27.06.2013 Aufrufe

Paraplegiker 2/2010

Paraplegiker 2/2010

Paraplegiker 2/2010

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Humanis Verlag für Gesundheit GmbH • Silcherstrasse 15 • D-67591 Mölsheim • Deutsche Post AG • Entgelt bezahlt • ZKZ D 05475 • ISSN 0723-5070 2/<strong>2010</strong><br />

28. Jahrgang<br />

Vereint<br />

mit


Liebe Leserin, lieber Leser,<br />

Schmierenjournalismus<br />

Kollegenschelte ist an sich nicht unsere<br />

Art. Nur was sich die Herren von der Illustrierten<br />

„stern“ da mal wieder geleistet<br />

haben, kann nicht unwidersprochen<br />

bleiben. PARA-Autor Ralf Kirchhoff hat<br />

bei „stern TV“ einen Beitrag gesehen,<br />

der ihm zu recht die Zornesröte ins<br />

Gesicht trieb. Da geben wir uns seit<br />

Jahrzehnten Mühe, frisch von Querschnittlähmung<br />

Betroffenen und vor<br />

allem ihren zutiefst verunsicherten Angehörigen zu<br />

vermitteln, dass sie erstens nach gewisser Zeit die Tatsache<br />

einer Behinderung akzeptieren müssen, mit der<br />

man zweitens durchaus ein erfülltes Leben haben kann.<br />

Immer wieder wurde in der Vergangenheit in besagtem<br />

Blatt die ewig gestrige Propagandalüge vom unwerten<br />

Leben hervorgekramt in Geschichten mit dem Tenor:<br />

„Ich bin vom Hals ab gelähmt, aber man lässt mich nicht<br />

sterben.“ Dieses Geseiere auf Boulevard-Niveau macht<br />

vieles zunichte, was Jahre der Rehabilitations- und Integrationsbemühungen<br />

aufgebaut haben.<br />

Diesmal zerdepperte der unbedarfte Herr Jauch anderes<br />

Geschirr. Star der Sendung war einer dieser Oberschlauen,<br />

die glauben das Glück einer inkompletten,<br />

mit modernsten Mitteln weitgehend wieder rückgängig<br />

gemachten Querschnittlähmung sei der eigene<br />

Verdienst, schließlich habe man so einen unglaublichen<br />

Willen gehabt den Rollstuhl wieder zu verlassen. Und<br />

weiter: Wer drin hocken bleibe, sei selbst schuld. Einmal<br />

ganz ohne Ironie: Wer das glaubt, hat nichts verstanden.<br />

An einer kompletten Schädigung des Rückenmarks ist<br />

nachträglich nichts zu verbessern, an manchen nicht<br />

vollständigen Verletzungen hingegen mit operativen<br />

und medikamentösen Mitteln durchaus, gerade zeitnah.<br />

Wie viel Verwirrung wird da in der Öffentlichkeit und bei<br />

den verunsicherten Angehörigen gestiftet. Sucht Euch<br />

einen anderen Quatsch für Euer nutzloses Fernsehformat<br />

– und lasst uns in Ruhe!<br />

Der gedruckte stern ist offenbar auch ein behindertenfeindliches<br />

Kampfblatt geblieben. In der diesjährigen Nr.<br />

18 auf Seite 50 muss sich Hans-Ulrich Jörges mal wieder<br />

beweisen, dass er weiß, was in Berlin passiert. Diesmal<br />

ABOTELEFON (0 62 43) 900 704<br />

ging es um Finanzminister Dr. Wolfgang<br />

Schäuble. Ich weiß, der ist in unseren<br />

Kreisen nicht beliebt, zu kühl und zu privilegiert.<br />

Aber darum geht es hier nicht.<br />

Dieser Herr Jörges lässt sich zu dem Satz<br />

hinreißen: „Ein Krüppel als Finanzminister<br />

in großer Krise?“ und nur der Zusatz<br />

„…fragen nun andere“ (Wer denn eigentlich,<br />

Sie Schreiberling?) macht eine<br />

Anzeige wegen Diskriminierung leider<br />

wenig aussichtsreich. Lassen Sie das,<br />

Herr Jörges! Wenn sich selbstbewusste<br />

Behinderte als „Krüppel“ bezeichnen ist das deren Sache.<br />

Wenn Sie das machen, wenn Sie dann auch noch<br />

Behinderung gleichsetzen mit Unzuverlässigkeit und<br />

Schwäche, grenzt das an Volksverhetzung.<br />

Nachsatz: Dass sich der 67 jährige Schäuble kurz danach<br />

von seinen gesundheitlichen Problemen gut erholt<br />

präsentierte, überraschte nicht. Dass der Ex-Oberlinke<br />

Lafontaine ihn persönlich verteidigte (damals auch<br />

Attentatsopfer), finde ich aller Ehren wert. Dass der Finanzminister<br />

die Bedenken wegen seiner Gesundheit<br />

als „legitim“ bezeichnet ist seine Sache. Dass Herr Jörges<br />

keine Ahnung hat, zeigt auch die Tatsache, dass der von<br />

ihm als Schäuble-Nachfolger ins Gespräch gebrachte<br />

Roland Koch gerade die politische Bühne verlässt.<br />

Wir werden uns vom Boulevard-Schmierenjournalismus<br />

nicht den Mut nehmen lassen. Setzen auch Sie sich mit<br />

uns über die eigene Betroffenheit hinaus für die Rechte<br />

und Bedürfnisse behinderter Menschen ein. Und – bleiben<br />

Sie uns gewogen, nur zusammen sind wir stark.<br />

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.<br />

Ihr<br />

P.S. Milan Kadlec von der AG „Ambulante Dienste“ benötigt<br />

für ein Internet-Projekt, in dem verschiedene<br />

Abläufe über Hilfestellungen im Alltag (Umgang mit<br />

Rollstühlen, Lagerung, Mahlzeiten zubereiten usw.) fotografisch<br />

dargestellt werden sollen die Unterstützung<br />

von behinderten Menschen. Kontakt siehe S. 65.<br />

editorial<br />

PARAPLEGIKER 2/10 3


inhalt<br />

4<br />

editorial<br />

3 Schmierenjournalismus<br />

6<br />

8<br />

10<br />

48<br />

51<br />

12<br />

16<br />

20<br />

24<br />

26<br />

58<br />

41<br />

42<br />

forum<br />

Christian Holz:<br />

Überflüssig<br />

Ulrike und Heinz Reichardt:<br />

Hauptstädtische Erfahrungen<br />

glosse<br />

Dummes Zeug aus dem Flachbild-TV:<br />

Geständnis eines faulen Hundes<br />

kultur<br />

Karikaturen von Barbara Früchtel<br />

Theater ohne Hindernisse:<br />

„Holpersteine“ kommen ins Rollen<br />

Karikaturen von Philipp Hubbe in Heidelberg<br />

Gefesselt und geknebelt<br />

menschen<br />

Gülay Acar:<br />

„Die Behinderung gehört zu mir“<br />

Mathias:<br />

Nach dem Zeckenbiss im Rollstuhl?<br />

Mit Lebensmut und Kompetenz:<br />

Claudia Dässel ist eine optimistische Frau<br />

Mit mobilem Sanitätshaus zum Kunden:<br />

Josef Dobler<br />

bericht<br />

Bundesliga-Stadien:<br />

Zu wenig Platz für Fans im Rollstuhl<br />

Abmeldungen bei betreutem Wohnen:<br />

Selbstständigkeit durch Zuzahlungszwang?<br />

medizin<br />

Stomaträger im Internet:<br />

Selbsthilfe einmal anders<br />

Phantomschmerzen:<br />

Training und Medikamente<br />

PARAPLEGIKER 2/10<br />

Seite 16<br />

Seite 26<br />

Seite 30<br />

Seite 12


Seite 58<br />

Seite 48<br />

Seite 42<br />

Seite 54<br />

29<br />

30<br />

33<br />

34<br />

38<br />

54<br />

46<br />

60<br />

61<br />

57<br />

62<br />

63<br />

65<br />

66<br />

q – querschnitt spezial<br />

Das silberne Spar-Schwein:<br />

Provision für Kürzungen?!<br />

BG Klinik Bergmannstrost in Halle/Saale:<br />

Moderne Medizin im Wandel der Zeit<br />

<strong>Paraplegiker</strong> für Darmfunktions-<br />

Studie gesucht<br />

Was ist eigentlich –<br />

Der „Brindley Stimulator“?<br />

„Querschnitt-Tuning“ aus Patientensicht (1):<br />

Der Brindley<br />

technik<br />

Audi A5 Sportback TDI quattro<br />

mit VEIGEL-Technik<br />

Praktische Eleganz<br />

markt<br />

Bauen-wohnen-renovieren:<br />

Alle Türen offen?<br />

Neuer Hebelantrieb für Aktivrollstühle<br />

Gesunde Haut – wichtig bei MS<br />

Schwenklift hilft beim Baden<br />

10. cSc capp Sport cup<br />

hilfsmittel<br />

Sitzkissen Hybrid Elite von Etac:<br />

Das Beste aus zwei Welten<br />

kleinanzeigen<br />

recht<br />

Behindertengerechtes Wohnen –<br />

Berechnungsmethoden für<br />

Schadensersatzforderungen (2)<br />

Kosten für Umbauten<br />

abo<br />

impressum<br />

Titelfoto: Ulli Freitag<br />

PARAPLEGIKER 2/10<br />

inhalt inhalt<br />

5


forum<br />

6<br />

Christian Holz:<br />

Überflüssig<br />

Das Anliegen des Autors der Satire<br />

im Heft 1/<strong>2010</strong> ist m. E. das Luxusproblem<br />

eines Sensibelchens.<br />

Wer mit dieser Absurdität den Bundestag<br />

beschäftigen will, also nach<br />

Gesetzen kräht, leidet einfach an<br />

einer Sonderform des Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms,<br />

hat vulgo Langeweile<br />

und keine Ansprache.<br />

Dass viele Äußerungen der Kommunikation eine (Sexual-)<br />

Zweitbedeutung haben, ist ja nun nichts Neues und trifft<br />

nicht nur (und schon gar nicht zu deren Diskriminierung<br />

und Sexualausbeutung (Stichwort: Williges Spiegelbild) ) die<br />

Spastis, sondern auch die Nichtis. Seit geraumer Zeit können<br />

ja auch die Nichtis nicht mehr fragen: „Wann kommen Sie<br />

denn endlich?“, ohne ein Kichern zu erzeugen und auf die Frage,<br />

wie viele Eier sie habe, müsste jede junge Frau antworten:<br />

„Schätzungsweise 500.“<br />

Da nun aber allen klar ist, dass sich die Eierfrage an der Kasse<br />

nicht auf die Fortpflanzung der Menschen, sondern auf das<br />

per Selbstbedienung bemessene Lebensmittelquantum bezieht,<br />

lässt man halt vernünftigerweise die Sexualbedeutung<br />

beiseite, damit man die Kassiererin nicht nervt und auch keinen<br />

Stau erzeugt. Die Kassiererin stellt diese zur Beschleunigung<br />

des Ablaufs verkürzte Frage schließlich x Mal täglich.<br />

Fordern wir jetzt von den Nichtis auch noch zu prüfen, dass<br />

ihre für einen Spasti bestimmte Aussage nur ja keine (Sexual-)<br />

Zweitbedeutung enthält, können wir auch gleich wieder<br />

von vorn anfangen den Nichtis die Sorge, uns mit Fragen wie<br />

„Gehen Sie heim?“ doch sicher zu misshandeln, zu nehmen.<br />

Ich rate daher dem Autoren dieser überflüssigen Lautäußerung,<br />

sich nach tagfüllender Tätigkeit umzuschauen, dadurch<br />

konzentriert man sich nämlich sehr schnell wieder aufs Wesentliche.<br />

(Anm.d.Red.: Eigentlich darf die Satire nach Tucholsky alles.<br />

Ob sie Wesentliches behandelt ist im Einzelfall Geschmackssache.<br />

Fest steht allerdings, dass sie es nicht ernst meint. Das<br />

liegt in ihrer Natur…)<br />

PARAPLEGIKER 2/10<br />

Ulrike und Heinz Reichardt:<br />

Hauptstädtische<br />

Erfahrungen<br />

Seit der Wende bestaunen wir vor dem<br />

Fernsehgerät das Werden und Wachsen<br />

unserer Hauptstadt Berlin. Es entstand<br />

ein Wissens- und Erlebnisdefizit. Das<br />

bezahlbare, rollstuhlgerechte Hotel mit<br />

hilfsbereitem, kompetentem Personal<br />

(„Mit Mensch“) fand sich in Karlshorst.<br />

Die heutigen Navis sind schon Zauberdinger. Ziel einprogrammieren<br />

und ab geht es. Überhaupt nix geht mehr, wenn der<br />

Fall eintreten sollte, dass am Stadtrand von Berlin das Navigationssystem<br />

plötzlich die Kommunikation verweigert und auf<br />

Bildschirmfarbe Schwarz schaltet. Die Frau am Steuer schaltet<br />

ebenso schnell von ruhiger Gelassenheit auf Sturm um. Jeder<br />

erfahrene Ehemann weiß, dass man sich in solchen Situationen<br />

dem Zentrum des Taifuns am besten nicht nähert.<br />

Schuld waren ganz sicher die Russen, Türken oder Chinesen,<br />

die so ein Pfuschgerät von ausgebeuteten indischen Kindern<br />

in der Tschechei zusammenkleben lassen. „Hosianna“ kann<br />

derjenige ausrufen, der noch einen alten Autoatlas im Wagen<br />

mitführt. Wie so oft im Leben ist eine Standortbestimmung<br />

hilfreich. „Wo sin mer denn? Straßennamen? Das gerade<br />

überquerte Gewässer kann nur die Spree gewesen sein!<br />

Frisch auf! Wo wir sind, sind wir richtig! Nach einer Wende,<br />

einem Rösselsprung mit anschließender Rochade und schon<br />

standen wir vor unserem Hotel. Die Parkplatzsuche erwähne<br />

ich nicht einmal am Rande.<br />

Zum Abendessen hatte der Herbergsvater einen Griechen<br />

empfohlen. Auf dem Rückweg sollten wir nicht versäumen,<br />

beim Italiener einen Absacker einzunehmen. Der gute Mann<br />

hatte recht. Berlin kann so schön sein.<br />

Zum Kennenlernen buchten wir für den nächsten Tag eine<br />

dreistündige Fahrt kreuz und quer durch die Metropole. Die<br />

Veranstaltung war sehr individuell. Wir waren zu dritt. Meine<br />

Gute, ich und der Reiseführerfahrer. Seit der Wende ist kolossal<br />

viel aufgebaut worden. Außer dem Reichstag liegen fast<br />

alle Großartigkeiten im Osten. Von 1977-1979 hatte ich dort<br />

in der Nähe zu tun, somit war ein Vergleich möglich. Ihr könnt<br />

hoffentlich nachvollziehen, dass meine Chauffeurin bei den<br />

Berliner Verkehrs- und Parkbedingungen keine große Lust<br />

verspürte, eine Safari um und durch die hauptstädtischen<br />

Straßenbaustellen zu veranstalten.


Unsere Hauptstadt sei behindertenfreundlich. Überall fanden<br />

wir die blauen Aufkleber mit dem Rollstuhlsymbol. Dass<br />

dieses nichts weiter zu bedeuten hat, lernten wir in Bälde. Mit<br />

S-, U- und Straßenbahn käme man überall hin...<br />

Straßenbahn fällt für E- Rollifahrer ganz weg. U-Bahn fuhr<br />

nicht dahin, wo wir hinwollten, deshalb keine Aussage zur<br />

Rollitauglichkeit. Aus den S-Bahn-Plänen ist zu entnehmen,<br />

welche Strecken und Bahnhöfe für Rollstühle geeignet sein<br />

sollen. Sollen! Ein funktionierender Aufzug ist Grundvoraussetzung.<br />

Es stellte sich heraus, dass hauptstädtische Bahnhoflifte<br />

offenbar das Hauptziel ansässiger Vandalen sind. Im System<br />

des Zu- und Umsteigens zur Zielerreichung sind zwei zerstörte<br />

Fahrstühle der Supergau. Beispiel: die Anschluss- S-Bahn<br />

fährt vom Nachbarbahnsteig. Eigentlich ganz einfach: Runter<br />

– rüber – hoch. Dazu braucht es zwei Fahrstühle. Sollte das wie<br />

erlebt nicht möglich sein, fährt man seiner S-Bahn entgegen<br />

bis zu einem Bahnhof mit intakten Liftanlagen. Sollte das in<br />

praxi nicht möglich sein, dann hilft nur, sich ein ganz anderes<br />

Ziel herauszusuchen. Es muss ja nicht unbedingt das KaDeWe<br />

sein. Die Hackeschen Märkte sollen auch ganz schön sein.<br />

Leider waren bei der herrschenden Nieselregen-Wetterlage<br />

keine ausgedehnten Rollstuhlkilometer möglich. Weiter zur<br />

S-Bahn! Die Toleranz beim Übergang Bahnsteigkante zu Waggonboden<br />

kann unmöglich im Zentimeterbereich gemessen<br />

worden sein. 0,3 m müssen in der Horizontalen überwunden<br />

werden. 0,2 m in der Vertikalen, nach oben wie nach unten<br />

stellen für einen austrainierten, einheimischen S-Bahn-Sportler<br />

kein unüberwindliches Hindernis dar. Elektrorollstühle<br />

brauchen dazu mindestens drei Helfer!! Wen Horrorszenarien<br />

nicht abschrecken, der braucht sich nur vorzustellen, was abgeht,<br />

wenn versucht wird, einen Elektrorollstuhl in ein schon<br />

völlig überfülltes Abteil zu bugsieren. Zusammenfassung:<br />

Auch die S-Bahn ist für Elektrorollstühle nicht benutzbar!<br />

Ein zum Rollstuhltransport geeignetes Taxi ließ sich auftreiben.<br />

Die Fahrt von Karlshorst ins Zentrum kostet 30 €. Also: Entweder<br />

die 60 € täglichen Transport bei der Reisekostenplanung<br />

berücksichtigen oder ein Hotel in Zentrumsnähe suchen.<br />

Positiver Höhepunkt in Programm, Qualität, Ausstattung und<br />

Service war der Friedrichstadtpalast. Endlich fanden wir das<br />

gesuchte hauptstädtische Flair.<br />

Fazit: E-Rollstuhlfahrer können bei einem Hauptstadtbesuch<br />

viele öffentliche Verkehrsmittel in ihrem derzeitigen Zustand<br />

nicht benutzen!<br />

Anzeige<br />

forum<br />

Immer wieder kommt es vor, dass uns die Post den<br />

»<strong>Paraplegiker</strong>« mit dem Vermerk “unzustellbar“ zurücksendet.<br />

Dann beginnen für uns zeit- und arbeitsaufwendige, vor allem<br />

auch kostenintensive Nachforschungen, die nicht selten als<br />

ergebnislos eingestellt werden müssen.<br />

Darum bitten wir Sie:<br />

dem Humanis Verlag Ihre neue- und alte Anschrift mitzuteilen.<br />

Bei Abo-Abbuchungen bitte auch die Änderungen<br />

der Bankdaten mitteilen.<br />

Vielen Dank – Ihr Humanis Verlag<br />

Wir machen Sie mobil<br />

info@gg-technik.ch<br />

http: / /www.gg-technik.ch<br />

Grüter + Gut<br />

Motorradtechnik GmbH<br />

Hochdorfstrasse 9<br />

CH-6275 Ballwil


glosse<br />

8<br />

PARAPLEGIKER 2/10<br />

Dummes Zeug aus dem Flachbild-TV:<br />

Geständnis<br />

eines faulen Hundes<br />

Die Redaktion warnt: Der folgende Beitrag ist ironisch gemeint, das heißt unser<br />

Autor macht sich lustig über das saudumme Geschwätz, das ihm aus dem Fernsehkasten<br />

entgegen plärrte. In Wirklichkeit ist das ein trauriger Vorgang, schließlich<br />

werden durch derart fragwürdige Beiträge zu einem sensiblen Thema wieder einmal<br />

große Schäden angerichtet, hier vor allem bei den oft verzweifelten Angehörigen<br />

von frisch Querschnittgelähmten. Sich über Schmierenjournalismus ernsthaft<br />

aufzuregen bringt aber nichts. Verzeihen Sie uns also unseren Sarkasmus…<br />

Ja, ich gestehe: Ich war ein fauler Hund. Ich habe<br />

aus meinen Möglichkeiten nichts gemacht. Dabei<br />

hatte ich so viel Potential. Ich bin sensibel inkomplett.<br />

Das bedeutet, dass mein Rückenmark nicht<br />

vollständig durch den Fleischwolf gedreht war, als<br />

ich in der Querschnittklinik aufgewacht bin. Dass da<br />

mehr gelaufen wäre, hätte ich mir vor 30 Jahren nur<br />

einfach mehr Mühe gegeben – ja, das habe ich erst<br />

jetzt bei „stern TV“ erfahren.<br />

Bei Günther Jauch saß nämlich die geballte Kompetenz<br />

der „Bergeversetzer“. Zum einen der inkomplette<br />

Ex-Journalist, der inzwischen Weinberge<br />

hochläuft, um seinem Ziel, einen Dreitausender<br />

zu besteigen, näher zu kommen. Hauptmessage:<br />

Man muss den Rollstuhl nur hassen, man darf sich<br />

nicht damit abfinden sitzen zu bleiben. Vielleicht<br />

war das mein Fehler. Ich mochte meinen Rollstuhl,<br />

einen Sopur Ideal 1. Ich machte trotz sechs Monate<br />

Schulpause mein Abi ohne sitzen zu bleiben. Die<br />

Welt stand mir offen. Ich konnte studieren und hatte<br />

meine erste Freundin. Wie konnte ich mich nur so<br />

gehen lassen mit diesem profanen Zeittotschlagen.<br />

Schinderhannes<br />

Nicht so der engagierte Studiogast. Er übte jeden<br />

Tag mehrere Stunden. Er fährt dreimal im Jahr mehrere<br />

Wochen zur Kur. Einmal zahlt die Krankenkasse<br />

nur, aber was zählt schon Geld. Zumindest das<br />

habe ich mit ihm gemeinsam. Auch ich übte jeden<br />

Tag mit meinem privat bezahlten „Schinderhannes“.<br />

Fünf Jahre lang, aber mit welch mickrigem Erfolg<br />

gegenüber dem Studiovorbild. Nach einem Jahr<br />

Schinderei fragte ich mal nach, wann ich denn mal<br />

Laufübungen machen könnte im Gehbarren, um<br />

mich vorzubereiten auf das Gehen mit Schienenhülsenapparaten.<br />

„Wie willst du denn die Gehstützen<br />

mit deinen Tetrahänden festhalten?“ war die niederschmetternde<br />

Gegenfrage, und wie das funktionieren<br />

sollte ohne Bauch und Rückenmuskulatur?<br />

Wenn ich damals schon gewusst hätte, dass das die<br />

billigen Ausreden eines unengagierten Querschnitt-<br />

Fachidioten waren! Der wahre Experte saß nun hier<br />

bei stern TV. Ein Sportarzt, kein Rückenmarksexperte.<br />

Er erklärte Günther Jauch die Chancen und Möglichkeiten<br />

inkompletter Querschnitte. Ach so, in ein<br />

Sportzentrum hätte ich damals gehört. Nicht zu den<br />

durch die tägliche Praxis desillusionierten Fachleuten.<br />

Hochmotivierte Fachidioten hätten alles aus<br />

mir rausgekitzelt. Gut, da hätte mir keiner erklären<br />

können wie man als Gelähmter seinen Rollstuhl ins<br />

Auto verlädt. Aber wozu auch wenn man am Ende<br />

keinen braucht.<br />

Aus eigener Kraft gesprungen<br />

Die Jauch-Studiotür geht auf. Herein kommt ein weiterer<br />

inkompletter Querschnitt. Ich hätte mir „Eye of<br />

the Tiger“ gewünscht, um die sportliche Leistung<br />

dieses Mannes zu inszenieren. Gestützt auf einen<br />

Rollator und ein Schienenhülsenteil einbeinig, hinkte<br />

er zu seinem Sitzmöbel. Eine kurze Werbepause<br />

hätte der Sendung hier gut getan, denn der Weg bis<br />

zum Sessel ist lang und die Geschwindigkeit nicht


groß. Endlich lässt er sich in die Jauch-Sitzgruppe<br />

fallen. Blitzschnell rollt der Moderator den Rollator<br />

aus dem Blickfeld. Wahrscheinlich muss man auch<br />

seinen Rollator hassen, um wirklichen Willen zu entwickeln.<br />

350 Meter schafft er schon ohne Pause. Großer Applaus.<br />

Das will er demnächst auch ohne Rollator,<br />

nur mit Gehstützen erreichen. Ich desillusionierter<br />

Krüppel überlege, dass das fast schon reicht, um bei<br />

mir bis zum Kiosk zu kommen. Nur wie will er das<br />

Bier transportieren. Und wo verstaut er das Leergut?<br />

Ein Rucksack vielleicht? Oder ein Umhängefass wie<br />

beim Bernhardiner Rettungshund für in Bergnot geratene?<br />

Bei meinem ersten Kuraufenthalt in einer renommierten<br />

Reha-Querschnittklinik gab es eine strenge<br />

Hierarchie. Da gab es einen, der nur mit dem Kopf<br />

wackeln konnte. Er beneidete den, der noch die<br />

Anzeige<br />

BEHINDERTENGERECHTE FAHRZEUGUMBAUTEN<br />

Arme schlenkern konnte. Der mit den schlenkernden<br />

Armen beneidete den, der die Finger ein bisschen<br />

bewegen konnte. Dieser wiederum beneidete den<br />

ganz normalen Para. Am Ende der Neidkette stand<br />

der König der Klinik. Einer, der auf zwei Gehstützen<br />

lief. Recht flott sogar. Ein Italiener, glaube ich. Er<br />

ackerte wie blöde. Jeden Tag, morgens und abends.<br />

Wir hätten alle gerne mit ihm getauscht. Eines Morgens<br />

waren alle Ausgänge ins hintere Klinikgelände<br />

gesperrt. Der Italiener hatte es geschafft. Er war<br />

ganz oben auf dem Dach, aus eigener Kraft, über das<br />

hohe Geländer geklettert. Hatte ohne Rollstuhl die<br />

restlichen Meter geschafft und war gesprungen.<br />

Wahrscheinlich hatte er sogar die Gehstützen gehasst…<br />

Text: Ralf Kirchhoff<br />

For a perfect mobility<br />

worldwide<br />

PARAVAN - grenzenlose Mobilität, hautnahe Anpassungen<br />

Willkommen im neuen PARAVAN Mobilitätspark<br />

• Für jeden Behinderungsgrad das Richtige<br />

• Für Selbstfahrer und Beifahrer im Rollstuhl<br />

• Lösungen für alle Fahrzeugtypen<br />

• Deutschlandweites Beraternetz<br />

• Individuelle Lösungen<br />

• Vielfach ausgezeichnete Innovationen<br />

www.paravan.de<br />

PARAVAN® GmbH . Paravan-Straße 5-10 . 72539 Pfronstetten-Aichelau . Telefon +49 (0)7388 9995 91 . info@paravan.de<br />

PARAVAN GmbH . Niederlassung Heidelberg . Bonhoefferstr. 3a . 69123 Heidelberg . Telefon +49 (0)6221 7392 090 . heidelberg@paravan.de<br />

PARAVAN GmbH . Vertriebsregion NRW . Telefon +49 (0)7388 9995 - 54 / - 55 / +49(0)5251/ 1427280 . nrw@paravan.de<br />

Tel: 07388 - 99 95 91<br />

glosse


kultur<br />

Karikaturen<br />

von<br />

Barbara Früchtel<br />

10<br />

PARAPLEGIKER 2/10


Ich wünschte, ich könnte …<br />

… mit den Mädels unterwegs sein.<br />

Für ein Leben nach Deinen Wünschen.<br />

Peristeen ® Anale Irrigation<br />

Jeder Mensch hat ganz persönliche Wünsche.<br />

Mit guten Freunden Partys feiern, einen schönen Urlaub zu machen, eine neue Wohnung.<br />

Menschen mit Darmschwäche haben ganz andere Sorgen. Sie beschäftigen vielmehr Fragen<br />

wie: »Was kann ich machen, um ein ganz normales Leben zu führen?« Und genau auf solche<br />

Fragen gibt es eine Antwort: Peristeen Anale Irrigation – das System für eine sichere und<br />

kon trollierte Darmentleerung. Ohne fremde Hilfe können Sie das System sicher anwenden<br />

und Ihren Darm eigenständig kontrollieren. Und das Beste daran – es gibt keine Nebenwirkungen,<br />

und es sind keine medikamentösen Zusätze erforderlich. So steht Ihren Wünschen<br />

nichts mehr im Wege. Peristeen Anale Irrigation für ein Leben, wie Sie es sich wünschen.<br />

Coloplast bietet Produkte und Serviceleistungen, um das Leben von Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen zu erleichtern. In enger Zusammenarbeit<br />

mit Anwendern entwickeln wir Lösungen, die ihren sehr persönlichen medizinischen Bedürfnissen gerecht werden. Coloplast entwickelt und vertreibt<br />

Produkte für die Stoma-, Kontinenz- und Wundversorgung sowie für die Hautpfl ege und die Urologie. Darüber hinaus bietet Coloplast in Deutschland<br />

Homecare-Dienstleistungen an. Coloplast ist ein weltweit operierendes Unternehmen mit mehr als 7.000 Mitarbeitern.<br />

The Coloplast logo is a registered trademark of Coloplast A/S. © <strong>2010</strong>-05<br />

All rights reserved Coloplast A/S, 3050 Humlebæk, Denmark.<br />

Coloplast GmbH<br />

Postfach 70 03 40<br />

22003 Hamburg<br />

Fax 040 669807-48<br />

Service-Telefon 0800 780 9000<br />

beratungsservice@coloplast.com<br />

www.mein.coloplast.de<br />

Mehr erfahren zum Produkt!<br />

Bitte schicken Sie mir kostenloses Infomaterial zu Peristeen Anale Irrigation. Einfach hier ausfüllen,<br />

Mit meiner Unterschrift erkläre ich, dass meine vorstehend gemachten Angaben von der Coloplast<br />

ausschneiden und abschicken an: Coloplast GmbH, Postfach 70 03 40, 22003 Hamburg<br />

GmbH gespeichert, verarbeitet und genutzt werden dürfen, um mich per Post, Email und/oder Telefon<br />

an allgemein auf meine Erkrankung und Versorgung bezogenen Informationen sowie an Coloplast-<br />

Angeboten und -Marktforschungsbefragungen teilhaben zu lassen und zu Werbezwecken über Coloplast-<br />

Produkte und -Dienstleistungen zu informieren. Mein Einverständnis bezieht sich ausdrücklich auch<br />

Absender Herr* Frau*<br />

Geburtstag / /<br />

auf die Angaben zu meinen gesundheitlichen Verhältnissen. Ich erhalte die angefragten Materialien auch<br />

dann, wenn ich diese Erklärung nicht unterschreibe. Mir ist bewusst, dass ich mein Einverständnis<br />

Vorname*<br />

Nachname*<br />

künftig jederzeit ganz oder teilweise durch eine an die Coloplast GmbH, Kuehnstraße 75 in 22045<br />

Hamburg zu richtende Erklärung widerrufen kann.<br />

Straße, Nr.*<br />

PLZ/Ort*<br />

Telefon*<br />

E-Mail @ Ort, Datum* Unterschrift*<br />

* erforderliche Angaben<br />

PAI_Para_0610


menschen<br />

12<br />

Gülay Acar:<br />

Wenn sie redet, kann man sich ihr kaum<br />

entziehen. Ist es ihre Offenheit, ihre Direktheit,<br />

die Dinge beim Namen zu nennen?<br />

Ihre freundliche Art, anderen mit Respekt<br />

zu begegnen? Oder ist es die Kraft,<br />

die aus ihrer Stimme spricht, auch wenn<br />

diese mitunter durch die Spasmen, die ihren<br />

Körper schütteln, an Volumen verliert?<br />

PARAPLEGIKER 2/10<br />

„Die Behinderung<br />

gehört zu mir“<br />

D<br />

ie 38-Jährige türkische Psychologin<br />

Gülay Acar sitzt im Schneidersitz<br />

in ihrem Rollstuhl. Ihre Arme sind an den<br />

Armlehnen festgebunden, damit sie nicht<br />

unkontrolliert in irgendeine Richtung schießen.<br />

Anna, ihre Assistentin, reicht ihr den<br />

Milchkaffee, von dem sie ein paar Schlucke<br />

mit dem Strohhalm trinkt. Dann erzählt sie:<br />

von ihrer Kindheit in einer türkischen Familie<br />

mit traditionellen Wertvorstellungen, von ihrer<br />

schwierigen schulischen und beruflichen<br />

Entwicklung und von ihrem ständigen Kampf<br />

um Akzeptanz.<br />

Gülay wird mit einer Infantilen Cerebralparese<br />

in der Türkei geboren. Mit sechs Monaten<br />

holt der Vater, der Gastarbeiter in Deutschland<br />

ist, die Familie – seine Frau, seine zwei<br />

Töchter und seinen Sohn – nach Essen. Hier<br />

wird Gülay in der Hoffnung auf Heilung von<br />

einem Wunderheiler zum anderen gebracht.<br />

Doch Heilung gibt es nicht. „Der Gedanke der<br />

Schuld wurde zu Hause immer wieder thematisiert.<br />

Meine Eltern waren davon überzeugt,<br />

dass Behinderung etwas Schlechtes, eine Art<br />

göttliche Bestrafung sei. Als Kind habe ich mit<br />

dieser Sichtweise gehadert und es hat meine<br />

Entwicklung gebremst“, erklärt Gülay, warum<br />

es so schwierig war, ein eigenes Selbstbewusstsein<br />

aufzubauen. Am meisten habe es<br />

sie verletzt, dass die Heiler behauptet hätten,<br />

dass sie auch nichts ausrichten könnten,<br />

wenn das Kind nicht an Heilung glaube. Als<br />

sie in die Pubertät kommt, rät sie ihren Eltern:<br />

„Spart euch das Geld.“<br />

Das Mädchen wird bis zur 10. Klasse als lernbehindert<br />

eingestuft und besucht die Sonderschule<br />

in Essen. Hier lernt sie vor allem<br />

zusammen mit geistig- und lernbehinderten<br />

Kindern, erhält keine spezielle Förderung<br />

– weder in Mathematik, Deutsch noch Englisch.<br />

Sie macht zunächst den qualifizierten


Hauptschulabschluss. Doch ihre nur ein Jahr<br />

ältere Schwester bestärkt sie immer wieder:<br />

„Gülay, du bist nicht lernbehindert.“ Zu Hause<br />

lernt sie den Stoff, den ihre Schwester an der<br />

Realschule vermittelt bekommt, sie begreift<br />

schnell und hat großen Spaß daran. Und sie<br />

weiß: Sie will nicht in einer Werkstatt für Menschen<br />

mit Behinderung landen.<br />

Bildungsweg mit Barrieren<br />

So stellt sie beim Kultusministerium einen Antrag<br />

auf Weiterbeschulung. Die Lehrer an der<br />

Sonderschule raten ihr ab: „Gülay, das schaffst<br />

du nicht!“ Doch Gülay lässt sich nicht beirren.<br />

Um ihre Kenntnisse zu verbessern, besucht<br />

sie aus eigenem Antrieb heraus dreimal in<br />

der Woche die Volkshochschule. Das ist äußerst<br />

anstrengend und ohne die Schwester,<br />

die sie immer begleitet, gar nicht möglich. Sie<br />

holt an einer Kölner Realschule die Mittlere<br />

Reife nach – allerdings erst im dritten Anlauf,<br />

denn sie hat in den ganzen Schuljahren zu<br />

viel versäumt, um sofort die Qualifikation für<br />

die Oberstufe zu bekommen. Doch es gelingt<br />

ihr. Das Abitur schafft sie gleich im ersten Versuch.<br />

Gülay ist inzwischen schon 26 und beginnt<br />

sofort mit dem Psychologiestudium. Sie will<br />

einen Beruf, in dem man viel zuhören und<br />

reden kann, in dem man möglichst nicht<br />

schreiben muss. All diese praktischen Dinge,<br />

die sie selbst nicht ausführen kann, erledigen<br />

ihre sieben Assistentinnen abwechselnd in<br />

Anzeige<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

einem 24-Stunden-Rhythmus: Körperpflege,<br />

Einkaufen, Essen zubereiten. Nur durch diese<br />

Assistenz ist es ihr möglich, in einer eigenen<br />

Wohnung zu leben. Auch beim Studium und<br />

in der Arbeit benötigt sie Unterstützung: zum<br />

Beispiel beim Schreiben auf dem Computer.<br />

2004 wird sie mit ihrem Studium fertig. Doch<br />

ihre Behinderung erweist sich als großes<br />

Problem bei dem Versuch<br />

eine Stelle zu bekommen.<br />

Für viele scheint es nicht<br />

vorstellbar zu sein, dass<br />

in einem Körper mit einer<br />

deutlich sichtbaren Behinderung<br />

ein intelligenter<br />

Geist stecken kann. Niemand<br />

traut ihr wirklich zu<br />

als Psychologin arbeiten zu<br />

können. Um sich dennoch<br />

praktische Erfahrungen<br />

anzueignen, arbeitet sie<br />

ehrenamtlich sowohl in<br />

Vereinen als auch an einer<br />

Integrativen Gesamtschule<br />

als psychologische Beraterin.<br />

2008 endlich bekommt sie die Möglichkeit,<br />

ein Praktikum in einem Krankenhaus zu absolvieren.<br />

Aber wenn es darum geht, die Praktikumsstelle<br />

in eine feste Stelle umzuwandeln,<br />

steht immer die Frage im Vordergrund, wie<br />

wohl die Patienten auf ihre schwere Behinderung<br />

reagieren. Ob man sie als Psychologin<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

2004 wird sie<br />

mit ihrem Studium<br />

fertig.<br />

Doch ihre Behinderung<br />

erweist<br />

sich als großes<br />

Problem bei<br />

dem Versuch<br />

eine Stelle zu<br />

bekommen.<br />

menschen


menschen<br />

Anzeige<br />

RL-50 Deckenlift<br />

mit Rollstuhlaufhängung<br />

Bundesweiter Vertrieb und Service: 02 34 – 91 600 50<br />

Dank der speziell entwickelten Fahrschiene bleibt ihre Treppe in ganzer Breite frei. Der<br />

Einbau kann in Mehrfamilienhäusern, engen Treppenhäusern, über mehrere Etagen<br />

erfolgen. Haltestellen sind frei wählbar. Die Bedienung erfolgt auch bei eingeschränkter<br />

Mobilität durch den Benutzer oder Begleitperson. Fernsteuerbar ohne Kabelmontage.<br />

HÖGG Liftsysteme<br />

Hattinger Straße 712 a<br />

44879 Bochum<br />

sales@hoegglift.de<br />

akzeptiert. Das Glück kommt ihr ein wenig<br />

zu Hilfe. Ein Therapeut wird krank und Gülay<br />

muss ihn vertreten. „Mein Chef hat schnell gemerkt,<br />

dass die Patienten sich bei mir aufgehoben<br />

fühlen.“<br />

Erfahrungsschatz<br />

Sie bekommt eine halbe feste Stelle. Ihr wird<br />

die Leitung einer Depressionsgruppe übertragen,<br />

in der die Patienten lernen sollen,<br />

bewusster und selbstsicherer durchs Leben<br />

zu gehen. „Ich versuche, Menschen mit psychischen<br />

Beeinträchtigungen meinen Erfahrungsschatz<br />

nahe zu bringen, wie man mit<br />

einer Behinderung lebt. Man kann nicht die<br />

Gesellschaft ändern, sondern nur seine eigene<br />

Sichtweise. Man muss versuchen, dazuzugehören<br />

und den anderen die Angst vor dem<br />

Anderssein zu nehmen.“<br />

Dass das für sie selbst nicht immer einfach ist<br />

und enorm viel Kraft erfordert, verschweigt<br />

www.hoegglift.de<br />

sie nicht. „Ich bin nicht immer selbstbewusst.<br />

Manchmal bin ich traurig. Ich weiß aber inzwischen<br />

ziemlich genau, wer ich bin. Ich<br />

merke, ich muss viel über meine Grenzen<br />

gehen, Stärke zeigen, um anerkannt zu werden.“<br />

Dabei gibt es immer wieder Situationen,<br />

in denen sie auf Ablehnung stößt. „Das<br />

sind Momente, in denen ich mich nicht ernst<br />

genommen fühle, in denen man mir nichts<br />

zutraut. Wenn man zum Beispiel über meine<br />

Assistentinnen kommuniziert anstatt direkt<br />

mit mir. Im Privaten lass ich das inzwischen<br />

mitunter so stehen, ich bin dann einfach zu<br />

erschöpft. Im Arbeitsleben aber weise ich<br />

immer darauf hin, dass ICH die Psychologin<br />

bin.“<br />

Der Erstkontakt mit den Patienten, so berichtet<br />

sie, sei natürlich sehr unterschiedlich,<br />

manchmal verkrampft, manchmal aber auch<br />

locker. Auffallend sei, dass gerade türkische<br />

männliche Patienten mitunter total verblüfft<br />

seien, einer Psychologin mit einer Behinderung<br />

gegenüber zu sitzen, die Türkin sei und<br />

– hier in Deutschland - sogar Türkisch spreche.<br />

„Sie geben mir mitunter das Gefühl, dass<br />

sie mich nicht ernst nehmen. Aber dass ich<br />

die Sprache sprechen und verstehen kann,<br />

ist eine enorme Hilfe in der Behandlung<br />

– und das wissen eben auch die Ärzte in der<br />

Klinik.“<br />

Deutsche Patienten würden sich hingegen<br />

mitunter schämen, weil sie merken, „dass ich<br />

eine Krankheit habe, die ihnen viel dramatischer<br />

erscheint. Sie fragen sich dann, warum<br />

sie ihre Probleme nicht bewältigen können<br />

– sie hätten doch NUR eine psychische<br />

Erkrankung. Aber das kann man nicht vergleichen.<br />

Diesen Patienten muss ich den<br />

Druck nehmen.“<br />

„Einmal“, so erzählt die Diplom-Psychologin,<br />

„meinte eine Patientin, ich hätte doch wohl<br />

selbst so viel mit meiner Behinderung zu<br />

tun, da könnte ich mir doch nicht noch ihre<br />

Behinderung antun. Mein Chef hat zu ihr gesagt:<br />

„Dann müssen Sie eben so lange warten,<br />

bis ein anderer Therapeut frei wird.“ Gülay ist<br />

sehr froh darüber, dass ihr Chef inzwischen<br />

weiß, dass sie sich sehr flexibel auf Gruppen<br />

und einzelne Patienten einlassen kann.


Akzeptiert werden<br />

Die Arbeit ist hart, manchmal hat Gülay danach<br />

das Gefühl, ausgesaugt worden zu sein. Dann<br />

möchte sie sich nur noch zurückziehen, nichts<br />

mehr erklären müssen. Da sie nicht immer nur<br />

„geben“ kann, sondern selbst Kraft tanken<br />

muss, ist es ihr wichtig, über ihre Gefühle sprechen<br />

zu können, über ihre Müdigkeit, ihre Ausgelaugtheit.<br />

„Ein Arbeitskollege zum Beispiel,<br />

ein Psychologe, akzeptiert mich voll und ganz,<br />

so wie ich bin – auch als Frau. Wir reden viel<br />

zusammen. Das ist wie eine kleine Supervision<br />

unter Kollegen. Er sagt mir oft, ich solle auf mich<br />

selbst aufpassen.“<br />

„Denn mit einer Behinderung ist es problematisch,<br />

als Frau akzeptiert zu werden“, betont<br />

Gülay. Besonders schmerzt es die sympathische,<br />

allein lebende Frau, dass sie von ihren<br />

Eltern nicht als Ganzes angenommen worden<br />

ist. Vor allem ihre Mutter habe sie zwar bei all ihren<br />

beruflichen Plänen und ihrem Streben nach<br />

Selbstständigkeit unterstützt. Aber den Wunsch<br />

ihrer Tochter, so zu leben wie jede andere Frau<br />

auch, kann sie nicht wirklich nachvollziehen.<br />

„Diese Ängste und Sorgen und das Handeln<br />

meiner Mutter haben mich jahrelang gehemmt<br />

und verbittert. Sie kann nicht verstehen, dass<br />

ich trotz dieser starken Behinderung ein glückliches<br />

und selbstbestimmtes Leben führen will.“<br />

Gülay gesteht, dass es sie enorm viel Kraft gekostet<br />

hat, um sich selbst zu akzeptieren. Inzwischen<br />

fühlt sie sich dennoch erleichtert. Nicht<br />

nur, weil im Oktober 2009 ihre befristete Stelle<br />

im Krankenhaus tatsächlich in eine unbefristete<br />

umgewandelt wurde. „Ich habe begriffen, dass<br />

die Behinderung zu mir gehört, ich kann sie<br />

nicht wegmachen.“<br />

Wichtig seien in diesem Prozess die vielen Gespräche<br />

mit einer Freundin gewesen, die viele<br />

ähnliche Probleme habe, obwohl sie nicht behindert<br />

ist. „Es hilft, die Dinge einmal aus der<br />

Vogelperspektive zu betrachten. Das Problem,<br />

nicht genügen zu können, haben viele Menschen,<br />

und zwar unabhängig von einer Behinderung.“<br />

Text & Foto:<br />

Ulrike Talmann<br />

Anzeige


menschen<br />

16<br />

Mathias:<br />

Seit zwölf Jahren sitzt Mathias im Rollstuhl.<br />

Hat er eine psychogene Lähmung? Eine Borreliose?<br />

Liegt es an Komplikationen nach<br />

einer Rückenmarkspunktion? Mathias zuckt<br />

mit den Schultern, er weiß es wirklich nicht.<br />

PARAPLEGIKER 2/10<br />

V<br />

or über zehn Jahren hatte er tatsächlich<br />

einmal einen Zeckenbiss. Und irgendwann<br />

danach hatte er eine große rote Stelle auf seiner<br />

Haut wahrgenommen. Eine Zeitlang später<br />

bekam er Fieber, Gesichtsfeldausfälle und er<br />

nahm plötzlich 30 kg ab. Alles eine Folge des<br />

Zeckenbisses? Möglich. Um mehr herauszufinden,<br />

wurde das Rückenmark punktiert, eine so<br />

genannte Lumbalpunktion durchgeführt. Wäh-<br />

Mathias.<br />

rend die Spritze in sei- nen Rücken<br />

gestochen wurde, hatte er plötzlich das<br />

Gefühl, ein Nerv zwischen Wirbelsäule und Füßen<br />

würde wie eine Gitarrensaite vibrieren. Danach<br />

reißt sein Film ab. Als Mathias wieder klar<br />

denken kann, hat er kein Gefühl mehr in den<br />

Beinen, kann nicht mehr laufen und fällt in ein<br />

tiefes Loch. „Zwei Jahre lang bin ich so gut wie<br />

gar nicht aus dem Haus gegangen“, beschreibt<br />

er still, „und auch heute weiß ich oft nicht, warum<br />

ich lebe.“<br />

Die Ärzte spielen für den Fortgang der Handlung<br />

offenbar keine positive Rolle, jedenfalls<br />

nicht in Mathias’ Erinnerung. Ein Labor-Ergebnis<br />

der Rückenmarkspunktion kennt er nicht,<br />

das Nervenwasser soll irgendwie abhanden<br />

gekommen sein. Vor einer erneuten Punktion<br />

hat er verständlicherweise panische Angst. Er<br />

soll lernen, die Behinderung zu akzeptieren,<br />

bekommt Psychopharmaka und Gesprächsangebote.<br />

Andererseits gehört es nicht zu seinen<br />

Stärken, sich konsequent um Diagnostik und<br />

Therapie zu kümmern. Einmal hat er einen Versuch<br />

gemacht. Damals wohnte er noch in Potsdam,<br />

wo er aufgewachsen war. In Hildesheim<br />

fand eine junge Potsdamer Ärztin einen Borreliose-Spezialisten,<br />

der eine Intensivtherapie mit<br />

ihm machen wollte. Mehrmals war Mathias zur<br />

Behandlung dort, dann verweigerte die Krankenkasse<br />

weitere Zahlungen, weil die Praxis so<br />

weit entfernt lag. Kurz entschlossen zog er nach<br />

Hildesheim um und ließ sich weiter behandeln.<br />

Aber die Therapie konnte weder die Lähmung<br />

beseitigen noch zweifelsfrei die Ursache klären.<br />

Psychogene Lähmung? Borreliose? Komplikation<br />

nach Lumbalpunktion? Kann eine Lumbalpunktion<br />

überhaupt eine Querschnittlähmung<br />

auslösen? „So etwas kann natürlich passieren“,<br />

erklärt der Berliner Schmerzspezialist<br />

Dr. Jan-Peter Jansen, „das ist zwar extrem<br />

selten, aber auf alle Fälle denkbar“. Mathias<br />

zuckt mit den Schultern.


Endlich ein Lächeln<br />

Nach Nordstrand hat es ihn wegen des neuen<br />

Jobs seiner Freundin verschlagen. Die Insel<br />

wäre gut geeignet für Touren mit dem Handbike.<br />

Aber das ist leider nicht mehr drin. Erstens<br />

kann er sich kein Handbike leisten: die finanzielle<br />

Situation ist eng, wenn man vom Einkommen<br />

der Freundin plus 200 EURO Grundsicherung<br />

leben muss. Zweitens hat er ein Impingement-<br />

Syndrom entwickelt, eine schmerzhafte Überlastungsreaktion<br />

im Schultergelenk. Also dreht<br />

er seine Runden mit dem 6 km/h-langsamen<br />

Elektrorollstuhl. Immerhin hat er hier auf der<br />

Insel einen Hausarzt gefunden, der sich noch<br />

einmal auf die Suche nach der Ursache für die<br />

Lähmung machen will. „Wenn ich weiß, was eigentlich<br />

mit mir los ist, kann ich endlich wieder<br />

anfangen, mir etwas vorzunehmen“, sagt er und<br />

lächelt endlich mal. Er verrät, dass er eines Tages<br />

Kinder haben möchte – und strahlt.<br />

Borreliose – harmlos oder ernst?<br />

Dr. med. Carsten Nicolaus vom Borreliose Centrum<br />

Augsburg erklärt es so: „Wenn es um Borreliose<br />

geht, gibt es zwei Sorten von Ärzten. Die<br />

größere Gruppe hält eine Borrelien-Infektion für<br />

eine Bagatellerkrankung, die leicht zu diagnostizieren<br />

und zu behandeln ist. Ich selbst gehöre<br />

zur Minderheit. Ich halte die Erkrankung auf<br />

Anzeige<br />

100 %<br />

barrierefrei<br />

Bad Herrenalb · Schwarzwald<br />

Kurpromenade 23/1<br />

76332 Bad Herrenalb<br />

Informationen & Zimmerreservierung<br />

Telefon: 07083 / 5002-0<br />

Telefax: 07083 / 5002-299<br />

mail: info@hotelak.de · www.hotelak.de<br />

Grund meiner Erfahrungen aus Klinik und Praxis<br />

häufig für bedrohlich und sehr ernst.“ Dr. Nicolaus<br />

berichtet von schweren Krankheitsverläufen,<br />

die jedes Organsystem betreffen können. Er<br />

erzählt aber auch sehr offen von unnötig langen<br />

Krankengeschichten. Ein typischer Leidensweg<br />

kann so aussehen: Der Patient bemerkt weder<br />

Zeckenbiss noch Wanderröte, sondern sucht<br />

den Hausarzt beispielsweise wegen einem<br />

schmerzenden, geschwollenen<br />

Kniegelenk auf. Die ersten Tests<br />

ergeben keine Auffälligkeiten, der<br />

Patient ruht sich eine Zeitlang aus<br />

und fühlt sich trotzdem krank. Als<br />

nächste Stufe wird ein Orthopäde<br />

eingeschaltet. Dieser stellt vielleicht<br />

Verschleißerscheinungen im Kniegelenk<br />

fest und hält diese für die<br />

Ursache der Beschwerden. Der Patient<br />

hat weiter Beschwerden, vielleicht fühlt er<br />

sich sogar zusätzlich müde oder psychisch labil.<br />

Wie bei einem Pingpongspiel wird er von Arzt<br />

zu Arzt geschickt, bis er beginnt, an sich oder an<br />

den Ärzten zu zweifeln. Der nächste Schritt ist<br />

leider häufig der Verdacht, dass seine Schmerzen<br />

psychosomatisch bedingt sind.<br />

Die Patienten, die in die Augsburger Borreliose-<br />

Praxis kommen, können häufig seit Monaten<br />

oder Jahren nicht mehr arbeiten. Ihre Beschwerden<br />

sind vielfältig, Dr. Nicolaus spricht von<br />

menschen<br />

„Wenn ich weiß,<br />

was eigentlich mit<br />

mir los ist, kann ich<br />

endlich wieder anfangen,<br />

mir etwas<br />

vorzunehmen“...<br />

Ihr neues Urlaubshotel im Naturparadies Nordschwarzwald<br />

2 x Übernachtungen im DZ<br />

2 x reichhaltiges Frühstücksbuffet<br />

2 x 3-Gang Gourmet-Menü<br />

Freier Eintritt in die Wellness Welt<br />

der Siebentäler Therme inkl.<br />

3 ausgewählte Anwendungen!<br />

Genießertage Angebot: € 195,-<br />

Im DZ pro Person, inkl. Vitalhalbpension<br />

EZ plus € 10,- pro Tag, Gültig bis zum 15.07.10<br />

61 Zimmer, davon 34 Appartements,<br />

alle rollstuhlgerecht und mit Notrufsystem,<br />

auf Wunsch mit Pflegebett ausgestattet<br />

Alle Zimmer mit LAN/DSL<br />

Service: Bei Bedarf kann der im Haus<br />

ansässige Pfegedienst beauftragt werden.<br />

Sauna, Wellness-Wanne und Pflegebad<br />

Restaurant / Wintergarten


menschen<br />

Aber selbst<br />

bei Patienten,<br />

die schon vor<br />

Jahren infiziert<br />

wurden, sieht er<br />

oft noch Besserungen.<br />

Kern der<br />

Behandlung<br />

ist eine langfristigeAntibiotikagabe.<br />

18<br />

PARAPLEGIKER 2/10<br />

Nordstrand<br />

einem Katalog, der 150 bis 180 verschiedene<br />

Beschwerden umfasst. Viele seiner Patienten<br />

haben von anderen Ärzten schon Diagnosen<br />

wie Multiple Sklerose, Chronic-Fatigue-Syndrom<br />

oder Arthrose bekommen. Manche sitzen<br />

im Rollstuhl, andere haben ständig Schmerzen.<br />

Bei vielen ist die Borreliose chronisch geworden.<br />

„Diese Menschen durchleben ein echtes<br />

Martyrium“, berichtet Nicolaus, „denn sie haben<br />

nicht nur körperliche oder mentale Beschwerden,<br />

sondern leiden auch daran, dass sie keine<br />

zuverlässige Diagnose erhalten oder ihre Erkrankung<br />

nicht ernst genommen wird“.<br />

Am besten lässt sich die Infektion seiner Erfahrung<br />

nach frühzeitig behandeln. Aber selbst<br />

bei Patienten, die schon vor Jahren infiziert<br />

wurden, sieht er oft noch Besserungen. Kern<br />

der Behandlung ist eine langfristige Antibiotikagabe.<br />

Weitere Maßnahmen sind oft eine<br />

Schmerztherapie, eine Behandlung depressiver<br />

Verstimmungen oder Physiotherapie. Außerdem<br />

brauchen fast alle Borreliose-Patienten<br />

Nahrungsergänzungsmittel, um die durch die<br />

lange Krankheit entstandenen Defizite an Vitaminen,<br />

Mineralstoffen und Spurenelementen<br />

wieder aufzufüllen.<br />

Allerdings kostet die Behandlung bei Dr. Nicolaus<br />

Geld, er hat eine Privatpraxis. Seine Kassenzulassung<br />

hat er vor ein paar Jahren zurückgegeben,<br />

als er immer mehr von Regressen<br />

bedroht war. Um diese Fakten zu verstehen,<br />

muss man wissen, dass Kassenärzte zu einer<br />

wirtschaftlichen Verordnungsweise verpflichtet<br />

sind. Als unwirtschaftlich gilt, wer mehr Medikamente<br />

verschreibt als der Durchschnittsarzt.<br />

Solchen Ärzten wird ein Regress angedroht: die<br />

Zahlung der überdurchschnittlich hohen Kosten<br />

für die Medikamente seiner Patienten. Wer<br />

Borreliose-Patienten mit Langzeitantibiotika<br />

behandelt, der verursacht der Krankenversicherung<br />

höhere Kosten als seine Kollegen. Einige<br />

Ärzte, die sich auf Zeckenkrankheiten spezialisiert<br />

hatten, stehen oder standen deshalb vor<br />

der Pleite. „In dieser Situation konnte ich mich<br />

nur entscheiden, entweder keine Borreliose-<br />

Kranken mehr zu behandeln oder sie nicht so<br />

zu behandeln, wie ich es richtig finde. Oder<br />

eine Privatpraxis zu eröffnen“, erklärt Dr. Nicolaus.<br />

Immerhin übernehmen die Krankenkassen<br />

dann doch bei jedem dritten Kassenpatienten<br />

die Behandlungskosten. Der Arzt legt Wert darauf,<br />

dass nicht in jedem Fall Hoffnung auf Heilung<br />

gemacht werden kann. Ihm geht es eher<br />

darum, dass die Borrelien-Infektionen endlich<br />

ernst genommen werden.<br />

„Ich hatte noch nie eine Zecke“<br />

Es gibt leider oft Zeckenbisse, die unbemerkt<br />

ablaufen: Man streift die Zecke beim Vorbeigehen<br />

oder –rollen von Grashalmen oder Büschen<br />

ab. Das muss nicht im Unterholz sein, auch im<br />

Garten oder Park gibt es Zecken. Auf der Außenseite<br />

der Hose wird die Zecke nach Hause<br />

getragen, sodass sie beim abendlichen oder<br />

morgendlichen Duschen nicht gefunden wird.<br />

Die genügsamen Tiere überleben lange auf<br />

der Hose, wo ihr Geruchssinn sie in Richtung<br />

Schrittbereich treibt, ins Innere der Hose also.<br />

Beim nächsten Anziehen der Hose sticht sie zu.<br />

Auch das bleibt oft unbemerkt, da Zecken vor<br />

dem Saugen Speichel l in i die ie<br />

Wunde drücken,<br />

der eine betäubende Substanz ubs ubst bs b nz<br />

nz enthält. Die gesättigte<br />

Zecke lässt sich im m La<br />

Lauf uf<br />

f des Tages vom<br />

Wirt fallen – beim ab abendlichen b he n D DDuschen<br />

ist keine<br />

Zecke ke mehr da, a, der d<br />

de der de der r Zecke ZZeckenstich<br />

ZZecke<br />

eck ck ken nstich h bbleibt<br />

b unentdeckt.<br />

Text & Fotos: os: s:<br />

Ruth Auschra


Erholsamer Urlaub<br />

im grünen Herzen Österreichs?<br />

Kein Problem!<br />

Kontakt:<br />

Fördergemeinschaft<br />

der Querschnittgelähmten<br />

Silcherstraße 15<br />

67591 Mölsheim<br />

Tel.: 06243 - 52 56<br />

E-Mail: FGQ-Moelsheim@T-Online.de<br />

Internet: www.FGQ.de<br />

Ein Haus in der<br />

Weinbergsiedlung für<br />

Freunde der Natur<br />

Ferienhaus für 4 Personen<br />

rollstuhl- und familienfreundlich<br />

Rolli-Komf. in Bad und Wohnräumen<br />

Sat-TV, Carport<br />

Großzügig und geschmackvoll wohnen ...<br />

Steiermark auch für Rollis


menschen<br />

Mit Lebensmut und Kompetenz:<br />

Claudia Dässel<br />

ist eine<br />

optimistische Frau<br />

20<br />

Claudia Dässel hat eine ausgesprochen<br />

positive Ausstrahlung, dazu passt der überzeugende<br />

Optimismus der Rollstuhlfahrerin.<br />

Selbstverständlich ist das sicher nicht, denn<br />

die junge Frau hat schon allerhand Unangenehmes<br />

und Schmerzhaftes erlebt.<br />

Chefarzt<br />

Dr. Oliver Meier<br />

von der Werner-<br />

Wicker-Klinik in Bad<br />

Wildungen-Reinhardshausen.<br />

PARAPLEGIKER 2/10<br />

Z<br />

ur Zeit lebt Claudia Dässel im sehr schönen<br />

Einfamilienhaus ihrer Eltern in Niederkrüchten<br />

an der niederländischen Grenze.<br />

Dies deshalb, weil im Januar eine sehr aufwändige<br />

Operation in der Werner-Wicker-Klinik<br />

(WWK) in Bad Wildungen-Reinhardshausen<br />

durchgeführt worden ist. Notwendig war<br />

diese OP wegen jahrelanger und oft extrem<br />

starker Rückenschmerzen, bedingt durch<br />

Probleme nach einem Unfall 1995 und der<br />

danach offensichtlich schlecht durchgeführten<br />

OP mit unqualifizierter Nachbehandlung.<br />

Bei dem Unfall war die damals 15jährige von<br />

einer Autofahrerin auf einer ländlichen Ne-<br />

Überzeugend positiv:<br />

Claudia Dässel.<br />

benstraße erfasst und schwer verletzt worden,<br />

Folge war unter anderem eine Querschnittlähmung<br />

im Lendenwirbelbereich.<br />

Dr. Oliver Meier, Chefarzt der Skoliose in der<br />

WWK, der mit seinem hochqualifizierten und<br />

spezialisierten Team die etwa sechsstündige<br />

OP durchgeführt hat: „Was wir dort vorgefunden<br />

haben, sehe ich glücklicherweise eher<br />

selten. Da ist zum Beispiel aus Gründen, die<br />

ich nicht verstehe, ein nicht zu definierender<br />

Fremdknochen eingesetzt worden, und eine<br />

abgebrochene Schraube haben wir auch entfernt.<br />

Offensichtlich ist eine Metall-Stabilisierung<br />

entfernt worden, worauf die abgebrochene<br />

Schraube hinweist.“<br />

Nach der OP in der WWK hatte Claudia Dässel<br />

dann keine Schmerzen mehr, ist aber durch<br />

wechselseitiges Tragen von Mieder und Korsett<br />

– welche in der Reha nach dem Unfall gar<br />

nicht verordnet worden waren – noch voraussichtlich<br />

mehrere Monate in ihrer Mobilität<br />

stark eingeschränkt und deshalb jetzt besonders<br />

auf die Hilfe ihrer Eltern angewiesen.<br />

Unverständlich ist, dass es von der Versicherung<br />

der Unfall-Verursacherin lediglich eine<br />

eher geringe einmalige Abfindung gab. Dies<br />

deshalb, weil die Schuldfrage seinerzeit vom<br />

Gericht nicht eindeutig geklärt werden konnte.<br />

Daraus ergibt sich eine schlechte Versor-


gungssituation von Claudia Dässel, die auch<br />

dadurch sichtbar wird, dass sie immer noch in<br />

dem inzwischen 15 Jahre alten Rollstuhl aktiv<br />

ist, der in der Erstklinik verordnet wurde.<br />

Der einmal genehmigte Zweitrollstuhl wurde<br />

so schlecht angepasst, dass er nicht genutzt<br />

wird.<br />

Lob an Unterstützer<br />

Nach ihrem Unfall hat Claudia Dässel weiter<br />

das Gymnasium besucht und ihr Abitur mit<br />

dem großen Latinum gemacht. „Ich war und<br />

bin meinen Schulkameraden sehr dankbar dafür,<br />

dass sie mich wirklich enorm unterstützt<br />

haben.“ Nur dadurch – so betont Claudia Dässel<br />

– war es ihr möglich, die sechsmonatige<br />

verletzungsbedingte Fehlzeit auszugleichen<br />

und ihr Abitur mit ihrem Jahrgang zu machen.<br />

Ein besonderes Lob gilt auch der Stadt<br />

Wegberg, die innerhalb weniger Monate das<br />

Gymnasium barrierefrei gestaltet hat, bis hin<br />

zur Installation eines Aufzugs: „Vom Schulleiter<br />

bis zum Bürgermeister haben sich alle voll<br />

dafür eingesetzt, dass ich weiter ganz normal<br />

am Unterricht teilnehmen konnte.“<br />

Anschließend wurde an der Fachhochschule in<br />

Mönchengladbach studiert mit dem Diplom-<br />

Abschluss „Sozialarbeit“ und „Sozialpädagogik“.Seit<br />

2005 arbeitet die junge Frau halbtags<br />

als Beraterin und Vermittlerin von Selbsthilfe-<br />

Anzeige<br />

Gruppen aller psychischen-, physischen und<br />

Suchtbelastungen. Dies bei der „Selbsthilfe-<br />

Kontaktstelle Krefeld“ in der Trägerschaft des<br />

Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, hauptsächlich<br />

in Krefeld und Umgebung. So hilft<br />

sie bei der Gründung von Selbsthilfegruppen<br />

und deren Öffentlichkeitsarbeit, beispielsweise<br />

auf Messen und Ausstellungen, sie organisiert<br />

Veranstaltungen und spezielle Thementage,<br />

fördert die Zusammenarbeit mit Ärzten<br />

und Fachleuten und vertritt die Selbsthilfe in<br />

den dafür infrage kommenden öffentlichen<br />

Gremien. Dazu arbeitet die aktive junge Frau<br />

als „geringfügig Beschäftigte“ in der Reha-Beratung<br />

im „Maria-Hilf“-Krankenhaus in Krefeld.<br />

In Verbindung dazu auch noch bei „Reha<br />

Krefeld GmbH“.<br />

Fitness und Freunde<br />

Claudia Dässel geht in ihrer Arbeit voll auf.<br />

Sie berät beispielsweise auch Patienten und<br />

deren Angehörige über die Möglichkeiten einer<br />

ambulanten oder stationären Anschlussheilbehandlung,<br />

die nötige Beantragung<br />

wird sofort durchgeführt: „Um eine nahtlose<br />

Therapie zu ermöglichen, halte ich bis zur<br />

Genehmigung einen engen Kontakt zu den<br />

behandelnden Ärzten, den Krankenkassen,<br />

den Rentenversicherungsträgern und den<br />

Rehakliniken im gesamten Bereich von Nordrhein-Westfalen.“<br />

Darüber hinaus bleibt we-<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

menschen<br />

... dass sie immer<br />

noch in dem inzwischen<br />

15 Jahre alten<br />

Rollstuhl aktiv ist,<br />

der in der Erstklinik<br />

verordnet wurde.


menschen<br />

22<br />

Mit Mutter<br />

Mechthilde Dässel<br />

und Stiefvater<br />

Gunnar Mitzner im<br />

eigenen Garten.<br />

PARAPLEGIKER 2/10<br />

? !<br />

?<br />

!<br />

?<br />

!<br />

Was ist Dein größter Wunsch:<br />

Ich möchte weiter in meinem Beruf erfolgreich<br />

arbeiten und eine Familie mit<br />

Kindern haben.<br />

Wie wichtig ist für Dich eine Partnerschaft:<br />

Das gehört absolut selbstverständlich<br />

zu meinem Leben.<br />

Was macht für Dich einen Tag so<br />

richtig schön:<br />

Schön ist ein Tag für mich, wenn ich früh<br />

aufstehe, rausrolle, viele Sachen erlebe<br />

und erledige, positive Kontakte zu netten<br />

Claudia Dässel im Interview<br />

? !<br />

?<br />

!<br />

Menschen habe und ich den Tag in netter<br />

Gesellschaft romantisch ausklingen<br />

lassen kann.<br />

Was hältst Du für Deine größte Macke:<br />

Andere weisen schon mal auf das Chaos<br />

auf meinem Schreibtisch hin. Ich sehe<br />

das anders, denn nur ein Genie beherrscht<br />

das Chaos.<br />

Was würdest Du mit einem Lottogewinn<br />

von sechs Millionen machen:<br />

Dann würde ich mir barrierefreie Häuser<br />

in sonnigen Regionen bauen lassen und<br />

einen Audi A6 kaufen.<br />

nig Zeit für die Durchführung besonderer organisierter<br />

Interessen. An Sport steht – neben<br />

Reha-Maßnahmen – hauptsächlich etwas Training<br />

mit Fitnessgeräten an, gelegentlich auch<br />

Ausfahrten mit dem Rollibike im schönen<br />

deutsch-niederländischen Grenzraum, den<br />

man in dieser landwirtschaftlich geprägten<br />

Region gar nicht mehr als Trennung zwischen<br />

zwei Staaten erkennt.<br />

Daneben pflegt Claudia Dässel gute Kontakte<br />

zu vielen Freunden und Bekannten: „Meine<br />

abendlichen Telefonate dauern schon mal<br />

länger als eine Stunde.“ Sie besucht gerne<br />

Rockkonzerte und liebt es, in ihrem Urlaub zu<br />

verreisen. Immerhin war sie schon mal mit ihren<br />

ebenfalls sehr naturliebenden Eltern – die<br />

Mutter hat als Krankenschwester gearbeitet,<br />

der Stiefvater ist selbstständiger Fotograf – in<br />

Kanada und schwärmt von der riesigen Weite<br />

dieses Landes.<br />

Alles in allem ist Claudia Dässel eine wirklich<br />

sehr zufriedene und lebensbejahende junge<br />

Frau, die sich ihres Lebens und ihrer wichtigen<br />

gemeinnützigen Aufgaben freut. Die auch in<br />

der Lage ist, mit ihrem Einkommen ein selbstbestimmtes<br />

Leben zu führen nach dem Motto<br />

„selbst optimistisch sein und diesen Optimismus<br />

anderen vermitteln.“<br />

Text & Fotos:<br />

Hermann Sonderhüsken


Wir sind für Sie da!<br />

Hotline (05661) 71-62 64<br />

www.inkontinenz.bbraun.de<br />

Was bleibt,<br />

ist Kontinenz.<br />

Zwei Buchstaben können ein Leben verändern. Mit dem umfassenden Hilfsmittelprogramm<br />

von B. Braun kann aus einer Inkontinenz eine steuerbare Kontinenz werden.<br />

Für einen unbeschwerten, sicheren Alltag.<br />

Gern beraten wir Sie über unsere Versorgungskonzepte: (0 56 61) 71- 62 64<br />

B. Braun ContinenceCare. So einfach. So sicher.<br />

B. Braun Melsungen AG | OPM | 34209 Melsungen | Deutschland<br />

Tel (0 56 61) 71-33 99 | www.bbraun.de | www.inkontinenz.bbraun.de


menschen<br />

Doblers Jeep<br />

CJ-5 – mit<br />

Corvette-Motor,<br />

Unimog-Achsen<br />

und Automatikgetriebe.<br />

24<br />

Die Gehschule<br />

soll da stattfinden,<br />

wo man lebt<br />

– zum Beispiel auf<br />

dem Bauernhof.<br />

Geländewagenrennen<br />

– auch mit Beinprothese<br />

kann man dieses Hobby<br />

ausüben.<br />

PARAPLEGIKER 2/10<br />

Mit mobilem Sanitätshaus zum Kunden:<br />

Josef Dobler<br />

Moderne Sanitätshäuser definieren<br />

sich als Gesundheitsdienstleister,<br />

bieten Online-<br />

Bestellmöglichkeiten, haben<br />

moderne Ausstellungsräume<br />

und Marketingstrategien,<br />

vielleicht sogar eine eigene<br />

Zeitschrift. So gesehen ist das<br />

Sanitätshaus von Orthopädiemechaniker<br />

Josef Dobler hoffnungslos<br />

unmodern.<br />

S<br />

ein Laden ist so klein wie möglich, seine<br />

Werkstatt befindet sich in einem Transporter.<br />

Der „Orthosepp“, wie er sich selbst<br />

nennt, hat gegenüber seinen großen Wettbewerbern<br />

allerdings einen Vorteil: Er muss nicht<br />

darauf warten, dass die Kunden es schaffen, in<br />

seinen Laden zu kommen. Er fährt selbst auf<br />

Kundenbesuch. Beim Kunden daheim in der<br />

Küche nimmt er Gipsabdrücke, repariert Orthesen<br />

oder passt Prothesen an.<br />

Dobler ist mit Sicherheit ein ungewöhnlicher<br />

oder unangepasster Orthopädiemechaniker.<br />

Unprofessionell ist er allerdings nicht! Er hat<br />

seit 1994 einen Meistertitel („den besten, Notenschnitt<br />

– 1,46!“), hat seine Firma seit ein<br />

paar Monaten nach DIN ISO 9001 zertifiziert<br />

und arbeitet mit denselben Zulieferfirmen<br />

wie andere Sanitätshäuser – von Otto Bock bis<br />

Medi und von Bauerfeind bis Neuhof. Wie alle<br />

anderen muss auch er scharf kalkulieren: Die<br />

Preise für orthopädische Hilfsmittel wurden<br />

seit Jahren nicht der wirtschaftlichen Entwicklung<br />

angepasst, teilweise sind sie rückläufig.<br />

Der Bundesinnungsverband für Orthopädie-Technik<br />

warnte kürzlich, dass in den Betrieben<br />

alle Rationalisierungsmöglichkeiten<br />

ausgeschöpft seien, sodass weitere Preissenkungen<br />

im Bereich der Hilfsmittel- oder Rehamittelversorgung<br />

in Zukunft zu Qualitätsverschlechterungen<br />

führen würden. Die meisten<br />

Sanitätshäuser suchen längst nach Wegen,<br />

neben Patienten mit Rezepten auch selbst


zahlende Kunden anzuziehen. Sportartikel,<br />

Mode-, Wellness- und Kosmetikangebote sollen<br />

Sportler und Gesundheitsbewusste in die<br />

„Gesundheitshäuser der Zukunft“ locken.<br />

Dobler hat seinen eigenen Weg gefunden,<br />

die Kosten seiner Firma zu senken. Eigentlich<br />

bräuchte er gar keinen Laden. Er hat trotzdem<br />

einen, den kleinsten, der zu haben war. Gegenüber<br />

den Krankenkassen muss er nämlich<br />

dieselben Bedingungen erfüllen wie seine<br />

großen Kollegen. Um seine Kassenzulassung<br />

zu behalten, muss er einen Laden besitzen,<br />

der auch noch dauernd besetzt ist. Für seinen<br />

Alltag wäre das nicht wirklich nötig. Er kommt<br />

aus Großkarolinenfeld, einem Dorf zwischen<br />

München und Chiemsee. Sein Einzugsgebiet<br />

ist Süddeutschland, am liebsten fährt er in<br />

die Orte rund um München. Notfalls würde<br />

er auch weiter fahren. Seine Kunden sind vor<br />

allem Menschen mit Beinprothesen. Da lag es<br />

nahe, die Kunden aufzusuchen, die nicht oder<br />

nur schlecht laufen können.<br />

Auf Hausbesuch fährt er beispielsweise, wenn<br />

ein Prothesenschaft nicht mehr richtig passt,<br />

weil der Kunde 10 kg zu- oder abgenommen<br />

hat. Bei so großen Volumenschwankungen<br />

muss man einen neuen Schaft beantragen,<br />

kleinere Unterschiede lassen sich oft durch<br />

Polsterungen oder Erweiterungen des Schaftes<br />

lösen. Solche Kunden haben es immer eilig –<br />

und sie sind zwangsläufig schlecht zu Fuß. Der<br />

mobile Orthopädiemechaniker erspart ihnen<br />

also die Taxikosten oder den Aufwand, einen<br />

Transport privat zu organisieren. Zeit spart er<br />

auch. Die Krankenkassen könnten sich über<br />

diesen Extra-Service eigentlich freuen und ihn<br />

entsprechend honorieren. Die Realität sieht<br />

anders aus: Dobler erhält weder Fahrtkosten<br />

noch sonstige Zuschüsse für seine mobile<br />

Werkstatt.<br />

Anzeige<br />

Baden ohne Barrieren<br />

Hebe- und Pfl egehilfen für Menschen mit Handicap<br />

Beim Aufbau der mobilen Werkstatt kam dem<br />

Orthopädiemechaniker sein Hobby zu gute. In<br />

seiner Freizeit fährt er Geländewagenrennen.<br />

Dazu braucht man, ganz wie berühmtere Rennfahrer<br />

auch, einen Werkstattwagen. Der Umgang<br />

mit Notstrom, Druckluft, Spannungswandlern<br />

und Reservebatterien ist für ihn deshalb alltäglich.<br />

Im Rallyesport müssen die elektrischen<br />

Werkzeuge natürlich auch funktionieren, wenn<br />

es dunkel ist und kein Stromanschluss in der<br />

Nähe ist. Verglichen mit diesen Anforderungen<br />

ist die Arbeit vor Ort bei seinen Kunden in Bayern<br />

eine Kleinigkeit.<br />

Für den Orthopädiemechaniker ist die technische<br />

Herstellung einer passenden Prothese heute kein<br />

großes Problem. Der Hauptaufwand besteht für<br />

ihn in Wirklichkeit darin, die Bürokratie zu erledigen.<br />

Jeder Antrag muss korrekt ausgearbeitet<br />

bei der Krankenkasse gestellt werden. Abgelehnte<br />

Anträge sind häufig, Kostenvoranschläge<br />

müssen ausgearbeitet und korrigiert werden.<br />

Vielleicht sind die Hausbesuche, die Dobler mit<br />

seiner mobilen Werkstatt durchführt, ein kleiner<br />

Ausgleich für diese lästigen Bürotätigkeiten. Begeistert<br />

berichtet er beispielsweise davon, dass<br />

er mit seinen Kunden auch gleich übt, die neuen<br />

Prothesen zu nutzen. Bei Bedarf holt er sich<br />

Unterstützung durch ein Therapeutenteam. Und<br />

bei der Wahl der Trainingsorte orientiert er sich<br />

an den häuslichen Gegebenheiten. Eine Bäuerin<br />

wollte beispielsweise daheim in ihrem Kuhstall<br />

üben, mit der Prothese zu laufen. Dem Orthopädiemechaniker<br />

hat es ganz offensichtlich Spaß<br />

gemacht.<br />

Info: Ein Video vom Gehtraining im Kuhstall findet<br />

sich auf www.orthosepp.de.<br />

Text: Ruth Auschra<br />

Fotos: Dobler<br />

10 x in Deutschland<br />

menschen<br />

Für den Orthopädiemechaniker<br />

ist die technische<br />

Herstellung einer<br />

passenden Prothese<br />

heute kein<br />

großes Problem.<br />

Der Hauptaufwand<br />

besteht für<br />

ihn in Wirklichkeit<br />

darin, die Bürokratie<br />

zu erledigen.<br />

Wir haben Lösungen<br />

Handi Move<br />

Postfach 146<br />

72215 Wildberg<br />

Tel. 07054 7178<br />

Fax 07054 7743<br />

www.handi-move.de<br />

info@handi-move.de


ericht<br />

Bundesliga-Stadien:<br />

26<br />

PARAPLEGIKER 2/10<br />

Zu wenig Platz für<br />

Wohl dem, der eine Dauerkarte hat. Doch die zu bekommen ist schwierig.<br />

Hunderte Rollifahrer stehen auf den Wartelisten der Fußballklubs.<br />

Dabei gibt es eine gesetzliche Vorschrift, dass ein Prozent der deutschen<br />

Fußballstadien den behinderten Fans vorbehalten sein muss. Es<br />

handelt sich um eine bindende Verordnung, an die sich alle Betreiber<br />

von Fußballstadien halten müssen – sie tun es aber nicht…<br />

D<br />

er ehemalige Steiger Ulli Freitag ist<br />

glücklich: Er hat seit 16 Jahren ein Saisonticket<br />

und genießt die Annehmlichkeiten<br />

der (zum Teil) barrierefreien Arena in Gelsenkirchen.<br />

Ohne Hindernisse rollt er vom Parkplatz<br />

zu seinem Platz im Stadion. Ulli Freitag,<br />

der durch einen Arbeitsunfall gelähmt<br />

ist, setzt sich aktiv für Behinderte ein. Auch<br />

gehörte er zu den wenigen auserwählten<br />

Rollstuhl fahrenden Schalke-Fans, dessen<br />

Meinung beim Bau der Arena im Jahr 2001<br />

zählte. Doch leider wurde sein Anliegen nach<br />

mehr Plätzen für Behinderte ignoriert. „Zwar<br />

wurden wir gefragt, doch leider wurden nicht<br />

alle unsere Wünsche berücksichtigt, dabei<br />

wären die Baukosten des Stadions vermutlich<br />

nicht einmal gestiegen“, so Freitag. „Aber<br />

bei den meisten Bundesligavereinen besteht<br />

das Problem der umkämpften Plätze, nicht<br />

nur bei den Rollifahrern.“<br />

Dennoch kümmert sich Schalke 04 sehr um<br />

seine behinderten Fans. „Ein Shuttleservice<br />

holt sie vom Bahnhof ab und bringt sie<br />

zum Stadion. Auch gibt es organisierte Fan-<br />

Fahrten in einem behindertengerechten Bus<br />

zu interessanten Fußballspielen“, so Freitag.<br />

Auch kann man sich, wie bei allen Bundesligaspielen<br />

des Landes an die jeweiligen<br />

Behinderten-Beauftragten wenden, die bei<br />

auftauchenden Problemen zur Verfügung<br />

stehen und versuchen Hilfestellung zu leisten.<br />

Bei Schalke 04 ist es der ehemalige Pfarrer<br />

Jochen Dohm, der den Rollifahrern mit Rat<br />

und Tat zur Seite steht. Er ist gleichzeitig<br />

auch Vorsitzender der BBAG, der Organisation<br />

behinderter Fans in Deutschland. An die<br />

kann sich jeder wenden, sollte er Fragen zu


Fans im Rollstuhl<br />

den Vereinen, Spielen, Aktivitäten sowie dem<br />

ganzen Drumherum benötigen. „Mit Pfarrer<br />

Dohm zusammen löse ich die meisten Probleme“,<br />

sagt Freitag. „Wichtig zu wissen ist<br />

noch, dass nicht in Anspruch genommene<br />

Dauerkarten bei Schalke 04 nie verfallen. Ich<br />

gebe in der Saison ungefähr fünf Karten pro<br />

Saison zurück, die wiederum anderen behinderten<br />

Fans zugutekommen.“<br />

Die BBAG hat sogar einen, von der Bahn gesponserten<br />

Reiseführer für behinderte Fußballfans<br />

herausgegeben. Hier sind Informationen<br />

aus den Städten, deren Vereine in der 1.,<br />

2. und 3. Bundesliga spielen, zusammengetragen<br />

worden, damit behinderte Fans sowohl<br />

einen unbeschwerten Stadionaufenthalt als<br />

auch alle weiteren Aspekte des Fan-Lebens in<br />

der jeweiligen Stadt genießen können.<br />

Walter Neuss (Name gerändert) geht es nicht<br />

so gut wie Ulli Freitag. Der Achtundfünfzigjährige<br />

ist seit sieben Jahren auf den Rollstuhl<br />

angewiesen, weil sich seine Gelenke langsam<br />

versteiften. Das hat sein Leben auch als Fan<br />

verändert. Seit seiner Kindheit betrachtet<br />

Neuss Schalke 04 fast wie seine Familie. Er<br />

weiß alles über seinen Verein und besaß früher<br />

eine Dauerkarte. Aber jetzt ist er außen<br />

vor. In seinen Tagträumen hört er die Fans<br />

singen und sieht die Spieler einlaufen. Trä-<br />

Anzeige<br />

nen steigen ihm in die Augen, denkt er an<br />

die Zeiten, wo er live die Stimmung in dem<br />

Schalke-Stadion erleben durfte. Jetzt ist ihm<br />

der Kampf ums Ticket zuwider. Anrufen und<br />

betteln um eine Karte mag er nicht mehr. Er<br />

ist etwas enttäuscht von dem Verein, der es<br />

nicht schafft, genügend Rollstuhlplätze einzubauen.<br />

Da Walter Neuss auf das Stadion-<br />

Erlebnis nicht ganz verzichten möchte, hat<br />

er sich eine Ersatzdroge zugelegt. Er besucht<br />

alle vierzehn Tage einen Zweitligaverein in der<br />

Nachbarstadt und hat auch da seinen Spaß.<br />

Zwar ist die Stimmung da nicht ganz so wie<br />

auf Schalke. Wenn er dort in der ersten Reihe<br />

und familiären Atmosphäre seinen Favoriten<br />

zujubelt, vergisst Walter Neuss die Sehnsucht<br />

nach seiner großen Liebe Schalke 04.<br />

Tricksen unerwünscht<br />

Für die Gelsenkirchener Arena gehen beispielsweise<br />

nur 0,15 Prozent aller Karten an<br />

Rollstuhlfahrer. Das passt ins Gesamtbild: In<br />

allen Stadien der ersten und zweiten Bundesliga<br />

gibt es insgesamt 2 800 Rolli-Plätze.<br />

Häufig wurde die Ein-Prozent-Quote schon<br />

beim Bau ignoriert. In vielen Stadien herrscht<br />

Kartenknappheit – und die Rolli-Plätze müssen<br />

aus sozialen Gründen günstig abgegeben<br />

werden. 13 €, inklusive Begleitperson, muss<br />

der behinderte Fußballfan bezahlen. Ein Roll-<br />

bericht


ericht<br />

„Bei dieser<br />

Verordnung handelt<br />

es sich um ein bindendes<br />

Gesetz, woran<br />

sich auch die Betreiber<br />

von Fußballstadien<br />

28<br />

halten müssen“<br />

PARAPLEGIKER 2/10<br />

stuhlfahrer beansprucht drei bis vier Plätze,<br />

die für 50 € verkauft werden könnten. Für die<br />

Vereine ein Verlustgeschäft.<br />

98 Fans im Rollstuhl können die Heimspiele<br />

der Königsblauen genießen. Davon besitzen<br />

sechzig Dauerkarten, zehn Tickets bekommen<br />

die Fans des Gästeteams. Sind also nur noch<br />

achtundzwanzig freie Karten übrig, die häufig<br />

unter der Hand verteilt werden, so dass der<br />

Rollstuhl fahrende Fan wenig Chancen hat.<br />

Diese Zahlen gelten nicht nur für die Schalker.<br />

In den Bundesliga-Arenen sind so<br />

ziemlich alle Plätze in den Hän-<br />

den der Dauerkartenbesitzer.<br />

Kein Wunder, dass dieses<br />

Thema die Rollstuhlfah-<br />

rer erhitzt. Schließlich<br />

sitzen in Deutschland<br />

800 000 Menschen im<br />

Rollstuhl und es werden,<br />

aufgrund der demografischenEntwicklung,<br />

immer mehr.<br />

Beim FC Schalke 04 bestreitet<br />

man, dass Geldgründe für<br />

das Kartendefizit vorliegen. „Wir<br />

versuchen es jedem recht zu machen“, so der<br />

Geschäftsführer Peter Peters. „Da aber in jeder<br />

Kartenkategorie eine Übernachfrage besteht,<br />

können wir es nicht jedem recht machen.“<br />

Damit machen es sich Klubs wie Schalke<br />

wohl zu leicht, berichtete das WDR-Magazin<br />

„sport inside“. In vielen Bundesländern gibt<br />

es die so genannte „Muster-Versammlungsstättenverordnung“.<br />

Auch in Nordrhein-Westfalen<br />

schreibt sie vor: Ein Prozent der Plätze<br />

in Versammlungsstätten müssen für Rollis<br />

zugänglich sein. Jan Hoffmann, Referent des<br />

Beauftragten der Bundesregierung für die Belange<br />

behinderter Menschen, kritisiert, dass<br />

die Klubs diese Quote allesamt ignorieren.<br />

„Bei dieser Verordnung handelt es sich um<br />

ein bindendes Gesetz, woran sich auch die<br />

Betreiber von Fußballstadien halten müssen“,<br />

so Hoffmann. Die Verstöße sind aus seiner<br />

Sicht erheblich. Wahrscheinlich hätten die<br />

Landesregierungen beide Augen zugedrückt.<br />

Hoffmann würde sich wünschen, dass die<br />

Rollstuhlfahrer eine Musterklage inszenieren,<br />

damit die Klubs reagieren. Aber dafür sind<br />

die behinderten Fans zu zurückhaltend, weil<br />

sie fürchten, dass dadurch schwer erkämpfte<br />

Errungenschaften wieder verloren gehen<br />

könnten. Sie tun sich verständlicherweise<br />

schwer, bei diesem Thema Druck auf die Vereine<br />

auszuüben.<br />

Viele Rollifahrer leiden doppelt: Früher – nicht<br />

behindert – waren sie noch gern gesehener<br />

Teil der Kurve, heute sind sie außen vor. Nur<br />

im Fernsehen können die meisten Spiele noch<br />

mit verfolgt werden. Wer eine Dauerkarte hat,<br />

kann sich glücklich schätzen. Doch die zu bekommen<br />

ist schwierig: Hunderte Rolli-Fahrer<br />

stehen auf den Wartelisten der Klubs. Einen<br />

freien Platz gibt es fast nur dann, wenn sein<br />

Vorbesitzer verstirbt. Mancher Rollstuhl fahrende<br />

Fan greift in seiner Verzweiflung zu einer<br />

List und gibt sich als Fan des Gegners aus,<br />

um so ein Ticket aus dem Auswärtskontingent<br />

zu ergattern. „Es ist getrickst“, sagt Helge<br />

Maurer. Helge ist Fan vom VFL Wolfsburg.<br />

„Ich habe aber keine andere Wahl, wenn ich<br />

irgendwo in Deutschland ein Fußballspiel besuchen<br />

möchte.“ Ihm als Rollstuhlfahrer ist es<br />

finanziell nicht möglich, sich teure Tickets im<br />

Internet zu ersteigern. Also blüht der illegale<br />

Schwarzmarkt, der aber zusammenbrechen<br />

würde, wenn es jeder so handhabt.<br />

Text: Heike Stüvel<br />

Foto: Ulli Freitag<br />

Infos:<br />

Internet-Portal f. behinderte Fans:<br />

www.behinderte-aufschalke.de<br />

BBAG - Bundesbehindertenfanarbeitsgemeinschaft<br />

www.bbag-online.de /<br />

www.behindertefans.de<br />

eMail: info@bbag-online.de<br />

Postanschrift:<br />

BBAG e.V.<br />

Jochen Dohm<br />

Freiligrathstr. 23<br />

45881 Gelsenkirchen


Das silberne Spar-Schwein:<br />

Provision für Kürzungen?!<br />

q – querschnitt spezial<br />

Man staunte nicht schlecht bei einer Firma, die Menschen mit Handikap mit „zum Verbrauch bestimmten<br />

Hilfsmitteln“ versorgt und die Kosten dafür mit den Krankenkassen abrechnet. Landete<br />

doch auf dem Schreibtisch der Firma Hilfsmittel Komplett (Name geändert) eine Abrechnung<br />

der Firma OTOP an die AOK Schleswig-Holstein, die ausgerechnet auch noch sie selbst betraf.<br />

Dass es dabei um die rigorose Kürzung von<br />

Versorgungsmengen für ärztlich verordnete Inkontinenzprodukte<br />

ging ist schon aus Datenschutzgründen<br />

mehr als bedenklich. Denn um<br />

solche Überprüfungen zu veranlassen, muss die<br />

Krankenkasse persönliche Daten ihrer Mitglieder<br />

an eine Fremdfirma weiterreichen. Nur mit Name<br />

und Anschrift des Patienten geht das nicht und auf<br />

jedem Rezept steht u.a. auch eine Diagnose. Was<br />

man mit solchen Daten anfangen kann hat vor gar<br />

nicht langer Zeit das Beispiel der Deutschen Telekom<br />

gezeigt, die Kundendaten an Callcenter weitergereicht<br />

hatte.<br />

Gleiches gilt für die Tatsache, dass Mitarbeiter<br />

der Firma OTOP unaufgefordert mit Patienten<br />

„Beratungsgespräche“ führen, dabei sensible<br />

medizinische Einzelheiten erfragen und daraus<br />

Empfehlungen für Kosten- (= Mengen-) reduzierte<br />

Versorgungen herleiten. So etwas wäre allenfalls<br />

eine Aufgabe des MDK. Selbst Krankenkassen<br />

haben kein Recht, genaue medizinische Informationen<br />

zu bekommen und ohne ausdrückliche<br />

schriftliche Erlaubnis dürfen sie Fremdfirmen noch<br />

weniger das Recht einräumen. Dass eine Krankenkasse<br />

Möglichkeiten sucht, Kosten einzusparen<br />

kann man ihr nicht verdenken. Dass sie dabei<br />

rigoros und inkompetent vorgeht, könnte man<br />

noch auf dem Kostendruck zurückführen. Dass die<br />

Patienten als schwächstes Glied in der Kette alles<br />

ausbaden müssen kennen wir auch schon. Doch<br />

in diesem Fall „kaufen Patienten nicht etwas bei<br />

ihrer Krankenkasse ein“, sondern sie sind durch das<br />

Gesetz zwangsweise verpflichtet, von ihrem Einkommen<br />

Beiträge für die Krankenversicherung zu<br />

zahlen, für die ihnen von der Krankenkasse neben<br />

anderem auch Hilfsmittel als Sachleistung zur Verfügung<br />

gestellt werden. Deshalb sind gesetzliche<br />

Krankenkassen auch Anstalten des öffentlichen<br />

Rechts, die durch den Bundesrechnungshof ge-<br />

prüft werden und verpflichtet sind, mit den ihnen<br />

anvertrauten Geldern ihrer Mitglieder sorgsam<br />

umzugehen.<br />

Die AOK Schleswig-Holstein entlohnt die Firma<br />

OTOP nämlich nicht nach Rezepten, Patientenzahlen<br />

oder Aufträgen. OTOP erhält von der AOK<br />

eine Provision als Prozentsatz der durch ihre Tätigkeit<br />

„eingesparten“ Beträge. Im Klartext: Je mehr<br />

zusammengestrichen wird, desto mehr verdient die<br />

Firma OTOP. Die Mitglieder werden also nicht nur<br />

schlechter versorgt als vorher, sie finanzieren über<br />

diese Provisionen aus ihren Mitgliedsbeiträgen<br />

ihre Schlechterversorgung sogar noch selbst. Das<br />

Sprichwort von den allerdümmsten Kälbern, die<br />

sich ihre Metzger selber suchen, passt an dieser Stelle<br />

leider nicht. Die gesetzliche Krankenversicherung<br />

ist eine Pflichtversicherung und der Wechsel zu einer<br />

anderen gesetzlichen Krankenkasse führt nicht<br />

notwendigerweise zu einem anderen Ergebnis.<br />

Denn OTOP bewirbt sich überall bei den Krankenkassen<br />

unter dem Motto „Wir sparen Ihnen Kosten<br />

ein und kosten Sie nichts, weil wir nur von den Beträgen<br />

Provision bekommen, die Sie durch unsere<br />

Arbeit nicht ausgeben müssen“. Ob es noch andere<br />

Krankenkassen gibt, die einen solchen – m. E. sittenwidrigen<br />

– Vertrag vereinbart haben weiß ich nicht.<br />

Die Vereinbarung rechtlich zu bewerten überlasse<br />

ich anderen. Ein erschreckendes Beispiel für eine<br />

echte „Spar-Schwein“erei ist sie garantiert!<br />

Text: Herbert Müller<br />

Herbert Müller<br />

Rechtsbeistand im Sozialrecht der Fördergemeinschaft<br />

d. Querschnittgelähmten in Deutschland e.V.<br />

Freiherr-vom-Stein-Str. 47<br />

56566 Neuwied-Engers<br />

tel 0 26 22-88 96-32; fax -36<br />

eMail: h.mueller@engers.de<br />

Kriterium für die „Ehrung“ ist<br />

die Kreativität der Begründung<br />

für eine Ablehnung.<br />

Je unsinniger, desto besser sind<br />

die Chancen. Ob man darüber<br />

eher schmunzelt oder sich mehr<br />

über die Ignoranz ärgert, bleibt<br />

jedem selbst überlassen.<br />

Vorschläge sind willkommen.<br />

PARAPLEGIKER 2/10 29


q – querschnitt spezial<br />

30<br />

BG Klinik Bergmannstrost<br />

in Halle/Saale:<br />

Moderne Medizin<br />

im Wandel der Zeit<br />

In unserer Serie über Behandlungszentren für Rückenmarkverletzte beschäftigen wir uns diesmal<br />

mit den Berufsgenossenschaftlichen Kliniken Bergmannstrost, hier dem Zentrum für Rückenmarkverletzte<br />

und der Klinik für Orthopädie in Halle/Saale. Betroffenen und ihren Familien, die in ihrer<br />

Nähe eine Klinik suchen oder einen Ansprechpartner zum Thema Querschnittlähmung benötigen,<br />

sei die Internetseite der Fördergemeinschaft „www.fgq.de“ ans Herz gelegt. Dort findet man Kliniken,<br />

Ärzte, Sozialdienste und meist selbst betroffene erfahrene Berater.<br />

PARAPLEGIKER 2/10<br />

Das Fundament für die Hochleistungsmedizin<br />

in Deutschland von heute wurde durch die Einführung<br />

der Sozialgesetze vor über 110 Jahren<br />

gelegt. Die 1884 eingeführte Unfallversicherung<br />

war und ist neben der Kranken- und Rentenversicherung<br />

Grundlage unseres sozialen Zusammenhaltes.<br />

Um die bis dahin unzureichende<br />

Heilbehandlung der Bergleute zu verbessern,<br />

wurde 1887 unter der Leitung von Bergassessor<br />

Bernhard Leopold mit der Planung eines Krankenhauses<br />

begonnen. Dank eines zügigen Bauablaufs<br />

konnte am 8. September 1894 das Krankenhaus<br />

Bergmannstrost eingeweiht werden.<br />

Nach dem zweiten Weltkrieg diente der Standort<br />

als russisches Lazarett und ab 1947 als<br />

Das neue Bergmannsstrost,<br />

Luftaufnahme 2009.<br />

Krankenhaus der Allgemeinversorgung. Mit<br />

der Deutschen Vereinigung und dem Trägerwechsel<br />

1994 erstarkte das Bergmannstrost<br />

zum europaweit einzigartigen Leistungszentrum<br />

bei der Versorgung Unfallverletzter. Am<br />

04.12.1997, dem Tag der christlichen Märtyrerin<br />

und Schutzherrin der Bergleute, der heiligen<br />

Barbara, konnte der Klinikneubau eröffnet werden.<br />

Mit der Neueröffnung entstand mitten in<br />

Sachsen-Anhalt eines der modernsten Traumazentren<br />

Europas, mit dem Rückenmarkzentrum<br />

als eines der entscheidenden Leistungsträger.<br />

Seither wird das medizinische Hochleistungszentrum<br />

mit heute neun Fachkliniken und insgesamt<br />

452 Betten weiterentwickelt. Im neuen


Bergmannstrost in Halle werden sämtliche Verletzungen<br />

und deren Folgezustände behandelt. Damit<br />

steht das neue Bergmannstrost beispielhaft<br />

für eine Versorgung frisch verletzter Unfallopfer<br />

bis hin zur Rehabilitation.<br />

Somit hat sich auf Grundlage des Gesetzes zur<br />

Linderung der sozialen Not vor über 110 Jahren<br />

ein hocheffizientes und leistungsfähiges System<br />

der Versorgung von Unfallopfern entwickelt. Das<br />

berufsgenossenschaftliche Prinzip der Steuerung<br />

des Heilverfahrens über die Akutphase hinaus bis<br />

zur Wiedereingliederung wird seitdem stetig weiterentwickelt.<br />

Umfassendes Konzept<br />

Das Zentrum für Rückenmarkverletzte und die Klinik<br />

für Orthopädie der BG Klinik Bergmannstrost<br />

/ Halle hält im Rahmen des europaweit einzigartigen<br />

Polytraumakonzeptes (= vielfältige Ver-<br />

Anzeige<br />

Wirbelsäule nach operativer<br />

Stabilisierung.<br />

q – querschnitt spezial<br />

letzungen; Anm.d.Red.) eine effektive und spezialisierte<br />

Behandlung für Patienten mit frischer<br />

Querschnittlähmung vor. Das Rückenmarkzentrum<br />

setzt mit medizintechnischer Ausstattung<br />

und Angebotsvielfalt überregional Zeichen.<br />

Neben der Wirbelsäulenchirurgie und der intensivmedizinischen<br />

Betreuung in der Schockphase,<br />

wird die Nachsorge über Physio- und Ergotherapie,<br />

die Hilfsmittelanpassung bis hin zur Beratung,<br />

in Zusammenarbeit mit den Versicherern,<br />

zur Anpassung der Wohnsituation fortgeführt.<br />

Lebenslange Nachsorge und Check up sowie die<br />

unentbehrliche urologische Betreuung ist konzeptionell<br />

verankert.<br />

„Space Curle“ zur<br />

Rumpfstabilisierung.


q – querschnitt spezial<br />

32<br />

Auf Querschnittlähmung und Wirbelsäulenverletzung<br />

hoch spezialisierte Ärzte, Pflegepersonal,<br />

Physio- und Ergotherapeuten erfüllen das<br />

Konzept mit Leben und tragen zum Erfolg der<br />

ganzheitlichen Versorgung bei. Im Zentrum<br />

für Rückenmarkverletzte der BG-Kliniken Bergmannstrost<br />

wurden im Jahre 2009 insgesamt<br />

375 Patienten mit einer Querschnittlähmung<br />

behandelt. Davon waren über die Hälfte berufsgenossenschaftlich<br />

versichert.<br />

Neben den Erkrankungen der Wirbelsäule,<br />

die Lähmungen verursachen, werden auch<br />

sämtliche anderen Wirbelsäulenerkrankungen<br />

und orthopädischen Leiden behandelt. Das<br />

Spektrum umfasst Bandscheibenvorfälle, Korrekturen<br />

von Fehlstellungen, Skolioseaufrichtungen,<br />

tumoröse / entzündliche / rheumatische<br />

Instabilitäten. Minimalinvasive Techniken<br />

finden unter Verwendung moderner Implantate,<br />

biologischer Transplantate, Schmerztherapie,<br />

Medikamentenpumpen und Schmerzsonden<br />

am Rückenmark statt.<br />

Weitere Therapien<br />

• Plastische Deckung schwerer Weichteildefekte,<br />

• Versorgung von Extremitätenverletzungen bei Querschnittgelähmten,<br />

• Entfernung von Gelenkverknöcherungen sämtlicher Gelenke,<br />

• Endoprothesen, Kunstgelenkersatz von Hüft- und Kniegelenken,<br />

• Gelenkspiegelungen: orthopädisch / arthroskopische Gelenkchirurgie<br />

(Knie-, Hüft-, Schulter- Sportverletzungen),<br />

• Muskelersatzoperationen inkl. Neuroprothesen bei Tetraplegikern,<br />

• Spastiktherapie.<br />

PARAPLEGIKER 2/10<br />

Das Zentrum für Rückenmarkverletzte und die<br />

Klinik für Orthopädie sind die konsequente<br />

Fortsetzung des Prinzips einer Versorgung unter<br />

dem Motto „Alles aus einer Hand“. Dies beginnt<br />

mit dem Polytraumakonzept in der Rettungsstelle<br />

und setzt sich in der operativen Versorgung<br />

der Verletzungen der Wirbelsäule über<br />

die intensivmedizinische Phase des spinalen<br />

Schocks, Eingliederung in das gesellschaftliche<br />

und berufliche Leben und lebenslange Nachsorge<br />

fort.<br />

Text: Dr. med. Volker Mall, Oberarzt<br />

Fotos: BG Kliniken Bergmannstrost, Halle<br />

Kontakte<br />

Berufsgenossenschaftliche Kliniken Bergmannstrost<br />

Zentrum für Rückenmarkverletzte<br />

Merseburger Str. 165<br />

06112 Halle/Saale<br />

Sekretariat: Frau Kalbitz/Frau Beyer<br />

Telefonzentrale: 03 45-1 32 60<br />

www.qz-halle.de<br />

Für Fragen aller Art:<br />

Direktor des Zentrums für Rückenmarkverletzte:<br />

Dr. Klaus Röhl<br />

tel 03 45-1 32-63 11<br />

roehl@qz-halle.de<br />

Leiter Neuro-Urologie: Dr. Andreas Redecker<br />

Sekretariat: Frau Schlegel<br />

tel 03 45-1 32-74 30<br />

andreas.redecker@bergmannstrost.com<br />

Sozialdienst:<br />

Petra Kücker<br />

tel 03 45-1 32-75 45<br />

petra.kuecker@bergmannstrost.com<br />

FGQ-Berater:<br />

Christoph Kuliberda<br />

tel 03 45-1 32-75 76<br />

kuliberda@qz-halle.de<br />

Thorsten Staar<br />

Haselnussweg 18<br />

06120 Halle<br />

tel 03 45-29 00 870<br />

fax 03 45-29 00 871<br />

thorsten.staar@t-online.de


q – querschnitt spezial<br />

<strong>Paraplegiker</strong> für Darmfunktions-<br />

Studie gesucht<br />

Für eine so genannte Defäkographie-Studie<br />

über einen Zeitraum von sechs Monaten werden<br />

von der Orthopädischen Universitätsklinik<br />

Heidelberg Teilnehmer mit einer kompletten<br />

Paraplegie gesucht.<br />

Die Auswirkung der Querschnittlähmung auf die Darmfunktion ist ein<br />

bisher ungelöstes Problem. Bei etwa der Hälfte aller querschnittgelähmten<br />

Patienten treten Abführprobleme und Stuhlunregelmäßigkeiten auf.<br />

Blähungen, Schmerzen, Unwohlsein, ungewollte Stuhlabgänge und vermehrte<br />

Spastizität oder auch eine reflektorische Störung der Blasenfunktion<br />

treten oft als Begleitsymptome auf. Etwa 23% der Querschnittpatienten<br />

werden wegen gestörter Darmentleerung stationär behandelt.<br />

Die Dauer der Querschnittlähmung, das Vorhandensein einer kompletten<br />

Lähmung und die Selbstständigkeit des Patienten sind Faktoren, die eine<br />

erfolgreiche Darmrehabilitation beeinflussen können. Die „Darmrehabilitation“<br />

bei Tetra- und <strong>Paraplegiker</strong>n gründet sich überwiegend auf<br />

erfahrungsbasierten Methoden, die sich bis heute in den Spezialzentren<br />

für Querschnittlähmung bewährt haben. Primär wird der Entleerungsrhythmus<br />

mit Hilfe von Laxantien (Abführmitteln) im Sinne eines Darm-<br />

Managements angestrebt. Aktuell gibt es jedoch keine objektiven Messverfahren<br />

für die Überlegenheit einer bestimmten Abführmethode bei<br />

einem bestimmten Lähmungstyp.<br />

Mittels MR-Defäkographie ist es möglich die Dynamik der Stuhlentleerung<br />

darzustellen und mögliche Störungen im Ablauf der Stuhlentleerung<br />

besser zu verstehen und zu behandeln.<br />

Wie läuft die MR-Defäkographie ab?<br />

Die MR-Defäkographie ist ein bildgebendes Verfahren, mit dem es<br />

möglich ist den Ablauf der Stuhlentleerung darzustellen. Um zeitliche<br />

Verzögerungen zu vermeiden, ist es notwendig, dass der MRT Termin<br />

mit dem Abführtag übereinstimmt. Während der Untersuchung<br />

sollten Sie sich entspannt auf die linke Seite legen. Nach Füllung des<br />

Enddarmes mit Kontrastmittel (Ultraschallgel) wird der Prozess der<br />

Stuhlentleerung eingeleitet und über einen anal aufklebbaren Beutel<br />

(Fäkal-Kollektor) aufgefangen.<br />

Ausschlusskriterien für die Untersuchung sind beispielsweise Herzschrittmacher.<br />

Wir bitten Sie zur Untersuchung einen aktuellen Kreatinin-Wert<br />

mitzubringen. Wir suchen insgesamt 20 bis 30 Patienten, die<br />

als Probanden an der Studie teilnehmen möchten.<br />

Die klinische und kernspintomographische Untersuchung in der Radiologischen<br />

Abteilung der Orthopädischen Universitätsklinik Heidelberg<br />

dauert (inklusive Aufklärung) ca. 90 Minuten und beinhaltet:<br />

MR-Defäkographie,<br />

ASIA Untersuchung (Dokumentation des<br />

bestehenden Lähmungsausmaßes),<br />

Fragebogen zur neurogenen Darmlähmung,<br />

SkARV Test.<br />

Zur Verfügung stehende Untersuchungszeiten: Montag bis Freitag ab<br />

16 Uhr, sowie Samstag nach Absprache. Die Untersuchung erfolgt nur<br />

an Abführtagen. Die Koordination der Termine erfolgt über Herrn cand.<br />

med. B. Wagner. Nach Ablauf der Studie werden wir Sie über die Ergebnisse<br />

informieren.<br />

Für die Anfahrt wird eine Aufwandsentschädigung von 50 € erstattet.<br />

Für weitere Fragen und Informationen stehen wir Ihnen unter folgender<br />

Telefonnummer gerne zur Verfügung:<br />

Frau Dr. med. C. Putz: 0 62 21-96-5<br />

Oder eMail: Cornelia.Putz@med.uni-heidelberg.de<br />

Anzeige<br />

Zawatzky macht mobil –<br />

Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger (IHK) für Behindertenfahrzeuge •<br />

seit<br />

über<br />

45<br />

kompetenter<br />

Jahren<br />

Partner<br />

Gas<br />

Überzeugen Sie sich von unseren<br />

Handgeräten, Brems- und Lenksystemen<br />

und den Verlade- und Aufstehhilfen.<br />

Kfz-Anpassungen bei<br />

Mobilitätseinschränkung<br />

Servicepartner:<br />

Braunschweig: 0531 37 30 78<br />

Augsburg: 0821 9 10 33<br />

Dresden: 0351 8 49 29 33<br />

Weitere Servicepartner auf Anfrage<br />

Spezialfahrschule<br />

Fahrbegutachtung<br />

www.mobilcenter.de<br />

Bremse<br />

Handgerät Heidelberg<br />

RS mit 4-Funktionen-<br />

Schaltkonsole<br />

Zawatzky macht<br />

mobil – mit fachgerecht<br />

umgerüsteten Autos<br />

Meckesheim bei Heidelberg 06226 9217-0<br />

Fahrschule Neckargemünd 06226 9217-0<br />

Köln-Mülheim 0221 297204-11<br />

®


q – querschnitt spezial<br />

34<br />

Was ist eigentlich –<br />

Der „Brindley Stimulator“?<br />

PARAPLEGIKER 2/10<br />

Laien sprechen vom „Brindley-Stimulator“, einer „Blasenstimulator-OP“<br />

oder gar vom „Blasenschrittmacher“. Der letztgenannte<br />

Ausdruck ist unzutreffend, denn es handelt sich nicht um einen<br />

Schrittmacher mit einer eigenen Energiequelle wie z. B. ein Herzschrittmacher.<br />

Die anderen Begriffe berücksichtigen nicht den wichtigsten<br />

Teil dieses Behandlungsverfahrens, die sakrale Deafferentation.<br />

Die gesunde Harnblase hat zwei Funktionen:<br />

Speichern (Reservoir) und Entleeren (Miktion).<br />

99 % der Zeit ist die Blase ein Reservoir. Die<br />

Miktion ist eine kurzdauernde Funktionsphase<br />

mit Druckerhöhung, die max. 1 % der Tageszeit<br />

andauert. Das funktioniert durch ein fein aufeinander<br />

abgestimmtes Steuerungssystem in<br />

Zentren des Gehirn und des Rückenmarks. Dabei<br />

kommt es während der Blasenentleerung zu<br />

einer Kontraktion (Zusammenziehung) der Blasenmuskulatur<br />

mit Öffnung des Blasenhalses<br />

und gleichzeitiger Entspannung des äußeren<br />

Schließmuskels, so dass eine koordinierte, zügige<br />

und restharnfreie Entleerung stattfindet.<br />

Anders die gelähmte Harnblase: Nach Überwinden<br />

des spinalen Schocks mit schlaffer<br />

Lähmung aller Körperfunktionen ändert sich<br />

je nach Schädigungshöhe des Rückenmarks<br />

das Blasenlähmungsbild. Bei Schädigungen<br />

etwa vom ersten Lendenwirbel und darunter<br />

entwickelt sich eine schlaffe Blasenlähmung.<br />

Bei Schädigungen oberhalb kommt es zu einer<br />

spastischen Blasenlähmung. (Mischformen<br />

sind möglich.) Bei kompletter Lähmung ist die<br />

Steuerung über das Blasenreflexzentrum vollständig<br />

ausgefallen. Für die genaue Klassifizierung<br />

der Blasenlähmung ist die Video-Urodynamik<br />

das wichtigste diagnostische Werkzeug.


Dies ist eine Kombination aus Blasendruckmessung<br />

und Röntgendarstellung der Harnblase<br />

mit Kontrastmittel.<br />

Eine spastische Blasenlähmung führt zur Reflexharninkontinenz.<br />

Dabei besteht ein erhöhtes<br />

Risiko von Harnwegsinfektionen (HWI) und<br />

längerfristig das Risiko der Schädigung der<br />

Nierenfunktionen. Es kommt zur spastischen<br />

Kontraktion des äußeren Schließmuskels (externer<br />

Sphinkter), so dass die Harnentleerung<br />

durch den Aufbau eines hohen Entleerungswiderstandes<br />

behindert oder sogar verhindert<br />

wird (Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie).<br />

Bei Querschnittlähmungen oberhalb von Th<br />

6 können autonome Dysreflexien auftreten, d.<br />

h. es kommt durch die spastische Aktivität der<br />

Harnblase zu abrupten heftigen krisenhaften<br />

Blutdrucksteigerungen, meist verbunden mit<br />

Schwitzen und heftigsten Kopfschmerzen. Je<br />

nach Lebensalter bedeutet das ein erhöhtes<br />

Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden. Dies ist<br />

eine lebensbedrohende Situation. Solch eine<br />

autonome Dysreflexie gilt in der Neuro-Urologie<br />

als ein Notfall.<br />

Die Operationsmethode<br />

Brindley forschte 1969-1978 an der Entwicklung<br />

eines Implantates und der externen<br />

Steuerung zur Sakralwurzelstimulation, um so<br />

Anzeige<br />

LEVO C 3<br />

Der Rollstuhl<br />

der Sie<br />

auf die Beine<br />

bringt!<br />

Der kompakte<br />

Alltagsrollstuhl<br />

mit bestmöglicherManövrierfähigkeit<br />

und Geländegängigkeit<br />

q – querschnitt spezial<br />

eine Implantat gesteuerte Blasenentleerung<br />

zu erreichen. Zu Beginn wurden die sakralen<br />

Vorder- und Hinterwurzeln soweit möglich nur<br />

voneinander getrennt, u. a. S 2 und S 3. Sauerwein<br />

war der erste Operateur, der die sensiblen<br />

Hinterwurzeln von S 4 und wenn notwendig<br />

auch von S 5 separieren konnte und<br />

durchtrennte, ohne dabei die motorischen<br />

Vorderwurzeln zu verletzen (Sept.1986). Die<br />

vollständige Separation und Durchtrennung<br />

der sensiblen Hinterwurzeln S 2 bis S 5 wird als<br />

sakrale Deafferentation bezeichnet (SDAF).<br />

Heute ist die SDAF und die SARS ein etabliertes<br />

Verfahren. Nach erfolgreicher SDAF von S 2 bis<br />

S 5 auf beiden Seiten wird die spastische Harnblasenreaktion<br />

vollständig ausgeschaltet (Prof.<br />

D. Sauerwein). Damit wird die Reservoirfunktion<br />

der Harnblase wieder hergestellt und Harnkontinenz<br />

erreicht. Durch das Einlegen von<br />

Elektroden in den offenen Wirbelkanal, in die<br />

die motorischen Vorderwurzeln gelegt werden,<br />

wird eine kontrollierte Blasenentleerung<br />

durch Elektrostimulation (SARS) möglich. Die<br />

angeschlossenen Elektroden werden hierzu<br />

mit einem unter die Haut platzierten Empfänger<br />

verbunden. Die Harnblasenentleerung erfolgt<br />

durch Auflegen des Senders auf die Haut<br />

exakt über dem implantierten Empfänger, der<br />

über die Kabel zu den Elektroden mit den Sakralnerven<br />

in Verbindung steht.<br />

Testen Sie uns! Tel. 07131 570041<br />

MATRx-PB<br />

Posture Back<br />

13 cm<br />

MATRx-PB<br />

Deep Posture Back<br />

18 cm<br />

Talheimer Str. 17/1<br />

74081 Heilbronn<br />

Tel.: 07131/570041<br />

Fax: 07131/578459<br />

info@rometsch-heilbronn.de<br />

www.rometsch-heilbronn.de<br />

Ergonomische Rücken<br />

und Sitzkissen<br />

MATRx-PB<br />

Elite<br />

7 cm<br />

• Hervorragende<br />

Druckminderung<br />

• anatomische Formgebung<br />

• verhindert Rutschen<br />

• optimaler Halt


q – querschnitt spezial<br />

Die Programmierung<br />

findet<br />

nach der Operation<br />

und nach<br />

abgeschlossener<br />

Wundheilung<br />

statt. Die Blasenentleerung<br />

durch Triggern<br />

ist dann nicht<br />

mehr möglich.<br />

36<br />

PARAPLEGIKER 2/10<br />

Die Elektrostimulation erfolgt über ein Steuergerät.<br />

Die Programmierung findet nach der<br />

Operation und nach abgeschlossener Wundheilung<br />

statt. Die Blasenentleerung durch Triggern<br />

ist dann nicht mehr möglich. Unabhängig von<br />

der Vorderwurzelstimulation bleibt dem Querschnittgelähmten<br />

die Möglichkeit der Harnblasenentleerung<br />

durch intermittierenden Katheterismus<br />

(ISK) erhalten (z. B. für Notfälle, bei<br />

Defekt des Steuergerätes oder Funktionsverlust<br />

des Implantates).<br />

Indikationen<br />

• Drohender, fortschreitender Verlust von Nie-<br />

•<br />

renfunktion und/oderReflexharninkontinenz<br />

häufig wiederkehrende, insbesondere fie-<br />

•<br />

berhafte Harnwegsinfektionen<br />

strukturelle Schädigungen des unteren<br />

Harntraktes (z.B. Christbaumblase) und/oder<br />

des oberen Harntraktes (z. B. Harnstauung,<br />

•<br />

Reflux)<br />

autonome Dysreflexie (Bluthochdruckkri-<br />

•<br />

sen)<br />

Fehlschlag konservativer Therapiemaßnahmen<br />

(anticholinerge Therapie und intermit-<br />

•<br />

tierender Katheterismus)<br />

Fehlschlag minimalinvasiver Behandlungen<br />

(Schließmuskeleinkerbung bei querschnittgelähmten<br />

Männern, Botulinum-Toxin-A-<br />

Injektionen (Botox®) mit intermittierendem<br />

Katheterismus)<br />

Patientenauswahl<br />

• Motorisch und sensibel komplette Querschnittlähmung,<br />

(in Ausnahmefällen auch<br />

inkomplette Läsionen nach einer detaillier-<br />

•<br />

ten neurologischen Untersuchung)<br />

Intakter sakraler Reflexbogen S2-S5: spasti-<br />

•<br />

sche Blasenlähmung<br />

Intakte Blasenmuskelfunktion:<br />

- normale Dehnungsfähigkeit der Harnblase<br />

- kein bindegewebiger Umbau der Blasenwand<br />

(Fibrosierung)<br />

- keine myogene Schädigung (keine Über-<br />

•<br />

dehnungsschädigung)<br />

Sicheres Langzeitkonzept der medizinischen<br />

und sozialen Versorgung des Querschnittgelähmten<br />

Komplikationen<br />

Diese Darstellung kann und will nicht das notwendige<br />

Beratungsgespräch mit einem erfahrenen<br />

Neuro - Urologen ersetzen. Deshalb wird<br />

hier nur auf einige wichtige Komplikationmöglichkeiten<br />

eingegangen.<br />

Frühkomplikationen:<br />

• Infektion<br />

- Trotz Beachtung von makellosen Hautverhältnissen,<br />

einer voroperativen Ganzkörperdesinfektion<br />

und einer perioperativen<br />

antibiotischen Prophylaxe sind bakterielle<br />

Infektionen im Operationswundgebiet und<br />

am Implantat nicht zu 100 Prozent zu verhindern.<br />

- Wenn es zu einem solchen Ereignis kommt,<br />

muss das Implantat entfernt werden, um<br />

Folgeerkrankungen, wie Hirnhautentzündung,<br />

Gehirnentzündung oder Knochenentzündung<br />

zu vermeiden.<br />

– Die Entfernung des Implantates führt zum<br />

Verlust der SARS, aber die Wirkung der SDAF<br />

wird nicht aufgehoben. Die Blasenentleerung<br />

muss dann durch Einmalkatheterismus<br />

stattfinden.<br />

- Nach Ausheilung der Infektion ist eine Neueinpflanzung<br />

eines Implantates möglich.<br />

• Liquorfistel<br />

- Das Gehirn und das Rückenmark sind innerhalb<br />

der Hirnhäute schwimmend vor Stößen<br />

geschützt im Hirnwasser (Liquor) gelagert.<br />

- Die Elektrodenkabel werden durch eine Art<br />

“Schornstein“ hindurch aus dem Wirbelkanal<br />

ausgeleitet. Um den “Schornstein“ herum<br />

werden die Hirnhäute durch eine wasserdichte<br />

Naht verschlossen.<br />

- Kommt es hier zu einer Heilungsstörung,<br />

tritt Liquor aus (Liquorfistel). Eine Zweitoperation,<br />

um diese Fistel zu verschließen,<br />

kann erforderlich werden, sofern Kopftief -<br />

lagerung nicht zu einem Spontanverschluss<br />

führt.<br />

Spätkomplikationen:<br />

• Implantatdefekte (Spätkomplikation):<br />

- Defekte am Empfänger oder Kabelbrüche.<br />

- Geeignete Untersuchungen lassen Defekte<br />

des Steuergerätes und des Implantates<br />

unterscheiden.<br />

- Bei plötzlichem Funktionsausfall muss durch<br />

Einmalkatheterismus eine Überdehnungs


schädigung der Blasenmuskulatur vermieden<br />

werden. (Volumen kleiner als 500 ml!)<br />

- Je nach Art des Defektes kann durch Austausch<br />

des Empfängers, durch Kabelreparatur<br />

oder durch Einsetzen eines kompletten<br />

neuen Implantates die Funktion wieder hergestellt<br />

werden.<br />

• Überdehnungsschädigung<br />

- Der Blasenfüllungszustand wird von Querschnittgelähmten<br />

nicht oder nur durch sehr<br />

unbestimmte Signale wahrgenommen. So<br />

kann es zur Überfüllung der Harnblase mit<br />

Überdehnung der Blasenmuskulatur kommen<br />

und die Blasenentleerung mittels SARS<br />

kann versagen.<br />

- Dann Einmalkatheterismus bis sich die<br />

Harnblase von der Überdehnung erholt hat.<br />

Dies kann Tage aber auch Wochen dauern.<br />

Nachsorge<br />

Die erste Nachsorge findet 6 Monate nach der<br />

Operation statt. Meistens müssen die Stimulationsparameter<br />

sowohl für die Blasenentleerung<br />

als auch für die Stuhlregulierung nachjustiert<br />

werden. Im weiteren Verlauf sind regelmäßige<br />

jährliche Nachsorgeuntersuchungen anzuraten,<br />

um die vollständige SDAF und die regelrechte<br />

Funktion der SARS zu überprüfen und<br />

je nach Notwendigkeit Korrekturen vorzunehmen.<br />

Harnwegsinfektionen sind in aller Regel<br />

nur noch ein seltenes Problem.<br />

Anzeige<br />

4000<br />

Die Teilnehmer der<br />

Menschenkette<br />

zeigen durch ihre<br />

Anwesenheit ihre<br />

Verbundenheit und<br />

Wertschätzung mit<br />

den Sportlern<br />

10 Jahre<br />

cSc<br />

5.09.<strong>2010</strong><br />

E & B Weik-Stiftung<br />

Es gibt in der Medizin leider keine Erfolgsquote<br />

von 100 %. Nach der letzten Auswertung der<br />

Bad Wildunger Ergebnisse in 2007 gelang eine<br />

vollständige Deafferentation in 95,2 % (464<br />

Operationen). Die mittlere Blasenkapazität lag<br />

danach bei 476 ml. Bei 83 % der Patienten bestand<br />

Kontinenz. 95 % der Patienten nutzten die<br />

SARS für die Blasenentleerung und 91 % für die<br />

Stuhlregulierung. Die HWI-Rate fiel von 6,3 Infektionen<br />

pro Jahr vor Durchführung der SDAF<br />

auf 1,2 HWIs pro Jahr nach der Operation.<br />

Von allen Behandlungsmethoden bei spastischer<br />

Blasenlähmung infolge einer erworbenen<br />

Querschnittlähmung ist die SDAF und SARS die<br />

dauerhaft verlässlichste. Für eine erfolgreiche<br />

Diagnostik, Patientenauswahl, Durchführung<br />

der Operation und Nachbehandlung sowie<br />

auch für die Beherrschung von möglichen Komplikationen<br />

ist ein erfahrenes Team Voraussetzung.<br />

Der Autor und sein chefärztlicher Partner<br />

Dr. med. B. Domurath sowie das ganze Mitarbeiterteam<br />

stehen gerne zur weiteren Beratung<br />

zur Verfügung.<br />

Text:<br />

Dr. med. J. Kutzenberger<br />

Facharzt für Urologie<br />

Chefarzt Klinik für Neuro-Urologie<br />

An der Werner Wicker Klinik<br />

34537 Bad Wildungen<br />

jkutzenberger@werner-wicker-klinik.de<br />

q – querschnitt spezial<br />

Von allen Behandlungsmethoden<br />

bei<br />

spastischer<br />

Blasenlähmung<br />

infolge einer<br />

erworbenen<br />

Querschnittlähmung<br />

ist die<br />

SDAF und SARS<br />

die dauerhaft<br />

verlässlichste.<br />

Sportler haben bisher in Langenfeld /Rheinland mitgemacht<br />

Jeder Sportler<br />

erhält diese<br />

Erinnerungs-<br />

Medaille,<br />

dazu ein<br />

Badetuch<br />

oder T-Shirt.<br />

Anmeldung<br />

über Internet.<br />

Sportkategorien<br />

Radtandems<br />

Handbikes<br />

Liegeräder<br />

Inline Skater<br />

Einräder<br />

Tretroller<br />

2300 Meter lange Menschenkette begrüßt um 13 Uhr alle Capps (Behinderte) und No-Capps


q – querschnitt spezial<br />

38<br />

PARAPLEGIKER 2/10<br />

...Blutdruckspitzen<br />

bis zu<br />

200/120 mmHg<br />

und mehr, die<br />

bei hoher Querschnittlähmung<br />

oft auftreten.<br />

Dieses Risiko<br />

wurde durch die<br />

OP beseitigt.<br />

„Querschnitt-Tuning“ aus Patientensicht (1):<br />

Der Brindley<br />

Aufklärung gehört heute standardmäßig zum Schulunterricht.<br />

Früher war das anders. Da erfolgte die auf der Straße, in der Schule,<br />

unter Freunden usw. Man kannte einen, der kannte einen, der wusste:<br />

Das kann so oder so sein oder auch anders… Aber genau das<br />

verunsichert bis heute viel zu oft auch Menschen, die das Leben mit<br />

einer Querschnittlähmung für sich zu organisieren haben. Halbwahrheiten,<br />

undefinierbare Ängste, Spekulationen und Fantasien blockieren<br />

deshalb manchmal Chancen, die der Fortschritt der Medizin<br />

ihnen heute ermöglicht.<br />

Beispiel Brindley: Vor sieben Jahren habe ich zu<br />

diesem Thema mit Unterstützung der Fachmediziner<br />

in den deutschen Querschnittzentren eine<br />

ausführliche Befragung von operierten Personen<br />

durchgeführt. Bis dahin waren in Deutschland<br />

ca. 700 Brindley-Operationen erfolgt. 101 Personen<br />

haben den ausgefüllten Bogen zurückgeschickt,<br />

also jeder siebte. Damit<br />

ist diese Befragung viel reprä-<br />

sentativer als jeder “Deutschlandtrend“<br />

im Fernsehen. 93<br />

von ihnen fanden ihre Entscheidung<br />

für die OP richtig. Sie<br />

würden sich auch erneut dafür<br />

entscheiden. In zwei weiteren,<br />

mir bekannten Fällen wurde<br />

die Erwartung – Entleerung der<br />

Blase mit Brindley – zwar nicht<br />

erfüllt, aber bei beiden war das<br />

nicht der eigentliche OP-Grund,<br />

sondern die Vermeidung von<br />

lebensgefährlichen Blutdruckspitzen<br />

bis zu 200/120 mmHg<br />

und mehr, die bei hoher Querschnittlähmung<br />

oft auftreten.<br />

Dieses Risiko wurde durch die<br />

OP beseitigt. Allerdings müssen beide jetzt trotz<br />

OP – also wie vorher – weiter katheterisieren.<br />

Das aber, weil sich der Blasenschließmuskel auch<br />

durch den Stimulator nicht davon überzeugen<br />

ließ, seine Aufgabe zu erfüllen, ohne die vorher<br />

benötigten zusätzlichen Medikamente mit allen<br />

Nebenwirkungen, die oft beim ISK (Intermittierender<br />

Selbstkatheterismus) erforderlich sind.<br />

Dem gegenüber stehen die vielen anderen Fälle,<br />

nämlich die Tetraplegiker, die nicht mehr fünf- bis<br />

sechsmal täglich mit Fremdhilfe katheterisiert<br />

werden müssen, sondern nur noch morgens Hilfe<br />

beim Kleben eines Kondoms benötigen (vielleicht<br />

noch nicht einmal das), weil sie ohne fremde Hilfe<br />

tagsüber mittels Brindley ihre Blase in einen Beinbeutel<br />

entleeren können.<br />

Da gibt es auch die Frauen die nicht mehr in permanent<br />

feuchten Windeln herumfahren müssen,<br />

weil die Nebenwirkungen der Medikamente zu<br />

stark wären und weil sie “bauartbedingt“ auch<br />

kein Kondom tragen können. Und da gibt es diejenigen,<br />

die viel auf Reisen sind und nicht für eine<br />

Woche Urlaub einen ganzen Karton Katheter mit<br />

einpacken wollen und, und, und... Weitere Gründe<br />

kann sich jeder selbst ausdenken.<br />

Ein ganz besonders wichtiger Aspekt darf nicht<br />

vergessen werden: Viele Menschen mit einer<br />

Querschnittlähmung quälen sich regelmäßig<br />

mit Harnwegsinfekten, die auf Dauer auch Blase<br />

und Nieren schädigen. Bei der Leerung der Blase<br />

durch den Brindley (vier- bis fünfmal täglich, bei<br />

Bedarf eventuell auch häufiger) infizieren sie sich<br />

nur noch sehr selten – meist ein oder zweimal im<br />

Jahr. Weil sie keine spastische Blase mehr haben<br />

geht es ihnen wie allen Menschen, auch ohne<br />

Handikap, die, oft ohne dass sie es bemerken,<br />

von Zeit zu Zeit einen Harnwegsinfekt haben,<br />

der ohne Antibiotika nach wenigen Tagen wieder<br />

von selbst verschwindet.


Zeitgewinn<br />

Doch nicht nur die Versorgung der Blaseninkontinenz<br />

macht einen großen Schritt nach vorne.<br />

Auch die bei einer Querschnittlähmung fast immer<br />

vorhandene Inkontinenz des Mastdarms<br />

lässt sich mit einem Brindley wesentlich besser in<br />

den Griff bekommen. Auch wenn die Mediziner<br />

den Erfolg dabei grundsätzlich nicht versprechen<br />

(denn der Grund für die OP ist ja die Blaseninkontinenz)<br />

und nur davon sprechen, dass in zwei von<br />

drei Fällen auch die Entleerung des Darms vereinfacht<br />

wird, sehen nach dieser Umfrage die Zahlen<br />

ganz anders aus. Bei 90 % von ihnen haben sich<br />

die Zeiten, die sie dafür aufwenden müssen, erheblich<br />

verkürzt. Beispiele: Aus drei Stunden sind<br />

30 Minuten geworden, aus zwei Stunden 10 bis<br />

15 Minuten usw. Wer vorher jeden zweiten Tag<br />

eine Stunde für eine Sitzung einplanen musste<br />

freut sich darüber, dass es jetzt nur noch ca. 10<br />

Minuten dauert, eine so kurze Zeit, dass sie gar<br />

nicht vorgeplant werden muss. (Da spreche ich<br />

aus eigener Erfahrung).<br />

Und dann gibt es auch noch die „Stufe III“... Die<br />

funktioniert manchmal, manchmal nicht und<br />

manchmal nicht zufriedenstellend. Dafür sollte<br />

man eine solche OP sicher nicht in Erwägung<br />

ziehen. Aber wie heißt es so schön: „Es spielt sich<br />

sowieso alles im Kopf ab“.<br />

Anzeige<br />

q – querschnitt spezial<br />

Auch mit einer anderen Verunsicherung kann ich<br />

aufräumen: Wenn jemand sensibel inkomplett<br />

ist, kann im „Reithosenbereich“ eventuell noch<br />

vorhandene Sensibilität verloren gehen. Dass<br />

die Ärzte darauf hinweisen, damit man ihnen das<br />

später nicht zum Vorwurf macht ist verständlich.<br />

Aber ob es wirklich dazu kommt, ist von Fall zu<br />

Fall unterschiedlich. Auch da<br />

spreche ich aus eigener Er-<br />

fahrung.<br />

Auf die Frage, was an der<br />

Brindley-OP und den Folgen<br />

negativ sei gab es bei<br />

der Umfrage – wenn überhaupt<br />

– überwiegend zwei<br />

Antworten: Erstens: Die drei<br />

Tage vor der OP, in denen<br />

der Darm mit literweise eklig<br />

schmeckendem Abführmittel<br />

ratzeputz geleert wurde.<br />

Da muss man einfach durch.<br />

Zweitens (aber das soll inzwischen<br />

besser sein): Der Ärger und die Angst<br />

wenn ein Stimuliergerät aus technischen Gründen<br />

ausfällt. Die Stimuliergeräte sind im Laufe<br />

der Zeit nicht nur sicherer geworden und fallen<br />

seltener aus. Inzwischen akzeptieren auch fast<br />

alle Krankenkassen, dass ein Brindley-Benutzer<br />

aus Sicherheitsgründen auch ein Zweitgerät zur<br />

Wenn jemand<br />

sensibel inkomplett<br />

ist, kann im<br />

„Reithosenbereich“<br />

eventuell<br />

noch vorhandene<br />

Sensibilität<br />

verloren gehen.<br />

Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau<br />

Das qualifizierte Behandlungszentrum für Querschnittgelähmte im Süden<br />

Deutschlands zur<br />

• umfassenden Akutbehandlung bei Verletzungen und Erkrankungen des<br />

Rückenmarks<br />

• Frührehabilitation mit fachübergreifender ärztlicher Betreuung einschließlich<br />

der Neuro-Urologie<br />

• Behandlung aller lähmungsbedingten Komplikationen<br />

• lebenslange Nachsorge<br />

Ambulante Behandlung und umfassende Beratung über eine Spezialsprechstunde.<br />

Kontaktaufnahme: Telefon +49 (8841) 48-2940<br />

Fax +49 (8841) 48-2115<br />

e-mail dmaier@bgu-murnau.de<br />

Internet www.bgu-murnau.de


q – querschnitt spezial<br />

40<br />

PARAPLEGIKER 2/10<br />

Für eine Brindley-OP<br />

muss<br />

man erfahrungsgemäß<br />

fünf bis<br />

sechs Wochen<br />

Krankenhausaufenthalteinkalkulieren.<br />

Blasenentleerung braucht. Falls es Ärger mit der<br />

Kasse geben sollte: Als Rechtsbeistand der FGQ<br />

habe ich bisher alle Auseinandersetzungen zu<br />

diesem Thema zu einem positiven Ende führen<br />

können.<br />

Für eine Brindley-OP muss man erfahrungsgemäß<br />

fünf bis sechs Wochen Krankenhausaufenthalt<br />

einkalkulieren: Zwei bis drei Wochen<br />

Vorlauf mit allen möglichen Untersuchungen<br />

und ca. drei Wochen bis man wieder im Rollstuhl<br />

durch die Gegend fahren kann. Früher<br />

dauerte eine solche Operation acht bis zehn<br />

Stunden. Aber auch hier hat sich einiges geändert.<br />

Normalerweise benötigen die Operateure<br />

heute nur noch die<br />

Hälfte der Zeit, um zuerst die<br />

Sakralnerven ganz am unteren<br />

Ende der Wirbelsäule zu<br />

trennen und dann, im linken<br />

oder rechten Unterbauch, den<br />

stromlosen Empfänger zu implantieren.<br />

Die Stimulation erfolgt<br />

später durch einen kleinen<br />

Sender, ungefähr so groß<br />

wie eine Zigarettenschachtel,<br />

mit einem kleinen Sender,<br />

der auf die Bauchdecke aufgelegt<br />

wird und den Blasenschließmuskel<br />

aktiviert. Vier<br />

bis fünf Mal am Tag wird die<br />

Blase so völlig entleert und wenn man einmal<br />

mehr getrunken hat als üblich, schadet es auch<br />

nicht der Gesundheit falls man das dann öfter<br />

macht. Nur überdehnen sollte man die Blase<br />

auch bei der funktionellen Elektrostimulation<br />

nicht. Denn dann erschlafft sie im Laufe der<br />

Zeit. Aber wenn nur gelegentlich einmal mehr<br />

als die ärztlicherseits empfohlene Menge von<br />

ca. 500 bis 600 ml Blaseninhalt überschritten<br />

wird, passiert nichts – außer einem strengen<br />

Blick, den man zu erwarten hat, wenn man das<br />

bei dem obligaten jährlichen Check wirklich<br />

berichtet...<br />

Rechtsanspruch<br />

Die Angst vor der „Maschine“ im Bauch ist<br />

nur mental zu begründen. Denn sehen kann<br />

man den Empfänger von außen nicht und<br />

wer macht sich solche Gedanken bei einem<br />

künstlichen Hüftgelenk oder einer künstli-<br />

chen Herzklappe, die zu Tausenden implantiert<br />

werden?<br />

Nicht für jeden ist eine Brindley OP die optimale<br />

Lösung seiner Inkontinenzprobleme.<br />

Das hängt vom Einzelfall ab. Denn auch andere<br />

Lösungen wie z. B. Botox, ISK oder Urinalkondome<br />

haben ihre Vor- und Nachteile und<br />

ihre Berechtigung, in manchen Ausnahmefällen<br />

sogar Dauerkatheter (suprabubisch oder<br />

durch die Harnröhre). Vor einer Entscheidung<br />

sollte man aber immer unvoreingenommen<br />

informiert sein und diese dann zusammen<br />

mit den qualifizierten Medizinern einer Neurourologie<br />

getroffen werden, die Erfahrungen<br />

mit Querschnittlähmung haben z. B. in den<br />

Querschnittzentren mit eigener Neurourologie.<br />

Auf die Behandlung dort haben Querschnittgelähmte<br />

einen Rechtsanspruch (u. a.<br />

SG Freiburg Az S 11 KR 3430/04). Man sollte<br />

sich also von seiner Krankenkasse nicht zu einer<br />

Behandlung in einer “normalen“ Urologie<br />

drängen lassen, egal wo diese angesiedelt ist,<br />

nur weil die Kasse dadurch (kurzfristig) ein<br />

paar EURO spart.<br />

Zitat eines Tetraplegikers seit einem Unfall<br />

Ende der 80-er Jahre, der 2008 operiert wurde:<br />

„Hätte ich gewusst wie gut ich damit zurecht<br />

komme, hätte ich schon seit zwanzig<br />

Jahren einen Brindley. Aber ich habe die ganze<br />

Zeit nicht nur Positives gehört, sondern<br />

vor allem viel Negatives. Darum habe ich die<br />

Entscheidung immer wieder vor mir hergeschoben.“<br />

Klar, denn die negativen Berichte<br />

kommen von den (wenigen) Leuten, bei denen<br />

es nicht geklappt hat oder bei denen<br />

falsche Erwartungen nicht erfüllt wurden. Die<br />

sind es vor allem, die man in der Klinik trifft.<br />

Denn die anderen kommen einmal im Jahr<br />

ambulant zu einem Check oder höchstens für<br />

ein paar Tage stationär. Und außerdem: Wie<br />

überall sind auch hier negative Geschichten<br />

viel interessanter als positive und damit sind<br />

wir wieder am Anfang: „Ich kenne jemand, der<br />

kennt jemanden...“<br />

Text: Herbert Müller


Stomaträger im Internet:<br />

Selbsthilfe<br />

einmal anders<br />

medizin<br />

Das Internet ist als meistgenutzte Informationsquelle oft sehr<br />

unübersichtlich. Das gilt auch für das Thema Behinderung.<br />

In direktem Kontakt mit anderen Betroffenen lassen sich hilfreiche<br />

Fakten und Erfahrungen besser bewerten.<br />

Viele der großen Selbsthilfevereine nutzen das Internet als zusätzliches Angebot. Es<br />

haben sich aber auch ganz eigenständige Plattformen im Netz entwickelt. Zum Beispiel<br />

„stoma-welt.de“, eine Selbsthilfeplattform, die über das weitgehend tabuisierte Thema<br />

künstlicher Darmausgang und künstliche Harnableitung informiert. Stomaträger, deren<br />

Angehörige und Interessierte finden ein umfangreiches Informationsangebot, vom Basiswissen<br />

über Stoma und Stomaversorgung bis hin zu ganz alltäglichen Problemen wie<br />

Umgang mit der eigene Behinderung in der Familie und unter Freunden, Auswirkungen<br />

auf Beruf, Sport, Reisen usw.<br />

Virtuelle Selbsthilfe<br />

Und falls doch einmal keine Antwort zu finden ist, gibt es noch Stoma-Forum.de, Teil der<br />

Stoma-Welt. Eine virtuelle Selbsthilfegruppe, in der sich Stomaträger an sieben Tagen in<br />

der Woche, 24 Stunden am Tag treffen, Fragen stellen und Antworten geben und ihre Erfahrungen<br />

austauschen. Ein Treffpunkt für Stomaträger aus allen deutschsprachigen Ländern.<br />

Während es in vielen anderen Foren oft laut und ungemütlich zugeht, fühlt man sich<br />

dort gleich aufgenommen und verstanden. Denn hier treffen sich Menschen, die alle dasselbe<br />

durchgemacht haben. Wie wichtig solche Treffpunkte im Internet geworden sind,<br />

zeigen die Besucherzahlen auf Stoma-Welt.de. Im Moment sind es Monat für Monat mehr<br />

als 25 000 Besucher. Darunter nicht nur Stomaträger, wie sich die Betroffenen selbst nennen,<br />

sondern auch Angehörige, Pflegefachkräfte und andere Interessierte. Eine enorme<br />

Herausforderung für die ehrenamtlichen Helfer, die sich um Technik, redaktionelle Inhalte<br />

und Organisation kümmern.<br />

Professionalisierung<br />

Vor die Entscheidung gestellt entweder das in zehn Jahren Gewachsene für die Zukunft<br />

zu beschränken oder neue Wege zu gehen hat die Stoma-Welt sich für eine Zukunftsperspektive<br />

entschieden. die es in dieser Form bisher noch nicht gab. Getragen von einem gemeinnützigen<br />

Verein wird die Stoma-Welt in Zukunft von hauptberuflichen Mitarbeitern<br />

betrieben, redaktionell betreut und moderiert. Finanziert wird das Unternehmen überwiegend<br />

durch Sponsorenbeiträge der Hersteller und von bundesweit agierenden bzw.<br />

regional tätigen Homecare-Anbietern in jeweils gleicher Höhe. Zusätzliche Werbung ist<br />

nicht möglich. Niemand hat so die Chance, sich durch höhere Zahlungen einen Vorteil zu<br />

„erkaufen“. Die Plattform bleibt werbefrei, unabhängig und objektiv und ist damit für die<br />

Zukunft gerüstet, um für noch mehr Betroffene eine Anlaufstelle zu sein und das Internet<br />

für aktive Selbsthilfe einzusetzen. Denn mit der Änderung der Altersstruktur in der Gesellschaft<br />

geht auch eine intensivere Nutzung des Internets durch ältere Menschen einher.<br />

Text: Christian Limpert<br />

Kontaktdaten: Stoma-Welt e. V • Vorsitzender Christian Limpert<br />

Am Bettenheimer Hof 26 • 55576 Sprendlingen<br />

www.stoma-welt.de<br />

www.stoma-forum.de<br />

Anzeige<br />

Falten, verladen<br />

und los geht´s!<br />

Vanessa Elster:<br />

Ich lebe ein aktives Leben, immer auf<br />

dem Sprung. Mein küschall ® Ultra-Light<br />

ist praktisch, leicht und im Handumdrehen<br />

in mein Auto verladen. Schon<br />

bin ich unterwegs!<br />

Sie finden einen Fachhändler ganz in<br />

Ihrer Nähe unter www.kueschall.com.<br />

Vertrieb in Deutschland durch:<br />

INVACARE ® AQUATEC GmbH<br />

Alemannenstraße 10<br />

88316 Isny / Deutschland<br />

Tel. +49 (0) 75 62 / 7 00-0<br />

E-Mail info@invacare-aquatec.com<br />

Web www.invacare-aquatec.de<br />

küschall® ist ein registrierter Markenname.<br />

Copyright© 2009, Küschall AG, Schweiz – Alle Rechte vorbehalten.


medizin<br />

42<br />

PARAPLEGIKER 2/10<br />

I<br />

m vergangenen Jahr befragten Forscher<br />

537 Amputierte zu ihrer Lebensqualität.<br />

Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass Handlungsbedarf<br />

besteht:<br />

• 56 Prozent der Befragten nehmen bis zu<br />

fünf Stunden am Tag messerstichartige,<br />

elektrisierende Schmerzen oder Kribbeln<br />

in ihrem amputierten Körperglied wahr<br />

• 28 Prozent empfinden diese Schmerzen<br />

sogar Tag und Nacht<br />

• 62 Prozent aller Amputierten leiden unter<br />

Schlafstörungen – unabhängig davon, ob<br />

sie Phantomschmerzen haben oder nicht.<br />

Schmerzen verhindern<br />

Phantomschmerzen:<br />

Training und<br />

Medikamente<br />

Für Patienten vor einer geplanten Operation<br />

ist es wichtig zu wissen, dass man die Wahrscheinlichkeit<br />

von Phantomschmerzen senken<br />

kann: Je stärker die Schmerzen vor dem<br />

Eingriff sind, desto wahrscheinlicher ist es,<br />

Rund 70 Prozent der Patienten leiden nach einer<br />

Amputation unter Phantomschmerzen. Am besten<br />

lassen sich diese Schmerzen behandeln,<br />

bevor sie chronisch geworden sind. Deshalb<br />

sollten Betroffene nicht die Zähne zusammenbeißen,<br />

sondern möglichst früh nach<br />

Behandlungsmöglichkeiten suchen.<br />

Der aktive<br />

Selbsthilfegruppen-Fachmann<br />

Egon Griebel<br />

hat kaum noch<br />

Phantomschmerzen.<br />

dass nach der Operation Phantomschmerzen<br />

auftreten. Es ist also sinnvoll, Schmerzen<br />

schon ein paar Tage vor der geplanten Operation<br />

auszuschalten, beispielsweise durch<br />

eine Rückenmarks- oder Lokalanästhesie. Der<br />

Berliner Schmerzspezialist Dr. med. Jan-Peter<br />

Jansen empfiehlt in solchen Fällen dringend<br />

eine Kombination zwischen Allgemeinnarkose<br />

und Lokalanästhesie.<br />

Nach der Operation können elektrische Stimulationsverfahren<br />

im Bereich des Amputationsstumpfes<br />

dabei helfen, die Entstehung<br />

von Phantomschmerzen zu verhindern. Auch<br />

eine gut sitzende Prothese ist ausgesprochen<br />

wichtig!<br />

Schlafstörungen verstärken übrigens das<br />

Schmerzempfinden und sollten auch aus diesem<br />

Grund behandelt werden, wenn Phantomschmerzen<br />

bestehen.<br />

Medikamentöse Therapie<br />

Schmerzen sollte man nicht aushalten. Wer<br />

die Zähne zusammenbeißt, macht seine Situation<br />

nicht besser, im Gegenteil. Er riskiert,<br />

dass sein Körper ein Schmerzgedächtnis aufbaut,<br />

sich beim kleinsten Anlass an die negativen<br />

Gefühle erinnert und immer häufiger<br />

Schmerzen auftreten.


Schmerztherapeuten sind sich heute einig,<br />

dass eine effektive Schmerztherapie möglichst<br />

früh und möglichst intensiv eingeleitet<br />

werden sollte. Die medikamentösen und begleitenden<br />

Möglichkeiten sind für den Laien<br />

unübersichtlich: Schmerzmittel alleine oder<br />

in Kombination mit Vitamin-B-Komplex und<br />

Folsäure können neuropathische Schmerzen<br />

– und dazu gehören die Phantomschmerzen –<br />

bekämpfen. Manche Therapeuten empfehlen<br />

auch die Kombination mit Psychopharmaka<br />

(Antidepressiva) oder Entspannungsmethoden.<br />

Medikamente, die direkt an den Nerven<br />

wirken, sind beispielsweise Antiepileptika wie<br />

Carbamazepin und Valproinsäure. Auch sie<br />

können positive Effekte haben.<br />

Je nach Schmerzintensität können bei Phantomschmerzen<br />

auch unterschiedlich starke<br />

Opiate verordnet werden. Schmerztherapeut<br />

Jansen findet hier die Zusammenarbeit zwischen<br />

Patient und einem in der Schmerztherapie<br />

erfahrenen Arzt besonders wichtig. Oft<br />

besteht eine unnötige Angst vor der Entwicklung<br />

von Abhängigkeiten. Es werden häufig<br />

Kombinationen verwendet, die einerseits aus<br />

Opioiden (morphinähnliche Stoffe) bestehen,<br />

andererseits aus Wirkstoffen, die zusätzlich<br />

die Empfindlichkeit der Nerven dämpfen können,<br />

die den Schmerz verarbeiten. Vitamine<br />

werden seiner Erfahrung nach als Schmerzmittel<br />

deutlich überschätzt.<br />

Methoden ohne Medikamente<br />

Umbrellan: Auf das Ausschalten elektromagnetischer<br />

Einflüsse bei der Entstehung von<br />

Phantomschmerzen setzen die Hersteller von<br />

Umbrellan. Dieses Material soll den Stumpf<br />

vor elektromagnetischen Einflüssen abschirmen<br />

und Phantomschmerzen ohne Nebenwirkungen<br />

reduzieren. Die Idee stammt<br />

übrigens von Prothesenträgern, die auf der<br />

Suche nach einer Lösung für ihre Phantomschmerzen<br />

den Stumpf versuchsweise in Alufolie<br />

eingewickelt hatten. Die Methode wirkte<br />

gut, sie berichteten darüber und stießen bei<br />

der Medi-Abteilung für Forschung und Entwicklung<br />

auf offene Ohren: Die Idee für die<br />

Umbrellan-Liner (medi relax) war geboren.<br />

Bei rund 70-80 Prozent der Patienten mit<br />

Phantomschmerzen lassen sich mit dieser<br />

Methode die Schmerzen lindern. Nicht alle<br />

Menschen werden schmerzfrei, bei manchen<br />

hilft die Methode leider gar nicht. Aber Menschen<br />

wie Egon Griebel, der seit 40 Jahren<br />

doppelt beinamputiert ist, möchten nicht<br />

mehr darauf verzichten. Bei ihm begannen<br />

die Phantomschmerzen erst 20 Jahre nach<br />

seinem Unfall – und sie waren heftig: Am linken<br />

Bein beschreibt er einen knochenzerbrechenden<br />

Schmerz, am rechten ein Gefühl, als<br />

würden ihn 1000 Ameisen gleichzeitig beißen.<br />

Kein Wunder, dass er starke Schmerzmittel<br />

brauchte. Heute trägt er die Umbrellan-Liner<br />

oder Strümpfe und kommt fast ohne Medikamente<br />

aus.<br />

Anzeige<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

medizin


medizin<br />

Prof. E. Martin-Fiori (l)<br />

und Prof. D. Jeanmonod (r)<br />

am Kinderspital Zürich:<br />

Unblutige Hirnoperation<br />

mit Hochenergie-Ultraschall-System.<br />

44<br />

PARAPLEGIKER 2/10<br />

Unblutige Hirnoperation: In der Zürcher Universitäts-Kinderklinik<br />

arbeitet ein interdisziplinäres<br />

Team von Neuroradiologen, Neurochirurgen,<br />

Neurophysiologen und Physikern<br />

mit einem neuen Hochenergie-Ultraschall-<br />

System für nicht-invasive neurochirurgische<br />

Eingriffe. Es geht also um Operationen, um<br />

chirurgische Eingriffe, bei denen kein Blut<br />

fließt. Die gebündelten Ultraschallwellen<br />

können den Schädel durchdringen, sodass<br />

kein Skalpell oder Bohrer nötig ist. Die Operation<br />

wird derzeit nur im Rahmen einer klinischen<br />

Phase-I-Studie durchgeführt, einer<br />

so genannten Machbarkeitsstudie. Seit 2008<br />

wurden in diesem Rahmen einige Patienten<br />

mit neuropathischen Schmerzen (z.B. auch<br />

Phantomschmerzen) behandelt.<br />

Wenn man sich die Operation vorstellen will,<br />

muss man zuerst die Abläufe beim Phantomschmerz<br />

begreifen: Beim gesunden Menschen<br />

sendet die Peripherie (z.B. das Gesicht<br />

oder die Beine) regelmäßig Signale in die<br />

Schaltzentrale im Gehirn (Thalamus). Von<br />

hier aus werden die Signale koordiniert an<br />

die Hirnrinde weitergeleitet, die Rückantwort<br />

vom Großhirn wird wiederum an die Peripherie<br />

gesendet. Nach einer Amputation fallen<br />

diese normalen Impulse aus der Peripherie<br />

aus. Dadurch werden bestimmte Zentren im<br />

Thalamus unterbeschäftigt und sie beginnen,<br />

selbstständig falsche Signale an die Hirnrinde<br />

zu senden.<br />

An diesen Zentren im Thalamus setzt die neue<br />

Operationsmethode an: An einem Bildschirm<br />

peilen die Operateure um Prof. Ernst Martin<br />

millimetergenau den richtigen Punkt an, wo<br />

die Ursache für den Phantomschmerz sitzt.<br />

Durch die Kombination der Magnetresonanz-<br />

Bildgebung mit fokussiertem Hochenergie-<br />

Ultraschall lassen sich nun diese Gebiete im<br />

Thalamus, die den Phantomschmerz verursachen,<br />

genau lokalisieren und mit Temperaturen<br />

im Zielgebiet von 55 bis 60° C präzise<br />

ausschalten. Wegen des Studiencharakters<br />

der Anwendung werden die Patienten von<br />

den Prüfärzten nach genauen, im Prüfprotokoll<br />

festgelegten Richtlinien ausgewählt und<br />

nachkontrolliert. „Es ist zu hoffen, dass diese<br />

Methode nach erfolgreichem Abschluss der<br />

laufenden Testphasen in naher Zukunft zur<br />

klinischen Anwendung gelangt, um vielen leidenden<br />

Patienten eine neue Hoffnung geben<br />

zu können“, so Prof. Ernst Martin.<br />

Spiegeltherapie: Mit einem Spiegel kann man<br />

die gesunde Körperseite spiegeln, so dass


man auf ein Bild von zwei vollständigen Körperhälften<br />

blickt. Dieser Trick spiegelt dem<br />

Gehirn vor, der amputierte Fuß oder die amputierte<br />

Hand wäre noch vorhanden. Diese<br />

Vorspiegelung falscher Tatsachen hilft vielen<br />

Patienten, die unter Phantomschmerzen leiden.<br />

Das lässt sich erklären: Der Phantomschmerz<br />

entsteht bekanntlich, weil aus dem<br />

amputierten Körperteil keine Signale mehr in<br />

Richtung Schaltzentrale (Thalamus) gesendet<br />

werden. Mit dem Spiegel lässt sich dem<br />

Gehirn aber vorgaukeln, dass die Hand oder<br />

der Fuß noch da ist. Die optische Wahrnehmung<br />

eines nicht amputierten Körpers sorgt<br />

dafür, dass eine Art Hilfssignale entstehen.<br />

Dieser Effekt lässt sich verstärken, wenn der<br />

Patient beispielsweise mit dem gesunden Fuß<br />

trainiert und dabei den gespiegelten Fuß beobachtet.<br />

Bei diesem Training kommt es nur<br />

darauf an, dass man Sinnesreize spürt: Sand<br />

unter der Fußsohle etwa, eine Haarbürste<br />

oder einen Igelball.<br />

Text: Ruth Auschra<br />

Fotos: medi, Auschra<br />

Weitere Infos<br />

• Das „inzwischen sicherlich größte ambulante<br />

Schmerzzentrum Europas“, so<br />

der Gründer Dr. Jan-Peter Jansen. Positiv:<br />

Anfragen per eMail werden gerne<br />

und schnell beantwortet:<br />

www.schmerzzentrum-berlin.de<br />

• In diesem Internetforum kann man<br />

alle Fragen zur Schmerztherapie stellen:<br />

http://forum.dgk.de<br />

• http://www.stolperstein.com<br />

• Auch Otto Bock hat selbstverständlich<br />

einen umfangreichen Internetauftritt<br />

(www.ottobock.de), wo man u.a. auf<br />

der Suche nach Adressen von Selbsthilfegruppen<br />

fündig wird.<br />

• Ein Forum für Amputierte gibt es z.B.<br />

im Rahmen des Internetauftritts der<br />

Orthopädietechniker: www.otworld.de<br />

• Der Internetauftritt von Medi ist unter<br />

www.stolperstein.com zu finden:<br />

viele Infos, vor allem (aber nicht nur!)<br />

über Medi-Produkte.<br />

Anzeige


markt<br />

Elektrische Garagentor-Öffner<br />

sind<br />

längst selbstverständlich.<br />

Nur bei<br />

Haus- und Wohnungstüren<br />

werden<br />

automatisierte<br />

Ein- oder Durchgänge<br />

noch als<br />

Luxus eingestuft.<br />

46<br />

PARAPLEGIKER 2/10<br />

Bauen-wohnen-renovieren:<br />

Alle Türen offen?<br />

Dass barrierefreie Zugänge zu Gebäuden und<br />

Gebäudeteilen nicht nur für Körperbehinderte<br />

Vorteile bieten, die auf Gehhilfen oder Rollstuhl<br />

angewiesen sind, verdeutlicht eine Broschüre<br />

des Fachverbandes Türautomation (FTA): Wer<br />

einmal in der Situation war, eine manuelle Tür<br />

öffnen zu wollen und dabei beide Hände voll zu<br />

tun hatte (mit Koffer, Einkaufstasche, Kleinkindern),<br />

weiß, wo das Problem liegt. Eine manuelle<br />

Tür wird dann zu einem unüberwindbaren<br />

Hindernis. „In unserer Funktion als Fachverband<br />

empfehlen wir Hauseigentümern sowie Betreibern<br />

von Hotels, Krankenhäusern und anderen<br />

öffentlichen Einrichtungen, im Zuge von Renovierung<br />

und Neubau den Qualitätsstandard der<br />

Barrierefreiheit mit automatischen Türsystemen<br />

sicherzustellen.“ Aufgrund ihrer teilweise hohen<br />

Bedienkräfte können manuelle Türen nicht nur<br />

für Körperbehinderte eine Barriere darstellen,<br />

sondern genauso auch für Ältere, Gebrechliche<br />

oder Kinder ein unüberwindbares Hindernis bilden,<br />

erst recht, wenn die Tür mit einem schwergängigen<br />

Türschließer ausgestattet ist. „Automatische<br />

Türen eröffnen hier ein entscheidendes<br />

Mehr an Lebensqualität.“ Für automatisierte<br />

Türen in Wohnungen und Privathäusern gibt es<br />

grundsätzlich zwei Bauarten: die automatische<br />

Schiebetür und die automatische Drehflügeltür.<br />

Durch die Vielfalt an gestalterischen und planungstechnischen<br />

Möglichkeiten können automatische<br />

Schiebetüren nicht nur als architektonisch<br />

perfekte Ergänzung an jedes Umfeld<br />

angepasst werden. Sie bieten auch größtmöglichen<br />

Komfort durch eine ausreichende Dimension<br />

mit einer Öffnungsbreite bis vier Meter.<br />

Darüber hinaus öffnen sich automatische<br />

Schiebetüren zuverlässig und geräuscharm. Eine<br />

selbstüberwachende Sensorik gewährleistet<br />

ein Höchstmaß an Sicherheit und Begehungskomfort<br />

nach DIN 18650 (Automatische Türsysteme).<br />

Mit allen erforderlichen Prüfzertifikaten<br />

ausgestattet, dürfen automatische Schiebetüren<br />

auch in Flucht- und Rettungswegen eingesetzt<br />

werden. Moderne Steuerungselektroniken lassen<br />

sich an alle möglichen Bedürfnisse optimal<br />

Architektonisch perfekt:<br />

Elektrisch öffnende Haustür.<br />

anpassen. Programmiert werden können so unter<br />

anderem je nach Jahreszeit unterschiedliche<br />

Türöffnungsweiten und -zeiten, um Warmluft<br />

drinnen und die Kälte ausgesperrt zu lassen.<br />

Drehflügeltür als Alternative<br />

Wenn aber Gänge nicht ausreichend breit sind,<br />

um automatische Schiebetüren zu installieren,<br />

bietet die automatische Drehflügeltür oft die<br />

einzige Möglichkeit, einen barrierefreien Zugang<br />

zu gewährleiten. In der Altbausanierung sind sie<br />

oft die einzig mögliche Lösung, um Gänge und<br />

Durchgänge barrierefrei zu gestalten und gleichzeitig<br />

alle Auflagen für Fluchtwege und Brandschutz<br />

zu erfüllen. Neben der Geschwindigkeit<br />

des Öffnens und Schließens lassen sich bei den<br />

Drehflügeltüren sämtliche Parameter für die örtliche<br />

Umgebung einstellen und an die Belange<br />

der Nutzgruppen anpassen. Der so genannte<br />

„Low energy”- und „Full energy”-Bereich bietet je


nach Einbau- und Nutzersituation optimale Einstellmöglichkeiten.<br />

Damit sind Drehflügeltüren<br />

für den Einsatz in behindertengerechten Bereichen<br />

besonders geeignet. Sie können entweder<br />

über Taster gesteuert und betätigt werden,<br />

oder aber durch berührungslose Sensorik oder<br />

Funkfernsteuerung automatisch öffnen und<br />

schließen. Die berührungslose Sensorik bietet<br />

zusätzlich den Vorteil der absoluten Hygiene. Für<br />

komfortables Begehen sorgen Flügelbreiten bis<br />

1,60 Meter. Der automatische Drehflügelantrieb<br />

kann auch in Flucht- und Rettungswegen eingesetzt<br />

und nach DIN 18650 baumustergeprüft und<br />

zertifiziert werden.<br />

Impulsgeber für automatisierte Türen arbeiten<br />

entweder automatisch oder manuell. Je nach<br />

Einsatzort können an ein und derselben Tür auch<br />

beide Typen an Impulsgebern miteinander kombiniert<br />

eingesetzt werden. Automatische Impulsgeber<br />

werden normalerweise an Türen installiert,<br />

die als öffentlicher Durchgang dienen. Manuelle<br />

Impulsgeber werden an internen Türen und in Situationen<br />

eingesetzt, in denen Personen mit den<br />

Örtlichkeiten vertraut sind.<br />

Sicherheit durch Sensoren<br />

Sensoren für Schiebetüren können feststellen, ob<br />

sich Personen oder Objekte in der Nähe der Tür<br />

befinden, und verhindern zuverlässig, dass diese<br />

von der sich schließenden Tür eingeklemmt<br />

werden. Auf Wunsch erkennen sie auch sich<br />

bewegende Personen oder Objekte, die sich im<br />

optimalen Näherungsbereich der Tür befinden.<br />

Radarimpulsgeber mit Richtungserkennung können<br />

sogar Personen, die sich der Tür nähern von<br />

jenen unterscheiden, die sich von ihr entfernen.<br />

Der Antrieb wird nur ausgelöst, wenn sich eine<br />

Person der Tür nähert. Auch Fotozellen lassen sich<br />

als Impulsgeber für automatische Türen oder als<br />

Erkennungssensoren einsetzen, die ein Schließen<br />

der Tür verhindern. Vor jedem Schließvorgang<br />

wird die Funktion der Fotozelle geprüft. Wenn ein<br />

Fehler erkannt wird, bleibt die Tür offen.<br />

Bei automatischen Drehflügeltüren verbessern<br />

Anwesenheits- und Aktivierungssensoren Sicherheit<br />

und Komfort. Durch den Sensor wird sichergestellt,<br />

dass die Tür automatisch geöffnet wird.<br />

Gleichzeitig wird jedoch eine unerwünschte Bewegung<br />

der Tür verhindert, falls der Sensor während<br />

des Öffnens ein Hindernis feststellt. Wird ein<br />

Hindernis während des Schließens festgestellt,<br />

öffnet sich die Tür erneut. Als manuelle Impulsgeber<br />

können unter anderem eingesetzt werden:<br />

Tastschalter zur Unter- oder Aufputzmontage im<br />

Innenbereich,<br />

Ellbogenschalter zur Aufputzmontage an Wänden,<br />

Schnurschalter zur Deckenmontage,<br />

Schlüsselschalter zur Unterputz- und Aufputzmontage,<br />

Trittschalter zur Aufputzmontage an Wänden,<br />

Tastplatten zur Unter- oder Aufputzmontage,<br />

Fernbedienung mit Audio-, Funk- oder Infrarot-<br />

Impulsgebern.<br />

Text: Raimund Artinger<br />

Foto: Marie Artinger<br />

Anzeige<br />

Planungsbüro Peters<br />

Planen, Bauen und Wohnen ganz ohne Barrieren<br />

Wir stehen Ihnen zur Seite, wenn Sie Ihren Wohnraum<br />

barrierefrei gestalten möchten oder einen Neubau planen.<br />

Schwellenlose Bäder, rollstuhlgerechte Eingänge und<br />

behindertengerechte Aufzüge - wir erarbeiten speziell für Ihr<br />

Handicap die richtigen Lösungen.<br />

Wir besichtigen Ihre Wohnung und entwickeln in Abstimmung<br />

mit Ihnen ein individuelles Wohnkonzept, das Ihre<br />

Selbständigkeit in den eigenen vier Wänden dauerhaft<br />

verbessert. Wir planen Ihren barrierefreien Lebensraum<br />

und begleiten Sie von der ersten Idee bis zum Einzug in Ihr<br />

neues Heim.<br />

Gemeinsam wird es uns gelingen, Ihre Wohn- und Lebens-<br />

situation deutlich zu verbessern und Ihr Lebensumfeld<br />

barrierefrei zu gestalten. Vertrauen Sie unserer langjährigen<br />

Erfahrung!<br />

Wir stehen an Ihrer Seite!<br />

Planungsbüro Peters<br />

Zum Rohland 8 | 59872 Meschede<br />

Fon +49 (0) 291 908 749 - 0 | Fax +49 (0) 291 908 749 - 29<br />

kontakt@planungsbueropeters.com | www.planungsbueropeters.com<br />

markt


kultur<br />

In Kooperation mit den „Singing Rollis“:<br />

Der nörgelnde Regisseur und seine Assistentin.<br />

„Holpersteine“ nennt<br />

sich selbstironisch<br />

eine Gruppe von<br />

Mitarbeitern der „Diakonische<br />

Leipziger<br />

gGmbH Diakonie am<br />

Thonberg“, die seit<br />

einigen Jahren mit<br />

Spaß an der Freud‘<br />

und viel Engagement<br />

Theater spielt. Handikaps<br />

sind dabei<br />

kein Hindernis.<br />

48<br />

PARAPLEGIKER 2/10<br />

D<br />

Theater ohne Hindernisse:<br />

Die Hexe weiß, dass sie sich im Kampf gegen den Drachen auf ihre Katze verlassen kann.<br />

en Zuschauern lief ein eiskalter Schauer<br />

den Rücken herunter, als plötzlich ein<br />

fürchterlicher Drache über die Bühne rollte. Alle<br />

bangten mit angehaltenem Atem um das Leben<br />

der kleinen Hexe, der Heldin des Stücks. Doch<br />

wie alle Märchen hatte natürlich auch dieses<br />

Stück ein Happy-End: Unter großer Gefahr besiegten<br />

die Haustiere der Hexe das gefährliche<br />

Fabelwesen. Den Drachen stellte Claus-Dieter<br />

dar. Der 50 jährige „Freizeitschauspieler“ arbeitet<br />

in einer Werkstatt der Diakonische Leipziger<br />

gGmbH Diakonie am Thonberg am PC. Doch<br />

seit etwa zwei Jahren schlüpft er immer, wenn<br />

es dort etwas zu feiern gibt, in eine andere Haut.<br />

„Zuerst habe ich den ‚Holpersteinen‘ beim Theaterspielen<br />

nur zugeschaut. Ich war davon aber<br />

so begeistert, dass ich schließlich fragte, ob ich<br />

auch mitspielen darf“, berichtet Claus-Dieter.<br />

„Holpersteine“<br />

Ein furchterregender Drache rollt über die Bühne:<br />

Eine Paraderolle für Claus-Dieter.<br />

Natürlich durfte er. „Wir haben überlegt, welche<br />

Rollen Claus-Dieter übernehmen kann und<br />

wie wir ihn in das Ensemble integrieren können“,<br />

erläutert Matthias Troeger. Claus-Dieter ist<br />

aufgrund einer schweren Tetraparese auf den<br />

Rollstuhl angewiesen. „Handikaps sind bei uns<br />

keine Hindernisse“, so der Förderpädagoge und<br />

Mitarbeiter für Pflege und Assistenz in der Diakonie<br />

am Thonberg. „Wir sagen nie ‚es geht nicht‘,<br />

sondern überlegen immer wieder, wie es gehen<br />

könnte.“<br />

Dabei werden die starken Seiten der Schauspieler<br />

individuell gefordert und gefördert. Wer zum<br />

Beispiel Schwierigkeiten hat, sich längere Texte<br />

zu merken, bekommt eine kurze oder sogar eine<br />

„stumme“ Rolle. Hat der Autor des Stücks solch<br />

eine Rolle nicht vorgesehen, wird sie einfach dazugeschrieben<br />

und in das Stück integriert. „Felix<br />

ist Spastiker. Damit er mitspielen konnte, haben<br />

wir ihn der Hexe als Hausgeist zur Seite gestellt“,<br />

erläutert der Spielleiter ein Beispiel.<br />

Durch das Spiel die Persönlichkeit<br />

weiterentwickeln<br />

Auch für Claus-Dieter entwickelte er zusammen<br />

mit Dipl.-Sozialpädagogin Carola Scheibe vom<br />

Begleitenden Dienst der Einrichtung und der<br />

Ergotherapeutin und Gruppenleiterin Ulrike Zeiler<br />

eine originelle Idee: „Mit großen Umhängen


ko men ins Ro len<br />

Ein Frosch, ein Vogel, ein Hund und die Katze stehen der Hexe zur Seite.<br />

verwandelten wir seinen Rollstuhl in einen Drachenrumpf.<br />

Für Claus-Dieter bastelten wir eine<br />

furchterregende Maske.“ Weil der Akteur sich nur<br />

schwierig artikulieren kann, rezitierten der Spielleiter<br />

und Carola Scheibe hinter der Bühne für ihn<br />

den Text.<br />

Ungefähr vier Jahre ist es her, als die „Holpersteine“<br />

im wahrsten Sinn des Wortes ins Rollen kamen.<br />

Carola Scheibe: „Bei der Vorbereitung des<br />

Sommerfestes 2006 beschlossen wir, das gesellige<br />

Beisammensein von über hundert behinderten<br />

Mitarbeitern durch Sketche etwas aufzupeppen.“<br />

Noch besser – so die Überlegung – wäre es natürlich,<br />

wenn verschiedene Darsteller die witzigen<br />

Dialoge vortragen könnten. In den Werkstätten<br />

wurden nun einige Mitarbeiter gefragt, ob sie<br />

mitwirken möchten. Andere bewarben sich nach<br />

einer Einladung am Schwarzen Brett.<br />

„Es bildete sich ein harter Kern von etwa zehn<br />

Bühnendarstellern, die in Leipzig und Umgebung<br />

auch schon auf öffentlichen Veranstaltungen aufgetreten<br />

sind“, berichtet Matthias Troeger. Einige<br />

hätten aufgegeben, andere – ähnlich wie Claus-<br />

Dieter – seien erst später hinzugekommen. Auch<br />

Patrick ist ein „Newcomer“. Ursprünglich wollte<br />

der 24-Jährige bei den „Singing Rollis“ der Diakonie<br />

am Thonberg mitsingen. Doch dann überlegte<br />

er es sich anders: „Durch Theaterspielen<br />

kann man Erfahrungen machen und seine Persönlichkeit<br />

weiterentwickeln“, so Patrick. Aktuell<br />

spielt er im „Tierhäuschen“ den Fuchs. Neben der<br />

Schauspielerei interessiert sich der junge Mann<br />

für Musik, Literatur und Filme. Nach einem PC-<br />

Aufbaukurs möchte Patrick eine kaufmännische<br />

Ausbildung beginnen.<br />

Anzeige<br />

Kiel<br />

Hamburg<br />

Berlin<br />

Dresden<br />

Gera<br />

Leipzig<br />

Bremen<br />

Hannover<br />

Lifta – der meistgekaufte Treppenlift<br />

Lifta in Ihrer Nähe:<br />

Gelsenkirchen<br />

Frankfurt<br />

Mannheim<br />

Stuttgart<br />

Freiburg<br />

Ulm<br />

Nürnberg<br />

München<br />

… sowie in 80 weiteren Städten<br />

<br />

kultur<br />

Zuhause mobil bleiben<br />

Sicher Treppenfahren<br />

Selbständigkeit erhalten<br />

Über 70.000 verkaufte Liftas<br />

Neu: Treppenlift-Finanzierung<br />

(8,9 % eff. Jahreszins)<br />

GUTSCHEIN<br />

Ja, schicken Sie mir meinen Prospekt –<br />

kostenlos und unverbindlich.<br />

Lifta GmbH, Abt. PA 27, Horbeller Straße 33, 50858 Köln


kultur<br />

50<br />

PARAPLEGIKER 2/10<br />

Jeder bringt seine Ideen ein<br />

Märchen, Kinderbücher und andere Quellen inspirieren<br />

das Ensemble immer wieder zu neuen<br />

Produktionen. „Ich verstehe mich nicht als Starregisseur,<br />

sondern jeder Akteur soll sich und seine<br />

Ideen aktiv einbringen“, unterstreicht Matthias<br />

Troeger. Für das nächste Sommerfest hat sich das<br />

Ensemble etwas ganz Besonderes ausgedacht:<br />

Die Schauspieler sollen Filmplakate in Szene<br />

setzen und sich fotografieren lassen. In der Abteilung<br />

für Mediengestaltung der Diakonie am<br />

Thonberg sollen die Fotos dann als Vorlagen für<br />

ein Quiz bearbeitet werden. Natürlich diskutieren<br />

die Mimen nun darüber, wer vor der Kamera<br />

welchen Filmstar wie in welchem Kassenschlager<br />

mimen soll.<br />

Für Steven und einige andere männliche „Holpersteine“<br />

ist „Krieg der Sterne“ ein Thema. Der<br />

22-Jährige stand ebenfalls schon als Schüler auf<br />

den Brettern und ist seit Ende 2007 Ensemblemitglied.<br />

Im „Tierhäuschen“ gibt er den Hahn. Ein anderes<br />

Mal übernahm er die Rolle eines Puppen-<br />

spielers, der im Umgang mit Stabpuppen einiges<br />

Geschick bewies. Tolle Idee, für das Plakat eines<br />

Science-Fiction-Films zu posieren, meint Steven.<br />

Doch wie kann man die Szene mit möglichst einfachen<br />

Requisiten darstellen? Die Schauspieler<br />

haben bis zum nächsten Übungsnachmittag in<br />

einer Woche einige harte Nüsse zu knacken.<br />

Auch Falk findet den „Krieg der Sterne“ echt cool.<br />

Der 24-Jährige ist rhetorisch sehr gewandt. Kein<br />

Wunder, dass er bei den „Holpersteinen“ schon<br />

fast ein „Urgestein“ ist. Im „Tierhäuschen“ verkörpert<br />

er den Bär, der zusammen mit dem Fuchs<br />

und dem Wolf in ein Haus eindringt, in dem der<br />

Igel, die Maus, der Hahn und der Frosch friedlich<br />

zusammenleben. Die Moral von der Geschichte:<br />

Ähnlich wie seinerzeit den Bremer Stadtmusikanten<br />

gelingt es auch in diesem Stück den<br />

schwächeren, aber klugen Tieren, die Störenfriede<br />

zu vertreiben.<br />

Text: Reinhard Wylegalla<br />

Fotos: Diakonie am Thonberg<br />

Nach dem Happy-End präsentiert sich das Ensemble dem applaudierenden Publikum.


Karikaturen von Philipp Hubbe in Heidelberg<br />

Gefesselt und geknebelt<br />

Kann man die Situation von Behinderten in Karikaturen darstellen?<br />

Man kann, ganz ohne Peinlichkeiten und mit erfrischender Komik.<br />

Das beweist jedenfalls der selbst mit einer Behinderung lebende<br />

Cartoonist Philipp Hubbe, dessen Arbeiten in einer Ausstellung<br />

in Heidelberg zu sehen waren.<br />

„Wie geht es ihm?“ fragt die Dame mit Knautschhütchen<br />

und Handtasche, hinter vorgehaltener<br />

Hand und mit besorgter Miene. „Er“, dem die<br />

Frage gilt, sitzt im Rolli und ist durchaus wachen<br />

Geistes. Aber die nette Dame fragt lieber über<br />

ihn hinweg seinen Begleiter, der hinter dem Rolli<br />

steht. Die Antwort des tatsächlich Gemeinten<br />

lässt nicht lange auf sich warten: „GUT! Wenn Sie<br />

mich so indirekt fragen“, schreit „er“ durch die<br />

Flüstertüte. Und die herzensgute Dame verliert<br />

darob vor Schreck ihre Contenance.<br />

Philipp Hubbe spießt mit Karikaturen wie dieser<br />

Alltäglichkeiten auf, die im Leben von Behinderten<br />

(immer noch) eine Rolle spielen: Zum<br />

Beispiel auf einer falschen Ebene angesiedeltes<br />

„Verständnis“ und Mitgefühl“ von Fußgängern<br />

für Menschen, die im Rollstuhl sitzen oder, wie es<br />

hartnäckig in den Medien zu lesen oder zu hören<br />

ist, „an den Rollstuhl gefesselt“ sind. So als ob sie<br />

mit dicken Seilen bis oben hin zugeschnürt seien<br />

– auch dieses Bild lässt sich der Cartoonist nicht<br />

entgehen, steckt dem Rolli sogar noch einen Knebel<br />

in den Mund und veranlasst zwei ältere Damen<br />

zu den mitleidsvollen Worten: „Schlimm, so<br />

an den Rollstuhl gefesselt“.<br />

Präsentation mit Schwächen<br />

Mehr Beispiele von Philipp Hubbes bestürzend<br />

gültigen und erfrischend komischen zeichnerischen<br />

Übertreibungen waren kürzlich in einer<br />

Ausstellung in Heidelberg zu sehen, die der Beirat<br />

für Menschen mit Behinderungen (bmb) der Stadt<br />

unter der Schirmherrschaft von Oberbürgermeister<br />

Eckart Würzner im Kundenzentrum der Rhein-<br />

Neckar-Verkehr GmbH (RNV) am Hauptbahnhof<br />

veranstaltete. Den Hintergrund bildeten die vom<br />

Beirat organisierten Heidelberger Aktionstage<br />

<strong>2010</strong> von Menschen mit Behinderungen. Das<br />

kommunale Gremium vertritt – beratend – die<br />

Interessen der über 20 000 in Heidelberg lebenden<br />

Menschen mit Behinderung und chronischer<br />

Erkrankung.<br />

Dass man als Ausstellungsort das Kundenzentrum<br />

der Straßenbahn- und Busverkehrsbetriebe<br />

gewählt hat, mag seinen Grund darin haben,<br />

dass in Heidelberg schon seit längerem ein relativ<br />

kultur<br />

PARAPLEGIKER 2/10 51


kultur<br />

Schwarzer<br />

Humor mit<br />

Behinderten?<br />

Das geht doch<br />

nicht, werden<br />

manche sagen,<br />

die sich dem<br />

reichlich überflüssigen<br />

Begriff<br />

der „political<br />

correctness“<br />

verpflichtet<br />

fühlen.<br />

52<br />

PARAPLEGIKER 2/10<br />

gutes Angebot für mobilitätseingeschränkte<br />

Fahrgäste besteht. Busse sind in der Regel<br />

mit Rampen und Rollstuhl-Liften ausgestattet,<br />

und in den letzten Jahren wurden die älteren<br />

Straßenbahnen mehr und mehr durch<br />

Niederflurfahrzeuge ersetzt. Auch die Anzahl<br />

der Hochbahnsteige (30 Zentimeter) hat zugenommen,<br />

während hingegen der zentrale<br />

Umsteigeort der Stadt, der Bismarckplatz, immer<br />

noch voller Barrieren ist. Hier geschieht<br />

seit Jahren – nichts.<br />

Die Ausstellung zeigt 14 Karikaturen von<br />

Philipp Hubbe, leider nicht im Original, sondern<br />

nur als Ausdruck von Dateien – von einer<br />

künstlerischen Präsentation darf man mehr<br />

erwarten. Zudem haben die Veranstalter die<br />

Exponate recht phantasielos gehängt und auf<br />

die Vorder- und Rückseite zweier Stellwände<br />

verteilt, die wie Info-Wände in der Mensa<br />

aussehen. Der besondere Humor Hubbes<br />

bleibt trotz solcher Hindernisse glücklicherweise<br />

nicht auf der Strecke. Er ist nicht selten<br />

schwarz, was dem Gegenstand keineswegs<br />

abträglich ist. Schwarzer Humor mit Behinderten?<br />

Das geht doch nicht, werden manche<br />

sagen, die sich dem reichlich überflüssigen<br />

Begriff der „political correctness“ verpflichtet<br />

fühlen. Philipp Hubbe antwortet solchen<br />

Bedenkenträgern auf seine (entwaffnende)


Weise, nämlich mit einem Cartoon, auf dem der<br />

Zeichner entgegnet „Äh…wäre grün besser?“<br />

„Stehplatz oder Sitzplatz?“<br />

Mit seinen spezifischen Mitteln – spitzer Feder,<br />

genauer Wahrnehmung und hintergründigem<br />

Witz – lenkt er in gekonnter Weise die Blicke auf<br />

etwas, das vielen Menschen im Umgang mit Behinderten<br />

gar nicht bewusst ist. „Stehplatz oder<br />

Sitzplatz?“ fragt die Kassenfrau den Rolli am Eingang<br />

zum Fußballstadion. Treffender kann die<br />

karikaturistische Aussage über unsere alltägliche<br />

Gedankenlosigkeit kaum sein, und sie umgeht<br />

die belehrende Geste.<br />

Hubbe nimmt mit seinen Arbeiten aber nicht nur<br />

das Verhalten der Umwelt der Behinderten aufs<br />

Korn, sondern treibt seinen Humor auch mit sich<br />

selbst und seiner eigenen Behinderung. 1985 erkrankte<br />

er an Multipler Sklerose. Freunde und Kollegen<br />

ermutigten ihn, die Krankheit zum Thema<br />

von Cartoons zu machen. So entstand etwa jener<br />

mit dem Titel „MS Rainer“: Bei der Mitteilung, er<br />

habe „MS“, hält der Patient das zunächst für die<br />

Abkürzung von „Motorschiff“ und phantasiert<br />

dazu den Namen Rainer, bevor der Arzt ihn aus<br />

seinem Traum mit bereitgestellten Rolli und Krücken<br />

unsanft weckt. Die Selbstironie ist in diesem<br />

Fall auch (s)eine Stärke. Und Hubbe bezieht auch<br />

Blinde, Prothesenträger und Taubstumme in seine<br />

Karikaturen mit ein, ohne bestimmte Grenzen<br />

zu überschreiten. Hinter den Zeichnungen steckt<br />

ein Augenzwinkern, nie ein bloßes Sich-Lustig-<br />

Machen.<br />

Vorrangiges Ziel des Veranstalters der Ausstellung,<br />

des Beirates von Menschen mit Behinderungen,<br />

ist es generell, den Dialog zwischen<br />

Menschen mit und ohne Behinderungen zu verbessern.<br />

Die eher lieblos gemachte Präsentation<br />

der Karikaturen, an der der Künstler selbst nicht<br />

beteiligt war, lud nicht unbedingt dazu ein.<br />

Text: Arndt Krödel<br />

Illustrationen: Philipp Hubbe<br />

Philipp Hubbe<br />

Der Karikaturist wurde 1966 in Haldensleben<br />

(Sachsen-Anhalt) geboren. Nach<br />

Abitur, Grundwehrdienst und abgebrochenem<br />

Mathematikstudium in Magdeburg<br />

arbeitete er in einem Keramikwerk<br />

und als Wirtschaftskaufmann, war aber<br />

nach eigenen Worten „eigentlich schon<br />

immer Zeichner“. In dieser Funktion ist<br />

er regelmäßig für Tageszeitungen, Zeitschriften<br />

und Anthologien sowie für den<br />

MDR und ZDF-online tätig. Auszeichnungen:<br />

3. Preis des Deutschen Preises für<br />

die politische Karikatur (2002), Hertie-Preis<br />

für Engagement und Selbsthilfe (2006).<br />

Verschiedene Buchveröffentlichungen,<br />

zuletzt 2009 „Das Leben des Rainer – Behinderte<br />

Cartoons 3“. Zahlreiche Ausstellungen,<br />

darunter mehrfach „Mit Behinderungen<br />

ist zu rechnen“.<br />

Anzeige<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

kultur<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

®<br />

KADOMO


technik<br />

PARAPLEGIKER 2/10<br />

Audi A5 Sportback TDI quattro mit VEIGEL-Technik<br />

Der klassische Audi-Slogan „Vorsprung durch<br />

Technik“ wird beim A5 Sportback TDI quattro<br />

eindrucksvoll bestätigt: Das Auto ist technisch<br />

ausgereift, sicher und ausgesprochen<br />

schön – wenngleich<br />

letzteres natürlichGeschmacksache<br />

ist.<br />

VEIGEL-Classic-Handbedienung mit<br />

Commander, ab Werk lieferbar.<br />

Das sportliche Cockpit zeigt u.a., wenn<br />

Fahrertür und Heckklappe geöffnet sind.<br />

Sicher ist sicher:<br />

Einsteckbare Pedal-Abdeckung von VEIGEL.<br />

54<br />

Praktische Eleganz<br />

Elegantes Auto<br />

mit vielen technischen<br />

Qualitäten: Der Audi A5 Sportback.<br />

S<br />

chönheit hin oder her, wichtig bei<br />

einem Auto ist letzthin immer noch,<br />

wie man mit ihm fahren kann. Und da gab<br />

es bei der 185 Kilometer langen Fahrprobe<br />

in Städten und Dörfern, auf Autobahnen,<br />

Bundes- Landstraßen und Feldwegen,<br />

mit guten Belägen, aber auch mit Schlaglöchern<br />

oder Schotter grundsätzlich sehr<br />

gute Erfahrungen.<br />

Für jemanden wie mich, der Zweitürer<br />

mit breiten Türausschnitten und weit<br />

zu öffnenden Türen gewohnt ist, gibt es<br />

beim Einstieg in den Viertürer Probleme.<br />

Mit dem Übersetzen klappt es trotz des<br />

engen Raumes noch einigermaßen, zum<br />

Auseinandernehmen des Rollstuhls fehlt<br />

es dann aber ebenso deutlich an Platz wie<br />

beim Zusammenbau vor dem Aussteigen.<br />

Zudem wäre es bei der Enge sehr sinnvoll,<br />

die ausgeprägten Seitenschweller abzukleben<br />

und der sehr elegant wirkende<br />

weiße Dachhimmel sollte besser schwarz<br />

sein: ansonsten werden bald unschöne<br />

Rollstuhl-Spuren die Schönheit dieses Autos<br />

mindern.<br />

Wenn man dann aber den Rollstuhl leicht<br />

hinter den durch die spezielle VEIGEL-<br />

Technik modifizierte und damit weit vor-<br />

klappbareLehne<br />

des Beifahrersitzes<br />

verstaut hat, beginnt<br />

der Genuss. Der vielfältig verstellbare<br />

Leder-Fahrersitz ist ausreichend bequem<br />

und bietet guten Seitenhalt. Wenn<br />

man sich dann im Innenraum umschaut,<br />

ist man zunächst verwirrt durch die Vielzahl<br />

der Hebel, Knöpfe, Schalter, Tasten und<br />

Anzeigen. Eine kurze Einweisung und eine<br />

gemeinsame 40-Kilometer-Fahrt mit dem<br />

Überbringer des Autos, dem Fahrlehrer Dieter<br />

Hendel aus Kupferzell im Schwäbischen<br />

brachte Klarheit über die wichtigsten Bedienelemente.<br />

Den Rest der logisch selbsterklärenden<br />

Audi-Technik habe ich dann<br />

schnell begriffen.<br />

Der A5 hat eine schlüssellose Bedienung<br />

für Türen, Heckklappe und Anlasser. Der<br />

Schlüssel kann also sicher in irgendeiner<br />

Tasche der Kleidung oder an einem Umhängeband<br />

verwahrt werden. Gestartet wird,<br />

indem man die Bremse betätigt – in diesem<br />

Fall mit der aus vielen Gründen sicheren<br />

und bequemen „Classic“-Handbedienung<br />

von VEIGEL – und dann den auf der Mittelkonsole<br />

angebrachten Starterknopf drückt.<br />

Leise und spurtstark<br />

Dass der Motor ein Diesel ist, hört man<br />

kaum, das Leerlauf-Geräusch ist eher leise.<br />

Man zieht dann den Wählhebel auf der Mittelkonsole<br />

in die Automatik-Position und


der Audi fährt an, langsam oder gleich im Spurttempo,<br />

je nachdem, wie schnell und wie weit man<br />

den ergonomisch gut in der Hand liegenden Griff<br />

der Handbedienung um die eigene Achse dreht.<br />

Auffällig ist die absolut ruckfreie schaltende Automatik<br />

beim Wechseln der sieben Vorwärtsgänge,<br />

man merkt dies lediglich am gut ablesbaren<br />

Tourenzähler. Der liegt gleichgroß zum Tacho im<br />

Blickfeld, dazu wechseln situationsbedingt etliche<br />

andere Anzeigen und nützliche Informationen auf<br />

einem Display zwischen diesen beiden Instrumenten.<br />

Der Audi war der erste moderne Diesel-PKW, mit<br />

dem ich gefahren bin. An eher hochdrehende<br />

Benziner gewöhnt, war ich geradezu verblüfft<br />

über die niedrigen Drehzahlen, mit der sich dieses<br />

Auto bewegte. Bei ruhigen 80 km/h im Automatik-Modus<br />

wurden teilweise nur 1 200 Touren<br />

angezeigt. Es gibt bei diesem Auto aber auch die<br />

Möglichkeit, manuell mit dem Doppelkupplungs-<br />

Getriebe (DSG) zu schalten, ohne eine Kupplung<br />

betätigen zu müssen. Das wird erreicht, indem<br />

man den Wählhebel aus der Automatik-Stellung<br />

einfach nach rechts drückt. Man kann dann mit<br />

dem Wählhebel bis zum siebten Gang hoch oder<br />

in den ersten runterschalten. Ein Überdrehen des<br />

Motors ist aber durch rechtzeitiges automatisches<br />

Hochschalten unmöglich. Der rote Bereich des<br />

Drehzahlmessers beginnt bei 4 500 Touren. 5 000<br />

werden bei Vollgas extrem schnell erreicht, wofür<br />

Anzeige<br />

man die VEIGEL einfach bis zum Anschlag dreht.<br />

Die 100 km/h wurden gefühlt schneller erreicht als<br />

in den vom Werk angegebenen 6,3 Sekunden, die<br />

Le Mans-Diesel-Siege von Audi grüßten freundlich.<br />

Interessant dabei ist, dass so ein extremer<br />

Spurt total unspektakulär erfolgt. Keine durchdrehende<br />

Räder beim Quattro, kein brüllendes<br />

Motorgeräusch. Das überragende Spurtvermögen<br />

des Audi ermöglicht neben der Freude daran auch<br />

das schnelle und damit sichere Überholen anderer<br />

Fahrzeuge. Die von Audi angegebene Höchstgeschwindigkeit<br />

von 250 km/h habe ich nicht getestet,<br />

zweifle allerdings aufgrund der anderen Werte<br />

aber nicht daran.<br />

Ausgesprochen praktisch kann das mit dem<br />

Tempomat gekoppelte Abstand-Radar sein, so<br />

technik<br />

Die umgebauteBeifahrersitzlehne<br />

lässt sich<br />

leicht und weit<br />

umlegen.


technik<br />

Die weit öffnende Kofferraumklappe<br />

kann mit dem Spannrollen-Gurt<br />

von VEIGEL zugezogen<br />

werden.<br />

Technische Daten<br />

Motor<br />

6-Zyl.-Diesel, 240 PS / 176 kW<br />

Getriebe<br />

7-Gang-Automatik (DSG)<br />

Länge/Breite/Höhe<br />

471/185/139 cm<br />

Leergewicht<br />

1 720 Kilo<br />

Wendekreis<br />

11,5 Meter<br />

Spurt auf 100 km/h<br />

6,3 Sekunden<br />

Höchstgeschwindigkeit<br />

etwa 250 km/h<br />

Tank-Volumen<br />

64 Liter<br />

Praxis-Verbrauch<br />

6-7 Liter Diesel<br />

56<br />

PARAPLEGIKER 2/10<br />

beispielsweise bei Kolonnen-Fahrten, ruhigen<br />

Fahrten auf der Autobahn oder in Staus. Ich<br />

habe diese leicht zu bedienende Technik mal<br />

auf etwa 20 Kilometern hinter einem Lastzug<br />

auf einer kurvenreichen Bundesstraße getestet,<br />

es war faszinierend. Die eingestellten etwa 20<br />

Meter zum Lastzug wurden eingehalten, auch<br />

bei einigen Ortsdurchfahrten, in einem engen<br />

Kreisverkehr und einer 90-Grad-Kurve. Angenehm<br />

ist auch die Spracheingabe, mit der man<br />

beispielsweise das sehr gute Navi des Audi während<br />

der Fahrt sicher bedienen kann.<br />

Auf den kurvenreichen und kaum befahrenen<br />

Straßen in der hügeligen Umgebung von Bad<br />

Wildungen lernt man die sicheren Qualitäten<br />

des Quattro-Fahrwerks schätzen. Selbst schnell<br />

gefahrene Bergab-Kurven werden gemeistert,<br />

ohne dass die Hände an dem nur 38 Zentimeter<br />

Durchmesser messenden und sehr griffigen Leder-Lenkrad<br />

feucht werden. Man kann im Audi<br />

durch einfachen Druck auf Mittelkonsolen-Tasten<br />

unter drei Fahrprogrammen für Motor, Getriebe,<br />

Lenkung und Dämpfung wählen, auch<br />

während der Fahrt. Die Stufe COMFORT erklärt<br />

sich durch den Namen und bietet komfortables<br />

Fahren auch auf schlechten Wegstrecken.<br />

Im Modus DYNAMIC wird der Straßenzustand<br />

spürbar, was bei sportlicher Fahrweise durchaus<br />

Freude machen kann. Dazwischen liegt der<br />

AUTO-Modus.<br />

Gut bedienbar<br />

Wirklich komfortabel und zudem sicher ist die<br />

Classic von VEIGEL. Der Unterarm kann ruhig auf<br />

der Mittelkonsole ruhen, zum Gasgeben wird lediglich<br />

das Handgelenk gedreht. Den linken Ellenbogen<br />

kann man – mit der Hand am Lenkrad<br />

– entspannt auf die Konsole der Fahrertür legen.<br />

Praktisch und ein Beitrag zur Sicherheit ist der in<br />

die VEIGEL-Classic integrierte „Commander“, mit<br />

dem sich Blinker, Warnblinker, Scheibenwischer<br />

und Lichthupe sehr einfach schalten lassen. Gut<br />

bedienbar ist das Navigations-System im Audi.<br />

Direkt im Blickfeld hat man beispielsweise die<br />

Kilometer-Angaben bis zur nächsten Abbiegung<br />

und bis zum Ziel, dazu die berechnete<br />

Ankunftszeit. Die aktuelle Position und die noch<br />

zu fahrende Strecke kann man auf der Farbkarte<br />

im großen Bildschirm gut erkennen. Praktisch ist<br />

auch die zentral sichtbare Anzeige der noch zur<br />

Verfügung stehenden Kilometer. Die komplette<br />

Tankfüllung reicht bei normaler Fahrweise für<br />

annähernd 1 000 Kilometer, so dass man sich<br />

nicht so oft über die hohen Spritpreise ärgern<br />

muss.<br />

Eine bemerkenswerte Sicherheits-Technik des<br />

Audi bei Autobahn-Fahrten ist eine in den Außenspiegel-Haltern<br />

angebrachte Leuchtanzeige.<br />

An der sieht man, wenn sich ein Fahrzeug<br />

links oder rechts im toten Winkel des Spiegels<br />

befindet und deshalb nicht sichtbar ist. Wenn<br />

man dann den Blinker in diese Richtung setzt,<br />

wird man durch schnelles Blinken der Anzeige<br />

auf die Gefahr des Fahrbahnwechsels hingewiesen.<br />

Und auch eine weitere Innovation ist interessant,<br />

die „elektromechanische Parkbremse“.<br />

Betätigt wird sie praktischerweise mit einem<br />

Schalter auf der Mittelkonsole. Wer den Audi A5<br />

Sportback bestellt, kann ihn im Audi-Werk in Ingolstadt<br />

direkt mit den VEIGEL-Aggregaten ausrüsten<br />

lassen und komplett umgerüstet geliefert<br />

bekommen. Dies hat den Vorteil der vollen<br />

Audi-Garantie, auch für die VEIGEL-Aggregate.<br />

Bei anderen Herstellern entfällt die Garantie,<br />

wenn bei Fremd-Umrüstungen die Elektronik<br />

berührt wird.<br />

Ein Auto wie der Audi A5 Sportback TDI quattro<br />

ist nicht zum Schnäppchenpreis zu haben.<br />

Umfassende Informationen über Audi und den<br />

hier vorgestellten A5 Sportback und die individuelle<br />

Zusammenstellung mit allen Extras und<br />

Preisen gibt es im „Konfigurator“ bei www.audi.<br />

de. Der dann ermittelte Preis kann aber um 15<br />

Prozent reduziert werden, bei Audi gibt es Rolli-Rabatt.<br />

Informationen über die Rolli-Produkte<br />

von Veigel sind bei www.veigel-automotive.de<br />

zu sehen.<br />

Als Fazit bleibt festzuhalten, dass Audi seinen<br />

Ansprüchen hier voll gerecht wird. Zwar ist ein<br />

Viertürer nicht das ideale Auto für diejenigen,<br />

die ihren Rollstuhl selbst verladen, aber Audi<br />

hat natürlich auch viele sehr attraktive Zweitürer,<br />

bis bin zum sagenhaften R8...<br />

Text & Fotos:<br />

Hermann Sonderhüsken


Sitzkissen Hybrid Elite von Etac:<br />

Das Beste aus zwei Welten<br />

Es gibt behinderte Menschen, die<br />

für ihren Rollstuhl kein Spezialkissen<br />

brauchen. Die meisten aber sind<br />

dringend darauf angewiesen.<br />

Dafür gibt es viele<br />

Gründe.<br />

E rst<br />

einmal<br />

m u s s<br />

das Kissen<br />

im Rollstuhl<br />

Druck aufnehmen und<br />

verteilen. Wir wissen alle,<br />

dass Sitzen auf Dauer nicht optimal<br />

ist, aber schließlich wird nicht danach gefragt,<br />

wenn ein Mensch durch eine Behinderung<br />

auf den Rollstuhl angewiesen ist. Die Unterseite<br />

unseres Gesäßes ist eben nicht flach und leider<br />

oft auch nicht optimal gepolstert. Es gibt da Problemzonen<br />

in Form der Sitzbeinhöcker, der beidseitig<br />

unteren scharfen Knochenenden unserer<br />

typisch menschlich unvollkommenen Hüftkonstruktion.<br />

Hier und evtl. noch am Steißbein baut<br />

sich Druck auf, der bei Nichtbeachtung zu bösen,<br />

im Endergebnis dann lebensbedrohlichen Hautschäden<br />

(Dekubitus) führen kann. Leider ist es<br />

hier nicht getan nur ein weiches Ruhekissen unterzulegen.<br />

Das sitzt sich durch und das Ergebnis<br />

ist am Ende ebenso ungesunde Härte.<br />

Zur Druckvermeidung bewährt hat sich das<br />

ROHO-Kissen. Es reduziert auch die im Geheimen<br />

wirkenden Scherkräfte, die vergleichbar sind mit<br />

denen, die einen Luftballon platzen lassen, wenn<br />

man ihn mit den Händen walkt – so was kann<br />

also nicht gesund sein. Der hintere Teil des neuen<br />

Hybrid-Kissens sieht aus wie ein ROHO – zum<br />

größten Teil diese gummiweichen, aber formspitzen<br />

Kegel, die voll aufgeblasen Schokoküssen<br />

ähneln. Um den Druck optimal zu verteilen<br />

wird aus dem vorher mittels mitgelieferter Luftpumpe<br />

gefüllten Kissen Luft abgelassen, bis nur<br />

noch gut ein Fingerbreit Raum zwischen dem<br />

am tiefsten liegenden Knochenende und Sitz<br />

liegt. Dieses Verfahren erfordert eine fachliche<br />

Einweisung!<br />

Die Jay-Technik ist beliebt bei Rollstuhlnutzern,<br />

denen es auf Druckverteilung und Sitzstabilität<br />

ankommt, zum Beispiel im Sport. Viele verwenden<br />

es aber auch im Alltag. Die Sitzschale besteht<br />

aus festem haltgebendem Schaumstoff.<br />

Dazu kommen je nach Modell Auflagen,<br />

die mit einem „Fluid“ gefüllt sind,<br />

das sich der Körperform<br />

anpasst, aber nicht fließt,<br />

sondern etwa wie Sand<br />

am Strand eine angepasste<br />

Form einnimmt und hält.<br />

Dadurch entsteht eine unterstützende<br />

Sitzauflage, die auch den Druck<br />

gut verteilt.<br />

Zwischen diesen beiden Sitzsystemen gibt es<br />

keine Qualitätsunterschiede. Sie sind beide gut<br />

durchdacht und funktionieren. Worauf man<br />

langfristig besser sitzt kann nur die eigene Erfahrung<br />

aussagen. Vom Konzept her bringt ROHO<br />

optimale Entlastung bei gleichzeitig guter Hinterlüftung,<br />

Jay Druckverteilung bei stabiler Positionierung.<br />

Eigentlich logisch, dass in der Praxis<br />

daraus ein gutes gemeinsames Konzept werden<br />

kann.<br />

Nach einigen Wochen Sitzprobe kann ich das<br />

bestätigen. Die Jay-Sitzschale ist ergonomisch<br />

sinnvoll ausgeformt und führt zu aufrechter Haltung.<br />

Die ROHO-Auflage nimmt jeden Druck von<br />

den Knochen. Es wird nie ganz einfach sein, die<br />

richtige Menge Restluft im ROHO zu lassen, das<br />

muss man üben. Wenn man nicht ganz gerade<br />

sitzt werden sich Auflagen beim Jay mit der Zeit<br />

verschieben, gelegentliche Kontrolle (spätestens<br />

beim Bezugwechsel) ist also angesagt. Die Kombination<br />

beider Systeme ergibt tatsächlich ein<br />

Kissen, das den Titel „Das Beste aus zwei Welten“<br />

verdient. Das „Hybrid Elite TM“ entlastet die Haut<br />

und gibt untadeligen Halt. Schön, dass die beiden<br />

Konzepte zueinander gefunden haben.<br />

Vertrieb: Etac GmbH, Marl. Garantie 24 Monate,<br />

Preis 490 €, zzgl. MwSt. Infos unter www.etac.de.<br />

Text: Peter Mand<br />

Foto: Hersteller<br />

hilfsmittel<br />

PARAPLEGIKER 2/10 57


ericht<br />

Erforschte die Effekte<br />

einer Abmeldung vom<br />

betreuten Wohnen: Prof.<br />

Reinhard Peukert<br />

58<br />

Abmeldungen bei betreutem Wohnen:<br />

Selbstständigkeit<br />

durch Zuzahlungszwang?<br />

Die kürzlich auf einer Tagung in Fulda vorgestellten<br />

Ergebnisse einer Studie zeigen<br />

unter anderem, dass einige Menschen mit<br />

Behinderungen von einem Ausscheiden aus<br />

der Betreuung profitierten. Der Abmeldung<br />

vorangegangen war die Ankündigung, sie<br />

für die Kosten der Betreuungsleistungen<br />

künftig selbst heranzuziehen.<br />

W<br />

PARAPLEGIKER 2/10<br />

as war passiert? Der Landeswohlfahrtsverband<br />

Hessen (LWV) hatte im Jahr 2005 all<br />

jenen behinderten Klienten einen Brief geschrieben,<br />

die das Angebot des betreuten Wohnens in<br />

Anspruch nahmen. Genauer müsste es „betreutes<br />

Einzelwohnen“ heißen: Jemand wohnt in seiner eigenen<br />

Wohnung und erhält dort regelmäßig Hilfe<br />

von einer Fachkraft. Die Wohnung wird von einem<br />

Träger angemietet, aber der Betreute ist trotzdem<br />

der primäre Mieter. Doch zurück zum Brief. Den<br />

Adressaten wurde darin mitgeteilt, dass diese ab<br />

jetzt mit ihrem Einkommen und Vermögen für die<br />

Kosten der Betreuung herangezogen werden.<br />

Als Financier des betreuten Wohnens ging der LWV<br />

also sozusagen „ans Eingemachte“ seiner Leistungsempfänger,<br />

wie das unser „Sozialstaat“ auch erst mal<br />

macht, wenn jemand Hartz IV beantragt. Beim LWV<br />

handelt es sich um einen Zusammenschluss der<br />

hessischen Landkreise und kreisfreien Städte. Die<br />

Einrichtung mit Sitz in Kassel ist überörtlicher Träger<br />

der Sozialhilfe und unter anderem zuständig für<br />

die Unterstützung und Förderung von behinderten<br />

und kranken Menschen in sozialer und materieller<br />

Not. Und auch beim betreuten Wohnen geht es ja<br />

um Sozialhilfe, da die Behindertenhilfe gesetzlich<br />

in der Sozialhilfe angesiedelt ist. In den meisten<br />

anderen Bundesländern werden die Angebote für<br />

Behinderte ähnlich organisiert wie in Hessen.<br />

Als Konsequenz des besagten „blauen Briefs“ der<br />

LWV kam es zu Abmeldungen seitens der betreuten<br />

Klienten. In der Gruppe der körperlich behin-<br />

derten Menschen waren es 10,3 Prozent, die zu den<br />

vom LWV geforderten Zuzahlungen nicht bereit<br />

waren, doppelt so viele (20,7 Prozent) meldeten sich<br />

in der Gruppe der Menschen mit seelischer Behinderung<br />

ab. Etwas niedriger (zwischen 5 und knapp<br />

7 Prozent) lag die jeweilige Quote bei den übrigen<br />

Betreutengruppen: Menschen mit geistiger Behinderung,<br />

Aids- und Suchtkranke.<br />

Fragen der Wissenschaftler<br />

Sechs Monate später nahmen Wissenschaftler und<br />

Studierende der Hochschule Rhein-Main in Wiesbaden<br />

und der Hochschule Fulda (die einen gemeinsamen<br />

Masterstudiengang „Gemeindepsychiatrie“<br />

anbieten) den Vorgang genauer unter die Lupe: Sie<br />

wollten wissen, welche Effekte sich aus den Abmeldungen<br />

für die bisherigen Nutzer (und die Träger)<br />

des betreuten Wohnens ergeben haben. Das Forschungsprojekt<br />

unter der Leitung von Prof. Reinhard<br />

Peukert, Fachbereich Sozialwesen der Hochschule<br />

RheinMain, startete eine Fragebogenerhebung bei<br />

allen Betroffenen, von denen sich letztlich 20 Prozent<br />

(144 Abmelder) rückmeldeten – unter den gegebenen<br />

Bedingungen ist das relativ viel.<br />

Zwei Jahre später, 2008, wurde bei den Befragten<br />

noch einmal „nachgehakt“, und gegenwärtig läuft<br />

gerade die dritte Nachfrage. Für Prof. Reinhard<br />

Peukert war das „endlich mal eine naturalistische<br />

Studie“, denn als Experiment ist eine solche Untersuchung<br />

ja nicht möglich, bei der man herausfinden<br />

will, was bei Menschen eigentlich vorgeht, die heute<br />

noch eine Betreuung haben (von deren Notwendigkeit<br />

sie und auch ihre Betreuer fest überzeugt sind)<br />

und morgen auf einmal „draußen“ sind.<br />

Als Ergebnis der Interviews zeigte die Studie – Auftraggeber<br />

war der LWV, auch die Landesarbeitsgemeinschaft<br />

(LAG)-Wohnen Hessen war an der<br />

Finanzierung beteiligt – unter den Abmeldern vom<br />

betreuten Wohnen „Gewinner“ und „Verlierer“: Es<br />

mag überraschen, aber für 20 Prozent der Befragten


war die angekündigte Heranziehung für die Kosten<br />

mit der Folge der Abmeldung gewissermaßen ein<br />

„Glücksfall“. Sie äußerten deutlich, dass es für sie<br />

an der Zeit gewesen sei, sich abzumelden, denn es<br />

ging ihnen nach der Abmeldung besser als vorher.<br />

So hatte ihnen der Brief des LWV sozusagen einen<br />

„Schubs“ gegeben, wie Studienleiter Reinhard Peukert<br />

es formulierte, der notwendig war, denn von<br />

sich aus hätten sie mit hoher Wahrscheinlichkeit keine<br />

Anstalten zum Beenden des betreuten Wohnens<br />

gemacht. Bisher hatten sie ja geglaubt, die Betreuung<br />

zu brauchen.<br />

Situation teilweise noch verschlechtert<br />

Auf der anderen Seite standen die „Verlierer“: Als solche<br />

sahen sich etwa ein Drittel der Befragten, für die<br />

sich die Abmeldung keineswegs positiv auswirkte,<br />

sondern ihre Situation noch verschlechterte. Es handelte<br />

sich dabei um diejenigen, die sich ausschließlich<br />

aus finanziellen Gründen abgemeldet haben.<br />

Hier war die Androhung, für die Kosten herangezogen<br />

zu werden, der ausschlaggebende Punkt, wie<br />

Peukert erläuterte. Zu den Abmeldern zählten im<br />

Übrigen auch Menschen, die gar nicht herangezogen<br />

worden wären. Ein weiteres interessantes Ergebnis:<br />

Sechs der so genannten Verlierer zählen sich<br />

im Abstand von zwei Jahren zu den Gewinnern und<br />

sind heute stolz über die gewonnene Selbstständigkeit.<br />

Hier hat sich die positive Entwicklung aufgrund<br />

des Ausscheidens aus dem betreuten Wohnen erst<br />

später eingestellt.<br />

Ist aber nicht gerade bei behinderten Menschen eine<br />

generelle Sorge vorhanden, ein angespartes Vermögen<br />

zu verlieren – weil dies eine Art Versicherung<br />

für mögliche Notzeiten darstellt? So lauteten auch<br />

genau die Aussagen von Befragten, bestätigte Peukert.<br />

Einige von ihnen äußerten in den Interviews,<br />

über ein kleines Vermögen zu verfügen, das sie sich<br />

eigentlich als Alterssicherung auf die Seite gelegt<br />

hätten, und deshalb wurde die Heranziehung zu<br />

den Kosten des betreuten Wohnens offensichtlich<br />

als eine relativ massive Bedrohung empfunden.<br />

Der LWV handelte, wie schon gesagt, nach Gesetzeslage,<br />

und eben diese ist in diesem Fall nicht stimmig:<br />

Peukert bezeichnete es als einen „sozialrechtlichen<br />

Fehler“, dass die Behindertenhilfe wie Sozialhilfe<br />

gehandhabt wird. Ein besonderes Problem besteht<br />

auch darin, dass die Grenzen der Freibeträge für die<br />

Leistungsempfänger im betreuten Wohnen dras-<br />

tisch niedriger sind als für Hartz IV-Empfänger. In der<br />

Bund-Länder-Kommission bemüht man sich, so der<br />

Wissenschaftler, gegenwärtig darum, eine einkommensunabhängige<br />

Leistungserbringung in der Behindertenhilfe<br />

zu schaffen.<br />

Eine der Folgerungen aus den Ergebnissen der Studie:<br />

Das betreute Wohnen muss von allen Beteiligten<br />

als zeitlich begrenzte Hilfe verstanden werden, deren<br />

Beendigung deutlich zu markieren ist. Gegebenenfalls<br />

noch erforderliche Hilfen sollten als unspezifische<br />

und leicht zugängliche Assistenz angeboten<br />

werden.<br />

Was aus der Studie nicht direkt hervorgeht: Nachdem<br />

die Zuzahlung eingeführt wurde, sind viele Betroffene<br />

– Peukert spricht von 20 Prozent –, die eigentlich sinnvollerweise<br />

das betreute Wohnen in Anspruch nehmen<br />

würden, nicht mehr bereit, das zu tun. Es besteht ein<br />

Bedarf, der unter den gegebenen Bedingungen nicht<br />

befriedigt wird.<br />

Text: Arndt Krödel<br />

Foto: privat<br />

Anzeige<br />

bericht


markt<br />

Neuer Hebelantrieb für Aktivrollstühle<br />

Grundsätzlich hat der<br />

Antrieb eines Rollstuhles<br />

über den Greifreifen<br />

seine Grenzen. Der Antriebsradius<br />

und damit<br />

der erreichbare Vortrieb<br />

ist abhängig von der<br />

Armlänge und den Möglichkeiten<br />

sich nach vorne<br />

zu beugen. NuDrive ist<br />

dagegen ein unkonventioneller<br />

Hebelantrieb für<br />

manuelle Rollstühle, der nach sechs Jahren intensiver Forschung und<br />

Entwicklung seit Januar auf dem deutschen Markt ist. Das System besteht<br />

aus je einem Radadapter und einer Antriebseinheit pro Rad. Die<br />

Montage ist sehr einfach. Der NuDrive wird an den vorhandenen Rollstuhl<br />

adaptiert. Er ist für alle gängigen 24“ Räder einsetzbar. Mittels<br />

der Schnapp-Verriegelung lässt sich der Rad-Adapter in Sekunden-<br />

Die Haut ist das größte Organ des Menschen. Entsprechend wichtig ist<br />

es, dass sie gesund ist. Doch das ist leichter gesagt als getan für Menschen,<br />

die sich regelmäßig Medikamente injizieren, um den Erkrankungsverlauf<br />

positiv zu beeinflussen – wie zum Beispiel Patienten, die<br />

an Multipler Sklerose erkrankt sind.<br />

Die chronische Erkrankung Multiple Sklerose verlangt nach einer dauerhaften<br />

Therapie. Üblicherweise werden hier die so genannten Basistherapeutika<br />

verschrieben: Interferon beta-Präparate oder Glatirameracetat.<br />

Diese Medikamente werden bei den meisten MS-Patienten für<br />

die Langzeittherapie gewählt, da ihre Wirksamkeit und Sicherheit belegt<br />

sind. Sie können die Häufigkeit von Krankheitsschüben reduzieren<br />

und so das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen. Sie werden<br />

entweder unter die Haut oder direkt in den Muskel gespritzt. Weiterhin<br />

variiert die Häufigkeit der Anwendung von 1 x wöchentlich bis hin zu<br />

7 x wöchentlich. Welches Medikament das richtige ist, entscheidet der<br />

Arzt gemeinsam mit dem Patienten.<br />

60<br />

PARAPLEGIKER 2/10<br />

schnelle befestigen, ohne dass dabei die Radbefestigung verändert<br />

werden muss.<br />

Mit dem NuDrive kann man auf einfache Art manövrieren und bremsen.<br />

Es ist ein interessantes System für Menschen, die nicht mehr die<br />

volle Kraft für einen Aktivrollstuhl haben, aber noch keinen Elektroantrieb<br />

nutzen wollen. Klinische Untersuchungen haben ergeben, daß<br />

der Hebelantrieb die Inanspruchnahme der Schultern steigert und<br />

somit Degenerationserscheinungen vorbeugt und die Verletzungsgefahr<br />

vermindert. Durch den Hebelantrieb wird eine Verbesserung<br />

der Körperhaltung und ein verstärktes Training der Schultern erreicht.<br />

Auch das Karpaltunnelsyndrom, eine Schädigung des Nervs in der<br />

Handwurzel, die gerade bei Nutzern von Aktivrollstühlen häufig auftritt,<br />

kann deutlich reduziert werden. Durch die Hebelwirkung wird<br />

eine Reduzierung des für den Antrieb erforderlichen Kraftaufwandes<br />

um bis zu 40 % erreicht. Er kann sowohl im Innenbereich als auch im<br />

Freien eingesetzt werden. Besonders bergauf ist der NuDrive eine<br />

große Hilfe für den Nutzer. Der Hersteller gibt drei Jahre Garantie.<br />

Vertrieb durch die TRV GmbH Karlsruhe.<br />

Gesunde Haut – wichtig bei MS<br />

„Wie komme ich in die Wanne? Und vor allem wieder heraus?“ Diese<br />

Fragen führen oft dazu, dass behinderte Menschen auf ein Wannenbad<br />

völlig verzichten müssen, oder aber auf Hilfspersonen angewiesen<br />

sind. Beim Heben und Senken innerhalb der Wanne hilft ein<br />

Badewannenlift. Ein Problem jedoch bleibt – wie überwinde ich den<br />

Wannenrand?<br />

Eine mögliche Nebenwirkung der regelmäßigen Injektion sind Hautreaktionen<br />

wie Rötungen, Schwellungen oder Entzündungen. Diese<br />

können unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Wenn Hautreaktionen<br />

auftreten, sollte der behandelnde Arzt hinzugezogen werden. Wichtig<br />

ist in jedem Fall eine konsequent durchgeführte Therapie. Was in<br />

der Theorie einfach klingt, fällt vielen Patienten in der Praxis schwer.<br />

Aus diesem Grund wurde das Patientenprogramm AVOSTART-1a<br />

entwickelt. Es bietet z.B. die persönliche Betreuung und Schulungen<br />

in der Selbstinjektion durch MS-Schwestern. Dazu eine Reihe von<br />

Informationsbroschüren und eine kostenfreie Servicenummer. Hier<br />

werden alle Fragen rund um die MS beantwortet. Ganz neu steht nun<br />

die Broschüre „Hau(p)tsache gesund – die Hautfibel für MS-Patienten“<br />

zur Verfügung, in der alle Fragen rund um das Thema Haut beantwortet<br />

werden. Weitere Infos unter www.ms-life.de oder kostenfrei unter<br />

0800 – 37 37 000.<br />

Schwenklift hilft beim Baden<br />

Durch den Schwenklift UNO von TRUSS Innova Trading kann hier<br />

häufig Abhilfe geschaffen werden. Er wird neben der Wanne montiert<br />

und fest in den Boden verankert. Bereits neben der Wanne wird<br />

auf den stabilen Sitz aus Alu-Guss umgesetzt. Hilfreich hierbei sind<br />

die hochklappbaren Armlehnen. Der Sitz lässt sich soweit absenken,<br />

dass ein bequemes Umsetzen ermöglicht wird. Nach dem Umsetzen


und Sichern wird der Sitz durch Betätigen eines Hebels am Schwenkarm mittels<br />

Wasserdruck so hoch gehoben, dass die Füße über den Wannenrand ragen. In<br />

die Wanne einschwenken kann man dann völlig selbstständig mittels eines ratschenähnlichen<br />

Antriebes am Bedienarm.<br />

Nach dem Einschwenken über die Badewanne<br />

wird der Sitz nach unten in die Wanne<br />

gesenkt. Bis etwa 2 cm über den Wannenboden<br />

senkt sich der Schwenklift ab.<br />

Nach dem Bad geht es dann in der gleichen<br />

Weise wieder hinaus. Bequem wird sich auf<br />

dem Sitz des Liftes abgetrocknet und dann<br />

trocken und sicher umgesetzt. Auch andere<br />

Personen können ohne Einbußen baden,<br />

der Sitz wird dann einfach außerhalb der<br />

Wanne abgesenkt und geparkt. Ein weiteres<br />

Modell der Schwenklift – Familie, der<br />

DUO, wurde übrigens für die Nutzung mit einer Hilfsperson konzipiert.<br />

Der Schwenklift wird bei der Firma TRUSS Innova Trading in Kassel als langlebiges<br />

Kleinserienprodukt aus Edelstahl und Aluminium hergestellt. Die Lifte werden<br />

mit dem Wasserdruck des Hauswasseranschlusses betrieben. Lediglich ein 6-<br />

Volt-Akku zur Steuerung des Liftes wird benötigt. Der Schwenklift trägt die CE-<br />

Kennzeichnung und ist TÜV-geprüft.<br />

Infos unter tel 05 61-807 55 55, www.schwenklift.net<br />

oder eMail: info@schwenklift.net.<br />

10. cSc capp<br />

Sport cup<br />

Den über 600 Teilnehmern des 10. cSc (capp Sport cup) „gemeinsam rollt’s“ werden<br />

exzellente Bedingungen rund um den Freizeitpark Langenfeld geboten. Ob<br />

mit oder ohne Handikap, aus der gesamten Bundesrepublik und dem angrenzenden<br />

Ausland, hier ist jeder/jede herzlich willkommen. Das Startgeld beträgt<br />

für Teilnehmer bis 17 Jahre 5 €, ab 18 Jahre 10 €, wenn die Anmeldung bis zum<br />

29. August 24 Uhr online erfolgt und der Betrag bis zum 30. August 12 Uhr auf<br />

dem Konto der Weik-Stiftung eingegangen ist. (Speedskater zahlen 14 €.) Wer sich<br />

erst am Starttag anmeldet, zahlt doppelt so viel. Im Startgeld sind übrigens Bons<br />

über 5 € für Essen und Trinken und ein Präsent (T-Shirt oder Badetuch) enthalten.<br />

Meldungen und weitere Informationen sind im Internet unter www.gemeinsamcsc.de<br />

möglich.<br />

Dort sind auch die Bankdaten aufgeführt. Bernhard Weik, Stifter der E & B Weik-<br />

Stiftung, Organisator und Veranstalter, gibt zu allen Fragen gerne Auskunft über<br />

tel 0 21 73-270 233<br />

oder eMail: b.weik@gemeinsam-csc.de.<br />

Wie jedes Jahr wird wieder ein umfangreiches Rahmenprogramm vorbereitet,<br />

und die internationale cSc-Schlemmermeile bietet viele Köstlichkeiten, um Hunger<br />

und Durst zu stillen.<br />

Anzeige<br />

Mode,<br />

die im Sitzen sitzt.<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Manfred Sauer GmbH<br />

Geschäftsbereich<br />

Rolli-Moden<br />

Neurott 20<br />

74931 Lobbach-Waldwimmersbach<br />

Tel: 06226 960 200<br />

Fax: 06226 960 050<br />

service@rollimoden.de


kleinanzeigen<br />

62<br />

Chrysler Grand Voyager<br />

116 kw, ca. 122 000 km, 11/96, 1. Hd, Scheckheft, PARAVAN Umbau,<br />

geeignet f. Tetraplegiker. Leder, Sitzheizungen, Klima, Standheizung,<br />

Servolenkung 8 n, el. Schiebetür u. Rampe, Handbedienung f. Gas u.<br />

Bremse, Rollstuhlhaltesystem f. Fahrer- u. Beifahrersitz, hintere Sitzbank<br />

flachstellbar, Fahrer- u. Beifahrersitz in Original. Mängel:<br />

Korrosion an Fahrzeugboden. Montage u. Einstellung v. Kopfstütze.<br />

Lackschäden. TÜV bis 11/09, auf Wunsch neu, VB 5 500 €. Vahid Abkar,<br />

tel 0 40- 768 19 59, Fax 71 00 49 94.<br />

Mercedes T-Modell<br />

220 CDI Avangarde , ca.70 000 km, Bj. Juli 2007 für 24 500 € zu<br />

verkaufen. Automatik mit Veigel-Handgerät, Blinkerumlegung rechts,<br />

Pedalabdeckung, Lederausstattung, Sitzheizung, E-Sitze mit Memory,<br />

Großes Navi, AHK, vorn neue Reifen, TÜV neu, Werksgarantie Juli 2011,<br />

Abgabe Mitte /Ende Juli <strong>2010</strong>.<br />

tel 0 59 31-1 46 02, eMail: walter-teckert@t-online.de.<br />

VW Polo<br />

Comfortline, 55 PS Benzin, Automatik, Bj 2003, TÜV 2012,<br />

ca. 18 500 km, unfallfrei, regelmäßig gewartet, summerblue, Zentralverr.<br />

m. Funkfernbedienung, Sitzheizungen, el. Fensterheber, el. Schiebedach,<br />

5 Türen, elektron. Handgasring, Handbetriebsbremse re.,<br />

EDAG Rollstuhleinzugssystem, 4 verbleibende Sitze, el. Recaro-Fahrersitz,<br />

Ganzjahresreifen, Radio, Originalteile f. Rückbau, VB 16 000 €,<br />

tel 0 93 31-2 77 33, eMail: b.geist@kabelmail.de.<br />

VW Passat Variant<br />

Tornadorot, Automatik, Handbedienung, Verladehilfe EDAG,<br />

fürSelbstfahrer, 90 PS, Bj 1996, 14 000 km, 1. Hd., VB 9 500 €,<br />

tel 0 77 71-38 55, Fax 8 73 99 76.<br />

Handgerät<br />

Guidosimplex Mod. Europa rechts, (wird an der Lenksäule befestigt,<br />

Montageadapter für alle gängigen Fahrzeuge bei jedem Guidosimplex<br />

Händler erhältlich) mitgelieferter Adapter Durchmesser 37 mm,<br />

für viele Alfa Romeo und Fiat passend, neu, war nie eingebaut.<br />

VB 850 €, tel 0 81 41-9 21 44, eMail: rthoetzinger@t-online.de.<br />

Rollstuhllift<br />

RICON S 1200, elektrohydraulischer Lineralift 350 kg, für Kleinbusse<br />

und Großraumtransporter, hinterer oder seitlicher Einbau, einfache<br />

Instandhaltung, E-Gew. 135 kg, Notbedienung, B 76 cm, H 76,2cm,<br />

T 106,7 cm. Abholung Stuttgart, Nähe A8-Messe oder Versand, z.B.<br />

illox ca. 80 €. eMail: dg6sb@gmx.de oder 07 11-7 15 64 42.<br />

Für AUDI A3<br />

Drehkopf steckbar plus Segmenthalterung, Handgerät Modell Heidelberg<br />

Typ UK, Rutschbrett mit fahrzeugspezifischer Anpassung,<br />

Grundbausatz elektr. 6 Wegesitzverstellung, Recaro Orthopäd-Sitz,<br />

zusätzliche Schalterleiste f. Sitz, Neupr. ca. 3680 € VHB,<br />

tel 0 68 98-4 91 41, eMail: m.doerr-vk@t-online.de.<br />

Urlaubshandbedienung<br />

Gas-Bremse, passend für alle Pkw, Einbau ohne Werkzeug in einer<br />

Minute, 220 €, tel 0 23 78-35 84.<br />

Caravan<br />

Spezialanfertig. f. Rollstuhlfahrer, unverrottbare GfK-Kabine, extrabreite<br />

Tür, Auffahrschienen, Einhand-Antischlingerkupplung, Autark-<br />

Paket, el. Hubstützen, el. Radantrieb, Behind. WW-Du/WC, Spezialbett,<br />

Vollholz-Möbel, 2,20 x 4,50 m, 1 500 kg, 29 000 €, tel 0 82 94-27 72.<br />

PARAPLEGIKER 2/10<br />

Rollstuhl-Hilfsantrieb<br />

„e-motion“ von Alber, Bj. 2006, Feinjustierung für Unterstützung, absolut<br />

ungebraucht, komplett, regelmäßige Batteriewartung, Abholung<br />

Raum Giessen, NP 5 300 €, VB 1 700 €, tel 06 41-97 22 900.<br />

Stehrollstuhl<br />

„LEVO“ (elektrische Stehfunktion), Bj. 93, azurblau, inkl. Pulteinrichtung,<br />

kplt. überholt (Batterie, Gelenke), SB 38, ST44, verstellbare Fußauflage,<br />

faltbar, Steckachse, VB 600 € (NP 8700 DM), nur Abholung, Raum<br />

Giessen, tel 06 41-97 22 900.<br />

Elektromobil<br />

Mini-Crosser 130 R 4, 15 km/h, Bj 1996, Neupr. 16 000 DM. Laufleistung<br />

ca. 1 500 km, seit 2001 wg. Krankheit nicht mehr benutzt, Batterien<br />

müssten erneuert werden, Preis VB, tel 0 26 05-12 93,<br />

oder eMail: alois.eberz@googlemail.com.<br />

Rollstuhlgerechte Wohnung<br />

3 1/2 Zi., amerik. Küche, Essbereich, großes Wohnzi., Kinderzi., Schlafzi.,<br />

Bad m. Badewanne, G-WC, 2 Abstellräume, großer Südbalkon m. Markise<br />

u. Loggia, insges. 106 m2. 1.Stock m. PKW- Stellplatz, Kellerraum,<br />

Sauna, Tischtennisraum. 2 Lifte, Rollstuhlhebebühne am Hauseingang.<br />

Zentrale Lage, direkte Anbindung (S-Bahn, Bus) nach MZ, F, DA, WI.<br />

Schöne Anlage m. Kinderspielplatz u. direkter Spaziermöglichkeit am<br />

Main. Geschäfte, Kindergarten, ein Biergarten sind in 5 Min. erreichbar.<br />

Kaufpreis: VB 148 000 €, tel 0 61 44-4 69 27 91<br />

oder petrasolmaz@aol.com.<br />

Barrierefreies Apartment<br />

1,5-Zimmer-Erdgeschoss-Apartment in Marina Wentdorf/Ostsee,<br />

Nähe Laboe, am Yachthafen, direkt am Meer (barrierefrei zu erreichen).<br />

33 m2, Erdgeschoss, Südseite, renoviert, inkl. neuer Möbel und Inventar<br />

(bei Bedarf). Dachterrasse m. Wahnsinns-Ausblick über Fahrstuhlerreichbar.<br />

Tolle Ausflugsmöglichkeiten, Kiel 18 km mit dem Schiff, langer<br />

befahrbarer Deich. Bilder & Infos unter: erich.weihrauch@t-online.de.<br />

Infos gesucht<br />

Für meinen nationalen Zugänglichkeitskatalog http://rokodat-katalog.<br />

de.ki suche ich ständig ausführliche Informationen über barrierefreie<br />

öffentlich zugängliche Einrichtungen. Der Katalog enthält ein komfortables<br />

Meldeformular. RoKoDat Zentrum für Behinderteninformation,<br />

Jürgen Wecke, eMail: rokodat@gmx.de, tel 07 21-4 99 99 01.<br />

Kanaren<br />

Rollstuhlgerechtes Privathaus auf der grünsten der kanarischen Inseln<br />

für 2 bis 6 Pers. zu vermieten, herrlicher Blick auf Meer und Berge, tolle<br />

Natur, schöner Garten, Wintergarten, Heizung, 2 Bäder, Auto mit Handgas<br />

ab Flughafen möglich. Hilfe beim Buchen der Flüge – kein Problem.<br />

Info: www.lapalmahaus.de oder tel 0 75 24-79 11<br />

Urlaub auf dem Bauernhof<br />

<strong>Paraplegiker</strong> vermietet drei gemütliche Ferienwohnungen zwischen<br />

Lüneburger Heide und Nordsee. Komfortabel u. rollstuhlerprobt.<br />

Pflegebett, Duschrolli u. Handbike vorhanden. 2 x 50 m2 ***<br />

33 bis 38 € f. 2 Pers. / Tag, 1 x 90 m2 **** 44 bis 49 € f. 2 Pers. / Tag.<br />

tel 0 42 87-9 50 33, www. Ferienhof-auf-der-Brake.de,<br />

eMail: Karin.Mueller.01@googlemail.com.<br />

Private Kleinanzeigen u. Stellenanzeigen für Behinderte sind kostenlos,<br />

bitte als eMail an Peter.Mand@t-online.de, nur wenn nicht<br />

anders möglich als (lesbares!) Fax an 0 21 51-62 17 004, Abdruck<br />

vorbehalten, ohne Gewähr. Beim Verkauf von Hilfsmitteln muss der<br />

Verkäufer auch der Eigentümer sein.


Behindertengerechtes Wohnen –<br />

Berechnungsmethoden für Schadensersatzforderungen (2)<br />

Kosten für Umbauten<br />

Während in vielen Fällen ein Umzug unumgänglich ist, sind manche frischverletzte Rollstuhlfahrer<br />

in der glücklichen Lage, dass ihre bisherige Wohnung (meist ein Haus auf dem<br />

Land) umbaubar ist. Hier stellt sich natürlich ebenso wie beim Umzug die Frage, welche<br />

Kosten auf die Behinderung zurückzuführen sind und welche Kosten einen effektiven<br />

Mehrwert darstellen.<br />

Stets behinderungsbedingt und daher regelmäßig<br />

übernommen werden die Kosten von Aufzügen.<br />

Insoweit sollte, falls möglich, der Aufzug immer an<br />

das Haus angebaut werden, Treppenlifte o.ä. sind<br />

anderen Familienmitgliedern oft im Weg und nehmen<br />

unnötig Platz weg, oft zerstören sie auch den<br />

Charme eines Hauses.<br />

Zusammen mit dem Anbau des Liftes sollte auch<br />

an einen generellen Anbau gedacht werden, da<br />

Rollstuhlfahrer normalerweise einen Therapieraum<br />

benötigen. Ein Therapieraum erklärt sich von selbst,<br />

irgendwo muss die Krankengymnastik und Physiotherapie<br />

auch stattfinden, irgendwo müssen Motomed,<br />

Stehtrainer und die verschiedenen Rollstühle<br />

auch gelagert werden.<br />

Für den Fall, dass Pflegepersonen im Haushalt untergebracht<br />

werden sollen, brauchen diese einen<br />

eigenen Rückzugsbereich mit Wasch- und Kochgelegenheit,<br />

dieser kann im Anbau untergebracht<br />

werden.<br />

Auch für ein eigenes Bad gibt es gute Argumente,<br />

die ein Gericht überzeugen: Bekanntermaßen verbringen<br />

viele Rollstuhlfahrer viel mehr Zeit im Bad<br />

als Fußgänger, allein schon wegen der verschiedenen<br />

zeitaufwändigen Methoden des Abführens.<br />

Nichts kann in einer Familie zu mehr Reibereien führen<br />

als ein andauernd belegtes Bad. Das Bad selbst<br />

ohne Duschwanne ist auch von Fußgängern nicht so<br />

gut benutzbar und benötigt nach Benutzung auch<br />

mehr Reinigungsaufwand als ein normales Bad.<br />

Natürlich sind auch die Außenanlagen rollstuhlgerecht<br />

umzubauen, auch der Garten soll wieder für<br />

den Betroffenen voll nutzbar sein, umso mehr als<br />

der Garten oft die einzige einfache Möglichkeit dar-<br />

stellt, schnell und unkompliziert ins Grüne zu kommen.<br />

Großes Augenmerk sollte auch darauf gelegt werden,<br />

dass ein überdachter Stellplatz, am besten eine<br />

Garage, zur Verfügung steht, die vom Haus aus direkt<br />

oder auf überdachten Wegen – wichtig v.a. bei<br />

Eis und Schnee – zu erreichen ist.<br />

Anzeige<br />

Der neue Rollstuhlantrieb ...<br />

Gartenstraße 10<br />

76133 Karlsruhe<br />

Tel. 0721 38 45 60<br />

Fax 0721 38 45 610<br />

E-Mail: info@t-rv.de<br />

www.t-rv.de<br />

Videos über Funktionalität,<br />

Montage und<br />

Erfahrungsberichte<br />

des «nudrive» im<br />

Internet:<br />

www.youtube.de<br />

Suchbegriff: nudrive<br />

recht recht<br />

• Reduzierung des für den Antrieb erforderlichen Kraftaufwandes<br />

um bis zu 40%<br />

• Schonung der Hände und der Handgelenke; bessere Hygiene<br />

• Verbesserung der Körperhaltung<br />

• Verstärktes Training der Schultern<br />

• Einfache Montage an nahezu alle Rollstühle mit 24“ Speichenrädern<br />

• Die leichte Antriebseinheit (1,5 kg) und die Radadapter<br />

(1,1 kg) sind einfach zu transportieren<br />

• Hervorragend für innerhalb des Hauses wie für draußen,<br />

für einfache wie für schwierige Wegbedingungen geeignet<br />

HMV Nr. 18.99.99.0603


echt recht<br />

Anzeige<br />

Diese Punkte werden alle regelmäßig unproblematisch<br />

von Haftpflichtversicherungen übernommen,<br />

sofern eine ordentliche Planung (inklusive<br />

Ausschreibung) stattfindet – hier sollte auf jeden<br />

Fall ein Architekturbüro für behindertengerechtes<br />

Bauen eingesetzt werden – und die Qualität der<br />

Umbaumaßnahmen sich am Lebensstandard des<br />

Betroffenen vor Unfall orientiert. D.h., dass nur wer<br />

vorher in einem Schloss gewohnt hat, einen fürstlichen<br />

Umbau bekommt, ein eher armer Geschädigter<br />

wird sich indes mit einem einfacheren funktionalen<br />

Umbau begnügen müssen.<br />

Anspruch auf Privatsphäre<br />

Problematisiert werden allerdings meistens die<br />

folgenden Punkte. Insbesondere bei schwerstbehinderten<br />

Tetraplegikern, die jedenfalls rund um<br />

die Uhr eine Pflegeperson im Haus haben, wird oft<br />

argumentiert, dass aufwändige Umweltsteuerungssysteme<br />

und eine behindertengerechte Küche nicht<br />

benötigt werden, da Dinge wie Kochen und Mobilität<br />

jedenfalls regelmäßig von Dritten übernommen<br />

werden. Hier ist darauf zu verweisen, dass auch<br />

noch ein Rest Privatsphäre vorhanden sein sollte<br />

und es insbesondere aus psychischen und rehabilitativen<br />

Gesichtspunkten heraus sinnvoll ist, wenn<br />

sich der Betroffene jedenfalls im Einzelfall selbst<br />

helfen kann.<br />

Oft wenden Versicherer auch ein, dass das Haus<br />

durch die Umbauten ja einen Mehrwert bekommen<br />

würde, der vom Betroffenen selbst zu tragen<br />

sei. Den Mehrwert bei behindertengerechten Umbauten<br />

kann ich nicht erkennen. Oft ist ein barrierefreies<br />

Haus mit Aufzug und entsprechendem Bad<br />

nicht marktüblich zu verkaufen, weil einfach keine<br />

Interessenten da sind.<br />

Auch das oft gebrachte Argument, dass teilweise<br />

Dinge einfach neu zu machen seien, wenn sich<br />

beim Teilentkernen herausstellt, dass irgendwo<br />

die Mauersubstanz oder der Dachstuhl nicht mehr<br />

gängigen Standards entspricht und so ein Renovierungsmehrwert<br />

entstünde, greift nicht, da es sich<br />

ja (wenn denn überhaupt) um eine aufgedrängte<br />

Bereicherung handelt, also eine Aufwendung ,die<br />

der Betroffene den normalen Verlauf der Dinge betrachtet<br />

überhaupt nicht getätigt hätte.<br />

Wartungskosten<br />

Nicht vergessen sollte man auch, dass die behindertengerechten<br />

Umbauten – hier vor allem der<br />

Aufzug – Strom verbrauchen und Wartungskosten<br />

verursachen und dass der Anbau auch zu heizen<br />

ist. All dies sind Positionen, die regelmäßig anfallen<br />

und vom Haftpflichtversicherer in Rentenform oder<br />

Kapitalabfindung zu ersetzen sind.<br />

Ebenso muss auch klar sein, dass Menschen, die im<br />

Kindesalter verunfallen, einen Anspruch auf einen<br />

weiteren Umbau bei Volljährigkeit haben, nämlich<br />

dann, wenn sie nach dem gewöhnlichen Verlauf der<br />

Dinge das elterliche Haus verlassen hätten.<br />

Anmerkung zum Autor: Der Rechtanwalt und Fachanwalt<br />

für Verkehrsrecht Oliver Negele, Mitarbeiter der<br />

AG-Recht der FGQ, bearbeitet derzeit ca. 30 Fälle aus<br />

dem Bereich Großpersonenschaden im Jahr.<br />

Kontakt:<br />

RA Oliver Negele<br />

Bgm.-Fischer-Str. 12<br />

86150 Augsburg<br />

tel 08 21-32 79 88 10<br />

eMail: kontakt@arge-recht.de


Arbeitsgemeinschaften (AG)<br />

Ambulante Dienste<br />

Milan Kadlec<br />

Bornberg 94<br />

42109 Wuppertal<br />

tel 02 02-45-02 71, Fax: -39 42<br />

eMail: info@isb-ggmbh.de<br />

Bauen & Umwelt<br />

Dipl. Ing. Dirk Michalski<br />

Im Hohnsiefen 1<br />

53819 Neunkirchen-Seelscheid<br />

tel 0 22 47-60 70<br />

eMail: DirkMichalski@t-online.de<br />

Internet: www.DirkMichalski.de<br />

Frank Opper, Architekt<br />

Auf der Wiese 20<br />

41564 Kaarst<br />

tel 0 21 31-51 17 09<br />

eMail: frank@opper-architekten.de<br />

FGQ-Rechtsbeistand im Sozialrecht<br />

Herbert Müller<br />

Freiherr-vom-Stein-Straße 47<br />

56566 Neuwied-Engers<br />

tel 0 26 22-88 96-32; Fax -36<br />

eMail: h.mueller@engers.de<br />

Öffentlichkeitsarbeit<br />

Peter Mand<br />

Felbelstraße 15<br />

47799 Krefeld<br />

tel 0 21 51-62 17 000<br />

eMail: peter.mand@t-online.de<br />

Recht / Schadensersatzrecht<br />

Gottfried Weller<br />

Oliver Negele<br />

Dr. Loeffelladstr. 127<br />

86609 Donauwörth<br />

tel 09 06-83 34; Fax: 99 99 715<br />

eMail: gottfriedweller@arcor.de<br />

Schmerz bei Querschnittlähmung<br />

Neue Ansprechpartner gesucht!<br />

Anfragen bitte an<br />

eMail: FGQ-Moelsheim@t-online.de<br />

Schule & Studium<br />

Karen Fischer<br />

Auf der Kuhweide 1<br />

44269 Dortmund<br />

tel 02 31-75 97 55<br />

Urlaub<br />

Johann Kreiter<br />

Laubeweg 1<br />

70565 Stuttgart<br />

tel 07 11 - 7 15 64 90<br />

eMail: jnkreiter@aol.com<br />

Ich spende meinen Jahres- Mitgliedsbeitrag in Höhe<br />

von Euro<br />

(mindestens 30 Euro)<br />

Querschnittgelähmte 15 Euro, je Familienmitglied 15 Euro<br />

Ich zahle per: Abbuchung Rechnung<br />

Buchen Sie von folgendem Konto ab:<br />

Bank<br />

Bankleitzahl Konto-Nr.<br />

Datum Unterschrift<br />

Ich kann diese Anmeldung innerhalb von 10 Tagen bei der Fördergemeinschaft der<br />

Querschnittgelähmten in Deutschland e.V., Silcherstraße 15, 67591 Mölsheim schriftlich<br />

widerrufen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.<br />

Datum Unterschrift<br />

PARAPLEGIKER – Zeitschrift für Menschen<br />

mit Körperbehinderung<br />

Das offizielle Nachrichtenmagazin der Fördergemeinschaft<br />

der Querschnittgelähmten erscheint jetzt im<br />

vereinseigenen HUMANIS Verlag. Menschen mit Körperbehinderung<br />

haben viele gemeinsame Interessen,<br />

deshalb sollte der Blick auch über den Zaun der eigenen<br />

Betroffenheit hinausgehen. Der „Para“ bietet einen<br />

Mix aus Information, Kultur, Politik und Unterhaltung.<br />

Ständige Themen<br />

Werden Sie Mitglied!<br />

Bitte ausschneiden und in einem ausreichend frankierten Umschlag senden an:<br />

Fördergemeinschaft der Querschnittgelähmten<br />

in Deutschland e.V.<br />

Silcherstraße 15<br />

67591 Mölsheim<br />

Hilfsmittel Rollstuhl & Co – Test the Best<br />

Pflege Organisation, Finanzierung und Hilfsmittel el<br />

Urlaub In Nah und Fern<br />

Auto Solange es rollt – Vom kleinen Flitzer<br />

bis zum großen Van<br />

Recht Tipps vom Anwalt<br />

Menschen<br />

Planen und<br />

Portraits, Sport und Spiel, Beruf<br />

Bauen Barrierefrei und alltagstauglich<br />

Zu unserem Programm gehören auch<br />

»B-kids« für behinderte junge Menschen<br />

»K« - Journal Mensch und Krebs<br />

»FGQ-Info« Informationsbroschüren der<br />

Fördergemeinschaft für Querschnittgelähmte<br />

in Deutschland.<br />

Bei Interesse fordern Sie bitte ein Probeheft an<br />

oder informieren sich telefonisch beim Verlag.<br />

Bestellcoupon rückseitig<br />

Rückseite beachten!<br />

Diesen Abschnitt bitte ausfüllen,<br />

ausschneiden, in einen ausreichend<br />

frankierten Umschlag<br />

geben und einsenden an:<br />

Humanis<br />

Verlag für Gesundheit GmbH<br />

Silcher Straße 15<br />

67591 Mölsheim<br />

oder faxen an:<br />

0 62 43 - 90 35 69<br />

Abotelefon:<br />

0 62 43 - 90 07 04


PARAPLEGIKER PARAPLEGIKER PARAPLEGIKER<br />

JA!<br />

Ich möchte »PARAPLEGIKER«, die Zeitschrift für Menschen mit<br />

Körperbehinderung abonnieren,<br />

4 Ausgaben jährlich für 15 € (Ausland 20 €) inkl. Porto & Versand.<br />

Vorname:<br />

Name:<br />

Straße / Hausnummer:<br />

PLZ / Ort:<br />

bargeldlos durch Bankeinzug<br />

Konto-Nr.:<br />

BLZ:<br />

94<br />

Ja!<br />

Name und Sitz der Bank:<br />

gegen Rechnung (bitte Rechnung abwarten)<br />

Unterschrift<br />

94<br />

Ich möchte Mitglied im Freundeskreis der<br />

Fördergemeinschaft der Querschnittgelähmten<br />

in Deutschland e.V. werden.<br />

Ich erhalte 1/4 jährlich eine Informationsschrift, die mich unter anderem auch über alle<br />

laufenden Aktivitäten der Fördergemeinschaft informiert. Falls ich durch einen Unfall<br />

eine Querschnittlähmung erleide, erhalte ich als Soforthilfe 50.000 € mit entsprechender<br />

Abstufung bei Teilinvalidität.<br />

Name, Vorname<br />

Geb.-Datum<br />

Straße<br />

PLZ / Wohnort<br />

Folgende Familienangehörige melde ich für 15 Euro an:<br />

Name, Vorname Straße / Wohnort<br />

Geb.-Datum<br />

Name, Vorname Straße / Wohnort<br />

Geb.-Datum<br />

Ich bin querschnittgelähmt ja nein<br />

Andere Behinderung:<br />

Werden Sie Mitglied!<br />

Spendenkonto 0 179 200, Deutsche Bank Ludwigshafen, BLZ 545 700 94<br />

Ihr Rücktrittsrecht: Diese Bestellung kann innerhalb von 8 Tagen (Poststempel) schriftlich widerufen<br />

werden. Diesen Hinweis habe ich zur Kenntnis genommen und bestätige dies durch meine<br />

2. Unterschrift.<br />

Unterschrift.<br />

Gewünschte Zahlungsweise (bitte ankreuzen)<br />

Beantworten Sie bitte noch diese zwei Fragen bevor Sie die Abo-Karte ausgefüllt<br />

an uns senden:<br />

Wo haben Sie den »<strong>Paraplegiker</strong>« kennengelernt?<br />

Welche Ausgabe des »<strong>Paraplegiker</strong>« liegt Ihnen vor?<br />

Rückseite beachten<br />

Rückseite beachten<br />

I M P R E S S U M<br />

PARAPLEGIKER – Zeitschrift für Menschen mit Körperbehinderung<br />

HUMANIS Verlag GmbH<br />

Silcherstraße 15 · D-67591 Mölsheim<br />

Telefon: 0 62 43-900 704<br />

Telefax: 0 62 43-903 569<br />

info@humanis-verlag.de<br />

www.humanis-verlag.de<br />

ISSN 0723-5070<br />

HERAUSGEBER<br />

Fördergemeinschaft<br />

der Querschnittgelähmten<br />

in Deutschland e.V.<br />

Eingetragen ins Vereinsregister Mannheim Nr. 11844<br />

GESCHÄFTSFÜHRER<br />

Roger Kniel<br />

MARKETINGLEITUNG<br />

Gisela Werner<br />

ANZEIGENBETREUUNG<br />

POINT63 Media- und Verlagsservice<br />

Andreas Stoßberg<br />

Telefon: 02 12-2 33 52 65<br />

Telefax: 02 12-2 33 52 66<br />

a.stossberg@arcor.de<br />

ABOBETREUUNG<br />

Probeheft<br />

Telefon: 0 62 43-900 704<br />

REDAKTIONSLEITUNG<br />

(v.i.S.d.P.) Peter Mand<br />

MITARBEIT AN DIESER AUSGABE<br />

Ralf Kirchhoff, Barbara Früchtel, Ulrike Talmann, Ruth Auschra,<br />

Hermann Sonderhüsken, Heike Stüvel, Herbert Müller, Dr. med.<br />

Volker Mall, Dr. med. J. Kutzenberger, Raimund Artinger, Reinhard<br />

Wylegalla, Arndt Krödel, RA Oliver Negele.<br />

LAYOUT<br />

Eickhoff – Grafik & Design - Speyer<br />

Telefon: 0 62 32-62 93 20<br />

DRUCK<br />

NINO Druck GmbH<br />

Im Altenschemel 21<br />

67435 Neustadt/Weinstraße<br />

ERSCHEINUNGSWEISE<br />

vierteljährlich<br />

ANZEIGENSCHLUSS<br />

3 Wochen vor Erscheinen. Anzeigen erscheinen unter Verantwortung<br />

der Auftraggeber.<br />

Es gelten die Mediadaten Nr.9 ab 1. Dezember 2008<br />

BEZUGSBEDINGUNGEN<br />

Inland 15 EURO jährlich, Ausland 20 EURO jährlich, Einzelheft:<br />

Deutschland 4 EURO (jeweils inkl. Versand und Mwst.); Ausland 4<br />

EURO (+Versandkosten). Das Abonnement wird im voraus in Rechnung<br />

gestellt, Bezugszeitraum ist das Kalenderjahr. Das Abonnement<br />

verlängert sich jeweils um ein Jahr, wenn es nicht mindestens 8<br />

Wochen vor Ablauf beim Verlag schriftlich gekündigt wurde.<br />

Der gesamte Inhalt der Zeitschrift ist urheberrechtlich geschützt, jede<br />

unzulässige Verwertung ohne Einwilligung des Verlages wird verfolgt.<br />

Die Autoren erklären sich mit der redaktionellen Bearbeitung ihrer<br />

Beiträge einverstanden. Haftung für zugesandte Texte oder Bilder<br />

wird ausgeschlossen.<br />

Namentlich gekennzeichnete Beiträge stimmen nicht zwangsläufig<br />

mit Meinung des Verlages und der Redaktion überein.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!