reiseland.schweiz. - Basler Zeitung
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eiseland.<strong>schweiz</strong>.<br />
idylle im trüben<br />
Juli. zuhinterst<br />
im Tal liegt der<br />
Lauenensee.<br />
Foto georg Schmidt<br />
georg schmidt<br />
Mein Atem stockte, als<br />
ich den Lauenensee zum<br />
ersten Mal sah. Ein Bild<br />
wie vom Anfang der<br />
Welt, war mein erster Gedanke:<br />
Ganz zuhinterst in einem Tal stürzt<br />
ein Wasserfall über eine Bergwand<br />
in die Tiefe, im Talboden glitzert<br />
still ein kleiner See.<br />
Natürlich – ich kannte das Lied vom<br />
«Louenesee» seit Jahren, nein, seit<br />
Jahrzehnten. Aber tiefer in mein Bewusstsein<br />
hatte es der Song der Berner<br />
Mundartrocker Span nicht geschafft;<br />
der Lauenensee war Hintergrundgeplätscher<br />
aus dem Radio<br />
geblieben. Jetzt aber, auf der Wispile,<br />
einem Bergrücken oberhalb von<br />
Gstaad, wusste ich, dass ich einen<br />
lange versäumten Ausflug nachholen<br />
musste. Dringend.<br />
unterwegs. Ich wollte sofort losziehen.<br />
Das ging aber nicht so einfach.<br />
Dreieinhalb Stunden Fussweg,<br />
einfach so, aus dem Stand heraus –<br />
das ist zu viel, wenn man mit der<br />
ganzen Familie unterwegs ist. Ich<br />
fügte mich widerwillig in mein<br />
Schicksal. Ein paar Tage später sassen<br />
wir aber im Postauto und fuhren<br />
von Gstaad ins Lauenental hinein –<br />
auf einer Strasse, welche sich in<br />
meiner Erinnerung immer abenteuerlicher<br />
den steiler werdenden Berghängen<br />
entlang windet. Die Lebenswelt<br />
der Menschen, die in dieser<br />
Welt zu Hause sind, schien weit weg<br />
vom geschäftigen Treiben im mondänbehäbigen<br />
Gstaad.<br />
Das war im kalten und verregneten<br />
Juli 2007. Das Wasser war überall.<br />
Feine Rinnsale ergossen sich über<br />
die Wege. Bei jedem Schritt gab es<br />
ein schmatzendes Geräusch. Als ich<br />
aus dem Postauto ausstieg, war ich<br />
zwar etwas benommen von der<br />
Fahrt, aber endlich da, wo ich hin<br />
wollte.<br />
Durch einen Wald mit moosigem<br />
Boden führt ein Weg zum See – respektive<br />
zu den beiden Seen: Sie sind<br />
1,3 beziehungsweise 8,8 Hekar<br />
gross. Offen gestanden: Dass es hier<br />
unter einem Namen zwei Seen gibt,<br />
realisierte ich erst viel später. Ich<br />
nahm nur das eine gewaltige Naturschauspiel<br />
wahr.<br />
Der Spaziergang um die beiden Gewässer<br />
dauert knapp eine Stunde.<br />
Nebelschwaden hingen an jenem<br />
Tag an den Berghängen rund um<br />
den See, es war unangenehm kalt.<br />
Zwischendurch setzte immer wieder<br />
Regen ein. Aber das konnte der<br />
Schönheit dieses Ortes nichts anha<br />
ben. Abwechslungsreich und in einer<br />
überschaubaren Grösse präsentiert<br />
sich die Idylle – überragt wird<br />
der See von mächtigen Berggipfeln,<br />
die wie Schutzpatrone auf ihn herabblicken.<br />
Einige wenige Häuser und Scheunen<br />
liegen verstreut in der Landschaft<br />
– es gibt dort auch ein Restaurant,<br />
einen dunklen Raum mit<br />
niedriger Decke, wo wir uns am<br />
Schluss der kleinen Wanderung aufwärmten<br />
und die durchnässten<br />
Schuhe der Kinder mit <strong>Zeitung</strong>spapier<br />
ausstopften und neben den<br />
Ofen stellen durften. Irgendwo hat<br />
es auch einen rudimentären Bootssteg,<br />
der ins Wasser ragt, ein Boot<br />
schaukelt auf den Wellen. Sonst<br />
aber fehlen die menschlichen Eingriffe<br />
– das Gebiet steht unter kantonalem<br />
Naturschutz.<br />
üppig. Und die Natur scheint es zu<br />
danken, sie wuchert üppig und vielfältig:<br />
Manchmal stehen lockere Gehölze<br />
am Ufer, dann wieder ist der<br />
Zugang zum See offen, viel Schilf<br />
ragt aus dem Wasser, auch Nadelwälder<br />
gesellen sich ins Bild. Die<br />
Wiesen sehen saftig aus.<br />
Zwei Dinge nimmt man als Laie auf<br />
dem Spaziergang nicht wahr: Erstens<br />
lässt sich die Vielfalt und Pracht<br />
des Ortes auch mit Fakten untermauern.<br />
So ist der Lauenensee der<br />
höchst gelegene Brutplatz der<br />
Schweiz. Hier ziehen Stockenten,<br />
baz | 18. april 2008 | seite 15<br />
Das Versprechen, es Berner Rockern gleichzutun<br />
«Immer wieder setzt<br />
Regen ein. Aber das<br />
kann der Schönheit<br />
dieses Ortes<br />
nichts anhaben.»<br />
Reiherenten und Blässhühner ihren<br />
Nachwuchs gross. Auch Zugvögel<br />
schätzen den Ort – ebenso Wasser<br />
liebende Tiere: Eine Zählung ergab<br />
18 Libellenarten.<br />
Und zweitens droht dem See die<br />
Verlandung. Paradoxerweise ist es<br />
die Natur selber, die zur Bedrohung<br />
wird. Durch Lawinenniedergänge<br />
gelangt immer mehr Schutt und Geröll<br />
in den See.<br />
unterschrieben. Das aber wollen<br />
die frühere Lauener Gemeidepräsidentin<br />
Bethli KüngMarmet und mit<br />
ihr zusammen 3900 Personen verhindern,<br />
welche die Petition «Rettet<br />
den Lauenensee!» unterschrieben<br />
haben. Auch der Berner Grosse Rat<br />
zeigte sich freundlich gesinnt: Mit<br />
nur einer Gegenstimme überwies er<br />
ein Postulat an die Regierung, die<br />
versprach, das Anliegen nicht zu<br />
schubladisieren.<br />
Damit ist ein erster Schritt getan,<br />
damit der SpanSong nicht zum<br />
Abgesang wird. Im Text heisst es:<br />
«Immer wen i dra dänkä a das Gfüeu<br />
denn am See, de merk i, wie guet<br />
dass mer ta het.» Dem ist wenig beizufügen<br />
– ausser dem Versprechen<br />
vielleicht, es gleich zu tun wie die<br />
Berner Rockmusiker: «I gloube, i<br />
gange no mehr a Louenesee.»<br />
> anreisebeispiel. Basel ab 8.30 Uhr,<br />
Spiez ab 10.09, zweisimmen ab 11.05,<br />
gstaad ab 12.03, Lauenen Post an<br />
12.16 Uhr.