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PRO<br />
3/<strong>2010</strong><br />
SCHWEIZERISCHE GESELLSCHAFT FÜR TIERSCHUTZ<br />
• Sabu – ein Elefant auf Abwegen<br />
• Glasbauten : Todesfalle für Vögel
Impressum Inhalt<br />
Wir geben <strong>Tier</strong>en ein Zuhause 4<br />
2<br />
Zeitschrift der Schweizerischen<br />
Gesellschaft für <strong>Tier</strong>schutz / <strong>Pro</strong><strong>Tier</strong>,<br />
Zürich<br />
Nr. 3, September <strong>2010</strong><br />
38. Jahrgang<br />
Erscheint 4x jährlich<br />
Abonnement<br />
Mitglieder erhalten die Zeitschrift<br />
kostenlos<br />
Jahresbeitrag CHF 40.–<br />
Jugendmitglieder (bis 18 Jahre) CHF 25.–<br />
Einzelnummer CHF 6.–<br />
Jahresabonnement CHF 20.–<br />
Redaktion :<br />
Nathalie Dubois (nd)<br />
MitarbeiterInnen :<br />
Hans Peter Roth (hpr)<br />
Helen Weiss (hw)<br />
Alle Rechte vorbehalten. Jede Art der<br />
Weiterverwendung der Artikel und Bilder<br />
nur mit ausdrücklicher, schriftlicher Genehmigung<br />
der Redaktion.<br />
Die Beiträge decken sich nicht unbedingt<br />
mit der Meinung der Redaktion und des<br />
Vorstandes.<br />
Titelbild : Elefant, Kinderzoo Rapperswil<br />
Foto : © Nathalie Dubois<br />
Layout : Urs Widmer<br />
provista – concept, prepress, publishing,<br />
design, 4123 Allschwil. info@provista.ch<br />
Druck : Staffel Druck AG, 8045 Zürich<br />
SCHWEIZERISCHE<br />
GESELLSCHAFT<br />
FÜR TIERSCHUTZ<br />
Alfred Escher-Strasse 76<br />
CH-8002 Zürich<br />
Telefon : 044 201 25 03<br />
Telefax : 044 201 26 23<br />
Postcheck : 80-37221-2<br />
E-Mail : tierschutz@protier.ch<br />
URL : www.protier.ch<br />
Schluss mit diesem Zirkus ! 6<br />
« Gedanken zur Haltung von Elefanten im Zirkus » 8<br />
Vogelschlag : Glasfassaden als Todesfallen 10<br />
Kühe brauchen ihre Hörner 14<br />
Katalonien verbietet den Stierkampf 18<br />
Zürcher <strong>Tier</strong>anwalt : Das Ende eines einzigartigen Amtes 20<br />
<strong>Tier</strong> und Recht: Die Zuteilung von <strong>Tier</strong>en im Scheidungsfall 21<br />
Bioinvasoren : Neozoen – Buchsbaumzünsler 22<br />
Raubtier-Update : Wallis : Keine Gnade für den Wolf 24<br />
Agro-Biodiversität : Das Walliser Landschaf 27<br />
Ölpest im Golf von Mexiko : Gegengift ist giftiger als Öl 28<br />
<strong>Tier</strong>e brauchen Ihre Hilfe! 32<br />
Schluss mit diesem Zirkus !<br />
6<br />
Glasfassaden : Todesfallen für Vögel<br />
10<br />
Kühe brauchen ihre Hörner<br />
Katalonien verbietet Stiekampf<br />
Bioinvasoren<br />
14<br />
18<br />
22<br />
<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> 3/10
Liebe<br />
<strong>Tier</strong>freundinnen<br />
und <strong>Tier</strong>freunde<br />
Ich habe mich immer noch nicht<br />
recht an den Anblick hornloser<br />
Kühe gewöhnt. Und, ich will<br />
mich auch gar nicht daran gewöhnen.<br />
Denn Kühe ohne Hörner sehen<br />
schlichtweg doof aus, sie haben etwas<br />
Dümmliches. Was dem Wesen<br />
dieser <strong>Tier</strong>e überhaupt nicht gerecht<br />
wird. Wir nehmen der Kuh mit dem<br />
Horn einen wichtigen Teil ihres Ausdrucks<br />
und ihrer Persönlichkeit und<br />
damit ihrer Würde. Und alles nur<br />
aus wirtschaftlichen Gründen, um<br />
mit immer weniger Platz für immer<br />
mehr <strong>Tier</strong>e und weniger Aufwand<br />
einen möglichst hohen <strong>Pro</strong>fit herauszuholen.<br />
Um’s Geschäft geht es auch im<br />
Zirkus. Um die Besucher ins Zirkuszelt<br />
zu locken braucht es Attraktionen.<br />
Leider werden dazu immer<br />
noch (Wild)-<strong>Tier</strong>e missbraucht. Besonders<br />
Elefanten sind ein Publikumsmagnet.<br />
Die Elefantenkuh<br />
Sabu des Circus Knie sorgte diesen<br />
Sommer für Schlagzeilen, weil<br />
sie zweimal ausriss. Nun lebt sie<br />
in Knie’s Kinderzoo in Rapperswil.<br />
Weil Sabu offenbar nicht mehr genügend<br />
Respekt vor ihren Pflegern<br />
hat, wurde sie zum potenziellen Sicherheitsrisiko<br />
auf Tournee. Sabus<br />
« Ausflüge » werfen einmal mehr die<br />
Frage auf : Können wir die Haltung<br />
<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> 3/10<br />
Editorial<br />
von Elefanten in Zirkussen heute<br />
noch verantworten ?<br />
Der Artikel über Vogelschlag<br />
thematisiert ebenfalls die Folgen<br />
menschlicher Dominanz. Immer<br />
mehr Gebäude im öffentlichen<br />
Raum werden teilweise oder sogar<br />
komplett verglast gebaut. Prestige<br />
und Ästhetik stehen im Vordergrund<br />
– dass diese Glaskomplexe<br />
wahre Vogelfallen sind, kümmert<br />
die Architekten wenig. Vögel können<br />
spiegelnde Glasflächen nicht<br />
als Hindernisse erkennen und fliegen<br />
ungebremst ins Verderben.<br />
Millionen von ihnen finden jährlich<br />
einen jämmerlichen Tod an solchen<br />
Glasfronten aber auch an normalen<br />
Fensterscheiben. Für den Bau solcher<br />
Gebäude sollten vermehrt klare<br />
Richtlinien bestehen und Massnahmen<br />
zum Vogelschutz ergriffen<br />
werden.<br />
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen,<br />
liebe <strong>Tier</strong>freunde und <strong>Tier</strong>freun-<br />
Dieses <strong>Heft</strong> wurde unterstützt von :<br />
Kanal total<br />
Hächler-Reutlinger<br />
dinnen, eine schöne Zeit. Vielleicht<br />
haben Sie ja das Glück auf einer<br />
schönen Herbstwanderung der einen<br />
oder anderen behornten Kuh zu<br />
begegnen oder den faszinierenden<br />
Anblick des herbstlichen Vogelzugs<br />
in den Süden zu erleben.<br />
Herzlich Ihre Nathalie Dubois,<br />
Geschäftsführerin<br />
Ein Vermächtnis<br />
für die <strong>Tier</strong>e<br />
Bitte denken Sie bei<br />
der Erstellung Ihres<br />
Testaments an <strong>Pro</strong><strong>Tier</strong>.<br />
Sie helfen mit, dass wir<br />
uns auch in Zukunft<br />
effizient für die <strong>Tier</strong>e<br />
einsetzen können.<br />
Für Auskünfte und<br />
Beratung stehen wir Ihnen<br />
gerne zur Verfügung.<br />
Telefon : 044 201 25 03<br />
Foto : Th. Haug<br />
3
4<br />
Wir geben <strong>Tier</strong>en<br />
Ein viel zu kurzes Katzenleben –<br />
ohne Happyend<br />
Es war ein heisser Sommertag als wir auf der<br />
Geschäftsstelle von <strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> einen Anruf erhielten.<br />
Am Telefon meldete sich ein Mann, er<br />
war hörbar aufgeregt. In seinem Garten sei eine<br />
kleine Katze aufgetaucht. Sie sei offensichtlich<br />
verletzt und völlig abgemagert, ja ihr Zustand<br />
seit beängstigend schlecht. Er könne sich leider<br />
nicht selber um sie kümmern und schon gar<br />
nicht behalten. Sein Hund möge keine Katzen.<br />
Was er denn nur mit dem armen <strong>Tier</strong> machen<br />
solle ? Eigentlich können wir seit längerem keine<br />
neuen <strong>Tier</strong>e aufnehmen. Diese Situation hat uns<br />
schon oft frustriert und belastet, weil wir dadurch<br />
<strong>Tier</strong>en in Not nicht so helfen konnten, wie wir es<br />
gewollt hätten. Aber mir war sofort klar, dass<br />
dies ein absoluter Notfall war ! Finanzielle Sorgen<br />
hin oder her, diesem <strong>Tier</strong> mussten wir so<br />
schnell wie möglich helfen. Irgendwie würden<br />
wir auch diesen Neuzugang und die ungewissen<br />
<strong>Tier</strong>arztkosten finanzieren können. Denn so wie<br />
der Mann das <strong>Tier</strong> beschrieb, musste es ganz<br />
dringend in tierärztliche Obhut.<br />
Ivo Zürcher, Vorstandsmitglied bei <strong>Pro</strong><strong>Tier</strong><br />
und <strong>Tier</strong>pfleger im <strong>Tier</strong>heim Stolzboden, setzte<br />
sich sofort ins Auto um die Katze zu holen.<br />
Er erschrak als er das <strong>Tier</strong> sah. Das Kätzchen<br />
konnte kaum älter als 8 Wochen alt sein. Es war<br />
mager, hatte struppiges Fell und einen völlig<br />
verschobenen, blutverkrusteten Unterkiefer.<br />
Wahrscheinlich hatte es einen (Auto)-Unfall,<br />
aber die Verletzung war nicht mehr ganz frisch.<br />
Das arme Geschöpf muss sich also schon ein<br />
paar Tage so schwer verletzt herumgeschleppt<br />
haben. Beim <strong>Tier</strong>arzt erhielt es erst einmal eine<br />
Infusion, denn der Findling war völlig dehydriert.<br />
Dann wurde er untersucht. Der <strong>Tier</strong>arzt äusserte<br />
die gleiche Vermutung, wie sie Ivo Zürcher<br />
schon hatte, wahrscheinlich wurde das Kätzchen<br />
angefahren. Aufgrund des schlechten Allgemeinzustandes<br />
war er kritisch, was seine Chancen<br />
anbelangten. Sicherheitshalber machte er noch<br />
einen FIV-Test. Wenig später das traurige Resultat<br />
: die Katze war FIV-positiv. Der verschobene<br />
Kiefer wäre nur durch eine aufwändige Operation<br />
zu behandeln gewesen – der Heilungsverlauf<br />
ungewiss. Ob das <strong>Tier</strong> die Narkose überlebt hätte<br />
war mehr als fraglich. In Anbetracht der Leiden<br />
und Schmerzen, die das <strong>Tier</strong> in seinem so kurzen<br />
Leben bereits durchmachen musste und dass<br />
es als FIV-Katze sein Leben lang nicht hätte<br />
zu anderen gesunden Katzen platziert werden<br />
können, entschlossen wir uns schweren Herzens<br />
ihm seinen Frieden zu schenken und es einzuschläfern.<br />
Ich bin immer noch sehr traurig, dass<br />
wir dem kleinen Kerl nicht helfen konnten – er<br />
hätte es so verdient, musste er doch in seinem<br />
kurzen Leben soviel durchmachen. Wenigstens<br />
konnten wir ihm einen würdevollen, schmerzfreien<br />
Tod ermöglichen und er musste nicht<br />
irgendwo da draussen jämmerlich von alleine<br />
eingehen. (nd) <br />
Unser Spendenkonto<br />
PC : 80-37221-2<br />
Vermerk :<br />
« Findeltiere »<br />
Schweizerische Gesellschaft<br />
für <strong>Tier</strong>schutz<br />
Alfred Escher-Strasse 76,<br />
CH-8002 Zürich<br />
<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> 3/10
ein Zuhause<br />
Foto : J. Tamburini<br />
Moses Eines Morgens stand ein Korb mit zwei Katzen vor dem<br />
<strong>Tier</strong>heim. Wir nannten sie Moses und Sara. Ihre Vergangenheit liegt<br />
im Dunkeln. Viel Gutes hatten die <strong>Tier</strong>e aber sicher nicht erlebt, so<br />
scheu und verängstigt wie sie waren. Trotz viel Zuwendung blieben<br />
die Katzen Menschen gegenüber scheu und zurückhaltend. Es<br />
würde nicht leicht sein ein neues Zuhause für die beiden zu finden.<br />
Im Gegensatz zu Sara machte Moses kleine Fortschritte, hielt aber<br />
immer ängstlich Distanz zu seinen Betreuerinnen. Doch dann hat es<br />
doch geklappt und er hat einen guten Platz gefunden. Seine neuen<br />
Besitzer hatten schon einmal eine Katze von <strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> übernommen,<br />
die sie aber auf tragische Weise ganz plötzlich verloren. An etwas<br />
« spezielle » Katzen gewöhnt, entschloss sich die Familie kurzerhand,<br />
Moses eine Chance zu geben. Würde er sie auch nutzen ?<br />
Die ersten Wochen lebte Moses im ausgebauten Keller. Er traute<br />
sich nicht in den Wohnbereich und so richtete man ihm kurzerhand<br />
im Keller einen gemütlichen Platz ein und liess ihn erst einmal in<br />
Ruhe. Es ging nicht lang, da konnte man ab und zu kurz einen Katzenkopf<br />
an der Türschwelle sehen, kaum entdeckt verschwand er<br />
aber gleich wieder. Mit der Zeit blieb der « Katzenkopf » aber sitzen<br />
und rannte nicht sofort wieder weg. Moses wurde immer mutiger<br />
und neugieriger. Irgendwann traute er sich doch in die Wohnung<br />
zu kommen und seine Erkundungsreisen wurden immer länger.<br />
Mittlerweile nach einem halben Jahr ist Moses richtig verschmust<br />
und zu weilen sogar fast ein bisschen « aufdringlich », erzählt seine<br />
Besitzern. Wie man auf dem Foto sehen kann, fühlt er sich nun<br />
richtig zu Hause. Wir hoffen, dass wir für seine Gefährtin Sara<br />
einen ebenso tollen Platz finden werden.<br />
<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> 3/10<br />
Glückspilz<br />
Miss Pigi « Im Jahr 2002 haben wir Miss Pigi im<br />
<strong>Tier</strong>heim Sihlbrugg kennengelernt und sie wurde<br />
uns nach ein paar Abklärungen nach Hause gebracht.<br />
Schnell hat sich Pigi eingelebt, sie ist eine<br />
Hündin die gerne lange Spaziergänge macht und vor<br />
allem immer einen Ort findet um sich im Schmutz<br />
zu wälzen.<br />
Allerdings ist sie einem Sitzbad (auch im Winter)<br />
niemals abgeneigt ! Jedes Wasser reizt sie um ein<br />
Sitzbad zu nehmen und ist nicht zu bremsen wenn<br />
es plätschert, wobei sie aber mit noch so gutem Zureden<br />
nie schwimmen will.<br />
Pigi ist mit über 10 Jahren noch immer aktiv und eigentlich<br />
ein problemloser Hund, man kann sie überall<br />
hin mitnehmen und sie ist froh, wenn sie dabei sein<br />
kann. Mit ihrer « Überschwenglichkeit » haben wir<br />
uns gut abgefunden und wenn wir mit dem Auto<br />
unterwegs sind ist es interessant und schön zu<br />
sehen, wie viele Orte Pigi in allen Landesteilen der<br />
Schweiz freudig wieder erkennt. Pigi ist eine grosse<br />
Bereicherung und wir möchten sie nicht missen.<br />
Nochmals herzlichen Dank für Alles ! » Ihre glückliche<br />
Besitzerin.<br />
Glückspilz<br />
Foto : D. Bormuth<br />
5
Schluss mit<br />
diesem Zirkus !<br />
Im Juni dieses Jahres sorgte die Elefantin Sabu des Circus Knie<br />
gleich zweimal für Schlagzeilen. Zuerst büxte sie in Zürich aus.<br />
Kurze Zeit später war sie in Wettingen AG alleine unterwegs. Seither<br />
lebt Sabu im Kinderzoo Rapperswil SG, sie ist zu einem zu grossen<br />
Risiko für den Zirkus auf Tournee geworden. Einmal mehr stellt sich<br />
die Frage : Sind Elefanten in Zirkussen vertretbar ?<br />
6<br />
VON NATHALIE DUBOIS<br />
Anfang Juni, es war früher<br />
Abend, als die 26-jährige Elefantenkuh<br />
Sabu beim Verladen<br />
in Zürich das erste Mal ausriss.<br />
Nach einem Bad im Zürichsee ging<br />
sie entlang der Bahnhofstrasse spazieren.<br />
Den Weg kannte sie, es ist<br />
die Route des traditionellen « Elefan-<br />
Fotos : Dubois/Haug<br />
ten-Apéros », welche die Elefanten<br />
bei ihrer Ankunft in Zürich jeweils<br />
abschreiten. Wenige Tage später<br />
entwischte Sabu ihren Pfl egern im<br />
aargauischen Wettingen ein zweites<br />
Mal – und ging in einem Bach erneut<br />
baden. Diesmal konnte sie von ihren<br />
Pfl egern aber schnell wieder eingefangen<br />
werden.<br />
Offenbar badet Sabu gerne.<br />
Nichts Ungewöhnliches für einen<br />
Elefanten. Regelmässige (Schlamm)-<br />
Bäder gehören zur Gesunderhaltung<br />
und sind ein überaus wichtiger Teil<br />
der Körperpfl ege. Der « Spaziergang<br />
» zurück Richtung Bahnhof<br />
zeigt, dass Elefanten über einen<br />
überaus guten Orientierungssinn<br />
verfügen. Sie legen in Freiheit auf<br />
ihren Wanderungen, auf der Suche<br />
nach Wasser und Futter, hunderte<br />
von Kilometern zurück und kehren<br />
auch nicht selten immer wieder an<br />
dieselben Orte zurück.<br />
Wer weiss, wie Elefanten leben<br />
und wer Elefanten schon einmal selber<br />
in Freiheit erleben durfte – muss<br />
sich unweigerlich die Frage stellen :<br />
Was haben Elefanten heute noch in<br />
Zirkussen zu suchen ?<br />
<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> hat nachgefragt, bei verschiedenen<br />
Fachstellen für Elefantenfragen,<br />
wie der Fall Sabu und die<br />
Elefantenhaltung in Zirkussen zu beurteilen<br />
sind. Stellung genommen<br />
haben Dr. Marion E. Garaï, Vorsitzende<br />
der Space for Elephants Foundation<br />
mit ihrem Text « Gedanken zur<br />
Haltung von Elefanten im Zirkus »<br />
sowie Tobias Dornbusch, Dipl.-Biol.<br />
und Zirkusbeauftragter des Vereins<br />
Elefanten-Schutz Europa. Das Interview<br />
mit Tobias Dornbusch erfolgte<br />
schriftlich und ist hier aus Platzgründen<br />
gekürzt wiedergegeben.<br />
Die vollständige Fassung fi nden<br />
Sie auf der Homepage von <strong>Pro</strong><strong>Tier</strong><br />
(www.protier.ch).<br />
<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> : Könnte man Sabus « Ausfl<br />
üge » als Drang nach Freiheit interpretieren<br />
oder was steckt sonst<br />
dahinter ?<br />
Tobias Dornbusch : Der Ausbruch<br />
von « Sabu » im Zirkus Knie ist meiner<br />
Einschätzung nach mehr ein<br />
<strong>Pro</strong>blem der scheiternden Dominanzausübung<br />
der Trainer als des<br />
Freiheitsdrangs von « Sabu ». Die<br />
Tatsache, dass « Sabu » es gewagt<br />
<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> 3/10
hat zweimal das Zirkusgelände zu<br />
verlassen und die Umgebung zu<br />
erkunden – obwohl sie gewusst<br />
haben dürfte, dass dies eine Bestrafung<br />
zur Folge haben könnte – zeigt,<br />
dass sie vor ihren Trainern offenbar<br />
keinen Respekt mehr hat und damit<br />
eine gewisse Gefahr darstellte. Ich<br />
vermute, dass dies der Grund ist,<br />
weshalb « Sabu » in den Kinderzoo<br />
Rapperswil zurück gebracht wurde.<br />
Damit sind nur noch drei der zehn<br />
Knie-Elefanten im reisenden Betrieb.<br />
Dies zeigt meiner Meinung nach,<br />
dass der Zirkus Knie zunehmend<br />
Konflikte mit seinen Elefanten hat<br />
– was bereits im Vorfeld durch Mitglieder<br />
unseres Vereins wiederholt<br />
beobachtet wurde.<br />
<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> : Könnten diese Dominanz-<br />
<strong>Pro</strong>bleme irgendwann zu grösseren<br />
<strong>Pro</strong>blemen führen – auch im Kinderzoo<br />
Rapperswil ?<br />
Tobias Dornbusch : Das auf der Dominanz<br />
des Menschen basierende<br />
Haltungssystem ist im Zirkus wegen<br />
der Vorführung in der Manege unverzichtbar.<br />
Doch wo immer Elefanten<br />
in diesem fast artwidrigen Haltungssystem<br />
gehalten werden, kann<br />
es zu grossen <strong>Pro</strong>blemen, wie Unfällen<br />
und Angriffen kommen – egal<br />
ob im Zirkus oder im Zoo. Zoos sind<br />
jedoch in der Lage – und schon mehrere<br />
moderne Zoos sind auch dazu<br />
übergegangen – ihr Haltungssystem<br />
zu ändern und Elefanten etwa im so<br />
genannten « <strong>Pro</strong>tected Contact » zu<br />
pflegen. Dieses System bietet nicht<br />
nur mehr Sicherheit für die <strong>Tier</strong>pfleger,<br />
sondern auch mehr Selbstbestimmung<br />
für die Elefanten, weil<br />
es nur auf freiwilliger Bereitschaft<br />
und Belohnung basiert. Diese <strong>Tier</strong>e<br />
werden dann als Wildtiere respektiert<br />
und nicht wie dressierte Pudel<br />
behandelt. (Anm.d Red :. Beim Bau<br />
der neuen Elefanten-Anlage im Zoo<br />
Zürich werden solche Ansätze berücksichtigt<br />
werden. Im Kinderzoo<br />
Rapperswil hingegen ist eine fortschrittliche<br />
Elefantenhaltung aus<br />
Platzgründen nicht möglich.)<br />
<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> : Was bedeutet es für einen<br />
Elefanten, wenn er aus seiner<br />
angestammten Gruppe in eine<br />
neue wechseln muss ? Könnte es<br />
<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> 3/10<br />
Elefantenreiten : Keine tiergerechte Beschäftigung.<br />
sein, dass Sabu ihre Artgenossen<br />
aus dem Zirkus « fehlen » ?<br />
Tobias Dornbusch : Elefanten sind<br />
die <strong>Tier</strong>e mit den engsten sozialen<br />
Bindungen die wir kennen. Und es<br />
besteht kein Zweifel daran, dass<br />
Elefanten ihre Artgenossen vermissen<br />
können ! Gut befreundete<br />
Elefantenkühe zu trennen gehört<br />
zu dem schlimmsten, was man<br />
diesen <strong>Tier</strong>en antun kann. Im Zirkus<br />
beobachten wir interessanterweise<br />
jedoch das genaue Gegenteil.<br />
Weil die Dickhäuter dort keine zusammengewachsenen<br />
Herden sind,<br />
sondern willkürlich zusammen gehaltene<br />
Einzeltiere sind, kommt es<br />
im Zirkus häufig zu Unverträglichkeiten.<br />
Beim Circus Knie war die<br />
junge Burma-Elefantin « Mapalay »<br />
schon immer eine Aussenseiterin.<br />
Während der Saison 2009 wurde<br />
« Rani » offenbar wegen Unverträglichkeit<br />
aus der Tournee genommen<br />
und nach Rapperswil gebracht. <br />
Artgerechte Beschäftigung.<br />
Elefanten verbringen viel Zeit mit der<br />
Nahrungssuche und -aufnahme.<br />
Links<br />
Elefanten-Schutz Europa e.V.,<br />
Grünwald DE<br />
Der Verein Elefanten-Schutz Europa<br />
e.V. mit seiner Arbeitsgruppe<br />
European Elephant Group beschäftigt<br />
sich seit rund 25 Jahren mit der<br />
Haltung von Elefanten in Zoo und<br />
Zirkus. Bisher wurden 5 Dokumentationen<br />
herausgegeben und<br />
seit 2002 veröffentlicht der Verein<br />
zweimal jährlich ein Magazin zum<br />
Thema Elefanten. Der Elefanten-<br />
Schutz Europa konnte als grössere<br />
Erfolge schon mehrfach Beschlagnahmungen<br />
von Zirkus-Elefanten<br />
erwirken und die <strong>Tier</strong>e dann an<br />
bessere Haltungsstätten vermitteln.<br />
www.elefanten-schutz-europa.de<br />
E-Mail : info@elefanten-schutzeuropa.de<br />
Space for Elephants<br />
Foundation SEF<br />
Die SEF ist bemüht Wege zu finden<br />
um Land und Freiräume für Elefanten<br />
und andere Wildtiere zu schaffen.<br />
SEF ist bestrebt Korridoren<br />
welche die Schutzgebiete verbinden<br />
zu schaffen und dadurch die Migrationswege<br />
der Elefanten wieder<br />
herzustellen. SEF setzt sich zudem<br />
dafür ein entlang dieser Korridore<br />
wirtschaftliche Möglichkeiten für<br />
die ländliche Bevölkerung zu ermöglichen.<br />
SEF fördert und ermöglicht<br />
die Forschung an Elefanten<br />
und anderen Wildtieren.<br />
www.spaceforelephants.org<br />
E-Mail : digspascoe@zulukingdom.<br />
co.za<br />
7
« Gedanken zur Haltung von<br />
Elefanten im Zirkus »<br />
8<br />
VON DR. MARION E. GARAÏ / SEF<br />
Im 21. Jahrhundert gehören Elefanten<br />
nicht mehr in den Zirkus.<br />
Vorführungen in der Manege haben<br />
keinen erzieherischen Wert, die<br />
Kinder lernen höchstens, dass man<br />
<strong>Tier</strong>e dazu missbrauchen kann sich<br />
zu amüsieren. Es läge am Publikum<br />
zu bestimmen, dass es diese <strong>Tier</strong>quälerei<br />
nicht weiter akzeptiert. Unseren<br />
Kindern sollten wir auf angemessenere<br />
Art die wirkliche Schönheit<br />
und Würde dieser <strong>Tier</strong>e näher bringen.<br />
Und sie als das was sie sind,<br />
nämlich Wildtiere, respektieren.<br />
Unfreiwillige Zirkusclowns<br />
Foto : Archiv EEG<br />
Eines ist klar : um im Zirkus aufzutreten,<br />
muss das <strong>Tier</strong> sich völlig der<br />
Dominanz des Menschen unterordnen.<br />
Das bedeutet, dass seine Entscheidungsfreiheit<br />
fast ganz wird.<br />
Selbst Entscheidungen zu treffen<br />
und wählen zu können ist ein ganz<br />
wichtiger psychologischer Faktor.<br />
Wird er ständig unterdrückt, kann<br />
dies chronische Stressreaktionen<br />
auslösen.<br />
Etliche Studien zeigen, dass zwischen<br />
Mensch und Elefant bezüglich<br />
Hirnstruktur gar kein so grosser<br />
Unterschied besteht. Elefanten besitzen<br />
sogenannt höhere kognitive<br />
Fähigkeiten, sie sind fähig zum<br />
Werkzeuggebrauch, haben komplexe<br />
Kommunikationssysteme und<br />
ein enges Sozialleben. Sie verfügen<br />
über <strong>Pro</strong>blemlösungsfähigkeiten,<br />
die Anlage zu begrifflichem und<br />
logischem Denken. Sie haben einen<br />
Begriff vom Tod und sie haben einen<br />
Begriff vom « Ich » ; letzteres wurde<br />
anhand von Spiegelversuchen, bei<br />
denen sich Elefanten selber im Spiegel<br />
erkannten, deutlich gezeigt. Sie<br />
verfügen zudem über ein aussergewöhnliche<br />
gutes Langzeit- und<br />
episodisches Gedächtnis.<br />
Elefanten gehören in die freie<br />
Wildbahn. Die Haltung auf engem<br />
Raum, in Zirkussen und Zoos kann<br />
ihrem Bewegungsbedürfnis niemals<br />
gerecht werden.<br />
Jungtiere die aus der Wildbahn<br />
gefangen wurden, ihre Familie und<br />
Mutter verloren haben, den Transport,<br />
Flug und Umsiedlung durchmachten,<br />
haben ein Trauma erlebt,<br />
welches sie ein Leben lang prägt.<br />
Noch nach vielen Jahren können<br />
sie sogenannte « Flashbacks » haben,<br />
d.h. plötzlich durch irgendeinen<br />
Reiz, auch unbewusst, ausgelöste<br />
Erinnerungsbilder an das<br />
Trauma. Es kann zu Folgereaktionen<br />
wie Angst, Flucht oder Aggression<br />
kommen. Etwas vom brutalsten ist<br />
die Zähmung und das Brechen des<br />
Willens eines kleinen Elefanten.<br />
Zirkuselefanten werden oft in<br />
viel zu kleinen Gehegen gehalten,<br />
manchmal werden sie angekettet.<br />
Meist haben sie keine artgemässe<br />
Beschäftigung. Das Reisen auf<br />
Tournee in Containern belastet die<br />
Gelenke, denn bei jedem Ruck und<br />
in jeder Kurve müssen die <strong>Tier</strong>e gegensteuern<br />
um die Balance zu halten.<br />
Sie stehen oft im eigenen Kot<br />
und Urin, oder auf zu hartem, nassen<br />
Boden und haben viel zu wenig<br />
Bewegung und Auslauf. Fussprobleme,<br />
Entzündungen, Arthritis<br />
und Hautkrankheiten sind keine<br />
<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> 3/10
Foto : Archiv EEG<br />
Seltenheit. Haltungsbedingungen<br />
im Zirkus sind, bedingt durch den<br />
Platzmangel, oft miserabel und<br />
entsprechen zuweilen nicht einmal<br />
den Mindestanforderungen des <strong>Tier</strong>schutzes.<br />
Der Circus Knie ist bekanntlich<br />
einer der « Besten ». Aber auch wenn<br />
die äusserlichen Umstände bei Knie<br />
besser sind als bei anderen Zirkussen,<br />
heisst das noch lange nicht,<br />
dass dieses Leben für die Elefanten<br />
optimal ist, denn viele leiden<br />
psychisch.<br />
Lieber Zirkus als Zoo ?<br />
Manche Leute denken ein Leben<br />
im Zirkus sei besser ist als im Zoo,<br />
denn die Elefanten hätten dort wenigstens<br />
Beschäftigung durch <strong>Pro</strong>ben<br />
und Vorführungen. Aber welcher<br />
Elefant in der freien Wildbahn<br />
dreht von sich aus sinnlose Kreise,<br />
steht auf zwei oder gar nur einem<br />
Bein, auf seinem Kopf, oder lässt Tiger<br />
auf seinen Rücken springen ? Im<br />
Zirkus müssen die <strong>Tier</strong>e meist Verrenkungen<br />
und Tricks machen, die<br />
ihrem Knochenbau und ihrem natürlichen<br />
Verhalten widersprechen.<br />
Die Erziehungsmethoden sind oft<br />
brutal. Ohne Elefantenhaken, Elek-<br />
trostab, Ketten oder Schläge geht es nicht. Dies bestätigen die ehrlichen<br />
Trainer alle. Zudem beschränkt sich<br />
die Beschäftigungszeit mit Vorführungen<br />
und <strong>Pro</strong>ben nur auf einen<br />
kleinen Teil des Tages. Den Rest<br />
davon stehen sie herum und langweilen<br />
sich.<br />
Artgerechte Beschäftigung für<br />
einen Elefanten bedeutet : in einer<br />
sozialen Gruppe zu leben, Kälber<br />
aufziehen, nach Futter suchen und<br />
dieses bearbeiten, baden, sich mit<br />
Sand bestreuen und frei bewegen.<br />
Dies kann keine Zirkushaltung bieten.<br />
Langeweile und Abstumpfung<br />
sind die Folge.<br />
Elefanten sind hochsoziale <strong>Tier</strong>e<br />
mit lebenslangen Bindungen.<br />
Manchmal können Elefantinnen eine<br />
starke soziale Beziehung zueinander<br />
knüpfen. Diese werden aber oft<br />
durch die Reiserei bedingt (ein Teil<br />
der Gruppe bleibt im Winterquar-<br />
Elefantenkuh Sabu.<br />
<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> 3/10<br />
Foto : Dubois/Haug<br />
Foto : Dubois/Haug<br />
Elefanten in Knie’s<br />
Kinderzoo Rapperswil.<br />
tier) immer wieder getrennt. Das<br />
verstärkt das gespeicherte traumatische<br />
Erlebnis aus der Kindheit.<br />
Der Fall Sabu<br />
Es scheint, dass sie die Dominanz<br />
der Menschen nicht mehr<br />
so ganz akzeptiert und soll daher<br />
in Knie’s Kinderzoo in Rapperswil<br />
bleiben. Leider entspricht dieser<br />
Zoo nicht den modernen Anforderungen.<br />
Das Aussengehege ist relativ<br />
klein. Wenigstens stehen Bad<br />
und Suhle zur freien Verfügung und<br />
an warmen Tagen dürfen die <strong>Tier</strong>e<br />
ab und zu unter Beobachtung am<br />
See spazieren. Man kann nur hoffen,<br />
dass auch hier neue Erkenntnisse<br />
zur Beschäftigungstherapie<br />
eingesetzt werden, denn Kinderreiten<br />
ist keine artgerechte Beschäftigung,<br />
sondern billiges Amusement<br />
für die Besucher. Positiv ist,<br />
dass Sabu nun nicht mehr Reisen<br />
muss und demzufolge doch etwas<br />
mehr Ruhe hat. Positiv wird sich<br />
auch auswirken, dass sie sich nun<br />
in eine feste Sozialeinheit einfügen<br />
muss. <br />
9
10<br />
Foto : Hans Schmid<br />
Vogelschlag :<br />
Glasfassaden als<br />
Todesfallen<br />
Jedes Jahr werden in der Schweiz rund eine Million<br />
Vögel Opfer von Kollisionen mit Glasgebäudefronten.<br />
Denn Vögel können Glas nicht als Hindernis erkennen.<br />
Moderne Architektur um jeden Preis oder bringt urbanes<br />
Bauen auch eine ethische Verantwortung mit sich,<br />
Vogelschutz-relevante Aspekte zu berücksichtigen?<br />
Oben : Vögel<br />
Ein dumpfer Schlag kündet von einem neuerlichen<br />
Unglück. Mit gebrochenem Genick<br />
und verdrehten Flügeln liegt die Amsel tot<br />
auf dem Boden. Vögel können Glas nicht erkennen<br />
– sie sehen nur die Landschaft, die<br />
werden durch durch das Glas hindurch sichtbar ist oder<br />
die Spiegelung sich darin spiegelt. Die gefiederten Wildtiere<br />
verleitet, zu den fliegen deshalb oft mit voller Wucht gegen<br />
vermeintlichen Fensterscheiben und Glasfronten.<br />
Bäumen zu fliegen Doch wie viele Vögel werden tatsächlich<br />
und kollidieren in Opfer der für sie unsichtbaren Fallen ? Im<br />
vollem Flug mit September 2009 lancierte das Wissensma-<br />
dem Glas.<br />
gazin « Einstein » des Schweizer Fernsehens<br />
zusammen mit der Vogelwarte Sempach<br />
und dem Schweizer Vogelschutz SVS un-<br />
Von ter dem Namen « Vogelkiller Glas » eine Stu-<br />
Nathalie Dubois die zur Beobachtung von problematischen<br />
und Helen Weiss Fenster- und Glasflächen. Denn bisher war<br />
das <strong>Pro</strong>blem von Vogelkollisionen zwar bekannt,<br />
aber genauere Zahlen fehlten. Die Resultate<br />
der Erhebung zeigten : Selbst Scheiben<br />
und Fenster, die von Fachleuten als eher<br />
unproblematisch eingestuft wurden, haben<br />
zum Tod von Vögeln geführt. Sie ergaben<br />
zudem, dass unter den Opfern sämtliche<br />
Vogelarten zu finden sind : vom Zaunkönig<br />
bis zum Eichelhäher. Die Zahl der jährlichen<br />
Scheibenopfer für die Schweiz dürfte um ein<br />
Vielfaches höher liegen als bis anhin vermutet.<br />
Die Fachleute gingen aufgrund einer<br />
amerikanischen Studie von ein bis zwei<br />
toten Vögeln pro Jahr und Gebäude aus.<br />
« Vogelkiller Glas » zeigte, dass im Durchschnitt<br />
aber fünf bis sechs Vögel je Haus<br />
realistisch sind. Somit sterben jährlich rund<br />
eine Million Vögel allein in der Schweiz. Die<br />
<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> 3/10
Foto : Hans Schmid<br />
<strong>Pro</strong>blematik verschärft sich jeweils massiv,<br />
wenn sich Zugvögel im Herbst auf den Weg<br />
in den Süden machen.<br />
« Das sind jedoch Hochrechnungen »,<br />
sagt Eva Inderwildi, <strong>Pro</strong>jektleiterin Vögel<br />
und Glas beim Schweizer Vogelschutz<br />
SVS / BirdLife Schweiz. Denn nicht alle Vögel<br />
sterben sofort, sondern leben zum Teil noch<br />
stunden- oder tagelang, bevor sie an inneren<br />
Verletzungen zugrunde gehen. Zudem<br />
sind tote oder verletzte <strong>Tier</strong>e am Fuss von<br />
Gebäuden ein gefundenes Fressen für Marder,<br />
Füchse und Katzen, die solche « Futterstellen<br />
» regelmässig aufsuchen.<br />
Bau-Trend zu « Glaspalästen »<br />
Glas liegt derzeit im Trend und ist bei vielen<br />
Architekten ein immer beliebteres Gestaltungselement.<br />
Gerade im urbanen Bereich<br />
werden viele Prestigebauten komplett verglast<br />
gebaut. Aktuelles Beispiel ist der Prime<br />
Tower in Zürich mit seiner durchgehenden<br />
Fassade aus insgesamt 4300 Glasplatten<br />
über eine Gesamthöhe von 126 Metern.<br />
Vor einigen Jahren hat bereits das praktisch<br />
komplett verglaste « Elsässertor » in Basel<br />
Negativschlagzeilen gemacht, weil unzählige<br />
Vögel an den spiegelnden Glasfronten<br />
den Tod gefunden haben (siehe Kasten).<br />
Eine ähnliche Todesfalle könnte der Neubau<br />
des Messezentrums, ebenfalls in Basel,<br />
darstellen. Lange Zeit war in der Architektur<br />
das Vogelsterben an Glasscheiben ein kaum<br />
beachtetes Thema und in der einschlägigen<br />
Literatur über Glasarchitektur praktisch inexistent.<br />
Mit dem zunehmenden Trend hin<br />
zum Bau von « Glaspalästen » drängt sich<br />
eine Auseinandersetzung mit der <strong>Pro</strong>blematik<br />
aber immer mehr auf. Eine intensive<br />
Zusammenarbeit zwischen Vogelschutzorganisationen,<br />
Wissenschaft und Architekten<br />
zur Ausarbeitung lösungsorientierter Ansätze<br />
und Entwicklung neuer Technologien ist<br />
unumgänglich.<br />
Architekten und Behörden<br />
tragen Mitverantwortung<br />
Es ist illusorisch Bauten mit Glasfassaden<br />
zum Schutz der Vögel verbieten zu wollen.<br />
Es kann aber nicht sein, dass gesetzliche Bestimmungen<br />
zum Vogelschutz, die bei einer<br />
Baueingabe zwingend erfüllt sein müssten,<br />
fehlen. Deshalb ist es überaus wichtig, dass<br />
auch vermehrt die Bau- und Verwaltungsbehörden<br />
ihre, letztlich auch ethische, Verantwortung<br />
wahrnehmen. So hatte noch<br />
2006 die Stadt Zürich die Baubewilligung<br />
<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> 3/10<br />
Quelle : pixelio.de<br />
Quelle : Marc Tschudin<br />
Quelle : Marc Tschudin<br />
Quelle : SVS / BirdLife Schweiz<br />
Quelle : pixelio.de<br />
1<br />
Gimpel 2<br />
Star 3<br />
Neuntöter 4<br />
Ringeltaube 5<br />
Bild 1 :<br />
Die <strong>Pro</strong>blematik des<br />
Vogelschlags verschärft<br />
sich, wenn<br />
sich die Zugvögel ab<br />
Mitte August auf den<br />
Weg in den Süden<br />
machen.<br />
Bild 2 & 3 :<br />
Rund eine Million<br />
Vögel werden<br />
jährlich allein in der<br />
Schweiz Opfer der<br />
unsichtbaren Todesfalle<br />
Glas.<br />
Bild 4 & 5 :<br />
Tote oder verletzte<br />
<strong>Tier</strong>e nach einer<br />
Kollision sind ein<br />
gefundenes Fressen<br />
für Marder, Füchse<br />
und Katzen.<br />
11
Die neue Haltestelle am Wettsteinplatz<br />
in Basel ist ein Beispiel<br />
vorbildlicher Bauweise : ansprechendes,<br />
modernes Design, das durch<br />
die Streifenmuster für die Vögel<br />
als Hindernis erkannt wird.<br />
für den Prime Tower unverständlicherweise<br />
ohne jegliche Auflagen<br />
für die Fassadengestaltung erteilt.<br />
Die Ausarbeitung von Richtlinien<br />
und Auflagen bei Neubauten mit<br />
Glasfassaden ist für den Vogelschutz<br />
also dringend erforderlich.<br />
Es kann nicht einfach dem Goodwill<br />
des Architekten oder Bauherrn<br />
überlassen werden, sich Gedanken<br />
zum Vogelschutz zu machen und<br />
nach Gutdünken geeignete Mittel<br />
zur Verhinderung von Vogelschlag<br />
in Betracht zu ziehen.<br />
Denn gerade in den Städten<br />
gibt es immer weniger Platz – für<br />
Mensch und <strong>Tier</strong>. Wir tragen deshalb<br />
aus ethischer Sicht eine Verantwortung,<br />
mit unserem Lebensraum und<br />
dem unserer Mitgeschöpfe, sorgsam<br />
und umweltverträglich umzugehen.<br />
Ökologisches, sprich klimaverträgliches<br />
Bauen ist bereits an der Tagesordnung.<br />
Dasselbe sollte in naher<br />
Zukunft auch für eine gewisse <strong>Tier</strong>schutzverträglichkeit<br />
gelten. Interessanterweise<br />
haben Studien ergeben,<br />
dass oftmals Lösungen, die<br />
einen angemessenen Vogelschutz<br />
bieten, sich auch klimatechnisch<br />
optimal verhalten.<br />
12<br />
Mögliche Massnahmen<br />
und Lösungen<br />
In Deutschland etwa wurde in Zusammenarbeit<br />
mit dem Max-Planck-<br />
Institut für Ornithologie ein Spezialglas<br />
namens Ornilux entwickelt.<br />
Eine neuartige Beschichtung mit<br />
UV-optischer Wirkung sorgt dafür,<br />
dass die Vögel das Glas leichter<br />
als Hindernis erkennen. « Ohne den<br />
Menschen die Sicht zu behindern,<br />
mindert Ornilux das Risiko von Vogelschlag<br />
um rund drei Viertel »,<br />
heisst es seitens des Herstellers. « In<br />
der Schweiz durchgeführte Tests mit<br />
ähnlichem Glastyp zeigten jedoch<br />
kein solch eindeutiges Resultat »,<br />
bedauert Eva Inderwildi vom SVS.<br />
Die Fachfrau weist deshalb auf Markierungen<br />
hin – Streifen oder<br />
graphische Muster – die vom<br />
Hersteller direkt ins Glas gefräst<br />
werden. Die Form der<br />
Musterung spielt dabei keine<br />
Rolle. « Dadurch spiegelt die<br />
Scheibe nicht mehr und wird<br />
von Vögeln als Hindernis erkannt<br />
», erklärt Inderwildi.<br />
Vogelschutzfolie, aber auch<br />
Kinderzeichnungen mit Fensterfarbe<br />
oder Wandtattoos,<br />
die aussen auf die Scheibe<br />
aufgeklebt werden, schützen<br />
Vögel vor der Todesfalle Glas.<br />
Quelle : SVS / BirdLife Schweiz<br />
Überhaupt liegt eine grosse<br />
Hoffnung in der Entwicklung neuer<br />
Technologien, um für den Menschen<br />
nicht oder kaum, wohl aber für Vögel,<br />
sichtbare Strukturen in das Glas<br />
einzuarbeiten. Auch die Reduzierung<br />
des Aussenreflexionsgrads, und damit<br />
der Spiegelwirkung des Glases<br />
auf maximal 15 <strong>Pro</strong>zent, entschärft<br />
das <strong>Pro</strong>blem. Weitere geeignete<br />
Massnahmen sind spezielle Netze,<br />
bombiertes (gewölbtes) Glas oder<br />
geneigte Glasflächen.<br />
Vogelschutz im<br />
privaten Bereich<br />
Doch auch wer sich im privaten Bereich<br />
in einem Neubau oder einer<br />
Mietwohnung mit grossflächigen<br />
Quelle : SVS / BirdLife Schweiz<br />
<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> 3/10
Glasscheiben konfrontiert sieht, kann<br />
Abhilfe schaffen. Zur Abschreckung<br />
gedachte Greifvogel-Silhouetten<br />
sind dabei jedoch wenig wirkungsvoll,<br />
besonders dann nicht, wenn sie<br />
von innen an die Scheiben geklebt<br />
werden. Durch die Spiegelung können<br />
viele Vögel sie nicht erkennen.<br />
Zudem werden solche schwarze<br />
Silhouetten in der Dämmerung<br />
ganz und gar wirkungslos. Daher<br />
wären, wenn überhaupt, gelb-rote<br />
Aufkleber zu wählen, wie sie bei der<br />
Schweizerischen Vogelwarte Sempach<br />
erhältlich sind. Um wirksam zu<br />
sein, müssen die Markierungen aber<br />
dicht genug (etwa eine Handbreite)<br />
angebracht werden.<br />
<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> 3/10<br />
Foto : Hans Schmid<br />
Foto : Hans Schmid<br />
Die Fenster müssen jedoch<br />
nicht zwingend mit Silhouetten<br />
von Greifvögeln beklebt werden.<br />
Ebenso wirkungsvoll sind etwa<br />
so genannte « Birdstripes », gelbe,<br />
zwei Zentimeter breite Streifen, die<br />
im Abstand von vier bis zehn Zentimetern<br />
senkrecht von aussen auf die<br />
Scheibe geklebt werden. Der SVS<br />
bietet zudem halbtransparente Folien<br />
in Kreis- oder Quadratform zum<br />
Aufkleben an.<br />
Erste Hilfe<br />
Findet man einen verunfallten, noch<br />
lebenden Vogel, sollte man ihn behutsam<br />
in eine Kartonschachtel mit<br />
Luftlöchern legen, die man ein bis<br />
zwei Stunden an einem dunklen, ruhigen<br />
Ort stellt. Vögel ziehen sich<br />
bei solchen Kollisionen im besten<br />
Fall « nur » eine Hirnerschütterung<br />
zu, von der sie sich bei entsprechender<br />
Ruhe relativ schnell wie-<br />
Massenkollision am Elsässertor in Basel<br />
Im Herbst 2005 kam es zu einer aussergewöhnlichen Invasion von Tannenmeisen,<br />
wie sie nur alle paar Jahre vorkommt. Damals fielen rund um das Elsässertor<br />
zu Dutzenden tote Vögel vom Himmel. Der prunkvolle Neubau entpuppte sich<br />
als tödliche Vogelfalle. Obwohl man die <strong>Pro</strong>bleme mit Vögeln und Glasfassaden<br />
kannte, dachten die Star-Architekten Herzog & de Meuron offenbar keinen<br />
Moment an Vogelschutz. Die Ästhetik war ihnen wichtiger. <strong>Pro</strong> Tag starben an<br />
diesem Bau 20 bis 30 Vögel. Die kollidierten <strong>Tier</strong>e lagen überall tot auf dem<br />
Boden. Ein jämmerliches Bild. Zusätzlich zum Verhängnis wurden den Vögeln<br />
die um das Gebäude gepflanzten Bäume, die sich im Glas spiegeln und ihnen<br />
eine « Scheinwelt » vorgaukeln. Im Sinne einer kurzfristigen Massnahme liess<br />
man einen Teil der Fensterfront mit speziellen Netzen verkleiden. Damit wurde<br />
dem Glas die Spiegelung genommen und das Gebäude, für Vögel, als Hindernis<br />
erkennbar. Die Netze wurden nach dem Vogelzug aber wieder entfernt. Weitere,<br />
längerfristige Vorkehrungen sind bisher unverständlicherweise nicht getroffen<br />
worden, die Vogelfalle ist somit keineswegs entschärft. Sollte es wieder zu einer<br />
ähnlichen Vogelinvasion kommen ist das nächste Massaker vorprogrammiert.<br />
Quelle : pixelio.de<br />
der erholen. Danach kann man den<br />
Patienten draussen, in der Nähe von<br />
schützenden Sträuchern, wieder frei<br />
lassen. Gelingt es dem Vogel aber<br />
nicht zu starten oder ist er beim Auffinden<br />
offensichtlich verletzt oder<br />
blutet sogar, sollte er sofort in eine<br />
Pflegestation oder zu einem <strong>Tier</strong>arzt<br />
gebracht werden (siehe Links).<br />
« Vögel haben nach dem Aufprall<br />
oft schwere, innere Verletzungen »,<br />
so Inderwildi. Die Chancen auf Heilung<br />
stehen deshalb leider meist<br />
schlecht. <br />
Weitere Informationen :<br />
Schweizer Vogelschutz<br />
SVS / BirdLife Schweiz<br />
Postfach<br />
8036 Zürich<br />
T : 044 457 70 20<br />
svs@birdlife.ch<br />
www.birdlife.ch<br />
Schweizerische Vogelwarte<br />
6204 Sempach<br />
T : 041 462 97 00<br />
info@vogelwarte.ch<br />
www.vogelwarte.ch<br />
Leitfaden « Vogelfreundliches Bauen<br />
mit Glas und Licht » / Download<br />
unter www.vogelglas.info<br />
Links :<br />
Pflegestationen für verunfallte<br />
Vögel :<br />
www.birdlife.ch/pdf/<br />
pflegestationen.pdf<br />
Merkblätter Vögel und Scheiben :<br />
www.birdlife.ch/d/service_<br />
merkblaetter.html<br />
13
Kühe brauchen<br />
ihre Hörner<br />
Mittlerweile haben Kühe mit Hörnern Seltenheitswert. In der<br />
Schweiz sind bereits 90% der Kühe hornlos. Doch durch das<br />
Enthornen beraubt man sie eines überaus wichtigen Organes<br />
– die Hörner dienen den hochsozialen <strong>Tier</strong>en zur Kommunikation<br />
und zur Körperpfl ege. Ist es ethisch vertretbar, aus vor<br />
allem wirtschaftlichen Gründen, unsere Nutztiere durch einen<br />
solch massiven Eingriff in ihr äusseres Erscheinungsbild den<br />
Haltungssystemen anzupassen ?<br />
Kühe mit Hörnern bald<br />
ein Auslaufmodell ?<br />
14<br />
<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> 3/10
Foto : Ruth Hofmann<br />
VON NATHALIE DUBOIS<br />
Das Enthornen erfolgt in der<br />
Regel bereits beim Kalb,<br />
empfohlen wird der Eingriff<br />
in der 2. oder 3. Lebenswoche, denn<br />
dann sind die Hornknospen noch<br />
nicht allzu stark ausgebildet. Jährlich<br />
sind es rund 200 000 Kälber die<br />
enthornt werden. Man brennt den<br />
Kälbchen, unter lokaler Betäubung,<br />
die Hornansätze mit einer Art Lötkolben<br />
aus ; es können keine Hörner<br />
mehr wachsen. Augenzeugen dieses<br />
Eingriffs berichten von unterschiedlichen<br />
Szenarien. Die Beschreibungen<br />
reichen von « unter korrekter<br />
Anästhesie wenig schmerzvollen<br />
<strong>Pro</strong>zedere » bis hin zu « unerträglichen<br />
Qualen für die <strong>Tier</strong>e mit anschliessend<br />
tagelangem Kopfschlagen<br />
der Kälber oder aber völliger<br />
Apathie und Futterverweigerung. »<br />
Das <strong>Pro</strong>blem des Eingriffs liegt,<br />
nebst der absolut korrekten Durchführung<br />
durch den ausgebildeten<br />
Bauern oder einen <strong>Tier</strong>arzt, vor allem<br />
bei der Nachbehandlung. Oft<br />
genug kommt es vor, nicht zuletzt<br />
aus Kostengründen, dass die notwendigen<br />
Schmerzmittel viel zu<br />
früh abgesetzt oder gar nicht erst<br />
verabreicht werden. Das Enthornen<br />
ist in jedem Fall ein Eingriff, der für<br />
die Kälber Stress und Schmerzen<br />
bedeutet. Doch niemand weiss genau,<br />
wie gross die Schmerzen für<br />
die <strong>Tier</strong>e bei diesem Eingriff tatsächlich<br />
sind und wie lange es dauert bis<br />
sie abklingen. Die Hornansätze sind<br />
hochsensible Stellen aus denen sich<br />
die sogenannten Hornzapfen entwickeln,<br />
jener stark durchblutete und<br />
von dichten Nervenbahnen durchzogene,<br />
lebende Teil des Hornes, der<br />
für das Wachstum des eigentlichen,<br />
äusseren sichtbaren Hornes verantwortlich<br />
ist. Das Horn als zentrales<br />
Organ der Kuh wächst ein Leben<br />
lang weiter. Meist ist die älteste<br />
Kuh mit den grössten Hörnern das<br />
ranghöchste <strong>Tier</strong> in der Herde.<br />
Bei ausgewachsenen Kühen ist<br />
das Enthornen, nach einhelliger<br />
Meinung von Experten, in jedem<br />
Fall eine « wahre Schlachterei » und<br />
aus <strong>Tier</strong>schutzgründen absolut inakzeptabel.<br />
Den Kühen werden die<br />
vollständig ausgebildeten Hörner<br />
<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> 3/10<br />
abgesägt, was einer Amputation<br />
gleichkommt und für die <strong>Tier</strong>e eine<br />
massive Belastung darstellt. Es<br />
kann, nebst unvermeidbaren grossen<br />
Schmerzen, zu Komplikationen<br />
in der Wundheilung kommen, wie<br />
zum Beispiel schwere Infektionen<br />
der, durch das Absägen der Hörner,<br />
eröffneten Stirnhöhlen. Die<br />
<strong>Tier</strong>e zeigen wochenlang Symptome<br />
von hoher Schmerzbelastung.<br />
Es ist anzunehmen, dass die <strong>Tier</strong>e<br />
zudem noch lange, wenn nicht sogar<br />
für den Rest ihres Lebens, unter<br />
Phantomschmerzen leiden.<br />
Hörner sind ein<br />
wichtiges Kommunikationsmittel<br />
Kühe haben von Natur aus Hörner<br />
und das hat auch durchaus seinen<br />
Sinn. Die Hörner erfüllen im sozialen<br />
Umgang des Herdentieres Kuh einen<br />
wichtigen Zweck, ja sie sind das<br />
eigentliche Hauptinstrument für die<br />
fein abgestimmte Kommunikation.<br />
« Es sind kleinste Kopfbewegungen<br />
mit denen Kühe einander mitteilen<br />
ob die Gegenwart der anderen erwünscht,<br />
toleriert oder absolut nicht<br />
geduldet ist » erklärt Martin Ott. Er ist<br />
Mitpächter des Guts Rheinau, einer<br />
der grösseren Landwirtschaftsbetriebe<br />
der Schweiz (www.fintan.ch)<br />
und Stiftungsratspräsident des Forschungsinstituts<br />
für biologischen<br />
Landbau (FiBL) in Frick. Martin Ott<br />
ist ein Verfechter von behornten<br />
Kühen und so sind auf dem Gut<br />
Die Hörner bei Kühen sind<br />
so individuell wie ihre<br />
Persönlichkeiten.<br />
Foto : Nathalie Dubois<br />
Foto : Thomas Haug<br />
Dieses Kalb auf dem<br />
Gut Rheinau darf seine<br />
Hörner behalten.<br />
Rheinau auch keine hornlosen <strong>Tier</strong>e<br />
mehr anzutreffen.<br />
Behornte <strong>Tier</strong>e strahlen durch<br />
ihr arteigenes, natürliches Erscheinungsbild<br />
Autorität aus und haben<br />
deshalb auch mehr Respekt voreinander,<br />
die Rangfolge ist daher viel<br />
klarer als bei Kühen ohne Hörner.<br />
Sie muss zwar in jeder Herde hin<br />
und wieder neu festgelegt oder<br />
bestätigt werden aber in viel geringerem<br />
Mass als bei <strong>Tier</strong>en ohne<br />
Hörner. Deshalb sind Herden mit<br />
behornten Kühen in ihrem Sozialverhalten<br />
viel stabiler als hornlose<br />
Gruppen. Vielfach sind enthornte<br />
<strong>Tier</strong>e nervöser, weil sie in ihrer Stellung<br />
innerhalb der Herde unsicher<br />
sind. Es kann aber auch sein, dass<br />
sie abstumpfen, weil sie durch das<br />
Enthornen sozusagen « sprachlos »<br />
gemacht werden.<br />
Hörner sind auch keine eigentlichen<br />
Waffen, im Gegenteil, für<br />
bestimmte Angriffe oder zur Verteidigung<br />
sind sie aufgrund ihrer<br />
Form und der seitlichen Position<br />
am Kopf der Kuh eher ungeeignet.<br />
Bei Rangkämpfen sind sie vielmehr<br />
wichtige Halteinstrumente um ein<br />
Abrutschen der Köpfe (Verletzungsgefahr)<br />
beim Stemmen zu verhindern.<br />
Solche Rangkämpfe sind denn<br />
auch nur reines Kräftemessen und<br />
verlaufen in der Regel unblutig und<br />
ohne ernsthafte Verletzungen.<br />
Die bio-dynamische Landwirtschaft<br />
sieht im Horn der Kuh einen<br />
zentralen Bestandteil des komplexen<br />
Verdauungssystems der Wiederkäuer.<br />
Hörner sollen sogar einen<br />
direkten Einfluss auf die Milchqualität<br />
haben. Enthornte Kühe sind hier<br />
deshalb undenkbar, weil damit ein<br />
15
tiefgreifender Eingriff in das Wesen<br />
der Kuh und ihren ganzen Organismus<br />
erfolgt.<br />
Nicht zuletzt dienen die Hörner<br />
den Kühen zur Körperpflege, sprich<br />
ausgiebigem Kratzen. Es gibt sogar<br />
Kühe, die dies ganz gezielt und behutsam<br />
gegenseitig tun.<br />
Laufställe : Vom Regen<br />
in die Traufe ?<br />
Als Hauptgrund für das Enthornen<br />
wird immer wieder die Sicherheit<br />
angeführt. Behornte <strong>Tier</strong>e seien sowohl<br />
füreinander als auch für den<br />
Bauern ein viel zu grosses Risiko.<br />
Es stimmt, dass Kühe mit ihren<br />
Hörnern tatsächlich schwere Verletzungen<br />
verursachen können.<br />
Dazu muss man aber auch wissen,<br />
dass das eigentliche <strong>Pro</strong>blem nicht<br />
die behornte Kuh ist, sondern die<br />
beschränkten Platzverhältnisse in<br />
der Haltung der <strong>Tier</strong>e.<br />
Mit der Umstellung von der nicht<br />
artgerechten Anbindehaltung zu<br />
zeitgemässen und tierfreundlichen<br />
Freilaufställen kamen die <strong>Pro</strong>bleme.<br />
Denn die vorgeschriebenen<br />
Mindestmasse, dieser an sich begrüssenswerten<br />
neuen Haltungssysteme,<br />
sind nicht den effektiven<br />
Platzbedürfnissen behornter Kühe<br />
angepasst. Durch den Platzmangel<br />
besteht, bei Rangeleien untereinander,<br />
eine erhöhte Verletzungsgefahr<br />
für die <strong>Tier</strong>e. Um dem Sicherheitsaspekt<br />
erhöht Rechnung zu tragen,<br />
enthornt man die Kühe nun einfach<br />
– die schnellste und bequemste Lösung.<br />
Der Preis, den die <strong>Tier</strong>e bezahlen,<br />
ist jedoch hoch.<br />
16<br />
Stolze Kuh mit<br />
ausdrucksstarken<br />
Hörnern.<br />
Foto : Nathalie Dubois<br />
Foto : Thomas Haug<br />
Mit viel Geduld wurden diese<br />
behornte Kühe daran gewöhnt,<br />
im Warteraum vor dem Melken,<br />
ruhig auf engstem Raum zu<br />
stehen.<br />
So liegt der wahre Grund für<br />
das Enthornen viel mehr in der<br />
Wirtschaftlichkeit als in der eigentlichen<br />
Sicherheit. Denn so ist es<br />
möglich mehr Kühe auf weniger<br />
Platz zu halten. Konkret halbiert<br />
sich der minimale Platzbedarf im<br />
Laufstall bei enthornten Beständen<br />
von 12 m 2 auf 6 m 2 pro <strong>Tier</strong>. « Kühe<br />
haben normalerweise einen Kommunikationsradius<br />
von ungefähr<br />
5 m, das heisst jedes Individuum<br />
beherrscht diesen Raum für sich,<br />
ein natürlicher Sicherheitsabstand<br />
sozusagen », erklärt Martin Ott. Da<br />
die <strong>Tier</strong>e durch feine Zeichen und<br />
Signale miteinander kommunizieren<br />
erfolgen auch selten direkte Körperkontakte<br />
wie Kopfstösse und Rempeleien.<br />
Stehen die <strong>Tier</strong>e aber auf<br />
zu engem Raum, fehlt ihnen dieser<br />
natürliche Sicherheitsabstand.<br />
Enthornt man die Kühe nun, damit<br />
sie sich bei Auseinandersetzungen<br />
auf engem Raum nicht gegenseitig<br />
ernsthaft verletzen, verlagert sich<br />
das <strong>Pro</strong>blem aber nur. Hornlose<br />
Kühe können sich nicht mehr wesensgerecht<br />
verständigen. Sie erkennen<br />
wegen der fehlenden Hörner<br />
ihre gegenseitigen Signale nicht<br />
mehr. In der Folge kommt es zu einem<br />
Überschreiten des Sicherheitsabstandes<br />
und vermehrtem direkten<br />
Körperkontakt. Martin Ott konnte beobachten,<br />
dass die Zahl der Kopfstösse<br />
8 bis 10 mal höher ist als bei<br />
behornten Gruppen. Reicht hier oft<br />
ein leichtes Stossen oder Ritzen mit<br />
dem Horn als Verwarnung, müssen<br />
die <strong>Tier</strong>e ohne Horn mehr Kraft auf-<br />
wenden um sich den gleichen Respekt<br />
zu verschaffen. Auch die Intensität<br />
der Kopfstösse erhöht sich<br />
massiv. Die Folgen sind vermehrte<br />
Blutergüsse und Rippenbrüche bis<br />
hin zu inneren Verletzungen, wie<br />
Leberquetschungen.« Die <strong>Tier</strong>e verletzen<br />
sich ohne Hörner also nicht<br />
zwingend weniger sondern einfach<br />
nur anders und von aussen kaum<br />
oder gar nicht erkennbar », gibt Martin<br />
Ott zu bedenken.<br />
Ist das Enthornen aber zwingend<br />
der Preis für eine tiergerechte Laufstallhaltung<br />
in der sich die <strong>Tier</strong>e frei<br />
bewegen können ?<br />
Wichtiger Bezug zum <strong>Tier</strong><br />
Dass eine Laufstallhaltung von normalen<br />
Kühen durchaus machbar<br />
ist, zeigen verschiedene, engagierte<br />
(Bio)-Bauern. Aber sie bedeutet<br />
ganz klar mehr Aufwand, mehr Zeit<br />
und letztlich auch mehr Geld. Das<br />
Engagement des Bauern spielt hier<br />
eine zentrale Rolle. Früher wurden<br />
die <strong>Tier</strong>e im Stall angebunden, sie<br />
konnten einander also weniger verletzen.<br />
Ihre Rangordnung machten<br />
sie im besten Fall auf der Weide aus.<br />
Die Sicherheit für den Bauern war<br />
trotz mehrheitlich angebundener<br />
Kühe aber nicht zwingend grösser,<br />
denn durch das regelmässige<br />
An- und Losbinden der <strong>Tier</strong>e hatte<br />
er mehr direkten Kontakt mit ihnen<br />
und damit ein grösseres Risiko für<br />
heikle Situationen. Auf der anderen<br />
Seite war aber auch der Bezug zum<br />
einzelnen <strong>Tier</strong> grösser, zumindest<br />
<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> 3/10
Foto : Thomas Haug<br />
was das Handling betraf. Im Laufstall<br />
ist die Bindung des Bauern<br />
zum einzelnen <strong>Tier</strong> indes loser. Die<br />
<strong>Tier</strong>e sind weniger oder kaum mehr<br />
auf « ihren » Menschen bezogen wie<br />
früher. Zudem kann der Bauer bei<br />
einem Gerangel schnell einmal unfreiwillig<br />
zwischen die Fronten geraten.<br />
Von enormer Wichtigkeit ist es<br />
deshalb, Ruhe und Stabilität in die<br />
Herde zu bringen. Der Bauer muss<br />
seine <strong>Tier</strong>e genau kennen. Damit sie<br />
nicht « verwildern » ist eine frühkindliche<br />
Prägung für die Mensch-<strong>Tier</strong>beziehung<br />
sehr wichtig. Das Halten<br />
von behornten Kühen erfordert,<br />
nebst mehr Platz, ganz klar mehr<br />
Aufwand und Einsatz des Bauern.<br />
Er muss Ruhe ausstrahlen und er<br />
braucht ein feines Gespür im täglichen<br />
Umgang mit den <strong>Tier</strong>en um<br />
wenn nötig integrativ einzugreifen<br />
um die Herde zu stabilisieren. Er<br />
muss eine natürliche Autorität ausstrahlen<br />
und die Rolles des Herdenführers<br />
übernehmen.<br />
Martin Ott hat für seine Kuhherde<br />
viel Zeit aufgewendet und mit den<br />
<strong>Tier</strong>en immer und immer wieder geübt.<br />
Sein Einfühlungsvermögen und<br />
seine Kompetenz im Umgang mit<br />
den <strong>Tier</strong>en trägt Früchte. Besonders<br />
eindrücklich zeigt sich dies im Warteraum<br />
vor dem Stall zum abendlichen<br />
Melken. Es habe ihn einiges<br />
an Geduld gekostet um die Herde<br />
so ruhig stehen zu haben, sagt er<br />
nicht ohne Stolz. Und tatsächlich, es<br />
ist ein ganz spezieller Anblick : Die<br />
35 Kühe einer Leistungsgruppe, inklusive<br />
Stier, stehen auf einer Fläche<br />
von knapp 150m 2 , Horn an Horn, und<br />
warten geduldig, bis sie an die<br />
Reihe kommen. Obwohl<br />
die Kühe in diesem Moment<br />
ihren persönlichen<br />
« Sicherheitsabstand »<br />
unterschreiten müssen,<br />
bleiben die <strong>Tier</strong>e ruhig.<br />
Ihr Herdenchef Bauer<br />
Ott, dem sie vertrauen,<br />
hat sie dies gelehrt.<br />
Konsumententäuschung :<br />
Auch Biomilch stammt<br />
nur noch selten von<br />
Kühen mit Hörnern.<br />
<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> 3/10<br />
Nebst viel gutem Willen sind<br />
aber auch einige bauliche Anpassungen<br />
im Laufstall nötig um ihn<br />
« horntauglich » zu machen. Insbesondere<br />
brauchen die <strong>Tier</strong>e mehr<br />
Platz um einander ausweichen zu<br />
können – ein wichtiges Verhaltenssignal<br />
um Dominanz, beziehungsweise<br />
Unterwerfung zu demonstrieren.<br />
Die damit verbundenen Kosten kann<br />
und will nicht jeder Bauer investieren.<br />
Und nicht zuletzt bedeutet die<br />
Haltung von Hornkühen immer auch<br />
eine kleinere Besatzdichte.<br />
Keine Werbung ohne<br />
Hörner<br />
Dass mit Kühen ohne Hörner etwas<br />
nicht ganz stimmt und ihr Anblick<br />
zuweilen Befremden auslöst hat<br />
auch die Werbe-und Tourismusindustrie<br />
gemerkt. Obwohl kaum eine<br />
« Milchproduzentin » noch behornt<br />
ist, prangen auf den Verpackungen<br />
von Milch, Käse oder Butter fast<br />
ausschliesslich Kühe mit prächtigen<br />
Hörnern. Das berühmteste Beispiel<br />
ist Lovely, die schwarz-weiss<br />
gefleckte Kuh von Swissmilk. Lovely<br />
kann vieles, wie zum Beispiel<br />
Fussball spielen, Yoga oder Karate,<br />
nur eines kann sie nicht – Hörner<br />
ihr Eigen nennen. Dem hornlosen<br />
Original wurden die Hörner mittels<br />
Computer nachträglich wieder aufgesetzt<br />
! Weil für die meisten Menschen<br />
die Hörner noch immer zur<br />
Kuh gehören, wird ihnen in der Werbung<br />
einfach vorgetäuscht, was in<br />
der Realität längst nicht mehr die<br />
Regel ist.<br />
Vor allem bei Bioprodukten<br />
wiegt der Betrug am<br />
schwersten, verbinden<br />
doch viele Konsumenten<br />
« bio » mit Nachhaltigkeit<br />
und besonderer<br />
<strong>Tier</strong>freundlichkeit.<br />
Kaum jemand käme<br />
auf die Idee, dass sehr<br />
viele Bio-Kühe genauso<br />
enthornt sind. So<br />
überlässt Bio Suisse<br />
ihren Mitgliedern die<br />
Entscheidung ob sie<br />
ihre <strong>Tier</strong>e enthornen<br />
oder nicht. Fast alle tun<br />
es. Einzig das strenge<br />
Bio-Label Demeter schreibt in seinen<br />
Richtlinien zwingend vor, dass<br />
Kühe nicht enthornt werden dürfen.<br />
Natürlich ist dies kein Argument, keine<br />
Bioprodukte mehr zu kaufen. Soweit<br />
sie ansonsten besonders tierfreundliche<br />
Auflagen erfüllen, sind<br />
sie immer noch besser als tierische<br />
Erzeugnisse aus konventioneller<br />
<strong>Pro</strong>duktion, wo Hornkühe ohnehin<br />
fast ganz verschwunden sind.<br />
Das Label KAGfreiland verbietet<br />
die Enthornung von ausgewachsenen<br />
Kühen und strebt mittelfristig<br />
auch ein Verbot bei Kälbern auf den<br />
eigenen Mitglieds-Betrieben an.<br />
Die Organisation lancierte diesen<br />
August die Kampagne « Horn auf ! »<br />
mit dem Ziel, die <strong>Pro</strong>blematik des<br />
Enthornens einer breiten Diskussion<br />
in der Bevölkerung zu zuführen und<br />
die Bauern zu motivieren vermehrt<br />
Kühe mit Horn auch in Freilaufställen<br />
zu halten. Zudem strebt KAGfreiland<br />
eine Förderung von <strong>Pro</strong>dukten<br />
von behornten Kühen an, wie<br />
« Hornmilch » oder « Hornkäse ».<br />
Konsumenten haben<br />
Verantwortung<br />
Es ist ethisch fragwürdig, das äussere<br />
Erscheinungsbild von <strong>Tier</strong>en aus<br />
wirtschaftlichen Gründen unseren<br />
Haltungssystemen anzupassen. Insbesondere,<br />
wenn dies mittels massiver<br />
und äusserst schmerzhafter<br />
Eingriffe in die körperliche Integrität<br />
der Lebewesen erfolgt. Diese <strong>Tier</strong>e<br />
ihres elementarsten Kommunikationsinstrumentes<br />
zu berauben, und<br />
ihnen damit ihr angeborenes Sozialverhalten<br />
teilweise zu verunmöglichen,<br />
verletzt ganz klar auch ihre<br />
Würde. Vielmehr sollten wird die<br />
Haltungsbedingungen an die <strong>Tier</strong>e<br />
und ihre artspezifischen Bedürfnisse<br />
anpassen – und nicht umgekehrt.<br />
Einmal mehr haben wir Konsumenten<br />
es in der Hand uns für die <strong>Tier</strong>e<br />
zu wehren, indem wir konsequent<br />
nur <strong>Pro</strong>dukte kaufen, die nicht auf<br />
ihre Kosten produziert werden. <br />
Mehr Infos zur Kampagne<br />
« Horn auf ! » finden Sie unter<br />
www.kagfreiland.ch<br />
17
Katalonien<br />
verbietet den<br />
Stierkampf<br />
Schluss mit der Quälerei, das forderten <strong>Tier</strong>schützer<br />
in Katalonien seit langem. Nun hat das Regionalparlament<br />
in Barcelona den Stierkampf verboten. Intellektuelle beklagen<br />
den Niedergang eines Kulturguts.<br />
Die « Fiesta », das grausame<br />
und sadistische Publikumsvergnügen<br />
am (S)<strong>Tier</strong>leid in<br />
Kataloniens Arenen, ist vorbei. Ab<br />
2012 wird es keinen Stierkampf mehr<br />
geben in der autonomen Region<br />
im Nordosten Spaniens. Die Stiere<br />
bleiben am Leben. Schluss mit dem<br />
blutigen Spektakel. Das beschloss<br />
das katalanische Parlament Ende<br />
Juli. Damit haben die <strong>Tier</strong>schützer<br />
einen historischen Sieg errungen.<br />
« Jahrhunderte der Grausamkeit<br />
sind beendet », sagte Anna Mulà. Sie<br />
ist Sprecherin der Bürgerinitiative<br />
« <strong>Pro</strong>u ! » (Katalanisch « es reicht ! »),<br />
die 180 000 Unterschriften für ein<br />
Volksbegehren zur Abschaffung des<br />
Stierkampfs gesammelt hatte.<br />
Für die einen ein grosser Sieg,<br />
für die anderen ein grosser Verlust.<br />
Gegner und Befürworter hatten vor<br />
dem Parlamentsgebäude in Barcelona<br />
ihre Meinung herausgeschrien,<br />
bevor die Abgeordneten mit klarer<br />
Mehrheit für das Verbot votierten.<br />
Bislang hatten lediglich die kanarischen<br />
Inseln Stierkämpfe für illegal<br />
erklärt, 1991.<br />
18<br />
Fotos : zvg. Bildarchiv Hans Peter Roth<br />
Streben nach Autonomie ?<br />
Vom restlichen Spanien war der<br />
Ausgang des Votums mit Spannung<br />
erwartet worden. Viele Analysten<br />
sehen darin auch einen demonstrativen<br />
Schritt der Region, ihre eigene<br />
Identität zu betonen. Die konservative<br />
Zeitung « El Mundo » hatte die Debatte<br />
am Dienstag als « Politikum »<br />
bezeichnet und Katalonien vorgeworfen,<br />
« alles verbieten zu wollen,<br />
was spanisch ist ». Andere konservative<br />
Medien mutmassten, die Region<br />
wolle sich mit dem Verbot für die<br />
Entscheidung des spanischen Verfassungsgerichts<br />
von Ende Juni<br />
rächen, das Autonomiestatut Kataloniens<br />
einzuschränken.<br />
Daraufhin hatten mehr als eine<br />
Million Menschen in Barcelona für<br />
das Autonomiestatut der wohlhabenden<br />
Region demonstriert. Sie<br />
pochen auf ihre eigene Sprache<br />
und Kultur, die unter der Franco-<br />
Diktator brutal unterdrückt wurden.<br />
Heute hat die Region eine eigene Regierung,<br />
ein Parlament und eigene<br />
Polizeikräfte, Amts- und Unterrichtssprache<br />
ist Katalanisch.<br />
Hatz bleibt legal<br />
Dass das Stierkampfverbot etwas<br />
mit dem Streben nach Unabhängigkeit<br />
zu tun haben soll, wiesen<br />
die Gegner der « Corrida » aber von<br />
sich : So sagte Josep Rull, Sprecher<br />
der gemässigten Partei Konvergenz<br />
und Union CiU, ein Nein zum Stierkampf<br />
zeuge nicht von einer antispanischen<br />
Gesinnung. Leugnen<br />
« Fliegender Torrero » : Der bekannte<br />
spanische Stierkämpfer Jose Tomas,<br />
wird von einem Stier durch die Luft<br />
gewirbelt (Barcelona, Juli 2009).<br />
konnte aber auch er nicht, dass vor<br />
allem jene Parteien für das Verbot<br />
stimmten, die auch für eine Unabhängigkeit<br />
Kataloniens plädieren.<br />
Eine andere Variante der Stierquälerei<br />
ist hingegen sehr populär in<br />
Katalonien und weiterhin legal : die<br />
Stierhatz namens « Correbous », bei<br />
der Kampfbullen als Höhepunkt der<br />
Dorffeste durch die Gassen gejagt<br />
werden. Zum Teil mit brennenden<br />
Hörnern. Oder malträtiert mit Knüppeln.<br />
In vielen Küstenorten endet<br />
das Treiben an der Hafenmole, wo<br />
die Stiere zum Sprung ins Wasser<br />
gezwungen werden. Beim « Correbous<br />
» werden die Stiere zwar nicht<br />
getötet, doch nicht wenige <strong>Tier</strong>e brechen<br />
nach dieser unbarmherzigen<br />
Treibjagd erschöpft zusammen, ertrinken<br />
im Wasser oder erhalten den<br />
« Gnadenschuss ».<br />
Viel Symbolkraft<br />
Der Gesetzesbeschluss, dass auf<br />
katalanischem Gebiet keine Stiere<br />
mehr in der Arena getötet werden,<br />
rettet nur wenigen Kampfbullen das<br />
Leben. Zuletzt wurden in der Region<br />
gerade noch in Barcelona selber<br />
Stierkämpfe veranstaltet. Im vergangenen<br />
Jahr genau 18, bis Ende <strong>2010</strong><br />
dürften es noch weniger sein. Dem<br />
Verbot der Stierkämpfe in Katalonien<br />
kommt aber eine symbolische<br />
Kraft zu. « Eine neue Epoche beginnt<br />
», erklärt die Bürgerinitiative<br />
<strong>Pro</strong>u. Die <strong>Tier</strong>schützer hoffen, dass<br />
ihr Erfolg den « Kreuzzug gegen die<br />
Stierkämpfe vorantreiben » werde.<br />
(hpr/mgt) <br />
<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> 3/10
<strong>Pro</strong>jekte + Kampagnen<br />
So können Sie helfen<br />
Bären<br />
Wir unterstützen ein <strong>Pro</strong>jekt der « International<br />
Bear Foundation » (IBF) in Georgien.<br />
Findeltiere<br />
Aufnahme, medizinische Versorgung und<br />
Vermittlung von Hunden und Katzen.<br />
Patenschaften<br />
<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> schläfert keine gesunden <strong>Tier</strong>e ein.<br />
Wir nehmen deshalb auch ältere <strong>Tier</strong>e auf, die<br />
anderswo abgewiesen würden. Wir sind der<br />
Meinung, solange ein Hund oder eine Katze zeigt,<br />
wie gern er oder sie am Leben ist, haben wir kein<br />
Recht , ihnen dieses zu nehmen.<br />
<strong>Tier</strong>paten und -patinnen ermöglichen älteren,<br />
unplatzierbaren <strong>Tier</strong>en einen friedlichen Lebensabend<br />
im <strong>Tier</strong>heim.<br />
Katzenkastrationen<br />
Abgabe von Kastrationsgutscheinen zur Unterbindung<br />
sinnloser Katzenvermehrung, speziell<br />
auf Bauernhöfen.<br />
<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> 3/10<br />
Sie wollen eines oder mehrere dieser<br />
<strong>Pro</strong>jekte und Kampagnen finanziell unterstützen<br />
? Verwenden Sie bitte beiliegenden<br />
Einzahlungsschein mit dem Vermerk der<br />
entsprechenden Aktion.<br />
Sie können auch online spenden unter :<br />
www.protier.ch<br />
Unser Spendenkonto<br />
PC : 80-37221-2<br />
Vermerk :<br />
<strong>Pro</strong>jekte + Kampagnen<br />
Schweizerische Gesellschaft<br />
für <strong>Tier</strong>schutz<br />
Alfred Escher-Strasse 76,<br />
CH-8002 Zürich<br />
19
Zürcher <strong>Tier</strong>anwalt<br />
Das Ende eines<br />
einzigartigen Amtes<br />
Mehr als 2000 Fälle hat der Zürcher <strong>Tier</strong>anwalt in den letzten<br />
15 Jahren behandelt. Viel mehr werden es nicht mehr :<br />
Anfang 2011 wird das weltweit einzigartige Amt abgeschafft.<br />
<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> stellte nach dem wuchtigen<br />
Volks-Nein zur <strong>Tier</strong>anwalt-<br />
Initiative im Frühling schon in<br />
der letzten Ausgabe die Frage : « Ist<br />
nun auch der Zürcher <strong>Tier</strong>anwalt gefährdet<br />
? » Denn SVP und EDU hatten<br />
in Zürich kurz nach der Abstimmung<br />
Vorstösse zur Aufhebung des kantonalen<br />
<strong>Tier</strong>anwalts eingereicht. Zunächst<br />
sah es dennoch nicht danach<br />
aus, dass das weltweit einzigartige<br />
Amt gefährdet wäre. Man wolle die<br />
Funktion des <strong>Tier</strong>anwaltes in jedem<br />
Fall erhalten, hatte etwa Urs Rüegg,<br />
Sprecher der Zürcher Gesundheitsdirektion,<br />
gesagt. Auch FDP-Fraktionschef<br />
Thomas Vogel persönlich<br />
sah « keinen Grund, etwas zu versenken<br />
», das sich bewährt habe.<br />
« Zumal sich mit einer Abschaffung<br />
kaum Kosten sparen lassen. »<br />
Schlank, effizient,<br />
erfolgreich<br />
Tatsache ist, dass sich der <strong>Tier</strong>schutzanwalt<br />
im Kanton Zürich<br />
seit seiner Einführung 1992 als<br />
schlank, effizient und erfolgreich<br />
erwiesen hat. 190 Mal hat sich der<br />
Zürcher <strong>Tier</strong>anwalt im Jahr 2008 für<br />
die Rechte von misshandelten und<br />
vernachlässigten <strong>Tier</strong>en eingesetzt.<br />
In den anderen Kantonen, welche<br />
diese Institution nicht kennen, werden<br />
nicht annähernd so viele Fälle<br />
strafrechtlich verfolgt. Dass im<br />
Kanton Zürich vergleichsweise viele<br />
Urteile gegen <strong>Tier</strong>quäler gefällt<br />
werden, liegt also ganz klar an der<br />
Institution des <strong>Tier</strong>anwaltes.<br />
20<br />
Trotzdem ist es anders gekommen.<br />
Ab 2011 wird auch der Zürcher<br />
<strong>Tier</strong>anwalt Geschichte sein. Das hat<br />
das kantonale Parlament beschlossen<br />
– ohne es selber zu merken. Am<br />
10. Mai <strong>2010</strong> hatte der Kantonsrat<br />
ein Gesamtpaket kantonaler Gesetzesänderungen<br />
im Rahmen der<br />
Anpassung an die eigenössische<br />
Zivil- und Strafprozessordnung<br />
verabschiedet, die unter anderem<br />
das Amt des <strong>Tier</strong>schutzanwaltes<br />
per Ende Jahr abschafft.<br />
Durch die Hintertür<br />
Ende Juni nun hat das Kantonsparlament<br />
die Änderungen im<br />
<strong>Tier</strong>schutzgesetz im Rahmen des<br />
Gesetzesänderungs-Pakets diskussionslos<br />
durchgewinkt. Demzufolge<br />
soll zukünftig das – ohnehin schon<br />
überlastete – Zürcher Veterinäramt<br />
die Parteirechte der <strong>Tier</strong>e wahrnehmen.<br />
Gieri Bolliger von der Stiftung<br />
<strong>Tier</strong> im Recht reagierte schockiert :<br />
« Das ist ein herber Rückschlag für<br />
den <strong>Tier</strong>schutz. » Für völlig unverständlich<br />
hält er die Art und Weise,<br />
wie der Entscheid zustande kam :<br />
« Dass der <strong>Tier</strong>anwalt vom Kantonsrat<br />
quasi durch die Hintertüre abgeschafft<br />
wurde, ist ein Skandal. »<br />
Offenbar hat die grosse Mehrheit<br />
der Parlamentarier gar nicht<br />
gemerkt, dass der <strong>Tier</strong>anwalt abgeschafft<br />
wurde. Esther Guyer (Grüne)<br />
übt deshalb Selbstkritik : « Es war ein<br />
Fehler, dass wir das übersehen und<br />
nicht einmal darüber diskutiert haben.<br />
» Claudio Zanetti (SVP) fordert<br />
nun eine Erklärung, weshalb der<br />
Kantonsrat nicht besser informiert<br />
worden sei : « Das ist peinlich für das<br />
ganze Parlament. So etwas darf nie<br />
mehr passieren. » Den <strong>Tier</strong>en nützt<br />
die nachträgliche Erkenntnis wenig.<br />
Einige Kantonspolitiker aber<br />
dürften sich heimlich ins Fäustchen<br />
lachen.<br />
Drohender<br />
Rückschritt<br />
Auch Noch-<strong>Tier</strong>anwalt Antoine F.<br />
Goetschel, der nun auf Ende Jahr<br />
sein Büro räumen muss, zeigte<br />
sich vom Parlamentsentscheid<br />
überrascht : « Ich kann nur hoffen,<br />
dass die <strong>Tier</strong>e darunter nicht leiden<br />
werden. » Er fordert, dass die<br />
Verwaltung ebenso strenge Massstäbe<br />
anwendet und gleich konsequent<br />
Fälle zur Anzeige bringt, wie<br />
er dies tat.<br />
Derweil hat die neu gegründete<br />
<strong>Tier</strong>partei Schweiz Ende Juli gemeinsam<br />
mit dem <strong>Tier</strong>portal Petfinder<br />
eine Petition lanciert, die sich<br />
gegen die Absetzung des Zürcher<br />
<strong>Tier</strong>anwalts richtet und sich gegen<br />
den drohenden Rückschritt im <strong>Tier</strong>schutzvollzug<br />
wehrt. Die Petition<br />
wird auch von der Stiftung <strong>Tier</strong> im<br />
Recht unterstützt. Die Chancen, dass<br />
die Petition Antoine F. Goetschel im<br />
Amt hält, sind wohl äusserst gering.<br />
Denn eine Petition ist unverbindlich,<br />
die Absetzung des Zürcher <strong>Tier</strong>anwalts<br />
auf Ende Jahr aber eine vom<br />
Parlament beschlossene Sache.<br />
(hpr/mgt) <br />
<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> 3/10
Von Gieri Bolliger,<br />
Stiftung für das <strong>Tier</strong> im Recht<br />
<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> 3/10<br />
<strong>Tier</strong> und Recht<br />
Die Zuteilung von <strong>Tier</strong>en<br />
im Scheidungsfall<br />
Lebensgemeinschaften halten oft<br />
nicht ewig. Bei einer Trennung<br />
müssen neben vielen anderen<br />
Dingen nicht selten auch Heimtiere zugeteilt<br />
werden. Seit <strong>Tier</strong>e auch aus gesetzlicher<br />
Sicht keine Sachen mehr sind,<br />
hat der Richter hierbei neben den Eigentumsverhältnissen<br />
auch das <strong>Tier</strong>wohl zu<br />
berücksichtigen.<br />
Seit 2003 gelten <strong>Tier</strong>e im Schweizer<br />
Recht nicht mehr als Sachen. Diese<br />
Loslösung hat sich auf verschiedene<br />
Rechtsbereiche ausgewirkt. Eine bedeutende<br />
Neuerung betrifft die Zuteilung<br />
von <strong>Tier</strong>en im Trennungsfall. So kommt<br />
es heute bei einer Ehescheidung oder<br />
Auflösung eines Konkubinats nicht mehr<br />
ausschliesslich darauf an, wem ein <strong>Tier</strong><br />
« gehört », sondern spielt auch die soziale<br />
Bindung zwischen Mensch und <strong>Tier</strong><br />
eine gewichtige Rolle.<br />
Sofern die Eheleute nichts anderes<br />
vereinbart haben, wird ihr Vermögen<br />
– zu dem auch Heimtiere gehören – bei<br />
einer Scheidung nach den Regeln des<br />
Ehegüterrechts aufgeteilt. Vom Güterstand<br />
unabhängig werden den Parteien<br />
dabei zuerst jene Werte zugesprochen,<br />
die in ihrem Alleineigentum stehen. Dies<br />
gilt beispielsweise für <strong>Tier</strong>e, die ein Partner<br />
bereits mit in die Ehe gebracht oder<br />
während der Ehe geerbt oder geschenkt<br />
bekommen hat. Ebenfalls ihm allein gehört<br />
ein <strong>Tier</strong>, wenn er es während der<br />
Ehe ausschliesslich für seinen eigenen<br />
Nutzen angeschafft und sich auch alleine<br />
um seine Versorgung und Pflege gekümmert<br />
hat.<br />
Häufig steht ein <strong>Tier</strong> aber im gemeinschaftlichen<br />
Eigentum beider Eheleute.<br />
Sie haben dann denselben Anspruch auf<br />
das <strong>Tier</strong>, wobei es keine Rolle spielt, mit<br />
wessen Geld es bezahlt wurde, ob nur<br />
ein Partner den Kaufvertrag unterschrieben<br />
hat oder wer im Heimtierpass eingetragen<br />
ist. Gemeinschaftliches Eigentum<br />
liegt dann vor, wenn das <strong>Tier</strong> während<br />
der Ehe angeschafft wurde und sich bei-<br />
de Partner um Versorgung und Pflege<br />
gekümmert haben. Können sie sich bei<br />
einer Trennung nicht einigen, wer das<br />
<strong>Tier</strong> behalten darf, teilt der Richter es jener<br />
Partei zu, die ihm aus der Sicht des<br />
<strong>Tier</strong>schutzes die bessere Unterbringung<br />
gewährleisten kann.<br />
Im Zentrum steht somit das Wohl des<br />
Scheidungstieres. Bei der Zuteilung wird<br />
in erster Linie Wert darauf gelegt, dass<br />
der künftige Halter zeitlich, organisatorisch<br />
und finanziell in der Lage ist, für<br />
das <strong>Tier</strong> zu sorgen. Die Frage, bei welchem<br />
Ehepartner sich ein Heimtier wohler<br />
fühlt, darf vom Richter nicht leichtfertig<br />
beantwortet werden. Kann er die<br />
Parteien nicht zu einer einvernehmlichen<br />
Lösung zugunsten des <strong>Tier</strong>es bewegen,<br />
wird er sich in einer persönlichen Befragung<br />
ein genaues Bild der Situation<br />
machen und herauszufinden versuchen,<br />
wer besser für das <strong>Tier</strong> sorgen kann.<br />
Falls nötig kann der Richter die Partei,<br />
der das <strong>Tier</strong> nicht zugesprochen wird,<br />
verpflichten, dem künftigen Halter einen<br />
angemessenen Betrag an die Unterhaltskosten<br />
des <strong>Tier</strong>es zu bezahlen.<br />
Im Gegenzug kann ein Anspruch auf<br />
eine finanzielle Entschädigung für den<br />
Verlust des <strong>Tier</strong>es bestehen. Mit dem<br />
Einverständnis des neuen Alleineigentümers<br />
kann dem « leer ausgehenden »<br />
Ex-Partner zudem ein Besuchsrecht ein-<br />
Anzeige<br />
geräumt werden. Bei Hunden, die ausgeführt<br />
werden können, ist ein solches<br />
zumindest denkbar, weniger hingegen<br />
natürlich bei standortgebundenen Heimtieren<br />
wie Vögeln oder Zierfischen.<br />
Die Zuteilungsregeln gelten jedoch<br />
nur für <strong>Tier</strong>e, die gemäss Gesetzessprache<br />
« im häuslichen Bereich und nicht<br />
zu Vermögens- oder Erwerbszwecken »<br />
gehalten werden. Als häuslicher Bereich<br />
gelten alle Möglichkeiten einer Unterbringung<br />
von <strong>Tier</strong>en im räumlichen<br />
Machtbereich des Halters – es besteht<br />
also keine Beschränkung auf den Haushalt<br />
oder den Garten. Entscheidend ist<br />
vielmehr, dass das <strong>Tier</strong> in räumlicher<br />
Nähe zu seinem Halter gehalten wird,<br />
wobei ein gewisses freies, der Natur des<br />
<strong>Tier</strong>es entsprechendes, Umherstreunen<br />
dem selbstverständlich nicht entgegensteht.<br />
Erfasst werden somit praktisch nur<br />
Heimtiere, die von ihren Haltern ohne<br />
finanzielle Absichten gehalten werden.<br />
Andere <strong>Tier</strong>e, wie Nutz-, Zucht- oder<br />
Sporttiere, werden hingegen streng<br />
nach den Eigentumsverhältnissen und<br />
nicht nach den Parteiinteressen zugeteilt.<br />
Die Regeln über die Zuteilung von<br />
Heimtieren, wie sie bei der Scheidung<br />
Anwendung finden, gelten übrigens<br />
auch bei der Beendigung anderer Formen<br />
des Zusammenlebens, etwa bei der<br />
Auflösung eines Konkubinats oder einer<br />
Wohngemeinschaft, wenn die Parteien<br />
keine eigenen Regelungen getroffen haben.<br />
Voraussetzung ist aber stets, dass<br />
ein <strong>Tier</strong> im Miteigentum beider Parteien<br />
steht und nicht einer allein gehört. <br />
21
Bereits frisst sich der Buchsbaumzünsler<br />
am rechten Zürichseeufer,<br />
am Jurasüdfuss,<br />
am Bodensee, in der Umgebung von<br />
Chur und in der Ajoie durch die Ziersträucher.<br />
Im Raum Basel wurde er<br />
vor rund drei Jahren erstmals festgestellt.<br />
Warum breitet sich die<br />
grünliche, bis zu fünf Zentimeter<br />
lange Raupe, die einen unscheinbaren<br />
Falter hervorbringt, regional<br />
so rasant aus ?<br />
Befallene Buchsbäume werden<br />
vor allem durch den Pflanzengrosshandel<br />
aus Asien eingeschleppt,<br />
vermuten Fachleute. Im Gegensatz<br />
zu Fachgärtnereien fehlt bei Baucentern<br />
dem Personal meist die<br />
Sachkompetenz, rechtzeitig die winzigen<br />
Zünslereier und unscheinba-<br />
22<br />
Bioinvasoren<br />
Neozoen – Buchsbaumzünsler<br />
Radikale Pflanzenfresser auf dem Vormarsch<br />
« Kampf gegen Buchsbaumzünsler scheint verloren ». Oder : « Buchsbaumzünsler<br />
frisst die Bäume leer ». So und ähnlich lauten zurzeit<br />
Schlagzeilen über die gefrässige Raupe. Tatsächlich breitet sie sich<br />
rasant aus.<br />
ren Jungraupen zu erkennen, meint<br />
Biologin Florine Leuthardt, die an<br />
der Uni Basel eine Dissertation über<br />
den Buchsbaumzünsler schreibt. Bei<br />
drei von sechs Test-Ladenbesuchen<br />
2009 haben befallene Buchsbüsche<br />
in den Regalen gestanden. Die Pflanzen<br />
werden in der ganzen Schweiz<br />
verkauft, so verbreitet sich der<br />
Schädling unkontrolliert.<br />
Ende des Buchsbaums ?<br />
Angesichts eines Eigenradius’ von<br />
geschätzten fünf Kilometern im<br />
Jahr lässt sich leicht ausrechnen,<br />
wie schnell sich der ungebetene<br />
Gast über die gesamte Schweiz<br />
ausbreitet – zumindest überall da,<br />
wo es Buchsbäume gibt. Droht ein<br />
Fotos : zvg. Bildarchiv Hans Peter Roth<br />
Jahrtausend nach der Einführung<br />
durch die Römer das Ende des beliebten<br />
Ziergehölzes in Schweizer<br />
Gärten ?<br />
Unbestritten ist : Der unauffällige<br />
Falter tritt teils schon in solchen<br />
Massen auf, dass die ganzjährig<br />
grüne Pflanze dem Stress nicht gewachsen<br />
ist und abstirbt. Und der<br />
Schädling ist zäh. « Sogar den Winter<br />
übersteht er problemlos », sagt<br />
Georg Feichtinger von der Fachstelle<br />
Pflanzenschutz des Kantons Zürich.<br />
« Er verkriecht sich zwischen<br />
den Blättern in Gespinsten. » Den<br />
Falter bekomme man vor allem<br />
nachts zu Gesicht. Er hat eine Lebensdauer<br />
von etwa acht Tagen. « In<br />
dieser Zeit sucht der Schmetterling<br />
– allerdings nur auf kürzeren Strecken<br />
– nach neuen Buchsbäumen<br />
und legt dort seine Eier ab. » Bis zu<br />
drei oder sogar vier Generationen<br />
können pro Sommer entstehen.<br />
Chemie-Keule ist<br />
unsinnig<br />
Verschiedene Fachleute raten mittlerweile<br />
zum Einsatz mit der Chemie-Keule<br />
gegen den unerwünsch-<br />
<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> 3/10
ten Falter. Empfohlen werden starke<br />
Insektizide wie Spintor, Pyrethrum<br />
FS und Karate Zeon. Nur so könnten<br />
sich die Bäume wieder erholen. Keine<br />
gute Idee. Erstens lässt sich der<br />
Falter auch damit nicht mehr an sei-<br />
<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> 3/10<br />
ner Ausbreitung hindern, zweitens<br />
leidet die gesamte übrige Flora und<br />
auch die Fauna an der, durch den<br />
chemischen Kampfstoff verursachten<br />
Bodenbelastung, und drittens<br />
besteht wie immer in solchen Fällen<br />
das Risiko der Resistenzbildung.<br />
Ist man den flatternden Neozoen<br />
aus dem Osten also hilflos ausgeliefert<br />
? Tatsache ist : Auch der<br />
immergrüne Buchsbaum der lange<br />
als äusserst robust galt, ist bei<br />
uns eigentlich nicht heimisch. Es<br />
besteht jedoch die Hoffnung, dass<br />
schliesslich gewisse einheimische<br />
Vogelarten oder andere Fressfeinde<br />
doch noch auf den Geschmack<br />
der doch recht grossen Raupe kommen.<br />
Soweit ist es indessen noch<br />
nicht : Gemäss Beobachtungen hätten<br />
schon Meisen und Rotschwänze<br />
Raupen gepickt, sie dann aber wieder<br />
ausgespuckt, sagt Biologin Florine<br />
Leuthardt. Noch sei offen, ob<br />
das daran liegt, dass der Buchs als<br />
Wirtspflanze giftig ist.<br />
Lange kaum sichtbar<br />
Da die Raupen im Innern des Buchsbaums<br />
mit dem Fressen beginnen,<br />
ist der Befall im Anfangsstadium<br />
schwierig zu erkennen. Befallene<br />
Triebe verfärben sich hellbeige. Erst<br />
wenn die Raupen auf ihrer Fresstour<br />
aussen angelangt sind und dichte Gespinste<br />
ziehen, wird der Befall sichtbar.<br />
« Bis es so weit ist, hat sich der<br />
Schädling schon einen Monat lang<br />
durch die Blätter gefressen », sagt<br />
Georg Feichtinger. Wenn nur kleinere<br />
Einzelpflanzen betroffen seien,<br />
könne man die grünen Raupen mit<br />
den dunkelvioletten bis schwarzen<br />
Streifen von Hand ablesen oder mit<br />
einem Wasserstrahl abstreifen und<br />
sie dann verschlossen entsorgen.<br />
Ob einheimische Vögel und andere<br />
potenzielle Fressfeinde auf den<br />
Geschmack des Zünsler kommen, ist<br />
wie gesagt ungewiss. Jüngste Hoffnung<br />
der Forschenden ist eine Raubspinnenart.<br />
Doch sind Erkenntnisse<br />
darüber noch rar. (hpr/mgt) <br />
Merkblatt<br />
Merkblätter mit Bildern zum<br />
Buchsbaumzünsler :<br />
www.ebenrain.ch<br />
oder Telefon 061 552 21 21<br />
23
Raubtier-Update<br />
Wallis : Keine Gnade<br />
für den Wolf<br />
Wolfsabschüsse sind in der Schweiz schon<br />
fast Routine. Die Wolfsgegner sind nicht zu<br />
beschwichtigen. Haben sie mit dem Walliser<br />
Reinhard Schnidrig im Bundesamt für Umwelt<br />
einen einfl ussreichen Verbündeten ?<br />
VON HANS PETER ROTH<br />
Wieder ein Wolf im Wallis<br />
abgeschossen. Leider<br />
gewöhnt man sich in der<br />
Schweiz schon fast an solche Meldungen.<br />
Das <strong>Tier</strong> wurde auf der Alpe<br />
Scex im Gebiet Montana-Varneralp<br />
erlegt, wenige Tage nachdem es im<br />
Rahmen einer 60-tägigen Frist zum<br />
Abschuss freigegeben worden war.<br />
Gemäss der Walliser Staatskanzlei<br />
war der getötete Wolf ein Männchen.<br />
Zuvor hatten DNA-Analysen<br />
von Bissspuren an Schafen gezeigt,<br />
dass sich in der Gegend ein Wolfspaar<br />
aufhielt – der erste Nachweis<br />
einer Paarbildung, seit der Wolf in<br />
der Schweiz aufgetaucht ist.<br />
Dass das Männchen getötet wurde,<br />
war Zufall. Wäre die Wölfi n als<br />
24<br />
erste dem Jäger vor die Flinte gelaufen,<br />
wäre sie abgeschossen worden.<br />
Was aber, wenn das Wolfspaar Junge<br />
hat ? « Dann muss die Wölfi n nun<br />
alleine jagen um ihren Nachwuchs<br />
füttern zu können », sagte Raphaël<br />
Arlettaz, <strong>Pro</strong>fessor für Biologie an<br />
der Universität Bern, gegenüber « Le<br />
Nouvelliste ». « Ihre Angriffe würden<br />
ziemlich chaotisch und wild erfolgen.<br />
»<br />
Verhungert der<br />
Wolfs-Nachwuchs ?<br />
Wenige Tage nach dem Abschuss<br />
wurden in mittelbarer Nähe des Abschussortes<br />
Schafe gerissen. Wenn<br />
die Wölfi n tatsächlich Nachwuchs<br />
hat, wäre eine Abschussbewilligung<br />
für sie auch das Todesurteil für die<br />
Welpen. Biologe Alettaz hofft darauf,<br />
dass dies nicht der Fall ist. « Wir<br />
müssen unser zukünftiges Vorgehen<br />
mit dem Wolf überdenken. Ich appelliere<br />
dafür, dass man in Zukunft<br />
die Raubtiere mit Warnschüssen<br />
verängstigt. » Dieses Vorgehen zeige<br />
in Frankreich grossen Erfolg.<br />
Auf der Alp Scex ist diese Methode<br />
vorläufi g kein Thema. Wolfsgegner<br />
und Wildhüter schiessen<br />
lieber scharf. Immerhin prüften<br />
Mitte August Herdenschutz-Experten<br />
geeignete Massnahmen vor Ort.<br />
In Sachen Herdenschutz weist die<br />
Schweiz noch immer ein Defi zit auf ;<br />
besonders im Wallis. Im Gegensatz<br />
zu den meisten Ländern des Mittelmeerraums<br />
und Osteuropas hat der<br />
Herdenschutzhund in der Schweizer<br />
Schafhaltung keine Tradition. Ent-<br />
<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> 3/10
sprechend fehlt die Erfahrung, wie<br />
mit diesen <strong>Tier</strong>en umzugehen ist, die<br />
von Geburt an in der Schafherde sozialisiert<br />
werden.<br />
Umgang nicht gelernt<br />
Entsprechend unmissverständlich ist<br />
die Kritik von <strong>Pro</strong> Natura : Die Ereignisse<br />
im August hätten gezeigt, dass<br />
der Kanton Wallis trotz 15-jähriger<br />
Wolfspräsenz den Umgang mit dem<br />
Wolf noch nicht gelernt habe. « Die<br />
Abschüsse lösen das <strong>Pro</strong>blem nicht<br />
und verpuffen unnötig Ressourcen. »<br />
Deshalb die Forderung der Naturschützer<br />
: « Nur noch Geld für geschützte<br />
Schafe : Jährlich verunglücken<br />
und sterben mehrere tausend<br />
Schafe in der Schweiz auf natürliche<br />
Weise. <strong>2010</strong> wurden hingegen erst<br />
Foto : © Jean-Marc Weber, KORA<br />
Foto : zVg<br />
knapp 70 Wolfsrisse gemeldet.<br />
» Sömmerungsbeiträge<br />
und Entschädigungen<br />
seien nur noch an<br />
verantwortungsbewusste<br />
Schafhalter zu entrichten,<br />
die sich für das Wohl ihrer<br />
<strong>Tier</strong>e einsetzen und ihre<br />
Herden mit geeigneten<br />
Massnahmen schützen.<br />
Ganz anders sehen<br />
dies natürlich die Wolfsgegner<br />
im Wallis : « Der<br />
Wolf gehört nicht hier<br />
her. Er muss weg und gehört ausgerottet<br />
», findet Armin Andenmatten,<br />
Pächter der Alp Scex, wo vom<br />
Wolfspaar Rinder angegriffen wurden.<br />
Im « Blick » meinte Andenmatten,<br />
es sei unverständlich, dass der<br />
Kanton Wallis nicht beide <strong>Tier</strong>e zum<br />
Abschuss freigegeben habe : « Das<br />
ist ein Hosenscheisser-Entscheid.<br />
Niemand ist damit zufrieden. Für<br />
die Wolfs-Befürworter ist schon ein<br />
Wolf zu viel tot, für uns noch einer<br />
zu wenig. »<br />
Bizarre Logik<br />
Dass ein Wolf ein Rind reisst, ist äusserst<br />
selten. Gemäss Thomas Briner<br />
ist es das erste in der Schweiz. Auch<br />
im Ausland, etwa in Italien oder<br />
Frankreich, komme dies extrem<br />
selten vor, meint der wissenschaftliche<br />
Mitarbeiter im Bundesamt für<br />
Umwelt (Bafu), Sektion Jagd, Wildtiere<br />
und Biodiversität : « Bis anhin<br />
wurden in der Schweiz vereinzelt<br />
junge Kälber gerissen, aber noch<br />
nie ein 200 Kilo schweres Rind. »<br />
Der Wolf sei in seinem Beuteschema<br />
ein Opportunist. « Er reisst, was er<br />
erwischt. Hauptsächlich ernährt er<br />
sich von Wildtieren, also von Rehen<br />
und Hirschen, vereinzelt auch von<br />
Gämsen. Würde er in tiefere Lagen<br />
vorstossen, wären auch Wildschweine<br />
eine mögliche Beute. »<br />
Doch mit der natürlichen Konkurrenz<br />
im Jagdrevier bekundet wiederum<br />
der Dachverband der Jäger<br />
seine Mühe. « Die Ausbreitung und<br />
Vermehrung von Grossraubtieren<br />
führt zu einem lokalen und regionalen<br />
Rückgang der Beutetiere und<br />
einem Rückgang der Artenvielfalt »,<br />
heisst es in einem von Jagd Schweiz<br />
in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten.<br />
In der bizarren Logik von Jagd<br />
Schweiz geht es der Artenvielfalt<br />
ohne Wolf, Bär und Luchs besser.<br />
Vor allem aber bleibt für die Jäger<br />
so mehr Beute zum Abschuss.<br />
Blankoschein für<br />
Ausrottung<br />
Folglich wundert es wenig, dass<br />
das einseitige Gutachten schon<br />
mal vorsorglich die Dezimierung<br />
der Grossraubtiere fordert, teilweise<br />
schon, bevor diese die Schweiz<br />
überhaupt wirklich erreicht haben<br />
(z. B. der Bär). Dies soll sogar dann<br />
möglich sein, « wenn die negative<br />
Bestandesentwicklung der Beutetiere<br />
ohne von Grossraubtieren<br />
gesetzte Ursache eintritt. » Dies<br />
wäre de facto ein Blankoschein zur<br />
Eliminierung der Grossraubtiere.<br />
Schlimmer noch : « Die Nichtgefährdung<br />
des Luchsbestandes darf<br />
nicht als Voraussetzung für eine<br />
Regulierung aufgestellt werden »,<br />
fordert das Gutachten. <strong>Pro</strong> Natura<br />
schliesst daraus folgerichtig : « Gibt<br />
es also weniger Rehe oder Gämsen<br />
zu jagen, heisst die Patentlösung<br />
Abschuss von Luchs und Co., im<br />
Extremfall bis zum erneuten Aussterben.<br />
»<br />
Eine Politik nach Lesart von<br />
Jagd Schweiz bedeutet nichts anderes,<br />
als dass nur der Mensch allein<br />
jagen darf. Erschreckenderweise<br />
stossen solche Ansichten beim<br />
Leiter der Abteilung Jagd, Wildtiere<br />
und Waldbiodiversität des Bafu,<br />
Reinhard Schnidrig, auf offene Ohren.<br />
Unter dem Titel « <strong>Tier</strong>e nicht<br />
zu Tode schützen » macht sich der<br />
Walliser für eine Revision der Jagdverordnung<br />
stark. Künftig soll der<br />
legale Abschuss von Grossraubtieren<br />
zugelassen werden, wenn diese<br />
einen Einfluss auf die jagdbaren <strong>Tier</strong>e<br />
haben, so Schnidrig. Und bereits<br />
fordern verschiedene Parlamentarier,<br />
vor allem aus dem Wallis, dass<br />
der Schutzstatus des Wolfs vermindert<br />
werden soll. Nur dank diesem<br />
aber ist die Rückkehr des Wolfes in<br />
die Schweiz aber überhaupt möglich<br />
geworden. Der Weg der Grossraubtiere<br />
in die Schweiz ist lang und<br />
steinig. <br />
<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> 3/10<br />
25
26<br />
Patenschaften<br />
Die Schweizerische Gesellschaft für <strong>Tier</strong>schutz/<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> schläfert keine<br />
gesunden <strong>Tier</strong>e ein. Wir nehmen deshalb auch ältere <strong>Tier</strong>e auf, die anderswo<br />
abgewiesen würden. Wir sind der Meinung, solange ein Hund<br />
oder eine Katze zeigt, wie gern er oder sie noch am Leben ist, haben wir<br />
kein Recht , ihnen dieses zu nehmen.<br />
Erfreulicherweise finden wir immer wieder Menschen, oft auch jüngere<br />
Leute, die einem unserer « Senioren » ein neues Zuhause geben. Mitunter<br />
aber bleiben ältere <strong>Tier</strong>e recht lange im <strong>Tier</strong>heim und verursachen hohe<br />
Kosten.<br />
Foto : Nathalie Dubois<br />
Deshalb bitten<br />
wir Sie :<br />
Werden Sie<br />
Patin / Pate<br />
eines Findeltieres !<br />
Mit Ihrem monatlich<br />
wiederkehrenden Betrag<br />
geben Sie uns die<br />
Möglichkeit,<br />
uns weiterhin optimal<br />
für unsere Schützlinge<br />
einzusetzen.<br />
Foto : Nathalie Dubois<br />
PRO<br />
Ich übernehme die Patenschaft für ein Findeltier und werde<br />
monatlich folgenden Betrag überweisen (12 Einzahlungsscheine<br />
werden mir nach Eingang dieses Talons zugeschickt) :<br />
CHF 20.– CHF 40.– CHF 50.–<br />
CHF 100.– CHF<br />
Ich überweise einen einmaligen Betrag von CHF<br />
Ich werde Mitglied bei der SGT (Jahresbeitrag CHF 40.–)<br />
(Bitte Gewünschtes ankreuzen)<br />
Name : Vorname :<br />
Strasse : PLZ/Ort :<br />
Datum : Unterschrift :<br />
Bitte ausschneiden und einsenden an :<br />
Schweizerische Gesellschaft für <strong>Tier</strong>schutz, Alfred Escher-Strasse 76, 8002 Zürich<br />
PT 3 / 10<br />
<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> 3/10<br />
Photo : Nathalie Dubois
Agro-Biodiversität<br />
Bedrohte Schweizer Nutztierrassen<br />
Das Walliser Landschaf<br />
In den 1980 Jahren hielten nur noch wenige Züchter<br />
das Walliser Landschaf. Die Rasse war kurz vor dem<br />
Aussterben. <strong>Pro</strong>SpecieRara startete ein <strong>Pro</strong>jekt zur Erhaltung<br />
dieser urtümlichen, alten Walliser Schafrasse.<br />
Das 1985 lancierte Arterhaltungsprojekt<br />
ist eine Erfolgsgeschichte.<br />
Heute ist<br />
das Walliser Landschaf nicht nur<br />
in seinem Heimatkanton wieder<br />
verbreitet, sondern auch im westlichen<br />
Mittelland, im Jura, in den<br />
Berner Alpen und im Welschland.<br />
Zwar sind viele im Wallis vorhandene<br />
<strong>Tier</strong>e nach wie vor nicht im<br />
Herdenbuch erfasst, aber dank<br />
engagierten Walliser Züchtern ist<br />
auch dort das Interesse an der Herdebuchzucht<br />
in den letzten Jahren<br />
wieder gewachsen.<br />
Das Walliser Landschaf ist genügsam<br />
und besonders geeignet<br />
für die extensive Haltung. Dies<br />
macht das <strong>Tier</strong> interessant für die<br />
Landschaftspflege, denn es kommt<br />
auch mit minderwertigem Futter<br />
aus. Zum Beispiel frisst es auch reifes,<br />
überständiges Gras, wie es bei<br />
den langen Mähintervallen in Naturschutzgebieten<br />
oft anzutreffen ist.<br />
Die eher grobe, lange und schnell<br />
wachsende Wolle fand früher breite<br />
Verwendung zur Herstellung von<br />
Kleidern oder zum Filzen. Die aus<br />
ihr gefertigten Strümpfe und Unterwäsche<br />
sollen sehr warm, gesund<br />
und bei Menschen mit Gelenk- und<br />
Rheumaleiden sehr beliebt gewesen<br />
sein. Die attraktiven, rostroten Naturfarbtöne<br />
erübrigen das Färben<br />
der Wolle.<br />
Glück für die Züchter<br />
Das Walliser Landschaf, auch Roux<br />
du Valais und früher Roux du Pays<br />
genannt, hat seine Ursprungsverbreitung<br />
im Ober- und Mittelwallis,<br />
wo es zeitweise fast ebenso häufig<br />
war wie das bekannte Walliser<br />
<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> 3/10<br />
Schwarznasenschaf. Die<br />
Abstammung ist nicht<br />
mehr genau zu eruieren,<br />
doch wahrscheinlich gehört<br />
zu seinen Vorfahren<br />
das ausgestorbene Kupferschaf.<br />
Während andere Walliser<br />
Schafrassen wie die<br />
kleinwüchsigen und hornlosen<br />
Roux de Bagnes, die<br />
schwarzen Lötschenschafe<br />
oder die Visper Schafe<br />
leider ausgestorben<br />
sind, konnte zumindest<br />
der rotbraune Farbschlag<br />
des Walliser Landschafs<br />
in letzter Minute vor diesem<br />
Schicksal bewahrt werden. Zur<br />
Freude seiner Züchter. Das rollenförmig<br />
behornte, ausgesprochene<br />
Selbstversorgerschaf ist nicht nur<br />
fruchtbar, genügsam und widerstandsfähig,<br />
sondern hat auch einen<br />
ruhigen Charakter, einen ausgeprägten<br />
Herdentrieb und ist anhänglich.<br />
hpr/psr <br />
Fotos : © z.V.g. <strong>Pro</strong>SpecieRara<br />
Mehr Infos<br />
Der Zuchtverein für das Walliser<br />
Landschaf (WLS) wurde 1994<br />
in Bern gegründet. Siehe auch<br />
www.walliser-landschaf.ch.<br />
Präsident : Joseph Rais, Rte de<br />
Burtigny, 1269 Bassins, Tel. 022<br />
366 43 68. Zuchtbuchführung und<br />
<strong>Tier</strong>vermittlung : Cornelia Bürge,<br />
Tiefenwaag 74, 5424 Unterehrendingen,<br />
Tel. 056 210 92 80,<br />
Email : c.w.buerge@bluewin.ch<br />
Dieser Beitrag wurde in Zusammenarbeit<br />
mit <strong>Pro</strong>SpecieRara, der<br />
Schweizerischen Stiftung für die<br />
kulturhistorische und genetische<br />
Vielfalt von <strong>Tier</strong>en und Pflanzen,<br />
realisiert. <strong>Pro</strong>SpecieRara setzt sich<br />
seit 1982 für die Rettung und den<br />
Erhalt der Vielfalt der Nutztiere<br />
und Kulturpflanzen ein – für<br />
unser genetisches wie kulturelles<br />
Erbe. Die Stiftung lebt unter<br />
anderem von Gönnerbeiträgen.<br />
www.prospecierara.ch<br />
27
Ölpest im Golf von Mexiko<br />
Gegengift ist<br />
giftiger als Öl<br />
Die Waffe von BP im Kampf gegen die Ölpest im Golf von Mexiko ist<br />
tödlicher als das Öl selbst : Corexit. Das hat den Ölmulti nicht davon<br />
abgehalten, mehrere Millionen Liter des hochtoxischen Nervengifts<br />
im Meer zu verteilen.<br />
Nichts ist schlimm genug,<br />
als dass man es nicht noch<br />
verschlimmern könnte. Dies<br />
beweist der Ölgigant BP bei der Bekämpfung<br />
der gigantischen Ölkatastrophe<br />
nach dem Untergang der<br />
Bohrplattform Deepwater Horizon<br />
mit kläglichen bis verheerenden<br />
Mitteln.<br />
Zu den verheerenden gehört<br />
Corexit. Die ätzende, neurotoxische<br />
Substanz wurde schon 1989 bei der<br />
Havarie des Tankers Exxon Valdez in<br />
Alaska zur Auflösung des Ölteppichs<br />
eingesetzt. Tatsächlich hat Corexit<br />
die Eigenschaft, die klebrige Masse<br />
in winzige Tropfen zerfallen zu lassen.<br />
Dadurch mischt sich das Öl mit<br />
dem Wasser und treibt nicht mehr<br />
an der Oberfläche.<br />
28<br />
Fotos : zVg Bildarchiv Hans Peter Roth<br />
Geheimes Giftrezept<br />
Die amerikanische Herstellerfirma<br />
Nalco hält nicht von ungefähr die<br />
genaue Zusammensetzung des<br />
hochgiftigen Corexit geheim. Der<br />
chemisch aktive Hauptbestandteil<br />
des Dispergatoren kommt einem<br />
bereits in kleinsten Mengen tödlich<br />
wirkenden Nervengift oder Pestizid<br />
gleich. Davon unbeeindruckt hatte<br />
BP allein bis Mitte Juni bereits mehr<br />
als vier Millionen Liter der Todeslösung<br />
über die betroffenen Meeresgebiete<br />
im Golf versprüht oder unter<br />
Wasser ausgebracht.<br />
« Die Mischung hat eine chemische<br />
Toxizität, die in vieler Weise<br />
schlimmer ist als das Öl », warnt<br />
Meeresbiologe Richard Charter.<br />
Der Berater der US-Behörde NOAA<br />
(National Oceanic and Atmospheric<br />
Administration) hat die Methode für<br />
die norwegische Umweltorganisation<br />
Bellona untersucht – und hält<br />
sie für ein « gigantisches Experiment<br />
». Es gebe keine guten Optionen<br />
: « Man will den Schaden für die<br />
Küste minimieren, könnte dadurch<br />
aber dem Ökosystem auf See noch<br />
mehr schaden. »<br />
« Ökologischer Albtraum »<br />
Und der Umweltforscher Terry Hazen<br />
befürchtet einen « ganz neuen<br />
ökologischen Albtraum ». Manche<br />
der Lösungsmittel seien « weit giftiger<br />
als das Öl selbst ». Hazen hat<br />
die Technologie schon nach der Havarie<br />
des Tankers « Exxon Valdez »<br />
in Alaska 1989 untersucht. Sein Rat :<br />
Die nicht abschöpfbaren Ölreste in<br />
Ruhe lassen und darauf warten,<br />
dass natürliche Mikroben ihn von<br />
selbst zersetzen. In Grossbritannien<br />
ist Corexit nach Freilandversuchen<br />
an Küstenabschnitten wegen seiner<br />
Giftigkeit bereits vor zwölf Jahren<br />
verboten worden.<br />
Am 15. Juli berichtete BP, es sei<br />
gelungen, die Ventile eines Auffangzylinders<br />
zu schliessen. Dadurch<br />
ströme erstmals seit Beginn<br />
der Katastrophe Ende April kein Öl<br />
mehr ins Meer. Ob die Abdichtung<br />
dem Druck des Öls allerdings längerfristig<br />
standhält, bleibt unklar.<br />
Zudem werden Reporter und Fotografen<br />
von den US-Behörden unter<br />
Androhung von hohen Bussen und<br />
Gefängnisstrafen daran gehindert,<br />
in die Nähe von Öl-Barrieren und<br />
ölverschmierten <strong>Tier</strong>en zu gelangen,<br />
also genau dahin, wo sie eigentlich<br />
hin müssten.<br />
Derweil verbreiten dieselben Behörden<br />
und BP eilfertig schönfärberische<br />
Berichte, die Katastrophe sei<br />
im Griff und nur noch ein Bruchteil<br />
der ursprünglichen Ölmenge treibe<br />
auf dem Meer. Für unzählige Fische,<br />
Seevögel, Schildkröten, Muscheln,<br />
Krebse, Delfine und Wale nützt all<br />
dies ohnehin nichts mehr. Sie sind<br />
der grössten und tödlichsten Ölkatastrophe<br />
Nordamerikas bereits zum<br />
Opfer gefallen. (hpr) <br />
<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> 3/10
Foto : pixelio.de/Echino<br />
Kurznachrichten<br />
Harte Zeiten<br />
für Schlangen-<br />
Populationen<br />
der Erde<br />
Langzeitstudien haben gezeigt,<br />
dass Bestände von<br />
Fischen, Vögeln und Amphibien<br />
– hier vor allem von<br />
Fröschen – weltweit stark abnehmen.<br />
Einer nun publizierten<br />
Studie im Fachmagazin<br />
Biology Letters zufolge, trifft<br />
das auch auf Schlangen zu.<br />
Ein Forscherteam um Chris<br />
Reading vom Centre for Ecology<br />
and Hydrology hat 17<br />
Schlangenpopulationen von<br />
Grossbritannien, Frankreich,<br />
Italien, Nigeria und Australien<br />
untersucht. Davon haben<br />
sich in den vergangenen Jahren<br />
nur fünf stabil entwickelt,<br />
elf sind stark rückläufig, nur<br />
eine Population konnte leicht<br />
zunehmen.<br />
Ringelnatter-Populationen<br />
sind in Österreich stabil.<br />
« Wir können tatsächlich<br />
beobachten, dass die Bestände<br />
der meisten <strong>Tier</strong>arten zurückgehen<br />
», meint Heinz Grillitsch,<br />
Biologe und Kurator<br />
der herpetologischen Sammlung<br />
am Naturhistorischen<br />
Museum Wien « Ein Grund<br />
dafür sind sehr schnelle Veränderungen<br />
der Lebensräume.<br />
» Dadurch, dass die Änderungen<br />
in so kurzer Zeit geschehen<br />
– innerhalb von wenigen<br />
Jahrzehnten – gibt es<br />
nicht genügend Zeit für eine<br />
Anpassung. Daher gebe es<br />
heute Aussterbensraten, die<br />
ähnlich hoch sind, wie jene in<br />
den grossen Katastrophenzei-<br />
ten der Erdgeschichte. » Bei<br />
den Amphibien liege sie um<br />
den Faktor 1000 über dem<br />
Durchschnitt der vergangenen<br />
100 000 Jahren.<br />
Verschiedene Gründe für<br />
einzelne Arten<br />
Einen der Hauptgründe für<br />
den starken Rückgang der<br />
Reptilien ist die Veränderung<br />
der Lebensräume der<br />
<strong>Tier</strong>e. Zu den Gewinnern unter<br />
den heimischen Schlangen<br />
zählt die bis zu 180 Zentimeter<br />
lange Äskulapnatter,<br />
die auch immer häufiger in<br />
Häusern und Gärten auftritt<br />
sowie die Ringelnatter.<br />
Doch auch unter den heimischen<br />
Schlangen gehören die<br />
meisten Arten zu den Verlierern.<br />
Ein Grund dafür ist die<br />
Verbauung von Bächen und<br />
Flussläufen. Den Kreuzottern,<br />
die zu den Gebirgsschlangen<br />
gehört, mache die zunehmende<br />
Hitze zu schaffen. pressetext<br />
austria<br />
Illegales<br />
Affenfleisch kommt<br />
auch nach Europa<br />
Experten gehen von<br />
270 Tonnen Bush-Meat<br />
jährlich aus<br />
Rund 270 Tonnen illegales<br />
Bushmeat gelangen jährlich<br />
über die grossen Flughäfen<br />
nach Europa. Eine Studie,<br />
die am Pariser Charles-de-<br />
Gaulle-Airport durchgeführt<br />
wurde, hat zur Beschlagnahme<br />
von rund 190 Kilogramm<br />
illegalem Fleisch<br />
aus verschiedenen afrikanischen<br />
Ländern geführt. Neben<br />
der Gefahr des Imports<br />
von Krankheiten für Mensch<br />
und <strong>Tier</strong> betrifft der illegale<br />
Fleischhandel auch den Artenschutz,<br />
berichtet ein Forscherteam<br />
im Fachmagazin<br />
Conservation Letters.<br />
Der<br />
illegale<br />
Bush-Meat-<br />
Handel<br />
blüht auch<br />
in Europa.<br />
« Wir gehen davon aus, dass<br />
jede Woche etwa fünf Tonnen<br />
von illegalem Bushmeat<br />
über den Pariser Charles-de-<br />
Gaulle-Flughafen in die EU<br />
gebracht werden », so Studien-Koautor<br />
Marcus Rowcliffe<br />
von der Zoological Society<br />
of London. Die während<br />
der Studie beschlagnahmten<br />
Fleischproben stammten von<br />
insgesamt elf verschiedenen<br />
<strong>Tier</strong>arten. « Darunter waren<br />
zwei Arten von Primaten,<br />
zwei verschiedenen Krokodilarten<br />
und drei verschiedenen<br />
Nagetieren von denen zwei<br />
unter Schutz standen. »<br />
Affenfleisch für<br />
Einwanderer<br />
« Die Nachfrage nach Bush-<br />
Meat – vor allem nach Affenfleisch<br />
– ist vor allem unter<br />
den Einwanderern sehr<br />
gross », so Rowcliffe. Ein<br />
vier Kilogramm schwerer Affe<br />
kostet umgerechnet etwa 100<br />
Euro. Am lokalen Markt in Kamerun<br />
schlägt sich ein Affe<br />
mit etwa fünf Euro zu Buche.<br />
« Die <strong>Pro</strong>dukte werden nicht<br />
nur zum persönlichen Verzehr<br />
importiert, sondern es<br />
gibt mittlerweile einen lukrativen<br />
Handel damit », erklärt<br />
Rowcliffe. Der Preis stilisiere<br />
das Fleisch zu einem<br />
Statussymbol hoch.<br />
« Basierend auf den Daten der<br />
insgesamt 29 untersuchten<br />
Flugankünfte in Paris haben<br />
wir die Zahl hochgerechnet<br />
und sind dabei zum Schluss<br />
gekommen, dass jährlich 273<br />
Tonnen dieses Fleisches über<br />
den Pariser Flughafen ins<br />
Land gelangen ». Rowcliffe<br />
betont gegenüber pressetext,<br />
dass er und seine Kollegen<br />
über diese grosse Menge an<br />
illegalem Fleisch erstaunt<br />
waren. « Da es bisher keine<br />
Studien darüber gab,<br />
basierten alle Angaben auf<br />
Schätzungen. »<br />
Mehrere Untersuchungen<br />
notwendig<br />
Aufgrund des kurzen Untersuchungszeitraums<br />
meinen<br />
die Forscher, dass weitere<br />
Studien notwendig sind. Zudem<br />
sollte die Kontrolle ausgeweitet<br />
werden. « Wir nehmen<br />
an, dass aufgrund der<br />
relativ geringen Strafen und<br />
dem mangelnden Engagement<br />
der illegale Handel<br />
blüht », so Rowcliffe. pressetext<br />
austria<br />
Mäuse und Hunde<br />
riechen Krankheiten<br />
Geruchsforscher :<br />
« <strong>Tier</strong>e mit guter Nase<br />
erkennen die meisten<br />
Moleküle »<br />
Mäuse, Ratten und auch Hunde<br />
schaffen es, nach entsprechendem<br />
Training gefährliche<br />
Krankheiten zu erschnüffeln.<br />
Dank dieser Fähigkeit könnte<br />
man eine Ausbreitung von<br />
Seuchen leichter verhindern.<br />
« So lassen sich sogar in freier<br />
Natur Krankheiten wie etwa<br />
<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> 3/10 29<br />
Foto : Anne-Lise Chaber<br />
Foto : aboutpixel.de/Bounce<br />
Hundeschnauze :<br />
Erkennt fast alle chemischen<br />
Verbindungen.
die Vogelgrippe aufspüren »,<br />
berichtet Studienleiter Bruce<br />
Kimball vom Monell Center.<br />
Sensoren für die<br />
Vogelgrippe<br />
Die Forscher liessen Mäuse<br />
durch ein Labyrinth laufen.<br />
In dieses hatten sie Entenkot<br />
platziert, der teils von<br />
mit Vogelgrippe infizierten,<br />
teils von gesunden <strong>Tier</strong>en<br />
stammte. Damit sich die<br />
Seuche nicht übertrug, waren<br />
die Exkremente zuvor bestrahlt<br />
worden. Immer wenn<br />
die Mäuse auf ein infiziertes<br />
Häufchen stiessen, erhielten<br />
sie einen Schluck frisches<br />
Wasser. Schon nach kurzer<br />
Zeit waren die kleinen Nager<br />
Experten im Erschnüffeln<br />
der Krankheit. Sie kamen<br />
dabei nie in direkten Kontakt<br />
mit dem Kot, sondern immer<br />
nur mit dessen Geruch.<br />
« Jedes <strong>Tier</strong>, das mit einer<br />
guten Nase ausgestattet ist,<br />
kann auf bestimmte Duftmoleküle<br />
abgerichtet werden<br />
», betont der Bochumer<br />
Zellphysiologe Hanns Hatt.<br />
Mäusen, Ratten und Hunden<br />
etwa gelingt dies aufgrund<br />
extrem guter Ausstattung<br />
an Geruchsrezeptoren.<br />
« Während der Mensch 350<br />
dieser Rezeptoren besitzt,<br />
sind es beim Hund über 800<br />
und bei der Maus sogar 1000.<br />
Das reicht, um für nahezu das<br />
30<br />
Adressänderung<br />
Achtung !<br />
Denken Sie daran,<br />
uns Ihre Adressänderung<br />
rechtzeitig<br />
mitzuteilen.<br />
<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong><br />
Alfred Escher-Strasse 76<br />
CH-8002 Zürich<br />
Telefon : 044 201 25 03<br />
gesamte Spektrum an chemischen<br />
Strukturen einen passenden<br />
Rezeptor zu besitzen<br />
und den entsprechenden<br />
Duft zu erkennen », so der<br />
Geruchsspezialist.<br />
Zuckerkranke riechen<br />
nach Äpfeln<br />
Als Biosensoren nutzte man<br />
<strong>Tier</strong>e bisher bei der Suche<br />
nach Landminen, Leichen<br />
oder Blut. Krankheiten sind<br />
für die US-Forscher der logische<br />
nächste Schritt. Hatt<br />
merkt an, dass sich Ärzte<br />
vor der Labordiagnostik-Ära<br />
viel mehr auf die Sinne verlassen<br />
haben – auch auf den<br />
Geruch. « Bei schweren Formen<br />
der Diabetes lässt ein<br />
Abbauprodukt des Zuckers<br />
die Patienten etwa nach Äpfeln<br />
riechen, bei Nierenerkrankungen<br />
nach Harnstoff<br />
oder bei Lebererkrankungen<br />
nach Fäule. » Trainierte Hunde<br />
erzielen bei Brust-, Blasen<br />
und Lungenkrebs eine Treffsicherheit<br />
von über 90 <strong>Pro</strong>zent,<br />
wobei der Mundgeruch oder<br />
das Urin des Patienten den<br />
Ausschlag gibt.<br />
Elektronische Nasen hinken<br />
den <strong>Tier</strong>en weit hinterher.<br />
Bisher gelingt es ihnen<br />
bloss, sehr unspezifisch etwa<br />
Alkohol von Aminen zu unterscheiden.<br />
« Einerseits gibt<br />
es noch grosse Rückstände,<br />
was die Erforschung der Geruchsrezeptoren<br />
betrifft. Beim<br />
Menschen sind erst zehn bekannt,<br />
bei der Maus knapp 50,<br />
beim Hund noch gar keine.<br />
Andererseits ist die Herstellung<br />
der Rezeptoren sehr<br />
schwierig », so der Bochumer<br />
Geruchsforscher. Doch<br />
auch die tierischen Schnüffler<br />
haben ihre Grenzen – so<br />
ermüdet etwa die Hundenase<br />
sehr schnell. « Umsetzbar ist<br />
eher, dass man aus der Mäusekot-Analyse<br />
Rückschlüsse<br />
Flohmarkt für <strong>Pro</strong><strong>Tier</strong><br />
Am Samstag, 28. August veranstaltete der Reit- und Fahrverein<br />
Meggen einen Haustier-Artikel-Flohmarkt zu Gunsten<br />
von <strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> und der Stiftung Stinah. Trotz kaltem und regnerischem<br />
Wetter kamen einige wetterfeste Reiter, Hündeler und<br />
sonstige <strong>Tier</strong>besitzer um die feilgebotenen Sachen zu begutachten<br />
und für einen guten Zweck zu kaufen. Leider waren es<br />
nicht ganz so viele Leute wie erhofft. Trotzdem freuen sich die<br />
Veranstalter und Helfer über ihren Beitrag an den <strong>Tier</strong>schutz<br />
– können sie doch beiden Organisationen je CHF 700.– aus<br />
dem Verkaufserlös zugute kommen lassen.<br />
<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> bedankt sich, im Namen der <strong>Tier</strong>e, ganz herzlich bei<br />
seinem Mitglied Claudia Sutter und allen anderen <strong>Tier</strong>freunden<br />
und -freundinnen für Ihren tollen Einsatz !<br />
zieht. » pte Deutschland Fotos : Claudia Sutter<br />
<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> 3/10
Buchbesprechungen<br />
Auf die Hörner<br />
genommen<br />
Die Kuh ist unser nationales Symbol und allgegenwärtig. Sei<br />
es in der Werbung, in der Ernährung oder in der Politik. Mit<br />
190 Bildern präsentiert der Luzerner Fotograf Emanuel Ammon<br />
in seinem neusten Bildband ein starkes Stück Heimat.<br />
Die ersten Bilder wurden 1976, die letzten im Herbst 2009 gemacht.<br />
In der Schweiz hat es gegen 40 Kuhrassen, 34 davon<br />
bekam er vor die Linse. In Kurzporträts werden die Kühe mit<br />
ihren Bauern vorgestellt. Dabei erfahren wir einiges über die<br />
diversen Charaktere der gewichtigen Vierbeiner, wie viele<br />
<strong>Tier</strong>e es davon hat und warum Kuh nicht gleich Kuh ist. Obwohl<br />
heute die hornlose Variante längst in der Überzahl ist,<br />
galt Ammons Aufmerksamkeit den stolzen Hornträgerinnen.<br />
Dazu bereiste er die Schweiz vom Bodensee bis Genfersee,<br />
kraxelte in den Alpen und besuchte sowohl konventionelle<br />
wie auch topmoderne Ställe. Es entstand eine Hommage an<br />
die Kuh, die einen Blick in die Zukunft wagt und gleichzeitig<br />
die Vergangenheit aufl eben lässt. So erfahren wir etwa, dass<br />
das Evolèner Rind zur ältesten Rasse zählt und nur 500 <strong>Tier</strong>e<br />
vorhanden sind, das swissgenetics in der Schweiz über<br />
eine Million Samendosen umsetzt, dass der Kuhfl aden satte<br />
zwei Kilo hat und dass es eine Kuhschule gibt. Kurioses<br />
und Spannendes, Witziges und Nachdenkliches. Wer einmal<br />
eingetaucht ist ins Schweizer Kuhleben, wird nie wieder die<br />
Worte « Dumme Kuh » in den Mund nehmen, denn das ist<br />
nun wirklich eine Mär.<br />
Emanuel Ammon<br />
« Schweizer<br />
KUHLEBEN »<br />
224 Seiten,<br />
CHF 78.–,<br />
Deutsch/Französisch<br />
ISBN :<br />
978-3-9523375-1-6<br />
Aura Fotobuchverlag<br />
Maihofstrasse 39<br />
CH-6004 Luzern<br />
E-Mail : info@aura.ch,<br />
www.aura.ch<br />
Tel 041 429 8 429<br />
Fax 041 429 8 428<br />
Kein Appetit auf<br />
Fleisch<br />
« Diese Geschichte begann nicht als ein Buch. Ich wollte nur<br />
wissen – für mich und für meine Familie – was Fleisch eigentlich<br />
ist. Wo kommt es her ? Wie wird es produziert ? Welche<br />
Folgen hat unser Fleischkonsum für die Wirtschaft, die Gesellschaft<br />
und unsere Umwelt ? Gibt es <strong>Tier</strong>e, die man bedenkenlos<br />
essen kann ? Gibt es Situationen, in denen der Verzicht<br />
auf Fleisch falsch ist ? Warum essen wir kein Hundefl eisch ?<br />
Was als persönliche Untersuchung begann, wurde rasch sehr<br />
viel mehr als das … » Der Autor Jonathan Safran Foer bringt<br />
es in seinem Vorwort gleich selber auf den Punkt, dies ist<br />
nicht einfach ein weiteres Buch eines seit Jahren bekennenden<br />
Vegetariers, der andere Menschen von seiner Denkweise<br />
überzeugen will.<br />
Immer mehr Menschen schwanken zwischen Fleischgenuss<br />
und Vegetarismus. In einer brillanten Synthese aus<br />
Philo sophie, Literatur, Wissenschaft und eigenen Undercover-<br />
Reportagen bricht Foer in « <strong>Tier</strong>e essen » eine Lanze für eine<br />
bewusste Wahl. Dabei geht er vor allem der Frage auf den<br />
Grund, was Essen für den Menschen bedeutet. Er hinterfragt<br />
die Geschichten, die wir uns selbst erzählen, um unser Essverhalten<br />
zu rechtfertigen, und die dazu beitragen, dass wir<br />
der Wirklichkeit der Massentierhaltung und deren Konsequenzen<br />
nicht ins Auge sehen. « <strong>Tier</strong>e essen » besticht durch eine<br />
elegante Sprache, überraschende Denkfi guren und viel Humor.<br />
Foer zeigt ein grosses Herz für menschliche Schwächen,<br />
lässt sich aber in seinem leidenschaftlichen Plädoyer für die<br />
Möglichkeiten ethischen Handelns nicht bremsen. Eine unverzichtbare<br />
Lektüre für jeden Menschen, der über sich und<br />
die Welt – und seinen Platz in ihr – nachdenkt.<br />
Jonathan Safran Foer<br />
« <strong>Tier</strong>e essen »<br />
400 Seiten, CHF 30.50<br />
ISBN : 978-3-462-04044-9<br />
Verlag Kiepenheuer &<br />
Witsch GmbH & Co. KG<br />
Postfach 10 20 62<br />
DE-50460 Köln<br />
E-Mail :<br />
verlag@kiwi-verlag.de<br />
www.kiwi-verlag.de<br />
Tel. ++41 221 376 85-0<br />
Fax ++21 221 376 85-11<br />
<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> 3/10 31
<strong>Tier</strong>e brauchen<br />
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Vermerk : « Findeltiere »<br />
Schweizerische Gesellschaft<br />
für <strong>Tier</strong>schutz<br />
Alfred Escher-Strasse 76,<br />
CH-8002 Zürich