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Es gibt keine Gitter, die Jugendlichen könnten das Gelände verlassen - was aber bis heute keiner getan hat. Erst einmal geht es darum, dass die Jugendlichen „Familienleben kennenlernen. Viele kennen es nur sehr bruchstückhaft“, sagt Merckle. Der Tagesablauf ist von 5.45 bis 22 Uhr straff organisiert. Darin ist auch eine „stille Zeit“ verpflichtend vorgesehen. „Viele der Jugendlichen hatten noch nie eine Struktur im Leben“, berichtet der Geschäftsführer. Neu seien für viele auch die christlichen Werte und Normen, die im Seehaus vermittelt und vorgelebt werden. Stille Zeit „Wir geben straffälligen Jugendlichen abseits der negativen Subkultur eines Gefängnisses die Chance, neu anzufangen“, sagt Merckle. Die Diskussion nervt Diese Chance gibt es auch in Creglingen. Im „Projekt Chance“ des Christlichen Jugenddorfwerks Deutschland lernen seit September 2003 straffällige Jugendliche, ihr Leben in den Griff zu bekommen. Anders als im Seehaus leben sie nicht in einem familienähnlichen Verbund, sondern in kleinen Gruppen zusammen. „Wir haben ein etwas anderes Konzept“, erklärt der Leiter, Georg Horneber. Dabei werden die Jugendlichen stark in die Pflicht genommen: Sie sollen sich am Gemeinschaftsleben beteiligen und Verantwortung für sich und andere übernehmen. Die Mitarbeiter wohnen nicht auf dem Gelände, sondern arbeiten im Schichtdienst in der Einrichtung. Überraschenderweise, sagt Horneber, ist die Bindung zwischen Jugendlichen und Mitarbeitern dennoch eng. THEMA: JUGENDGEWALT... 11
THEMA: JUGENDGEWALT... 12 Auch Horneber und seine Mitarbeiter wurden von der Debatte um Jugendkriminalität überrascht. Dabei gebe es zwei Positionen, sagt der Diakon: Die einen ärgern sich, dass ohnehin schon ausgegrenzte Menschen für parteipolitische Zwecke benutzt werden, die anderen finden es gut, dass diese Jugendlichen zum Gesprächsthema geworden sind. Thema Jugendkriminalität Auch Horneber ist gespalten: Einerseits sei die Diskussion eine Möglichkeit, über das „Projekt Chance“ zu informieren. „Die Gesellschaft muss sehen, dass es eine Alternative zum Wegsperren gibt. Aber es nervt es schon, dass Jugendgewalt für den Wahlkampf gebraucht wird.“ Man müsse aber ehrlich bleiben, sagt Horneber: „Wir können keine Wunder vollbringen. Wenn das Leben 18 Jahre schief gelaufen ist, kann man das nicht in einem Jahr reparieren.“ Entsprechend durchwachsen sei auch die Bilanz des „Projekts Chance“: 25 Prozent der ersten 20 Entlassenen haben wieder genau die gleiche Straftat begangen, wegen der sie schon einsitzen mussten. Auch deshalb soll noch in diesem Jahr in Creglingen erweitert werden. Dann wird es auch Plätze geben für Jugendliche „vor der Haftstrafe“, wie Horneber es ausdrückt. Keine Kuschelpädagogik In Stuttgart hat man damit schon Erfahrung: Das „Scout“-Haus am Löwentor bietet seit eineinhalb Jahren zwölf männlichen Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren Schutz, Unterstützung und einen verlässlichen Rahmen. Sie sind unter schwierigen Umständen aufgewachsen. Psychische oder Suchterkrankungen der Eltern, Vernachlässigung und Missbrauch prägen viele Biographien. Sie gelten als „schwierig“, waren schon in der Psychiatrie oder im Gefängnis. Kuschelpädagogik wird aber deshalb im „Scout“ nicht betrieben, wie Wolfgang Scholz, der Geschäftsführer des Trägers „Youcare“, betont. Das fängt schon damit an, dass die Türen verschlossen sind. Diese „geschlossene Unterbringung“, wie es landläufig heißt, muss vom Familiengericht genehmigt sein. Beantragen können das die Eltern oder ein anderer Vor-
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