reiseland.schweiz. - Basler Zeitung
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annett altvater<br />
» gerold und susanne<br />
schmid-frey<br />
produzieren wein.<br />
und das tun sie am<br />
liebsten in bipschal.<br />
Der Bielersee wirft seine Wellen<br />
ans Ufer. Ihr Glitzern blendet<br />
das Auge, das sich rasch den dunklen<br />
Wäldern der Petersinsel und<br />
den Reben zuwendet, die den Jurasüdfuss<br />
hinaufklettern. Am Ufer<br />
schaukeln Boote, Enten halten ein<br />
Schläfchen, den Kopf unterm Flügel.<br />
Nur wenn ein Regional oder<br />
Güterzug zwischen Rebhängen<br />
und See vorbeidonnert, während<br />
man gemütlich den Uferweg<br />
zum Weingut von Gerold und Susanne<br />
SchmidFrey entlangschreitet,<br />
muss man sich die Ohren zuhalten<br />
und die Plauderei einstellen.<br />
Die beiden bewirtschaften in<br />
Bipschal, das zur Gemeinde Ligerz<br />
gehört, ein Weingut mit 2,3 Hektaren<br />
Rebbergen. Ihr Haus, in dem<br />
sie zusammen mit Susannes<br />
Mutter und Tochter IngaLena<br />
wohnen, steht inmitten des historischen<br />
Weilers, mit Seeblick und<br />
sonnenverwöhnter Terrasse.<br />
Junge generation. Viel Zeit, den<br />
Blick vom Balkon schweifen zu<br />
lassen, haben die Jungwinzer<br />
nicht. Das Paar ist vollauf damit<br />
beschäftigt, ihren seit vier Jahren<br />
bestehenden Familienbetrieb auszubauen.<br />
Für Susanne heisst das<br />
beispielsweise, sich mit den anderen<br />
Ligerzer Winzern an einer Sitzung<br />
über die Öffnungszeiten und<br />
das Angebot des Ligerzer Caveaus<br />
zu verständigen – natürlich wird<br />
dabei mit Chasselas angestossen.<br />
Susanne und Gerold gehören mit<br />
ihren 30 und 34 Jahren zur jüngeren<br />
Winzergeneration. Dass Familien<br />
ausschliesslich vom Weinbau<br />
am Jurasüdfuss leben, war nicht<br />
immer so. «Früher hatte jeder<br />
Weinbauer auch ein Stück Ackerland»,<br />
erzählt Gerold. Susannes<br />
Grossvater, der anfänglich noch<br />
Geissen im heutigen Weinkeller<br />
hielt, stellte nach dem Krieg ganz<br />
auf Weinbau um, die nächste Generation<br />
vergrösserte den Rebbestand.<br />
Susanne hat schon als Mädchen<br />
am Betrieb gehangen. Sie<br />
solle einen konventionellen Beruf<br />
lernen, fand ihr Vater. So wurde<br />
sie Praxisassistentin und arbeitet<br />
auch heute 50 Prozent in einer<br />
Bieler Arztpraxis.<br />
Gerolds Vater ist nicht Winzer,<br />
sondern Landmaschinenmechaniker.<br />
Was kein Nachteil ist, denn als<br />
Spezialist für alle Arten von Landund<br />
Kellereimaschinen war er bestens<br />
im Bild über die Arbeit am<br />
Rebberg. Auf diese Art und als<br />
Helfer im Läset lernte auch Gerold<br />
den Winzeralltag kennen und profitiert<br />
heute von den Kenntnissen<br />
seines Vaters, wenn ihm eine Maschine<br />
Sorgen macht. Auf die Idee,<br />
Winzer zu werden, kam Gerold<br />
aber erst später: Zuerst begann er<br />
an der ETH ein Agronomiestudium,<br />
aber die Liebe machte ihm einen<br />
willkommenen Strich durch<br />
die Rechnung. «Ackerbau und<br />
Viehzucht wären nicht das Richtige<br />
für mich gewesen», glaubt er.<br />
Stattdessen entschieden Gerold<br />
und Susanne, gemeinsam das elterliche<br />
Winzergut, das zwischenzeitlich<br />
verpachtet war, zu übernehmen.<br />
Bis dahin war der Weg<br />
noch weit: Zunächst absolvierte<br />
Gerold die dreijährige Winzerlehre<br />
in Morges und bildete sich neben<br />
der Arbeit zum Önologen aus.<br />
Als das geschafft war und die beiden<br />
schliesslich das Weingut übernahmen,<br />
waren acht Jahre um.<br />
Inzwischen haben sie vier Jahrgänge<br />
Chasselas, Pinot Gris, Chardonnay,<br />
ŒildePerdrix, Pinot<br />
Noir und einen Dessertwein aus<br />
Freisamertrauben gekeltert. «Der<br />
Anfang war nicht einfach. Es gab<br />
so viel zu tun, und wir sind erst<br />
jetzt so weit, dass wir allmählich<br />
daran denken können, etwas zu<br />
investieren», sagt Gerold Schmid.<br />
Bereut habe er den Entscheid aber<br />
nie. Ihm gefällt das Leben im Einklang<br />
mit den Jahreszeiten und<br />
der Natur. «Als Winzer kann ich<br />
die Landschaft mitgestalten.»<br />
familienbetrieb. Zwar ist das<br />
Equipment der Familie Schmid<br />
Frey nicht ganz so antik wie das<br />
Haus, das 1617 erbaut wurde. Aber<br />
die älteste Maschine, die Presse,<br />
tut schon seit 1971 ihren Dienst.<br />
«Jede Saison könnte ihre letzte<br />
sein, aber die Mechanik ist zum<br />
Glück sehr solide», sagt Susanne<br />
SchmidFrey. Und nicht nur die<br />
Maschinen müssen widerstandsfähig<br />
sein, auch die Weinbauern und<br />
bäuerinnen selbst brauchen eine<br />
robuste Konstitution. Pfähle einzuschlagen,<br />
eine Mauer zu reparieren<br />
oder bei 30 Grad einen Kanister<br />
voller Spritzmittel auf dem Rücken<br />
durch den Rebberg zu schleppen,<br />
erfordert Kraft. «Egal, ob ein Mann<br />
oder eine Frau den Beruf ausübt:<br />
Allein geht es nicht. Man ist in<br />
jedem Fall auf Unterstützung angewiesen»,<br />
sagt Gerold Schmid. So<br />
muss zur Lese im Oktober die gesamte<br />
Verwandtschaft anpacken<br />
und Freunde noch dazu: Helfer<br />
schneiden die Trauben von den<br />
Rebstöcken, andere tragen die<br />
Kisten zur Camionette, einer<br />
chauffiert zwischen Keller und<br />
Rebberg, eine Grossmutter kocht,<br />
die andere passt auf Tochter Inga<br />
Lena auf, die im Januar 2007 geboren<br />
wurde.<br />
nur bipschal. Die Arbeit in den<br />
Reben beginnt jedoch lange vor<br />
der Lese: Die Schosse müssen ausgebrochen,<br />
die Traubenzone der<br />
Rebstöcke ausgelaubt, die Schosse<br />
angebunden werden. Unkraut ist<br />
zu mähen, altes Holz wegzusammeln,<br />
überschüssige Trauben abzupflücken<br />
– all das erfordert eine<br />
ständige Beschäftigung mit den<br />
Pflanzen. Im Sommer dauert ein<br />
Arbeitstag auch mal zwölf Stunden.<br />
«Dafür gehts im Winter ruhiger<br />
zu», sagt Gerold. Aber um richtig<br />
zu entspannen, brauchen die<br />
beiden eine gewisse Distanz zum<br />
Rebgut. An einem freien Tag nach<br />
Biel zu fahren, reicht dafür nicht<br />
aus. Als es dort einmal hagelte,<br />
sorgten sich die beiden so sehr um<br />
ihre Rebstöcke, dass sie sofort wieder<br />
umkehrten, wie Gerold erzählt.<br />
Die einzige Möglichkeit,<br />
länger fortzukommen, sind eine<br />
bis zwei Wochen im März und im<br />
August. Dann geniessen sie ihre<br />
Ferien in Spanien oder Frankreich<br />
– und die Weine, die ihre Ferienregion<br />
jeweils zu bieten hat. Auf diese<br />
Weise fand auch die erste<br />
ViognierRebe ihren Weg nach<br />
Bipschal, eine Traube, die im<br />
Rhônetal heimisch ist. Aber wo sie<br />
auch hinfahren, woanders zu leben<br />
als in Bipschal kommt für die<br />
beiden nicht in Frage. Allein schon<br />
wegen des Blicks vom Rebhang<br />
übers Kirchendach, die Ligerzer<br />
Dächer und den glitzernden See<br />
auf die Petersinsel. Schön haben<br />
sie es da, in ihrem Rebgut am See.<br />
«Ja», freuen sie sich. «Dessen sind<br />
wir uns bewusst.»<br />
> anreisebeispiel. Basel ab 8.03,<br />
Biel ab 9.52, Ligerz an 10.01.<br />
baz 18. april 2008 | seite 21<br />
auf dem zweiten bildungsweg<br />
bielersee. die schmids sind weinbauern, die die landschaft mitgestalten<br />
information<br />
anreise. Per Bahn nach Biel und<br />
weiter bis nach Twann. am Bahnhof<br />
weist ein Wanderwegweiser nach<br />
Bipschal und Ligerz. Für den Weg,<br />
der am See entlangführt, braucht man<br />
etwa 20 Minuten.<br />
degustieren. Familie SchmidFrey<br />
lädt am 21. Juni zur Degustation, im<br />
Oktober zur Läset und im Januar und<br />
Februar zum Treberwurstessen ein.<br />
auskunft und Reservationen:<br />
032 315 22 09<br />
> www.schmid-frey.ch<br />
einkehren. Von März bis november<br />
laden die Ligerzer Winzer von 16 bis<br />
20 Uhr ins Caveau ein. zum lokalen<br />
Wein werden Brot, Wurst und Käse<br />
serviert. auskunft und Reservation:<br />
032 315 15 35<br />
> www.ligerzer-caveau.ch<br />
weinfeste. anlässlich der Weinstrasse<br />
in Twann am 6. und 7. September<br />
kann man den Wein und die<br />
Region kennenlernen. auch La<br />
neuveville lädt vom 12. bis zum<br />
14.September zum Weinfest ein.<br />
Und an den LäsetSunntige in Ligerz<br />
am 27. und 28. September sowie am<br />
4. und 5. Oktober können über<br />
60 einheimische Weine direkt bei<br />
den Weinbauern degustiert werden.<br />
zudem bietet die Vinothek Viniterra<br />
in Twann von dienstags bis sonntags<br />
die gelegenheit, lokale Weinsorten<br />
zu versuchen.<br />
zusatzschlaufe. Von Biel geht es<br />
mit dem Funiculaire hinauf nach<br />
Magglingen und dann zu Fuss weiter<br />
durch die Twannbachschlucht und hinunter<br />
nach Twann und Bipschal. Die<br />
Strecke ist spektakulär, aber unbeschwerlich<br />
und dauert etwa anderthalb<br />
Stunden.<br />
> www.biel-seeland.ch<br />
das produkt. an den Hängen gewachsen,<br />
an der Sonne gereift, im Keller gelagert.