reiseland.schweiz. - Basler Zeitung
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urs weber<br />
» als bauunternehmer<br />
hatte léonard gianadda in<br />
martigny längst einen guten<br />
ruf; als kunstförderer<br />
und stifter dagegen stiess er zunächst<br />
auf grösste skepsis.<br />
Dreissig Jahre ist es her, seit das Museum<br />
«Fondation Pierre Gianadda» erstmals<br />
zu einer Ausstellung lud. Seit 30 Jahren ist<br />
durch diese Stiftung Martigny zu einem<br />
Ort der Kunst geworden. Dass das ausgerechnet<br />
in der kleinen Walliser Stadt gelang,<br />
ist das Werk eines ungewöhnlichen<br />
Menschen: Léonard Gianadda.<br />
Als Enkel eines aus dem Piemont eingewanderten<br />
Bauarbeiters und als Sohn<br />
eines kleinen Bauunternehmers ist Léonard<br />
Gianadda 1935 in Martigny geboren.<br />
Er ist ebenda aufgewachsen, und er<br />
hängt an diesem Ort, am Knie der Rhone,<br />
wo stets verquere Winde aus vier Tälern<br />
wehen. An der Universität Lausanne<br />
erwarb er ein Diplom als Bauingenieur,<br />
und die Fussstapfen seines Vaters vergrösserte<br />
er drastisch: Zahlreiche Wohnbauten,<br />
zumeist Mietshäuser, haben<br />
nicht nur das Stadtbild von Martigny<br />
verändert, sie haben ihm auch ein erhebliches<br />
Vermögen verschafft.<br />
Ein weiterer Wohnblock war 1976 im<br />
Entstehen, und der Kanton Wallis hatte<br />
ihm soeben zugestanden, das römische<br />
Gemäuer unter der neuen Baustelle könne<br />
er wegbaggern, als Léonard Gianaddas<br />
Bruder Pierre ums Leben kam – nach<br />
einem Flugunfall hatte er Eingeschlossene<br />
zu bergen gesucht und dabei tödliche<br />
Verbrennungen erlitten. Léonard stand<br />
unter Schock: Die beiden Brüder waren<br />
stets enge Freunde gewesen, gemeinsam<br />
hatten sie als Halbwüchsige in Italien die<br />
Kunst entdeckt, zusammen waren sie in<br />
aller Welt umhergereist, plötzlich fragte<br />
sich der Verwaiste, wozu er eigentlich<br />
das viele Geld verdiente.<br />
der anfang. Das war der Moment, da er<br />
beschloss, er wolle etwas für die Kunst<br />
tun. Das Tempelgemäuer aus der Zeit,<br />
als Martigny das keltischrömische Octodurum<br />
war, liess er stehen, errichtete<br />
darüber nicht einen weiteren Wohnblock,<br />
obwohl dessen Tiefgarage nebenan<br />
schon betoniert war, sondern einen<br />
Ausstellungsbau und übergab ihn einer<br />
neuen, nach dem verstorbenen Bruder<br />
Pierre benamsten Stiftung mit dem Ziel,<br />
ein Kunstmuseum zu betreiben.<br />
Natürlich wurde er belächelt. In Martigny<br />
hielten viele das Projekt für ein<br />
SteuergeldManöver, und die Kunsthistoriker<br />
erwarteten seinen raschen Schiffbruch.<br />
Aber sie hatten nicht mit Léonard<br />
Gianaddas Durchsetzungsvermögen ge<br />
rechnet. Mit hartnäckigem Charme entlockte<br />
er den Leihgebern Bilder und<br />
Skulpturen, mit zunehmender Ambition.<br />
Seine Ausstellungen liess er von Fachleuten<br />
betreuen, ohne je einen Kunstexperten<br />
anzustellen. Sowohl die Stiftung als<br />
auch er selbst gingen zum Erwerb von<br />
Kunstwerken über, zahlreiche Skulpturen,<br />
einige Bilder, Arbeiten auf Papier.<br />
Den nach eigenem Entwurf stützenfrei<br />
erstellten Ausstellungsbau umgab er mit<br />
einem Park, den sowohl römische Ruinen<br />
wie Skulpturen charakterisieren – derzeit<br />
38 grosse und sehr grosse Objekte. Ein<br />
nahes Lagerhaus der Armee wurde zum<br />
zweiten Ausstellungsbau, und aus Chagalls<br />
späten Jahren kam ein mit Mosaiken<br />
ausgekleideter Pavillon dazu. Das Publikum<br />
stellte sich von Jahr zu Jahr zahlreicher<br />
ein, vor allem aus Frankreich, aus<br />
der welschen Schweiz, aus Italien. Im<br />
Museumsbau finden inzwischen auch<br />
klassische Konzerte statt, bei denen Hausherr<br />
Gianadda als Platzanweiser auftritt.<br />
die vorbehalte. Die Skepsis unter Fachleuten<br />
hielt an, bis heute. Ein Teil des Museumsbaus<br />
zeigt gallorömische Skulpturen,<br />
Münzen, Töpfereien etc., und in der<br />
1976 für den Wohnblock betonierten<br />
Tiefgarage sind historische Autos ausgestellt.<br />
Das alles macht dieses Museum in<br />
den Augen vieler zum Gemischtwarenladen.<br />
Aber gleichzeitig sind heute in der<br />
Fondation Pierre Gianadda Leihgaben<br />
aus Russland, aus Frankreich, aus Belgien,<br />
aus den USA zu sehen, die man anderswo<br />
vergeblich sucht. «Je ne suis pas<br />
baz 18. april 2008 | seite 27<br />
römische mauern als fundament<br />
martigny. Zufälle brachten léonard gianadda dazu, eine Fondation zu gründen<br />
du sérail», betont der hünenhafte Amateur,<br />
aber er hat einen Riecher dafür, für<br />
seine Ausstellungen qualifizierte «commissaires»<br />
zu finden. Vor allem als Sammler<br />
von Skulpturen des 20. Jahrhunderts<br />
ist er unermüdlich; unter anderem nennt<br />
er heute zahlreiche Werke von Rodin sein<br />
Eigen, und auf einem Dutzend Plätzen<br />
und Kreuzungen von Martigny stehen seine<br />
Grossplastiken. Mittlerweile gehört er<br />
der Ankaufskommission des Pariser Musée<br />
d’Orsay an, und das Moskauer PuschkinMuseum<br />
hat ihm Ende 2007 einen<br />
fünfjährigen Leihvertrag angeboten.<br />
Für die vielen Auszeichnungen, die<br />
sein Büro tapezieren, habe er nie bezahlt,<br />
betont er; immerhin hat er die Kosten<br />
selbst getragen, als er 2006 in die französische<br />
«Académie des Arts» aufgenommen<br />
wurde. Über die Spötter seiner Heimatstadt,<br />
die damals Steuermanöver vermuteten,<br />
sagt Léonard Gianadda, sie seien<br />
missgünstig geblieben. Manche bis in<br />
den Tod – und dazu lacht er dröhnend.<br />
bau und kunst. Der Skulpturengarten<br />
der Fondation gianadda. Foto Keystone<br />
wie martigny auf den hund gekommen ist<br />
bei barry. Der alpenpass zwischen Martigny und<br />
aosta wird seit Jahrhunderten begangen, denn er<br />
bietet zwischen dem MontblancMassiv und dem<br />
Massiv der Walliser alpen seit jeher einen eisfreien<br />
Übergang. auf der Passhöhe gründete der Missionar<br />
Bernhard von Montjoux um das Jahr 1050 eine<br />
Unterkunft für die oft erschöpften Reisenden, und<br />
seinetwegen heisst der Pass grosser St. Bernhard.<br />
Seit dem Mittelalter wird das Hospiz von augustinerChorherren<br />
(chanoines) betreut. auf der Route<br />
Canterbury–Rom gelegen war das Hospiz lange<br />
zeit Knotenpunkt eines europaweiten Beziehungsnetzes;<br />
unter anderem war es Verhandlungsgegenstand<br />
auf dem Konzil von Basel.<br />
im Lauf der zeit wurde das Hospiz mehrfach<br />
erweitert, unter anderem um eine Hundezucht. als<br />
napoleons armee mit Tausenden von Soldaten den<br />
Pass überquerte, setzten die überforderten Chanoines<br />
ihre kräftigen Hunde als Helfer ein, und dadurch<br />
wurden die Bernhardiner zur Legende. Die Hundezucht<br />
wird heute nicht mehr auf dem Pass betrieben,<br />
sondern in Martigny, durch die 2005 gegründe<br />
information<br />
adresse. Fondation<br />
Pierre gianadda.<br />
Rue du Forum 59,<br />
1920 Martigny, Telefon<br />
0041 27 722 3978<br />
zurzeit. «Dieux<br />
d’egypte» ist die ausstellung<br />
ägyptischer<br />
Statuetten und<br />
Schmuckgegenstände<br />
überschrieben, die seit<br />
14. März und noch bis<br />
8. Juni 2008 in Martigny<br />
zu sehen ist. Täglich von<br />
10 bis 18 Uhr.<br />
demnächst. Werke von<br />
dem vor 100 Jahren geborenen<br />
Künstler Balthus<br />
werden ausgestellt<br />
sein vom 13. Juni bis 23.<br />
novembver 2008, täglich<br />
von 9 bis 19 Uhr.<br />
eintritt. erwachsene:<br />
18 Franken,<br />
Kinder, Studenten: 11.–,<br />
Senioren: 16.–,<br />
Familien 38.–<br />
anreise. Basel ab<br />
08.01, Bern ab 09.07,<br />
Visp ab 10.07, Martigny<br />
an 10.50.<br />
> www.gianadda.ch<br />
te Stiftung «Barry du grandSaintBernard», die<br />
auch aus der Region Basel Beiträge erhalten hat.<br />
in Martigny wandelte der Bauunternehmer und<br />
Mäzen Léonard gianadda ein armeeLagerhaus<br />
zum HundezuchtStandort um, und dank einer<br />
Stiftung von Bernard und Caroline de Watteville<br />
aus genf beherbergt das Haus zugleich ein<br />
Museum zur geschichte des Passes und der<br />
Hunde, samt eigenem Filmtheater, mit einer Fülle<br />
von künstlerischen Darstellungen und anderen<br />
Dokumenten.<br />
Dasselbe Stifterehepaar hat dem Museum<br />
soeben eine zweite Schenkung definitiv anvertraut,<br />
eine umfangreiche Sammlung von inuitSkulpturen<br />
(Kunst der eskimos) aus dem norden von Kanada<br />
(«nanouk, l’ours polaire»). uw<br />
> information. Musée et Chiens du StBernard, route du<br />
Levant 34, Martigny, täglich von 10 bis 18 Uhr.<br />
> eintritt: 10 Franken, Kinder 7.–, Studenten, Senioren ab<br />
60 Jahren 8.–, Familien 22.–. Mit aktueller Quittung vom<br />
Strassentunnel grosser St. Bernhard (einzelfahrt) gratis.