Heft 3/2010 - Pro Tier

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Kühe brauchen ihre Hörner Mittlerweile haben Kühe mit Hörnern Seltenheitswert. In der Schweiz sind bereits 90% der Kühe hornlos. Doch durch das Enthornen beraubt man sie eines überaus wichtigen Organes – die Hörner dienen den hochsozialen Tieren zur Kommunikation und zur Körperpfl ege. Ist es ethisch vertretbar, aus vor allem wirtschaftlichen Gründen, unsere Nutztiere durch einen solch massiven Eingriff in ihr äusseres Erscheinungsbild den Haltungssystemen anzupassen ? Kühe mit Hörnern bald ein Auslaufmodell ? 14 ProTier 3/10
Foto : Ruth Hofmann VON NATHALIE DUBOIS Das Enthornen erfolgt in der Regel bereits beim Kalb, empfohlen wird der Eingriff in der 2. oder 3. Lebenswoche, denn dann sind die Hornknospen noch nicht allzu stark ausgebildet. Jährlich sind es rund 200 000 Kälber die enthornt werden. Man brennt den Kälbchen, unter lokaler Betäubung, die Hornansätze mit einer Art Lötkolben aus ; es können keine Hörner mehr wachsen. Augenzeugen dieses Eingriffs berichten von unterschiedlichen Szenarien. Die Beschreibungen reichen von « unter korrekter Anästhesie wenig schmerzvollen Prozedere » bis hin zu « unerträglichen Qualen für die Tiere mit anschliessend tagelangem Kopfschlagen der Kälber oder aber völliger Apathie und Futterverweigerung. » Das Problem des Eingriffs liegt, nebst der absolut korrekten Durchführung durch den ausgebildeten Bauern oder einen Tierarzt, vor allem bei der Nachbehandlung. Oft genug kommt es vor, nicht zuletzt aus Kostengründen, dass die notwendigen Schmerzmittel viel zu früh abgesetzt oder gar nicht erst verabreicht werden. Das Enthornen ist in jedem Fall ein Eingriff, der für die Kälber Stress und Schmerzen bedeutet. Doch niemand weiss genau, wie gross die Schmerzen für die Tiere bei diesem Eingriff tatsächlich sind und wie lange es dauert bis sie abklingen. Die Hornansätze sind hochsensible Stellen aus denen sich die sogenannten Hornzapfen entwickeln, jener stark durchblutete und von dichten Nervenbahnen durchzogene, lebende Teil des Hornes, der für das Wachstum des eigentlichen, äusseren sichtbaren Hornes verantwortlich ist. Das Horn als zentrales Organ der Kuh wächst ein Leben lang weiter. Meist ist die älteste Kuh mit den grössten Hörnern das ranghöchste Tier in der Herde. Bei ausgewachsenen Kühen ist das Enthornen, nach einhelliger Meinung von Experten, in jedem Fall eine « wahre Schlachterei » und aus Tierschutzgründen absolut inakzeptabel. Den Kühen werden die vollständig ausgebildeten Hörner ProTier 3/10 abgesägt, was einer Amputation gleichkommt und für die Tiere eine massive Belastung darstellt. Es kann, nebst unvermeidbaren grossen Schmerzen, zu Komplikationen in der Wundheilung kommen, wie zum Beispiel schwere Infektionen der, durch das Absägen der Hörner, eröffneten Stirnhöhlen. Die Tiere zeigen wochenlang Symptome von hoher Schmerzbelastung. Es ist anzunehmen, dass die Tiere zudem noch lange, wenn nicht sogar für den Rest ihres Lebens, unter Phantomschmerzen leiden. Hörner sind ein wichtiges Kommunikationsmittel Kühe haben von Natur aus Hörner und das hat auch durchaus seinen Sinn. Die Hörner erfüllen im sozialen Umgang des Herdentieres Kuh einen wichtigen Zweck, ja sie sind das eigentliche Hauptinstrument für die fein abgestimmte Kommunikation. « Es sind kleinste Kopfbewegungen mit denen Kühe einander mitteilen ob die Gegenwart der anderen erwünscht, toleriert oder absolut nicht geduldet ist » erklärt Martin Ott. Er ist Mitpächter des Guts Rheinau, einer der grösseren Landwirtschaftsbetriebe der Schweiz (www.fintan.ch) und Stiftungsratspräsident des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) in Frick. Martin Ott ist ein Verfechter von behornten Kühen und so sind auf dem Gut Die Hörner bei Kühen sind so individuell wie ihre Persönlichkeiten. Foto : Nathalie Dubois Foto : Thomas Haug Dieses Kalb auf dem Gut Rheinau darf seine Hörner behalten. Rheinau auch keine hornlosen Tiere mehr anzutreffen. Behornte Tiere strahlen durch ihr arteigenes, natürliches Erscheinungsbild Autorität aus und haben deshalb auch mehr Respekt voreinander, die Rangfolge ist daher viel klarer als bei Kühen ohne Hörner. Sie muss zwar in jeder Herde hin und wieder neu festgelegt oder bestätigt werden aber in viel geringerem Mass als bei Tieren ohne Hörner. Deshalb sind Herden mit behornten Kühen in ihrem Sozialverhalten viel stabiler als hornlose Gruppen. Vielfach sind enthornte Tiere nervöser, weil sie in ihrer Stellung innerhalb der Herde unsicher sind. Es kann aber auch sein, dass sie abstumpfen, weil sie durch das Enthornen sozusagen « sprachlos » gemacht werden. Hörner sind auch keine eigentlichen Waffen, im Gegenteil, für bestimmte Angriffe oder zur Verteidigung sind sie aufgrund ihrer Form und der seitlichen Position am Kopf der Kuh eher ungeeignet. Bei Rangkämpfen sind sie vielmehr wichtige Halteinstrumente um ein Abrutschen der Köpfe (Verletzungsgefahr) beim Stemmen zu verhindern. Solche Rangkämpfe sind denn auch nur reines Kräftemessen und verlaufen in der Regel unblutig und ohne ernsthafte Verletzungen. Die bio-dynamische Landwirtschaft sieht im Horn der Kuh einen zentralen Bestandteil des komplexen Verdauungssystems der Wiederkäuer. Hörner sollen sogar einen direkten Einfluss auf die Milchqualität haben. Enthornte Kühe sind hier deshalb undenkbar, weil damit ein 15
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