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Jahresbericht 2010 - Kinderschutz-Zentrum Berlin

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„Auf der Krankensta on“ – Therapeu sche Erste Hilfe<br />

in der Wohngruppe<br />

Jedes Kind verbringt einmal in der Woche eine Einzelstunde<br />

mit seiner besonders geschulten Betreuungsperson, um trauma<br />

sche Folgen von Misshandlung und Vernachlässigung im<br />

Spiel refl ek eren zu können. Dafür haben wir im Souterrain<br />

des Hauses einen therapeu sch eingerichteten Raum, für<br />

den besondere Regeln gelten. Nur zur Einzelstunde kann<br />

man hier herein, immer in dieser Zweiersitua on. Die Spielsachen<br />

bleiben auch immer dort. Dies macht den Raum zu<br />

einem Besonderen, wodurch im Laufe der Zeit dort Prozesse<br />

und Interak onen in Gang kommen, die den Charakter einer<br />

„Therapeu schen Ersten Hilfe“ tragen.<br />

Lena, ein achtjähriges, schmäch ges Mädchen spielt dort<br />

am liebsten mit Playmobil. Mit großer Sorgfalt stellt sie jede<br />

Woche verschiedene Szenarien auf. Meist macht die Vater-<br />

Mu er-Kind-Familie einen Ausfl ug, auf den sich alle freuen.<br />

Nach Badespaß am See oder Toben im Wald, passiert aber<br />

stets ein Unglück. Einmal bricht sich die Mu er ein Bein, als<br />

sie auf dem steilen Weg zurück zum Auto ausrutscht. Die<br />

herbeieilenden Sanitäter kümmern sich aufopferungsvoll um<br />

die Mu er und bringen sie ins Krankenhaus, wo sie von Schwestern<br />

und Ärzten umhegt und gepfl egt wird. Der Bruch ist aber<br />

kompliziert, eine Opera on notwendig. Als es der Mu er besser<br />

geht und sich die Familie schon auf die Entlassung freut,<br />

entpuppt sich eine der Schwestern aber als „Todesengel“,<br />

der der Mu er extra eine falsche Spritze gibt. Das Herz hört<br />

auf zu schlagen. Vater und Kind, die zu Besuch sind, werden<br />

schroff des Raumes verwiesen. Nach einer komplizierten, aber<br />

letztlich erfolgreichen Herztransplanta on, kommt der Arzt<br />

zur Mu er ins Zimmer. Er hat eine herzförmige, geöff nete<br />

Blechdose in den Händen, die er der Mu er mit den Worten<br />

übergibt: „Das ist Ihr altes Herz, das ist zerbrochen“.<br />

Aus der Familiengeschichte wussten wir, dass es kein ähnliches<br />

reales Ereignis gegeben ha e. Da Lena fast jede Woche<br />

solche Szenarien darstellte, vermuteten wir, dass in diesen<br />

Geschichten Mo ve und Gefühle ihres eigenen Erlebens<br />

enthalten sind.<br />

Eindrücklich beim Spielen waren vor allem zwei Dinge: Zum<br />

einen führte Lena nach und nach in jedes Spiel immer mehr<br />

Figuren ein, so dass irgendwann verschwamm, wer wen spielt,<br />

wer wer ist. Des Ö eren wechselte sie während des Spiels die<br />

Figuren aus. Der Betreuer bekam die Figuren, die Lena vorher<br />

ha e, sie nahm die Figuren des Betreuers. Zum anderen war<br />

es typisch, dass eine von ihrem Beruf her als helfend agierende<br />

Figur (z.B. ein Arzt), irgendwann zu einem „Bösen“ wurde.<br />

Unsere Hypothese war, dass Lena mit ihren Inszenierungen in<br />

den Einzelstunden ein für sie (damit verbundenes) grundle-

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