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Heft 3/2010 - Pro Tier

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Foto : Thomas Haug<br />

was das Handling betraf. Im Laufstall<br />

ist die Bindung des Bauern<br />

zum einzelnen <strong>Tier</strong> indes loser. Die<br />

<strong>Tier</strong>e sind weniger oder kaum mehr<br />

auf « ihren » Menschen bezogen wie<br />

früher. Zudem kann der Bauer bei<br />

einem Gerangel schnell einmal unfreiwillig<br />

zwischen die Fronten geraten.<br />

Von enormer Wichtigkeit ist es<br />

deshalb, Ruhe und Stabilität in die<br />

Herde zu bringen. Der Bauer muss<br />

seine <strong>Tier</strong>e genau kennen. Damit sie<br />

nicht « verwildern » ist eine frühkindliche<br />

Prägung für die Mensch-<strong>Tier</strong>beziehung<br />

sehr wichtig. Das Halten<br />

von behornten Kühen erfordert,<br />

nebst mehr Platz, ganz klar mehr<br />

Aufwand und Einsatz des Bauern.<br />

Er muss Ruhe ausstrahlen und er<br />

braucht ein feines Gespür im täglichen<br />

Umgang mit den <strong>Tier</strong>en um<br />

wenn nötig integrativ einzugreifen<br />

um die Herde zu stabilisieren. Er<br />

muss eine natürliche Autorität ausstrahlen<br />

und die Rolles des Herdenführers<br />

übernehmen.<br />

Martin Ott hat für seine Kuhherde<br />

viel Zeit aufgewendet und mit den<br />

<strong>Tier</strong>en immer und immer wieder geübt.<br />

Sein Einfühlungsvermögen und<br />

seine Kompetenz im Umgang mit<br />

den <strong>Tier</strong>en trägt Früchte. Besonders<br />

eindrücklich zeigt sich dies im Warteraum<br />

vor dem Stall zum abendlichen<br />

Melken. Es habe ihn einiges<br />

an Geduld gekostet um die Herde<br />

so ruhig stehen zu haben, sagt er<br />

nicht ohne Stolz. Und tatsächlich, es<br />

ist ein ganz spezieller Anblick : Die<br />

35 Kühe einer Leistungsgruppe, inklusive<br />

Stier, stehen auf einer Fläche<br />

von knapp 150m 2 , Horn an Horn, und<br />

warten geduldig, bis sie an die<br />

Reihe kommen. Obwohl<br />

die Kühe in diesem Moment<br />

ihren persönlichen<br />

« Sicherheitsabstand »<br />

unterschreiten müssen,<br />

bleiben die <strong>Tier</strong>e ruhig.<br />

Ihr Herdenchef Bauer<br />

Ott, dem sie vertrauen,<br />

hat sie dies gelehrt.<br />

Konsumententäuschung :<br />

Auch Biomilch stammt<br />

nur noch selten von<br />

Kühen mit Hörnern.<br />

<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> 3/10<br />

Nebst viel gutem Willen sind<br />

aber auch einige bauliche Anpassungen<br />

im Laufstall nötig um ihn<br />

« horntauglich » zu machen. Insbesondere<br />

brauchen die <strong>Tier</strong>e mehr<br />

Platz um einander ausweichen zu<br />

können – ein wichtiges Verhaltenssignal<br />

um Dominanz, beziehungsweise<br />

Unterwerfung zu demonstrieren.<br />

Die damit verbundenen Kosten kann<br />

und will nicht jeder Bauer investieren.<br />

Und nicht zuletzt bedeutet die<br />

Haltung von Hornkühen immer auch<br />

eine kleinere Besatzdichte.<br />

Keine Werbung ohne<br />

Hörner<br />

Dass mit Kühen ohne Hörner etwas<br />

nicht ganz stimmt und ihr Anblick<br />

zuweilen Befremden auslöst hat<br />

auch die Werbe-und Tourismusindustrie<br />

gemerkt. Obwohl kaum eine<br />

« Milchproduzentin » noch behornt<br />

ist, prangen auf den Verpackungen<br />

von Milch, Käse oder Butter fast<br />

ausschliesslich Kühe mit prächtigen<br />

Hörnern. Das berühmteste Beispiel<br />

ist Lovely, die schwarz-weiss<br />

gefleckte Kuh von Swissmilk. Lovely<br />

kann vieles, wie zum Beispiel<br />

Fussball spielen, Yoga oder Karate,<br />

nur eines kann sie nicht – Hörner<br />

ihr Eigen nennen. Dem hornlosen<br />

Original wurden die Hörner mittels<br />

Computer nachträglich wieder aufgesetzt<br />

! Weil für die meisten Menschen<br />

die Hörner noch immer zur<br />

Kuh gehören, wird ihnen in der Werbung<br />

einfach vorgetäuscht, was in<br />

der Realität längst nicht mehr die<br />

Regel ist.<br />

Vor allem bei Bioprodukten<br />

wiegt der Betrug am<br />

schwersten, verbinden<br />

doch viele Konsumenten<br />

« bio » mit Nachhaltigkeit<br />

und besonderer<br />

<strong>Tier</strong>freundlichkeit.<br />

Kaum jemand käme<br />

auf die Idee, dass sehr<br />

viele Bio-Kühe genauso<br />

enthornt sind. So<br />

überlässt Bio Suisse<br />

ihren Mitgliedern die<br />

Entscheidung ob sie<br />

ihre <strong>Tier</strong>e enthornen<br />

oder nicht. Fast alle tun<br />

es. Einzig das strenge<br />

Bio-Label Demeter schreibt in seinen<br />

Richtlinien zwingend vor, dass<br />

Kühe nicht enthornt werden dürfen.<br />

Natürlich ist dies kein Argument, keine<br />

Bioprodukte mehr zu kaufen. Soweit<br />

sie ansonsten besonders tierfreundliche<br />

Auflagen erfüllen, sind<br />

sie immer noch besser als tierische<br />

Erzeugnisse aus konventioneller<br />

<strong>Pro</strong>duktion, wo Hornkühe ohnehin<br />

fast ganz verschwunden sind.<br />

Das Label KAGfreiland verbietet<br />

die Enthornung von ausgewachsenen<br />

Kühen und strebt mittelfristig<br />

auch ein Verbot bei Kälbern auf den<br />

eigenen Mitglieds-Betrieben an.<br />

Die Organisation lancierte diesen<br />

August die Kampagne « Horn auf ! »<br />

mit dem Ziel, die <strong>Pro</strong>blematik des<br />

Enthornens einer breiten Diskussion<br />

in der Bevölkerung zu zuführen und<br />

die Bauern zu motivieren vermehrt<br />

Kühe mit Horn auch in Freilaufställen<br />

zu halten. Zudem strebt KAGfreiland<br />

eine Förderung von <strong>Pro</strong>dukten<br />

von behornten Kühen an, wie<br />

« Hornmilch » oder « Hornkäse ».<br />

Konsumenten haben<br />

Verantwortung<br />

Es ist ethisch fragwürdig, das äussere<br />

Erscheinungsbild von <strong>Tier</strong>en aus<br />

wirtschaftlichen Gründen unseren<br />

Haltungssystemen anzupassen. Insbesondere,<br />

wenn dies mittels massiver<br />

und äusserst schmerzhafter<br />

Eingriffe in die körperliche Integrität<br />

der Lebewesen erfolgt. Diese <strong>Tier</strong>e<br />

ihres elementarsten Kommunikationsinstrumentes<br />

zu berauben, und<br />

ihnen damit ihr angeborenes Sozialverhalten<br />

teilweise zu verunmöglichen,<br />

verletzt ganz klar auch ihre<br />

Würde. Vielmehr sollten wird die<br />

Haltungsbedingungen an die <strong>Tier</strong>e<br />

und ihre artspezifischen Bedürfnisse<br />

anpassen – und nicht umgekehrt.<br />

Einmal mehr haben wir Konsumenten<br />

es in der Hand uns für die <strong>Tier</strong>e<br />

zu wehren, indem wir konsequent<br />

nur <strong>Pro</strong>dukte kaufen, die nicht auf<br />

ihre Kosten produziert werden. <br />

Mehr Infos zur Kampagne<br />

« Horn auf ! » finden Sie unter<br />

www.kagfreiland.ch<br />

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