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pdf: ganzes Heft - Theologisches

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Tatsächlich aber tut sich hier bei den jungen Leuten ein<br />

Zwiespalt auf, dessen Tiefe und Tragik alle pastoralen Unterhaltungskünstler<br />

a priori zum Scheitern verurteilt. Auf der<br />

einen Seite jene tiefe und unverlierbare Sehnsucht nach Gott<br />

und der Wahrheit, in deren Ergreifen nach katholischer Lehre<br />

das Heil besteht: auf der anderen Seite die absolute Ratlosigkeit<br />

der heutigen Gesellschaft, deren Sinngebung sich in der<br />

permanenten Steigerung des Sozialproduktes und damit in<br />

dem Versuch zu erschöpfen scheint, durch die Erfindung<br />

immer neuer Güter die Wirtschaft immer wieder anzukurbeln.<br />

Aus dieser Schizophrenie ist jene Mischung aus Verzweiflung,<br />

Resignation und heroischem Trotz entstanden, der<br />

auf der einen Seite Theodor W. Adorno und auf der anderen<br />

Martin Heidegger ihr ungeheures Echo verdanken. 4 Hier finden<br />

wir eine Kultur- und Zivilisationskritik, die siriusweit<br />

von dem bemühten Sozialismus und den stümperhaften Weltverbesserungsplänen<br />

für eine „gerechte Gesellschaft der Zukunft“<br />

entfernt ist, mit denen progressive Theologen von<br />

heute immer noch die 68er einholen wollen – und erst recht<br />

entfernt ist von jener schülerhaft eifrigen Modernität um der<br />

Modernität willen, die wir heute in katholischen Kreisen finden.<br />

Aus den vier Momenten, die wir skizziert haben und die<br />

jede vorschnelle Typisierung des „modernen Jugendlichen“<br />

als Ansprechpartner zeitgemäßer Pastoralplaner verhindern,<br />

ergeben sich folgende Forderungen. Zunächst sollte man sich<br />

nicht mehr weiter darum bemühen, „die Jugendlichen dort<br />

abzuholen, wo sie sind“ und dies auch schon deshalb nicht,<br />

weil die Abholer selber in aller Regel dann beim Ausgangsbahnhof<br />

stehen bleiben. Vielmehr sollte man sie mit aller<br />

Entschiedenheit herausholen aus ihrem negativ besetzten<br />

geistigen Milieu und damit aus dem Vakuum, in dem sie sich<br />

befinden.<br />

Sodann sollte man alles tun, um sie nicht zu überreden und<br />

sei dies auch durch Sacro-Pop-Musik, sondern um sie verbindlich<br />

und mit allem Ernst von der Wahrheit des Christentums<br />

zu überzeugen. Denn wenn es überhaupt etwas gibt, was<br />

man mit einem gewissen Recht auf Verallgemeinerung von<br />

den Zeitgenossen und von der heutigen Jugend sagen kann,<br />

dann ist es ihr unerbittliches Pochen auf Rationalität und<br />

stringente überzeugende Argumentation. Davon können<br />

unsere Politiker ein Lied singen, wenn sie mit Schulklassen<br />

diskutieren und ebenso unerbittlich wie fair auf die Schwächen<br />

ihrer Parolen und Programme aufmerksam gemacht<br />

werden, wobei es den Schülern durchaus auch imponiert,<br />

wenn sich Politiker finden, die sie auf einsichtige und nachvollziehbare<br />

Weise vom Gegenteil dessen überzeugen, was<br />

sie bisher für richtig gehalten haben. Und solche Überzeugungsarbeit<br />

wäre in unserem Bereich heute umso notwendiger,<br />

als die Schüler schon längst ihrem angestammten religiösen<br />

Milieu entfremdet sind, wie uns das gerade unsere Pastoralstrategen<br />

unermüdlich versichern! Gewiss würde man<br />

damit im Sinne unserer beständigen Warnung vor Klischees<br />

nur einen Teil von ihnen erreichen, aber das wären gerade<br />

die, auf die es der Kirche ankommen sollte: die unruhigen<br />

und suchenden Geister, die jungen Forscher, die durchaus in<br />

der Lage sind, zu ermessen, dass empirische Wissenschaft<br />

und Naturwissenschaften nicht die einzigen Wege zur Wahrheit<br />

sind.<br />

4 Vgl. dazu die vorzügliche Darstellung von Hermann Mörchen: Adorno und<br />

Heidegger. Untersuchung einer philosophischen Kommunikationsverweigerung.<br />

Stuttgart 1981.<br />

Das alles kann man nicht durch die armseligen Mätzchen<br />

erreichen, durch die man die Jugendlichen in den Jugendkirchen<br />

und Jugendgottesdiensten zu unterhalten sucht und<br />

durch Techno-Effekte, die in unserem hochtechnisierten Zeitalter<br />

ohnehin niemanden mehr verblüffen. Und auch nicht<br />

durch einen Religionsunterricht, der schon längst darauf verzichtet<br />

hat, systematisch in die Wahrheiten des Glaubens einzuführen,<br />

um sich stattdessen in permanenter Good-will-<br />

Werbung, Lebens- und vergleichender Religionskunde zu<br />

erschöpfen, Erst schaut man – und das jahrzehntelang – zu,<br />

wie die katholische Jugend immer mehr zu einer Ansammlung<br />

religiöser Analphabeten wird, die über keinerlei Glaubenswissen<br />

mehr verfügen und dann holt man sie dort ab, wo<br />

sie steht!<br />

In diesen Zusammenhang gehört auch die merkwürdige,<br />

sich immer mehr ausbreitende Sucht, die Leser der Kirchenzeitungen<br />

zu befragen, was sie von diesen oder jenen Glaubenswahrheiten<br />

und Frömmigkeitsformen eigentlich halten<br />

und ob sie dieselben auch heute noch zeitgemäß finden. In ihr<br />

trifft sich der Kult des „Zeitgenossen“, den es so gar nicht<br />

gibt und der durch ihn allererst als maßgebende Instanz<br />

geschaffen wird, mit dem Demokratismus, der selbst die<br />

Wahrheit zur Abstimmung stellt!<br />

Typisch dafür ist die überflüssige Umfrage, die der Hildesheimer<br />

Liturgiewissenschaftler Guido Fuchs in 500 Gemeinden<br />

über die heutige Akzeptanz des Fronleichnamsfestes und<br />

der Fronleichnamsprozession gehalten hat und über die die<br />

Mainzer Kirchenzeitung „Glaube und Leben“ (18, 2005) mit<br />

pflichtschuldiger Aufmerksamkeit berichtete. Statt ganz einfach<br />

die Wahrheitsfrage zu stellen, aus der sich die Formfrage<br />

wie von selbst ergibt und auf sie die naheliegende Antwort zu<br />

geben, dass die öffentliche Huldigung – und dies zu allen<br />

Zeiten – durchaus angemessen ist, wenn es denn zutrifft, dass<br />

der Herr in den hl. Gestalten wahrhaft und wirklich gegenwärtig<br />

ist, wird auch hier auf den imaginären Zeitgenossen<br />

gesetzt, um herauszufinden, ob die angeblich barocke Form<br />

noch passt. „Auch Kindern“, so bemerkt der Liturgiewissenschaftler<br />

dazu, „ist die Eucharistie schwer zu vermitteln, wie<br />

ich immer wieder in der Kommunionkatechese erlebe. Sie<br />

haben ja meist keine Ahnung von dem, um was es eigentlich<br />

geht“. Und: „man merkt, dass die Verehrung der Eucharistie<br />

aus einer mittelalterlichen Frömmigkeitsform entstand, zu<br />

der die Menschen von heute keinen richtigen Bezug mehr<br />

haben, weil auch die Ehrfurcht vor religiösen Dingen zurückgegangen<br />

ist. Die Faktoren, die einmal im Mittelalter zu diesem<br />

Fest geführt haben ... sind heute so nicht mehr gegeben“.<br />

Und auch hier gilt wieder mutatis mutandis, was wir oben<br />

schon vom religiösen Analphabetismus sagten. Erst haben sie<br />

jahrzehntelang durch immer neue Interpretationen, durch die<br />

nimmer aufhörende Ersetzung der Transsubstantiation durch<br />

die Transfinalisation oder durch die unmögliche Rede vom<br />

„heiligen Brot“ alles getan, das Geheimnis zu verflüchtigen<br />

und nachher wundern sie sich, dass es so vielen nichts mehr<br />

bedeutet!<br />

Eine weitere Forderung, die sich aus den angeführten vier<br />

Momenten der Situationsbeschreibung heutiger Jugend<br />

ergibt, ist die, dass man ihnen wieder eine feste geistige Heimat<br />

statt Discos und Rock-Schuppen schenkt, die die anderen<br />

ohnehin besser organisieren können als unsere pastoralen<br />

Entertainer! Wir meinen jenes Ensemble von religiösen<br />

Gebräuchen, Andachtsformen, aber auch von Geselligkeit<br />

und Kameradschaft, das sich wie jede Ganzheit nur schwer<br />

definieren lässt und das für uns in und nach dem Kriege in<br />

einer großen Jesuitenpfarrei so etwas wie ein zweites Eltern-<br />

– 535 – – 536 –<br />

40

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