pdf: ganzes Heft - Theologisches
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Leo Elders: Die Naturphilosophie des Thomas von Aquin.<br />
Allgemeine Naturphilosophie – Kosmologie – Philosophie<br />
der Lebewesen – Philosophische Anthropologie.<br />
Brosch. 434 Seiten. Verlag der Gustav-Siewerth-Akademie,<br />
Weilheim-Bierbronnen 2004, 20,– C; ISBN 3-928273-17-5.<br />
Die Philosophie hat sich in wichtigen Strömungen – zu<br />
denken ist hier vor allem an die hermeneutische und die<br />
existentiale Phänomenologie – geradezu auf die Geisteswissenschaften<br />
zurückgezogen oder sich nur noch mit<br />
„Restproblemen“ der Naturwissenschaft beschäftigt. Im<br />
schroffen Widerspruch zum Kantschen Kritizismus, welcher<br />
besagt, dass die Philosophie nicht die Naturwirklichkeit,<br />
sondern einzig die subjektive Naturerkenntnis zum<br />
Objekt haben kann, haben die Scholastiker, aus dem<br />
Gesamt ihrer ontologischen Wirklichkeitssicht heraus, an<br />
einer Naturphilosophie festgehalten. Schon die Grundbehauptung,<br />
dass Natur (einschließlich die Natur des Menschen)<br />
ist, und die Frage, was sie ist, konstituieren ipso<br />
facto die Grundelemente einer Naturphilosophie. Es ist<br />
deshalb nicht verwunderlich, dass ein Teil eines naturphilosophisches<br />
Buches die Frage nach der Natur des Menschen<br />
behandelt. Papst Johannes Paul II. hat in seinem<br />
letzten Buch Erinnerung und Identität wiederum aufmerksam<br />
gemacht wohin eine Unterordnung des „esse“, so wie<br />
es vor allem durch den hl. Thomas von Aquin herausgearbeitet<br />
wurde, unter das „Cogito“ führt. Aus dem „Ich<br />
denke, also bin ich“, aus Descartes Absolutsetzung des<br />
denkenden Ich gehen die Negativtendenzen der neuzeitlichen<br />
Geschichte, welche vor allem in der Krise der Moral<br />
und der Gesellschaft sichtbar werden, hervor.<br />
Vor diesem Hintergrund ist es umso erfreulicher, dass<br />
nun ein Buch erschienen ist, welches nicht nur die Naturphilosophie<br />
des Aquinaten darstellt, sondern seine Lehre<br />
in historische Perspektive setzt, damit ihre Aktualität aufleuchtet.<br />
Eine solche Methode benötigt, neben dem Vermögen<br />
die Weite der thomistischen Lehre übersichtlich<br />
herauszuarbeiten sowie der Berücksichtigung vieler Kritiken<br />
der Lehre des Aquinaten, auch eine eindringende<br />
Kenntnis der aktuellen philosophischen und naturwissenschaftlichen<br />
Diskussionen. Besonders im Bereich der thomistischen<br />
Naturphilosophie bedeutet dies eine schwierige<br />
Aufgabe, denn es ist üblich die Naturphilosophie ganz<br />
abzulehnen wegen ihrer Abhängigkeit vom aristotelischen<br />
Welt- und Menschbild. Unter Benützung dieser Methode<br />
hat der Autor, P. Leo Elders SVD, Professor für Metaphysik<br />
und philosophische Anthropologie an der Gustav-Siewerth-Akademie<br />
und weltweit anerkannt als einem der<br />
bedeutensten Thomisten, ebenfalls eine zweibändige<br />
Metaphysik 1 und Ethik verfasst. Die Übersetzung der<br />
Naturphilosophie stützt sich auf die Originalausgabe auf<br />
Niederländisch (1989), wovon bereits mehrere Übersetzungen<br />
(Englisch, Französich, Italienisch, Czechisch)<br />
erschienen sind.<br />
1 Leo Elders, Die Metaphysik des Thomas von Aquin, Verlag Anton Pustet,<br />
Salzburg, 1985–1987; The Ethics of St. Thomas Aquin, Peter Lang, Frankfurt<br />
am Main, 2005.<br />
B U C H B E S P R E C H U N G E N<br />
Nach einer ausführlichen Einleitung (13–34), worin E.<br />
die Existenz der Naturphilosophie, unterschieden von der<br />
Naturwissenschaft, rechtfertigt, gliedert sich das Buch in<br />
die allgemeine Naturphilosophie, welche das veränderliche<br />
Seiende im allgemeinen betrachtet (35–113) und die<br />
besondere Naturphilosophie, welche das Seiende von der<br />
Lokalbewegung (114–154) her, von der Qualitätsveränderung<br />
her (155–170) und schließlich von den Lebensprozessen<br />
her (171–423) untersucht.<br />
Es ist in dieser kurzen Besprechung unmöglich, gründlich<br />
auf die Fülle der behandelten Themen einzugehen.<br />
Stattdessen erwähne ich nur einige behandelte Problemfelder.<br />
Die allgemeine Naturphilosophie beschäftigt sich mit<br />
der Vielheit der Substanzen und ihrer Prinzipien und Elemente,<br />
wie der Lehre von Akt und Potenz, Veränderung<br />
und Bewegung, Zeit, Raum und Ort. Teil 1 der besonderen<br />
Naturphilosophie betrachtet die örtliche Bewegung und<br />
die Energie sowie die Entstehung, den Umfang und die<br />
Dauer der Welt. Am Ende dieses Teils fasst E. seine Ergebnisse<br />
folgenderweise zusammen: „Das aristotelische Weltbild<br />
hat für Thomas nur den Wert einer Arbeitshypothese<br />
... Die Naturphilosophie des Aquinaten ist deshalb unabhänging<br />
vom alten Weltbild.“ (152) Dies wird besonders<br />
klar herausgestellt bezüglich z. B. der zielgerichteten Ordnung<br />
in der Natur und der Rückkehr zum Begriff der substanziellen<br />
Form in der heutigen Wissenschaft.<br />
Im 2. Teil der besonderen Naturphilosophie kommen<br />
die Qualitätsveränderungen, Entstehen und Vergehen, die<br />
Zunahme und Abnahme von Qualitäten und das Prinzip<br />
der Individuation zur Sprache. Es sei hier kurz angedeutet,<br />
dass die Themen der ersten zwei Teile und ihre Vernachlässigung<br />
(z. B. bezüglich der Zielbewegung oder der Substanz-Begriff)<br />
in der modernen Philosophie einen nicht zu<br />
überschätzenden Einfluss auf die neuere Theologie hatten<br />
und haben.<br />
Der umfangreichste Teil behandelt die Philosophie der<br />
organischen Natur. Hier wird vielleicht für die meisten<br />
Leser die Aktualität der thomistischen Lehre am besten<br />
deutlich, denn nahezu alle Themen, die ethischen, biomedizinischen,<br />
ökologischen, etc. Debatten bezüglich des<br />
Wesens und Ursprungs des Lebens, der Existenz der Seele,<br />
des Todes und Fortleben der Seele, des Entstehens und der<br />
Prinzipien einer verantwortlichen Wahl und schließlich die<br />
Möglichkeit einer objektive Erkenntnis in all diesen<br />
Debatten, kommen hier in ihren philosophischen Grundlagen<br />
zur Sprache. Eine besondere Aktualität enthält das<br />
Kapitel über die Seele, den Körper und die Einheit des<br />
Menschen (270–298) wo E., unter Berücksichtigung der<br />
Griechischen Philosophie und der Kirchenväter sowie der<br />
Fehlinterpretationen der modernen Philosophie, besonders<br />
des sog. Transzendentalthomismus K. Rahners u. a., die<br />
thomistische Lehre vom Menschen und seiner Würde,<br />
welche „die Lehre der Kirche“ (295) geworden ist, eingehend<br />
herausarbeitet. Ein weiteres Thema welches zumeist<br />
implizit die Debatte in der Gesellschaft und auch in der<br />
Kirche beherrscht, ist die Historizität, d. h. die absolute<br />
Veränderlichkeit des Menschen und seiner Geschichte.<br />
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