pdf: ganzes Heft - Theologisches
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egründeten Aspekten dargelegte kritische Auseinandersetzung<br />
mit diesem Werk, die in einem Punkt kulminiert: bricht<br />
sich doch bei Dondelinger eine Sicht der Wirklichkeit im<br />
Raum der Theologie mit religionswissenschaftlicher<br />
Methode Bahn, die ihr von innen her ihr ureigenstes Thema<br />
und folglich ihre Identität zu nehmen droht: das Thema heißt:<br />
Offenbarung Gottes. Und dessen Anspruch und Anruf an den<br />
Menschen wird gleich im Ansatz mit einem bestimmten religionswissenschaftlichen<br />
Selbstverständnis und entsprechendem<br />
Instrumentarium ausgeblendet.<br />
D. h. die These, dass wir vor einem Paradigmenwechsel<br />
von der offenbarungsorientierten Theologie hin zu einer<br />
humanistisch-relativistischen Religionswissenschaft stehen<br />
bzw. dieser sich gerade vollzieht, wird belegt, insofern von<br />
einem kirchlicherseits anerkannten Randthema her, nämlich<br />
dem der Privat-Offenbarungen der Muttergottes Maria an das<br />
Mädchen Bernadette Soubirous im Lourdes des 19. Jahrhunderts,<br />
unmittelbar Auswirkungen auf den Glauben der Kirche<br />
und der Christen zu erwarten sind. Jedenfalls soweit wie ein<br />
übernatürliches Wirken und Eingreifen Gottes in seine<br />
Schöpfung hinein – vermittels der Muttergottes Maria –,<br />
methodisch begründet, Dondelinger prinzipiell nicht mehr<br />
interessiert. Zur Frage kommt ausdrücklich nur noch ein religionswissenschaftlich-weltimmanentes<br />
Interesse an vorwiegend<br />
innerpsychischen Prozessen des Mädchens aus Lourdes,<br />
unter Einbeziehung der Menschen ihrer Umgebung bis heute.<br />
Diese Art von Aufklärung allerdings beansprucht dann, die<br />
bisher fehlende und wirklich wissenschaftlich fundierte Einsicht<br />
und Aufklärung zu sein. Von hierher ist insofern<br />
zugleich auch ein wissenschaftlich umfassender Aufklärungsanspruch<br />
angemeldet.<br />
Diese Auseinandersetzung konzentriert sich folglich<br />
darauf, vor allem Beobachtungen zum methodischen Ansatz<br />
von Patrick Dondelinger zu bündeln, um der sich von daher<br />
ergebenden inneren Logik und Sprache, mit den entsprechenden<br />
Folgen für unser Gottes- und Weltverständnis, kritisch<br />
nachzugehen. Derart konzentriert, wird das Buch umgekehrt<br />
aus der Sicht einer offenbarungsorientierten Theologie nach<br />
klassischem katholischem Selbstverständnis gesichtet. Es<br />
zeigen sich deutliche Alternativen zum Konzept von Dondelinger.<br />
28<br />
Zunächst sei ausdrücklich positiv hervorgehoben, dass<br />
sich Dondelinger innerhalb seines einmal gewählten religionswissenschaftlichen<br />
Ansatzes, der wie erwähnt „bewusst<br />
auf eine theologische Deutung verzichtet“, konsequent und –<br />
sich dabei eines „humanwissenschaftlich-interdisziplinären“<br />
29 Instrumentariums bedienend – methodisch sauber<br />
äußert. Sein Argumentationsgang ist in sich schlüssig und<br />
sachlich fundiert dargeboten. Dondelinger kennt, wie es<br />
scheint, alle wichtigen Quellen und ist ebenso in der Sekundärliteratur<br />
umfassend bewandert.<br />
Hauptsächlich kommt es hier auf die Auseinandersetzung<br />
mit dem von sich her natürlich legitim gewählten religionswissenschaftlichen<br />
Ansatz an. Dessen Wahl als methodischer<br />
Zugang zum Thema Lourdes hat weitreichende Folgen, die<br />
sich auch bei gutem Willen nicht mehr durch eine theologisch<br />
deutende Ergänzung im Nachhinein retten lassen. Denn<br />
selbst eine Theologie, soweit sie eben sekundär an das Phänomen<br />
angetragen ist, vermag im Nachgang nicht mehr den<br />
28<br />
Hingewiesen sei darauf, dass Wiederholungen im Argumentationsgang zu<br />
Beginn einer jeweils neuen Fragestellung dem besseren Verständnis dienen.<br />
29<br />
Beide Zitate sind den Werbezetteln als Beilage zu den Druckfahnen entnommen,<br />
München 2003.<br />
kraftvollen Impuls aufzunehmen und weiterzutragen, der<br />
zuvor durch eine rein immanent-religionswissenschaftliche<br />
Ausdeutung der Wirklichkeit mit den entsprechenden Methoden<br />
eingeschränkt wurde. Ein genau umgekehrtes Verfahren<br />
wäre sinnvoll gewesen: eine angemessene, der Wirklichkeit<br />
Gottes Raum gebende Theologie gibt – dem Ereignis voll<br />
entsprechend – die Perspektive frei, die von der Religionswissenschaft<br />
im Anschluss daran historisch, vergleichend etc.<br />
akzentuiert werden könnte.<br />
Diesen Überlegungen entspricht beim Lesen des Buches<br />
die Beobachtung, dass die einzig wirklich gründliche theologische<br />
Beurteilung der Erscheinungen der Muttergottes, der<br />
Visionen der Bernadette Soubirous und der Wunder von<br />
Lourdes, vom damals zuständigen Bischof von Lourdes<br />
stammt. Doch seine Bewertung wird von Dondelinger erst<br />
ganz am Ende des Buches angeführt. Darin betont der<br />
Bischof ausdrücklich den übernatürlichen Charakter und das<br />
Eingreifen Gottes. Auch spricht er von wirklichen Erscheinungen.<br />
30 Eine Anerkennung in dieser Hinsicht eines realen<br />
Wirklichkeitsgehaltes der Muttergotteserscheinungen erfährt<br />
Lourdes durch Dondelinger jedoch an keiner Stelle seines<br />
Buches. Er spricht z. B. anders von Visionen und nicht von<br />
Erscheinungen, die er, psychologisch deutend, eng den Halluzinationen<br />
verwandt begreift. D. h. der methodische Ansatz<br />
hat gleich sichtbare Auswirkungen auf die Sprache und darüber<br />
hinaus und dadurch konsequenterweise auch auf das<br />
Gesamtverständnis und den Inhalt dessen, was in Lourdes aus<br />
der Sicht des Autors passiert ist.<br />
Die erwähnte Tatsache der Anführung des Bischofswortes<br />
ganz am Ende des Buches ist auch kaum allein damit zu<br />
begründen, dass Dondelinger sich ja die Aufgabe gestellt hatte,<br />
die Auseinandersetzung mit Lourdes nur bis zum „Beginn der<br />
Wunderheilungen“ zu führen, der dann mit dem anerkennenden<br />
Bischofsbericht quasi öffentlich markiert wäre. Es scheint,<br />
die Theologie am Buchende, in ihrer Form eines historisch<br />
alten, wenn auch qualitativ starken Berichtes, entspricht voll<br />
der Logik des religionswissenschaftlichen Ansatzes. Hätte<br />
Dondelinger diesen Bericht des Bischofs oder eine aktuelle<br />
theologische Stellungnahme zu den Erscheinungen der Muttergottes<br />
von Lourdes an den Anfang seines Buches gestellt, hätte<br />
dies eine für das Thema Lourdes sowie für das sicher notwendige<br />
Gespräch von Theologie und Religionswissenschaft<br />
äußerst fruchtbare Erweiterung bedeutet.<br />
So bleiben Unsicherheiten, was die Grundabsicht des<br />
Autors anbelangt. Denn in dieser Weise angelegt, handelt es<br />
sich sicher nicht allein um ein einfaches und allgemein für<br />
selbstverständlich zu haltendes „Hinüberbringen der Erlebnisse<br />
in unsere Verständniswelt“. 31 Vielmehr vollzieht der<br />
Autor einen fundamentalen Wechsel der Maßstäbe, mit allen<br />
Konsequenzen für den (bisherigen) Glauben der Kirche. Das<br />
übernatürliche Ereignis der Erscheinungen der Muttergottes<br />
von Lourdes, bewirkt durch das Eingreifen Gottes, wird<br />
immanent uminterpretiert und insofern eingeebnet auf ein für<br />
vernünftig gehaltenes humanwissenschaftliches Erklärungsmodell<br />
und Wirklichkeitsverständnis. Jetzt können, Lourdes<br />
dieserart human verstanden, die den Glauben an Gott betreffenden<br />
sperrigen Botschaften, auch nicht mehr zur Antwort<br />
dem Anruf Gottes gegenüber, zur Umkehr zu ihm sowie zu<br />
einem erfüllteren, tieferen Leben herausfordern.<br />
30 Vgl. Druckfahnen Patrick Dondelinger, Die Visionen der Bernadette Soubirous<br />
und der Beginn der Wunderheilungen in Lourdes, München 2003,<br />
S. 197–202.<br />
31 Vgl. Druckfahnen Werbezettel, München 2003.<br />
– 519 – – 520 –<br />
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