Paraplegiker 2/2010
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Akzeptiert werden<br />
Die Arbeit ist hart, manchmal hat Gülay danach<br />
das Gefühl, ausgesaugt worden zu sein. Dann<br />
möchte sie sich nur noch zurückziehen, nichts<br />
mehr erklären müssen. Da sie nicht immer nur<br />
„geben“ kann, sondern selbst Kraft tanken<br />
muss, ist es ihr wichtig, über ihre Gefühle sprechen<br />
zu können, über ihre Müdigkeit, ihre Ausgelaugtheit.<br />
„Ein Arbeitskollege zum Beispiel,<br />
ein Psychologe, akzeptiert mich voll und ganz,<br />
so wie ich bin – auch als Frau. Wir reden viel<br />
zusammen. Das ist wie eine kleine Supervision<br />
unter Kollegen. Er sagt mir oft, ich solle auf mich<br />
selbst aufpassen.“<br />
„Denn mit einer Behinderung ist es problematisch,<br />
als Frau akzeptiert zu werden“, betont<br />
Gülay. Besonders schmerzt es die sympathische,<br />
allein lebende Frau, dass sie von ihren<br />
Eltern nicht als Ganzes angenommen worden<br />
ist. Vor allem ihre Mutter habe sie zwar bei all ihren<br />
beruflichen Plänen und ihrem Streben nach<br />
Selbstständigkeit unterstützt. Aber den Wunsch<br />
ihrer Tochter, so zu leben wie jede andere Frau<br />
auch, kann sie nicht wirklich nachvollziehen.<br />
„Diese Ängste und Sorgen und das Handeln<br />
meiner Mutter haben mich jahrelang gehemmt<br />
und verbittert. Sie kann nicht verstehen, dass<br />
ich trotz dieser starken Behinderung ein glückliches<br />
und selbstbestimmtes Leben führen will.“<br />
Gülay gesteht, dass es sie enorm viel Kraft gekostet<br />
hat, um sich selbst zu akzeptieren. Inzwischen<br />
fühlt sie sich dennoch erleichtert. Nicht<br />
nur, weil im Oktober 2009 ihre befristete Stelle<br />
im Krankenhaus tatsächlich in eine unbefristete<br />
umgewandelt wurde. „Ich habe begriffen, dass<br />
die Behinderung zu mir gehört, ich kann sie<br />
nicht wegmachen.“<br />
Wichtig seien in diesem Prozess die vielen Gespräche<br />
mit einer Freundin gewesen, die viele<br />
ähnliche Probleme habe, obwohl sie nicht behindert<br />
ist. „Es hilft, die Dinge einmal aus der<br />
Vogelperspektive zu betrachten. Das Problem,<br />
nicht genügen zu können, haben viele Menschen,<br />
und zwar unabhängig von einer Behinderung.“<br />
Text & Foto:<br />
Ulrike Talmann<br />
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