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2003 Russlanddeutsche zwischen Herkunft und Ankunft ... - ORNIS

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14 |<br />

Rosa Nesterova aus Malinovka,<br />

Kasachstan<br />

Роза Нестерова из Малиновки,<br />

Казахстан<br />

Julia Schmidt aus Irkutsk<br />

Юлия Шмидт из Иркутска<br />

Ludmilla Arnautova aus Pawlodar<br />

Людмила Арнаутова из Павлодара<br />

Zuwanderung | Иммиграция<br />

Auswanderer oder Aussiedler –<br />

wer seine Heimat verlässt, um<br />

sich in einem anderen Land niederzulassen<br />

<strong>und</strong> dort zu bleiben, hat<br />

meist nicht viele Habseligkeiten,<br />

die ihn auf der Reise begleiten. Fast<br />

alle aber haben Dinge bei sich, die<br />

für sie von sehr persönlicher Bedeutung<br />

sind: Abschiedsgeschenke,<br />

Fotos der Daheimgebliebenen,<br />

Gegenstände, die mit besonderen<br />

Erinnerungen verb<strong>und</strong>en sind,<br />

Liebgewordenes zumeist ohne bedeutenden<br />

materiellen Wert. Um<br />

solche Gegenstände haben junge<br />

Wissenschaftler der Universität<br />

Tübingen Menschen gebeten, die<br />

aus zahlreichen Ländern nach<br />

Deutschland gekommen sind.<br />

„Bewegliche Habe“ hieß die<br />

Ausstellung im Schloss Hohentübingen,<br />

die das kulturwissenschaftlicheLudwig-Uhland-Institut<br />

gestaltet hat. Mehrere Monate<br />

lang hatten Projektmitarbeiter zuvor<br />

Zuwanderer im Raum Tübingen<br />

besucht, intensive Gespräche<br />

geführt <strong>und</strong> den gesammelten Objekten<br />

Portraits der Interviewpartner<br />

hinzugefügt. Unter den so Vorgestellten<br />

sind auch sieben Spätaussiedler<br />

– fünf Frauen <strong>und</strong> zwei<br />

Männer. Zum Beispiel Rosa Nesterova,<br />

die im vergangenen Jahr aus<br />

Malinovka in Kasachstan nach<br />

Deutschland gekommen war. Für<br />

sie sind ihre beiden Ohrringe von<br />

besonderer Bedeutung, obwohl sie<br />

sie erst in Deutschland von Frauen<br />

ihres Sprachkurses zum 40. Geburtstag erhalten hat.<br />

Mit diesem kleinen Luxus beweist sich Rosa, dass die<br />

Entscheidung zu einem neuen Leben in Deutschland<br />

für sie richtig war.<br />

Als Julia Schmidt <strong>und</strong> ihr dreijähriger Sohn Anfang<br />

2002 ihrem Mann nach Deutschland folgten, lebte<br />

dieser schon seit längerem in der Stadt Reutlingen.<br />

Die zurückhaltende Frau aus Irkutsk telefoniert oft mit<br />

ihren Angehörigen in Sibirien, in Reutlingen hat sie<br />

InfoDienst 44-<strong>2003</strong><br />

Schätze der Erinnerung<br />

Ausstellung präsentiert Objekte von Zuwanderern<br />

sich noch nicht recht eingelebt. Für sie zählt das goldene<br />

Diadem, das sie zur Hochzeit als Brautschmuck getragen<br />

hat, zu den liebsten Dingen. In der immer noch<br />

fremden Umgebung ist nämlich Friedrich, ihr Mann,<br />

der wichtigste Halt im Leben – <strong>und</strong> vielleicht die kleine<br />

Plüschfigur mit den aufgeklebten Fotos ihrer besten<br />

Fre<strong>und</strong>innen in Irkutsk: „Wir haben zusammen gelernt<br />

<strong>und</strong> gearbeitet, zehn Jahre.“<br />

Auf ihre beiden Bilder wollte Ludmilla Arnautova<br />

nicht verzichten: Sie zeigen Winterlandschaften mit<br />

schneebedeckten Häusern <strong>und</strong> Kirchtürmen, so wie<br />

man sie im kasachischen Pawlodar eher selten sieht.<br />

Dennoch: Ludmilla fühlt sich beim Anblick der Bilder<br />

zurückversetzt in ihre Heimatstadt, wo die Winter<br />

eiskalt <strong>und</strong> schneereich sein können. Die Bilder sind<br />

ein Geschenk der Schwägerin zu ihrem 25. Geburtstag.<br />

Damals hatte sie bereits ihren Ausreiseantrag gestellt<br />

<strong>und</strong> sich darauf vorbereitet, mit ihrem russischen<br />

Mann Konstantin <strong>und</strong> dem kleinen Sohn<br />

Pawel nach Deutschland zu gehen.<br />

Kaum jemand wird je von dem Dorf Jaschalta – unweit<br />

der kalmykischen Hauptstadt Elista – gehört haben.<br />

Hier lebte Alexander Gaus bis zu seiner Ausreise.<br />

Seinen Beruf als Geschichtslehrer konnte er nicht<br />

ausüben, stattdessen arbeitete er als Heizungswärter.<br />

Am liebsten würde er demnächst ein Studium an der<br />

Kunstakademie in Stuttgart beginnen. Ihn erinnern<br />

zwei Messer an wichtige Stationen seines Lebens. Das<br />

eine stammt von einem Fre<strong>und</strong>, mit dem er aufgewachsen<br />

ist, das andere ist das selbst gefertigte Abschiedsgeschenk<br />

eines Offiziers zum Ende des Militärdienstes<br />

im Ural.<br />

Noch leben Maria <strong>und</strong> Alexander Fischer in einem<br />

Wohnheim in Tübingen. Der ehemalige Busfahrer<br />

aus Krasnojarsk <strong>und</strong> seine Frau sind im vergangenen<br />

Jahr der jüngsten Tochter gefolgt, die bereits<br />

seit 1996 in Deutschland lebt. Genau wie in ihrer<br />

früheren Wohnung in Krasnojarsk hat Alexander ein<br />

kleines Podest gebastelt, auf dem in einer Zimmerecke<br />

zwei Ikonen lehnen. Ein Andachtsbild ist das Abschiedsgeschenk<br />

einer Tochter, das andere ist seit Generation<br />

im Familienbesitz. So ist die Verbindung wiederhergestellt<br />

zu früheren Zeiten, als die Familie noch<br />

an einem Ort wohnte <strong>und</strong> zwölf Personen zählte.<br />

Ihr größter Wunsch blieb bisher unerfüllt: Irena<br />

Besgans würde am liebsten Dolmetscherin werden,<br />

doch sie hat keinen Studienplatz erhalten. „Man muss<br />

optimistisch bleiben“, sagt sie. Vor knapp zwei Jahren

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