritt bei der Vorbereitung<br />

der sozialen Integration von ehemaligen Kindersoldaten. Die Jugendlichen<br />

12<br />

sind stolz, etwas Positives und Nützliches geschaffen zu haben und können so<br />

auch besser ihre Aggressionen bewältigen.<br />

als Bäcker zu beginnen. Er kehrt nicht mit leeren Händen zurück. Er ist stolz und zufrieden, aber auch<br />

beunruhigt. Was erwartet ihn zu Hause? Wird er sich wieder eingewöhnen können? Die anderen<br />

beneiden ihn, wünschen ihm viel Glück. Sie werden auch bald gehen. Nach und nach leert sich das<br />

Zentrum, aber die nächste Gruppe ist bereits angekündigt.<br />

Die Wiedereingliederung ehemaliger Kindersoldaten – ein schwieriges Unterfangen. Einige Jugendliche<br />

haben ihre Einheit verlassen, ohne ihre offizielle Entlassung aus der Armee abzuwarten. Mit<br />

dem Sold, den sie noch immer erhalten, haben sich manche ein Zimmer in einem der ärmeren<br />

Stadtviertel gemietet und erste Kontakte in der Nachbarschaft geknüpft. Die Rückkehr ins Zivilleben<br />

hat dort also bereits begonnen. Für BICE kommt es daher nicht in Frage, diese Jugendlichen anderswo<br />

unterzubringen. Das wäre ein Schritt zurück. BICE und seine lokalen Partner haben vielmehr entschieden,<br />

unmittelbar in den Vierteln Hilfe zu leisten. Die Maßnahmen des Rehabilitationszentrums<br />

werden damit dezentralisiert und der Realität vor Ort angepasst. Die Gemeinde lässt sich trotzdem<br />

nur ungern einbeziehen; das Leben ist für jeden einzelnen sehr hart geworden, für Solidarität ist<br />

kaum Platz. Außerdem herrscht Misstrauen; die ehemaligen Soldaten könnten gefährlich sein; man<br />

hat gelernt, nur noch sich selbst zu vertrauen.<br />

Alle Kinder sind von den bewaffneten Auseinandersetzungen gezeichnet. Diejenigen, die den Krieg<br />

nicht führten, mussten ihn ertragen. Vertreibung, Flucht und Übergriffe jeglicher Art:<br />

Gewalttätigkeiten, Erniedrigungen, Plünderungen, Vergewaltigungen... Alle Zivilisten ohne<br />

Altersunterschied waren hiervon betroffen. Viel Grund also für Leid und Not. In den meisten Familien<br />

wird abwechselnd gegessen, da das Essen an einem Tag nicht für alle reicht. Krankenstationen sind<br />

geschlossen, die Schule funktioniert kaum. Die Kinder trifft dies besonders hart, und die Situation<br />

der Mädchen ist beunruhigend, oft tragisch. Zu den Auswirkungen des Krieges kommt für sie noch<br />

die traditionelle Rolle hinzu, nach der Mädchen und Frauen kaum von Wert sind.<br />

Und die Mädchen? Die Mädchen wurden nicht nur für den aktiven Kampf eingesetzt, sondern darüber hinaus<br />

auch fast systematisch vergewaltigt. Frühe Schwangerschaften, eine hohe Mütter- und<br />

Kindersterblichkeit aufgrund fehlender Vorsorge, Behandlung und unzureichender Ernährung sowie<br />

eine häufige Infizierung mit übertragbaren Geschlechtskrankheiten (HIV-Virus/Aids) sind die Folgen.<br />

Einige der Mädchen wurden »Ehefrauen der Kommandeure«, so die Bezeichnung der Männer. In<br />

Wirklichkeit sind sie unter Zwang und später aufgrund von Gewohnheit und Überlebensnotwendigkeit<br />

zu ihren Konkubinen geworden, ohne Status und Schutz. Weder in der Armee noch in der<br />

Sozialgemeinschaft des Dorfs oder der Stadt können die Mädchen von Vergewaltigung sprechen.<br />

Überall betrachtet man sie als die Schuldigen, die Schande über die Familie gebracht haben. Sie werden<br />

von der Gemeinschaft verstoßen und verlieren jede Aussicht auf eine Heirat.<br />

Auch hier ist ein auf die Zivilgesellschaft ausgerichteter Ansatz sowie eine systematische<br />

Sensibilisierung unerlässlich. Die Aktivierung der Familien und der Gemeinden für die Zukunft der<br />

Kinder, Opfer des Krieges, ist eine von vielen zu meisternden Herausforderungen auf dem Weg zu<br />

einem dauerhaften Frieden.<br />

Im Gespräch mit den BICE-Psychologen und -Sozialarbeitern bringen ehemalige<br />

Kindersoldaten ihre Erwartungen im Hinblick auf die Rückkehr ins zivile Leben<br />

zum Ausdruck – ihre Hoffnungen, ihre Ängste.<br />

13

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!