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Foto : Thomas Haug<br />
was das Handling betraf. Im Laufstall<br />
ist die Bindung des Bauern<br />
zum einzelnen <strong>Tier</strong> indes loser. Die<br />
<strong>Tier</strong>e sind weniger oder kaum mehr<br />
auf « ihren » Menschen bezogen wie<br />
früher. Zudem kann der Bauer bei<br />
einem Gerangel schnell einmal unfreiwillig<br />
zwischen die Fronten geraten.<br />
Von enormer Wichtigkeit ist es<br />
deshalb, Ruhe und Stabilität in die<br />
Herde zu bringen. Der Bauer muss<br />
seine <strong>Tier</strong>e genau kennen. Damit sie<br />
nicht « verwildern » ist eine frühkindliche<br />
Prägung für die Mensch-<strong>Tier</strong>beziehung<br />
sehr wichtig. Das Halten<br />
von behornten Kühen erfordert,<br />
nebst mehr Platz, ganz klar mehr<br />
Aufwand und Einsatz des Bauern.<br />
Er muss Ruhe ausstrahlen und er<br />
braucht ein feines Gespür im täglichen<br />
Umgang mit den <strong>Tier</strong>en um<br />
wenn nötig integrativ einzugreifen<br />
um die Herde zu stabilisieren. Er<br />
muss eine natürliche Autorität ausstrahlen<br />
und die Rolles des Herdenführers<br />
übernehmen.<br />
Martin Ott hat für seine Kuhherde<br />
viel Zeit aufgewendet und mit den<br />
<strong>Tier</strong>en immer und immer wieder geübt.<br />
Sein Einfühlungsvermögen und<br />
seine Kompetenz im Umgang mit<br />
den <strong>Tier</strong>en trägt Früchte. Besonders<br />
eindrücklich zeigt sich dies im Warteraum<br />
vor dem Stall zum abendlichen<br />
Melken. Es habe ihn einiges<br />
an Geduld gekostet um die Herde<br />
so ruhig stehen zu haben, sagt er<br />
nicht ohne Stolz. Und tatsächlich, es<br />
ist ein ganz spezieller Anblick : Die<br />
35 Kühe einer Leistungsgruppe, inklusive<br />
Stier, stehen auf einer Fläche<br />
von knapp 150m 2 , Horn an Horn, und<br />
warten geduldig, bis sie an die<br />
Reihe kommen. Obwohl<br />
die Kühe in diesem Moment<br />
ihren persönlichen<br />
« Sicherheitsabstand »<br />
unterschreiten müssen,<br />
bleiben die <strong>Tier</strong>e ruhig.<br />
Ihr Herdenchef Bauer<br />
Ott, dem sie vertrauen,<br />
hat sie dies gelehrt.<br />
Konsumententäuschung :<br />
Auch Biomilch stammt<br />
nur noch selten von<br />
Kühen mit Hörnern.<br />
<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> 3/10<br />
Nebst viel gutem Willen sind<br />
aber auch einige bauliche Anpassungen<br />
im Laufstall nötig um ihn<br />
« horntauglich » zu machen. Insbesondere<br />
brauchen die <strong>Tier</strong>e mehr<br />
Platz um einander ausweichen zu<br />
können – ein wichtiges Verhaltenssignal<br />
um Dominanz, beziehungsweise<br />
Unterwerfung zu demonstrieren.<br />
Die damit verbundenen Kosten kann<br />
und will nicht jeder Bauer investieren.<br />
Und nicht zuletzt bedeutet die<br />
Haltung von Hornkühen immer auch<br />
eine kleinere Besatzdichte.<br />
Keine Werbung ohne<br />
Hörner<br />
Dass mit Kühen ohne Hörner etwas<br />
nicht ganz stimmt und ihr Anblick<br />
zuweilen Befremden auslöst hat<br />
auch die Werbe-und Tourismusindustrie<br />
gemerkt. Obwohl kaum eine<br />
« Milchproduzentin » noch behornt<br />
ist, prangen auf den Verpackungen<br />
von Milch, Käse oder Butter fast<br />
ausschliesslich Kühe mit prächtigen<br />
Hörnern. Das berühmteste Beispiel<br />
ist Lovely, die schwarz-weiss<br />
gefleckte Kuh von Swissmilk. Lovely<br />
kann vieles, wie zum Beispiel<br />
Fussball spielen, Yoga oder Karate,<br />
nur eines kann sie nicht – Hörner<br />
ihr Eigen nennen. Dem hornlosen<br />
Original wurden die Hörner mittels<br />
Computer nachträglich wieder aufgesetzt<br />
! Weil für die meisten Menschen<br />
die Hörner noch immer zur<br />
Kuh gehören, wird ihnen in der Werbung<br />
einfach vorgetäuscht, was in<br />
der Realität längst nicht mehr die<br />
Regel ist.<br />
Vor allem bei Bioprodukten<br />
wiegt der Betrug am<br />
schwersten, verbinden<br />
doch viele Konsumenten<br />
« bio » mit Nachhaltigkeit<br />
und besonderer<br />
<strong>Tier</strong>freundlichkeit.<br />
Kaum jemand käme<br />
auf die Idee, dass sehr<br />
viele Bio-Kühe genauso<br />
enthornt sind. So<br />
überlässt Bio Suisse<br />
ihren Mitgliedern die<br />
Entscheidung ob sie<br />
ihre <strong>Tier</strong>e enthornen<br />
oder nicht. Fast alle tun<br />
es. Einzig das strenge<br />
Bio-Label Demeter schreibt in seinen<br />
Richtlinien zwingend vor, dass<br />
Kühe nicht enthornt werden dürfen.<br />
Natürlich ist dies kein Argument, keine<br />
Bioprodukte mehr zu kaufen. Soweit<br />
sie ansonsten besonders tierfreundliche<br />
Auflagen erfüllen, sind<br />
sie immer noch besser als tierische<br />
Erzeugnisse aus konventioneller<br />
<strong>Pro</strong>duktion, wo Hornkühe ohnehin<br />
fast ganz verschwunden sind.<br />
Das Label KAGfreiland verbietet<br />
die Enthornung von ausgewachsenen<br />
Kühen und strebt mittelfristig<br />
auch ein Verbot bei Kälbern auf den<br />
eigenen Mitglieds-Betrieben an.<br />
Die Organisation lancierte diesen<br />
August die Kampagne « Horn auf ! »<br />
mit dem Ziel, die <strong>Pro</strong>blematik des<br />
Enthornens einer breiten Diskussion<br />
in der Bevölkerung zu zuführen und<br />
die Bauern zu motivieren vermehrt<br />
Kühe mit Horn auch in Freilaufställen<br />
zu halten. Zudem strebt KAGfreiland<br />
eine Förderung von <strong>Pro</strong>dukten<br />
von behornten Kühen an, wie<br />
« Hornmilch » oder « Hornkäse ».<br />
Konsumenten haben<br />
Verantwortung<br />
Es ist ethisch fragwürdig, das äussere<br />
Erscheinungsbild von <strong>Tier</strong>en aus<br />
wirtschaftlichen Gründen unseren<br />
Haltungssystemen anzupassen. Insbesondere,<br />
wenn dies mittels massiver<br />
und äusserst schmerzhafter<br />
Eingriffe in die körperliche Integrität<br />
der Lebewesen erfolgt. Diese <strong>Tier</strong>e<br />
ihres elementarsten Kommunikationsinstrumentes<br />
zu berauben, und<br />
ihnen damit ihr angeborenes Sozialverhalten<br />
teilweise zu verunmöglichen,<br />
verletzt ganz klar auch ihre<br />
Würde. Vielmehr sollten wird die<br />
Haltungsbedingungen an die <strong>Tier</strong>e<br />
und ihre artspezifischen Bedürfnisse<br />
anpassen – und nicht umgekehrt.<br />
Einmal mehr haben wir Konsumenten<br />
es in der Hand uns für die <strong>Tier</strong>e<br />
zu wehren, indem wir konsequent<br />
nur <strong>Pro</strong>dukte kaufen, die nicht auf<br />
ihre Kosten produziert werden. <br />
Mehr Infos zur Kampagne<br />
« Horn auf ! » finden Sie unter<br />
www.kagfreiland.ch<br />
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