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Heft 3/2010 - Pro Tier

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sprechend fehlt die Erfahrung, wie<br />

mit diesen <strong>Tier</strong>en umzugehen ist, die<br />

von Geburt an in der Schafherde sozialisiert<br />

werden.<br />

Umgang nicht gelernt<br />

Entsprechend unmissverständlich ist<br />

die Kritik von <strong>Pro</strong> Natura : Die Ereignisse<br />

im August hätten gezeigt, dass<br />

der Kanton Wallis trotz 15-jähriger<br />

Wolfspräsenz den Umgang mit dem<br />

Wolf noch nicht gelernt habe. « Die<br />

Abschüsse lösen das <strong>Pro</strong>blem nicht<br />

und verpuffen unnötig Ressourcen. »<br />

Deshalb die Forderung der Naturschützer<br />

: « Nur noch Geld für geschützte<br />

Schafe : Jährlich verunglücken<br />

und sterben mehrere tausend<br />

Schafe in der Schweiz auf natürliche<br />

Weise. <strong>2010</strong> wurden hingegen erst<br />

Foto : © Jean-Marc Weber, KORA<br />

Foto : zVg<br />

knapp 70 Wolfsrisse gemeldet.<br />

» Sömmerungsbeiträge<br />

und Entschädigungen<br />

seien nur noch an<br />

verantwortungsbewusste<br />

Schafhalter zu entrichten,<br />

die sich für das Wohl ihrer<br />

<strong>Tier</strong>e einsetzen und ihre<br />

Herden mit geeigneten<br />

Massnahmen schützen.<br />

Ganz anders sehen<br />

dies natürlich die Wolfsgegner<br />

im Wallis : « Der<br />

Wolf gehört nicht hier<br />

her. Er muss weg und gehört ausgerottet<br />

», findet Armin Andenmatten,<br />

Pächter der Alp Scex, wo vom<br />

Wolfspaar Rinder angegriffen wurden.<br />

Im « Blick » meinte Andenmatten,<br />

es sei unverständlich, dass der<br />

Kanton Wallis nicht beide <strong>Tier</strong>e zum<br />

Abschuss freigegeben habe : « Das<br />

ist ein Hosenscheisser-Entscheid.<br />

Niemand ist damit zufrieden. Für<br />

die Wolfs-Befürworter ist schon ein<br />

Wolf zu viel tot, für uns noch einer<br />

zu wenig. »<br />

Bizarre Logik<br />

Dass ein Wolf ein Rind reisst, ist äusserst<br />

selten. Gemäss Thomas Briner<br />

ist es das erste in der Schweiz. Auch<br />

im Ausland, etwa in Italien oder<br />

Frankreich, komme dies extrem<br />

selten vor, meint der wissenschaftliche<br />

Mitarbeiter im Bundesamt für<br />

Umwelt (Bafu), Sektion Jagd, Wildtiere<br />

und Biodiversität : « Bis anhin<br />

wurden in der Schweiz vereinzelt<br />

junge Kälber gerissen, aber noch<br />

nie ein 200 Kilo schweres Rind. »<br />

Der Wolf sei in seinem Beuteschema<br />

ein Opportunist. « Er reisst, was er<br />

erwischt. Hauptsächlich ernährt er<br />

sich von Wildtieren, also von Rehen<br />

und Hirschen, vereinzelt auch von<br />

Gämsen. Würde er in tiefere Lagen<br />

vorstossen, wären auch Wildschweine<br />

eine mögliche Beute. »<br />

Doch mit der natürlichen Konkurrenz<br />

im Jagdrevier bekundet wiederum<br />

der Dachverband der Jäger<br />

seine Mühe. « Die Ausbreitung und<br />

Vermehrung von Grossraubtieren<br />

führt zu einem lokalen und regionalen<br />

Rückgang der Beutetiere und<br />

einem Rückgang der Artenvielfalt »,<br />

heisst es in einem von Jagd Schweiz<br />

in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten.<br />

In der bizarren Logik von Jagd<br />

Schweiz geht es der Artenvielfalt<br />

ohne Wolf, Bär und Luchs besser.<br />

Vor allem aber bleibt für die Jäger<br />

so mehr Beute zum Abschuss.<br />

Blankoschein für<br />

Ausrottung<br />

Folglich wundert es wenig, dass<br />

das einseitige Gutachten schon<br />

mal vorsorglich die Dezimierung<br />

der Grossraubtiere fordert, teilweise<br />

schon, bevor diese die Schweiz<br />

überhaupt wirklich erreicht haben<br />

(z. B. der Bär). Dies soll sogar dann<br />

möglich sein, « wenn die negative<br />

Bestandesentwicklung der Beutetiere<br />

ohne von Grossraubtieren<br />

gesetzte Ursache eintritt. » Dies<br />

wäre de facto ein Blankoschein zur<br />

Eliminierung der Grossraubtiere.<br />

Schlimmer noch : « Die Nichtgefährdung<br />

des Luchsbestandes darf<br />

nicht als Voraussetzung für eine<br />

Regulierung aufgestellt werden »,<br />

fordert das Gutachten. <strong>Pro</strong> Natura<br />

schliesst daraus folgerichtig : « Gibt<br />

es also weniger Rehe oder Gämsen<br />

zu jagen, heisst die Patentlösung<br />

Abschuss von Luchs und Co., im<br />

Extremfall bis zum erneuten Aussterben.<br />

»<br />

Eine Politik nach Lesart von<br />

Jagd Schweiz bedeutet nichts anderes,<br />

als dass nur der Mensch allein<br />

jagen darf. Erschreckenderweise<br />

stossen solche Ansichten beim<br />

Leiter der Abteilung Jagd, Wildtiere<br />

und Waldbiodiversität des Bafu,<br />

Reinhard Schnidrig, auf offene Ohren.<br />

Unter dem Titel « <strong>Tier</strong>e nicht<br />

zu Tode schützen » macht sich der<br />

Walliser für eine Revision der Jagdverordnung<br />

stark. Künftig soll der<br />

legale Abschuss von Grossraubtieren<br />

zugelassen werden, wenn diese<br />

einen Einfluss auf die jagdbaren <strong>Tier</strong>e<br />

haben, so Schnidrig. Und bereits<br />

fordern verschiedene Parlamentarier,<br />

vor allem aus dem Wallis, dass<br />

der Schutzstatus des Wolfs vermindert<br />

werden soll. Nur dank diesem<br />

aber ist die Rückkehr des Wolfes in<br />

die Schweiz aber überhaupt möglich<br />

geworden. Der Weg der Grossraubtiere<br />

in die Schweiz ist lang und<br />

steinig. <br />

<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> 3/10<br />

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