Kindeswohlgefährdung - Erkennen und Helfen - Berlin.de
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Welche Formen von <strong>Kin<strong>de</strong>swohlgefährdung</strong> können wir unterschei<strong>de</strong>n?<br />
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zu prüfen, ob es an<strong>de</strong>re Erklärungsmöglichkeiten für das Verhalten <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s<br />
gibt, in<strong>de</strong>m Beson<strong>de</strong>rheiten <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s, z. B. hinsichtlich seines Entwicklungsstands,<br />
<strong>de</strong>r Familiendynamik ( Familiengeschichte, <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>s<br />
Elternpaars), <strong>de</strong>r Familienkultur berücksichtigt wer<strong>de</strong>n.<br />
Je<strong>de</strong> vermutete <strong>und</strong> reale sexuelle Misshandlung bedarf <strong>de</strong>r professionellen Risikoeinschätzung.<br />
Das vordringliche Ziel ist <strong>de</strong>r Schutz von Kin<strong>de</strong>rn <strong>und</strong> Jugendlichen.<br />
Es gilt, <strong>de</strong>m jeweiligen Fall entsprechen<strong>de</strong>, angemessene Hilfemaßnahmen<br />
zu ergreifen. Gera<strong>de</strong> in Fällen von sexuellem Missbrauch besteht die Gefahr<br />
<strong>de</strong>r Spaltung zwischen Wegschauen <strong>und</strong> Bagatellisieren auf <strong>de</strong>r einen Seite <strong>und</strong><br />
Aktionismus auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite. Diese Spaltung gehört ursächlich zum Missbrauchsgeschehen.<br />
Ob sich diese Spaltung auf Helferseite wie<strong>de</strong>rholt, hängt wesentlich<br />
davon ab, wie es <strong>de</strong>n Helfern gelingt, dabei die eigenen Gefühle wahrzunehmen<br />
<strong>und</strong> zu refl ektieren.<br />
In <strong>de</strong>r Praxis haben Fachkräfte häufi g mit Fällen vermuteter sexueller Misshandlung<br />
zu tun. Das folgen<strong>de</strong> Beispiel beinhaltet einerseits Hinweise auf eine mögliche<br />
sexuelle Grenzüberschreitung, an<strong>de</strong>rerseits bleiben Fragen zum Kontext <strong>de</strong>r<br />
Situation, <strong>de</strong>r Familiendynamik <strong>und</strong> zu Auffälligkeiten <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s entsprechend<br />
seines Entwicklungsstan<strong>de</strong>s offen <strong>und</strong> bedürfen einer Klärung.<br />
Auch in Fällen vermuteter sexueller Übergriffe wird von Fachkräften eine sorgfältige,<br />
offene <strong>und</strong> fachlich differenzierte Untersuchung mit <strong>de</strong>mentsprechen<strong>de</strong>r<br />
Hilfeplanung erwartet.<br />
Fallbeispiel: Vermutete sexuelle Misshandlung<br />
Die zwölfjährige Anna fällt im Hort durch Zurückgezogenheit auf. Sonst ist sie<br />
eher kontaktfreudig. Die Erzieherin spricht sie an <strong>und</strong> Anna beginnt bitterlich zu<br />
weinen, ohne sich beruhigen zu können. Dabei sagt sie: „Papa hat mich nackt<br />
aus <strong>de</strong>m Bad geholt <strong>und</strong> mir an die Brust gefasst“. Die Erzieherin ist schockiert,<br />
sucht nach Feierabend die zuständige Sozialarbeiterin auf, berichtet ihr über Annas<br />
Äußerung <strong>und</strong> ihren Zusammenbruch. Diese wie<strong>de</strong>rum geht noch am Abend<br />
zur Familie, konfrontiert sie mit <strong>de</strong>m, was die Erzieherin mitgeteilt hat <strong>und</strong> äußert<br />
die dringen<strong>de</strong> Erwartung, dass sich die Familie ins Kin<strong>de</strong>rschutz-Zentrum zur Abklärung<br />
begibt.<br />
Am Morgen steht eine fünfköpfi ge Familie vor <strong>de</strong>r Tür, Mutter, Vater, die zwölfjährige<br />
Anna, <strong>de</strong>r achtjährige Kevin <strong>und</strong> das neun Monate alte Baby Paul im Kin<strong>de</strong>rwagen.<br />
Die Eltern geben in großer Verunsicherung die Geschehnisse vom Vorabend<br />
wie<strong>de</strong>r. Es schließt sich ein längerer Beratungsprozess an. Die Mutter ist mit<br />
<strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn sehr überfor<strong>de</strong>rt, sie sagt, sie habe seit Paul auf <strong>de</strong>r Welt ist, kaum<br />
noch Zeit für Anna. Anna sei sowieso eine „Vater-Tochter“ <strong>und</strong> wen<strong>de</strong> sich mehr<br />
an ihn. Den Zusammenbruch von Anna könne sie sich nicht erklären.