pdf: ganzes Heft - Theologisches
pdf: ganzes Heft - Theologisches
pdf: ganzes Heft - Theologisches
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
einstimmung geht aber noch weiter, kaum wird jemand meinen,<br />
der Thatsache des Werthes durch ausschließliche Berufung<br />
auf die intellectuelle Seite der menschlichen Natur<br />
Rechnung tragen zu können“ 11 . Das ist eine so klare Ortsbestimmung<br />
des Wertes und der Werttheorie, dass man sie nicht<br />
überhören kann. Die Erinnerung an die intellektuelle Seite ist<br />
wohl das einzige Überbleibsel von der mittelalterlichen Wertlehre,<br />
nämlich an das Eine, an Materie und Form usf. Hier<br />
treffen sich nun zwei Richtungen, die zwar in ihrer Gesamttendenz<br />
konvergieren, aber doch aus einem anderen Holz<br />
stammen. Es ist die Wertphilosophie und die Lebensphilosophie,<br />
die nunmehr zusammenwachsen. Ich nehme hier Dilthey<br />
als Beispiel, der ja gerade das Leben in die Wissenschaft<br />
hereinholen will. Auf dieser Ebene treffen sich nun die beiden<br />
Richtungen und ergänzen sich. Dilthey begeht den Sündenfall.<br />
Er stellt den Satz der Phänomenalität auf, in dem<br />
jedes äußere Ding Tatsache meines Bewusstseins ist und ist<br />
nur diesem gegeben. Es ist nur meinem Bewusstsein gegeben.<br />
„Der Phänomenalismus ist die bewusste kritische Einschränkung<br />
der Wissenschaft auf Erscheinungen ... Raum,<br />
Zeit, Substanz, Kausalität, Zweck, Ich und Aussenwelt werden<br />
in gleichförmige Beziehungen zwischen phänomenalen<br />
und nach ihrem objektiven Werte nicht bestimmbaren Beziehungspunkten<br />
aufgelöst“ 12 .<br />
Hieraus geht eindeutig hervor, dass das Bewusstsein eine<br />
entscheidende Funktion bei der Bildung von Werten darstellt.<br />
Nicht das Subjekt, nicht das Objekt, sondern der Satz des<br />
Phänomenalismus liefert die Grundlagen der Werte. Wir<br />
müssen also noch eine Etage weiter in die Tiefe, die jetzt um<br />
so tiefer ist, als alles auf das Bewusstsein, und zwar „gleichförmig“<br />
geht. Wir dürfen also behaupten, dass nicht mehr die<br />
Mittel für den Zweck da sind, sondern Mittel und Zweck in<br />
gleicher Weise sich im Bewusstsein völlig „gleichförmig“<br />
einander zusammenkommen und ein mehr oder weniger richtiges<br />
oder falsche Konglomerat zusammenbringen, das aber<br />
jedenfalls für ein Bewusstsein gilt, also keineswegs für eine<br />
Gruppe oder Gesellschaft usw., so dass die transzendentalen<br />
und die immanenten Werte in gleicher Weise betroffen sind.<br />
Wir können also sagen, dass mit der Aufklärung auch bei den<br />
Werten eine Egalisierung stattgefunden hat, die die alten<br />
metaphysischen Werte und Wertbegründungen nicht nur aufgehoben,<br />
sondern sie geradewegs auf den Kopf gestellt hat.<br />
Von hier aus ist die gesamte Wertlehre der Moderne zu sehen<br />
und zu beurteilen. Vermutlich haben auch Scheler und<br />
N. Hartmann diese Schwierigkeit gesehen und wollten sie<br />
überwinden. Aber es war ihnen einfach nicht möglich, davon<br />
loszukommen.<br />
Auch ein unabhängiges Reich der Werte zu begründen<br />
bzw. zu postulieren, konnte hier nicht helfen bzw. reichte<br />
nicht aus. Um die Schwierigkeiten zu überwinden, mussten<br />
ganz neue Wege gesucht werden, die aber bis heute noch<br />
nicht gefunden worden sind und auf diesem auch nicht gefunden<br />
werden können.<br />
3. das Chaos der Werte<br />
Es ist schon mehrfach darauf hingewiesen worden, dass es<br />
den Anschein hat, dass Werte, im Neuplatonismus gewöhnlich<br />
so behandelt werden, als ob sie in der Existenzphilosophie<br />
dieselbe Stellung hätten und umgekehrt. Auch Scheler<br />
und N. Hartmann sprechen diese Problematik an, führen sie<br />
11<br />
Alexius Meinong, Psychologisch-ethische Untersuchungen zur Werttheorie.<br />
Graz, 1894 S. 4.<br />
12<br />
Wilhelm Dilthey, Ges Schriften, Bd. 5, Bd. 5, S. 90 & 91.<br />
aber nur partiell aus. Die Frage ist, ob wir die Werte des Neuplatonismus<br />
mit denen der Existenzphilosophie einfach<br />
gleichsetzen können oder ob sie nicht in einen ganz anderen<br />
Rahmen gesehen und gestellt werden müssen. N. Hartmann<br />
schreibt treffend: „Was wir suchen müssen, ist die Einheit der<br />
Werte, denn falls sie besteht, muss sie aufgedeckt werden“ 13 .<br />
Wir müssen unterscheiden zwischen Mittel und Zweck und<br />
müssen diese Werte genau voneinander trennen. Um das an<br />
einem Beispiel klar zu machen, soll hier die Nützlichkeit<br />
genannt werden. Ist sie Mittel oder Zweck? Oder ist sie beides?<br />
Das ist eine ethische Frage. Nur muss entschieden werden,<br />
was ethisch im Rahmen der Nützlichkeit ist.<br />
Eine solche Nützlichkeit hat auch seine zwei Seiten, eine<br />
die nur für mich ist und eine, die aus sozialen Gründen sichtbar<br />
wird. Gewöhnlich sind solche Werte wie Nützlichkeit<br />
gemischte Werte, die zum Teil auf das Ich gerichtet sind und<br />
solche, die auch eine soziale Komponente haben. Das ist eine<br />
ganz wichtige Angelegenheit. Wir sehen schon die Differenzen,<br />
die hier deutlich werden. Mit Gott und der Vernunft<br />
haben wir eine ganz ähnliche Antinomie. Bei Plotin geht es<br />
um das Eine, das letztlich Gott ist. Spätestens in der Aufklärung<br />
kommt diese Denkart nicht mehr zum Tragen. Denn das<br />
Denken von der Einheit her, ist längst eine aufklärerische<br />
Angelegenheit geworden. Die Vernunft dagegen, ist etwas,<br />
was vielleicht so ist, kommt von unten her. Sie wird vom<br />
immer mehr als opus hominis betrachtet. Und diese Antinomie<br />
verschärft sich bis zum heutigen Tage. Wir brauchen nur<br />
den Begriff Emanzipation zu nehmen um die Dichte dieser<br />
Werte einigermaßen zu verstehen. Emanzipation ist ein<br />
Begriff, der unter viele andere Werte subsummiert werden<br />
kann. Aber sind alle, die den Begriff Emanzipation ständig in<br />
Anspruch nehmen, nicht in ständiger Schwierigkeit den<br />
Begriff richtig erklären zu können? Und gibt es nicht ganz<br />
verschiedene Definitionen, diesen Begriff richtig zu erklären?<br />
Insofern legt eigentlich jeder, der den Begriff gebraucht, vor<br />
Gebrauch eine Art Bekenntnis ab.<br />
Schlimmer noch geht es zu in den Wissenschaftstheorien,<br />
die im letzten Jahrhundert mit großem Verve viele Wissenschaften<br />
vor allem die Humanwissenwissenschaften erschütterten.<br />
Die Rede ist vor allem von der Wertfreiheit, eine Art<br />
Zauberwort, das sich immer weiter verbreitet. So geht vor<br />
allem in der Pädagogik eine Richtung, die am liebsten über<br />
Werte überhaupt nichts mehr hören will und sich nur auf Tatsachen<br />
beschränken möchte. Ludwig Wittgenstein stellt lapidar<br />
fest, dass die Welt von Tatsachen bestimmt wird und nicht<br />
von Dingen 14 . Karl Popper der Begründer des Kritischen<br />
Rationalismus hatte festgestellt: „Durch Denken allein können<br />
wir doch nichts von den Tatsachen erfahren; nur die<br />
Wahrnehmungserlebnisse können die ,Erkenntnisquelle‘ der<br />
Erfahrungswissenschaften sein; alles, was wir über die Welt<br />
der Tatsachen sein, müssen wir daher auch in Form von Sätzen<br />
über unsere Erlebnisse aussprechen können. Ob dieser<br />
Tisch rot ist oder blau, das können wir durch Vergleich mit<br />
unseren Erlebnissen feststellen; durch unmittelbare Überzeugungserlebnisse<br />
können wir den ,wahren‘ Satz die richtige<br />
Zuordnung der Begriffe zu den Erlebnissen, von dem ,falschen‘,<br />
der unrichtig Satz, der unrichtigen Zuordnung, unterscheiden“<br />
15 . Aber Hans Albert bringt schon leise Zweifel an,<br />
wenn er sagt, dass die Wertproblematik auch selbst schon<br />
13 Nicolai Hartmann, Ethik, S. 264.<br />
14 Ludwig Wittgenstein. Tractatus-logico-philosophicus. Frankfurt a. M.<br />
984.1,1 Werkausgabe, Bd. 1) (STW 501).<br />
15 Karl R. Popper, Logik der Forschung, 5. Aufl, Tübingen 1973, S. 61.<br />
– 483 – – 484 –<br />
14