Paraplegiker 2/2010
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war die angekündigte Heranziehung für die Kosten<br />
mit der Folge der Abmeldung gewissermaßen ein<br />
„Glücksfall“. Sie äußerten deutlich, dass es für sie<br />
an der Zeit gewesen sei, sich abzumelden, denn es<br />
ging ihnen nach der Abmeldung besser als vorher.<br />
So hatte ihnen der Brief des LWV sozusagen einen<br />
„Schubs“ gegeben, wie Studienleiter Reinhard Peukert<br />
es formulierte, der notwendig war, denn von<br />
sich aus hätten sie mit hoher Wahrscheinlichkeit keine<br />
Anstalten zum Beenden des betreuten Wohnens<br />
gemacht. Bisher hatten sie ja geglaubt, die Betreuung<br />
zu brauchen.<br />
Situation teilweise noch verschlechtert<br />
Auf der anderen Seite standen die „Verlierer“: Als solche<br />
sahen sich etwa ein Drittel der Befragten, für die<br />
sich die Abmeldung keineswegs positiv auswirkte,<br />
sondern ihre Situation noch verschlechterte. Es handelte<br />
sich dabei um diejenigen, die sich ausschließlich<br />
aus finanziellen Gründen abgemeldet haben.<br />
Hier war die Androhung, für die Kosten herangezogen<br />
zu werden, der ausschlaggebende Punkt, wie<br />
Peukert erläuterte. Zu den Abmeldern zählten im<br />
Übrigen auch Menschen, die gar nicht herangezogen<br />
worden wären. Ein weiteres interessantes Ergebnis:<br />
Sechs der so genannten Verlierer zählen sich<br />
im Abstand von zwei Jahren zu den Gewinnern und<br />
sind heute stolz über die gewonnene Selbstständigkeit.<br />
Hier hat sich die positive Entwicklung aufgrund<br />
des Ausscheidens aus dem betreuten Wohnen erst<br />
später eingestellt.<br />
Ist aber nicht gerade bei behinderten Menschen eine<br />
generelle Sorge vorhanden, ein angespartes Vermögen<br />
zu verlieren – weil dies eine Art Versicherung<br />
für mögliche Notzeiten darstellt? So lauteten auch<br />
genau die Aussagen von Befragten, bestätigte Peukert.<br />
Einige von ihnen äußerten in den Interviews,<br />
über ein kleines Vermögen zu verfügen, das sie sich<br />
eigentlich als Alterssicherung auf die Seite gelegt<br />
hätten, und deshalb wurde die Heranziehung zu<br />
den Kosten des betreuten Wohnens offensichtlich<br />
als eine relativ massive Bedrohung empfunden.<br />
Der LWV handelte, wie schon gesagt, nach Gesetzeslage,<br />
und eben diese ist in diesem Fall nicht stimmig:<br />
Peukert bezeichnete es als einen „sozialrechtlichen<br />
Fehler“, dass die Behindertenhilfe wie Sozialhilfe<br />
gehandhabt wird. Ein besonderes Problem besteht<br />
auch darin, dass die Grenzen der Freibeträge für die<br />
Leistungsempfänger im betreuten Wohnen dras-<br />
tisch niedriger sind als für Hartz IV-Empfänger. In der<br />
Bund-Länder-Kommission bemüht man sich, so der<br />
Wissenschaftler, gegenwärtig darum, eine einkommensunabhängige<br />
Leistungserbringung in der Behindertenhilfe<br />
zu schaffen.<br />
Eine der Folgerungen aus den Ergebnissen der Studie:<br />
Das betreute Wohnen muss von allen Beteiligten<br />
als zeitlich begrenzte Hilfe verstanden werden, deren<br />
Beendigung deutlich zu markieren ist. Gegebenenfalls<br />
noch erforderliche Hilfen sollten als unspezifische<br />
und leicht zugängliche Assistenz angeboten<br />
werden.<br />
Was aus der Studie nicht direkt hervorgeht: Nachdem<br />
die Zuzahlung eingeführt wurde, sind viele Betroffene<br />
– Peukert spricht von 20 Prozent –, die eigentlich sinnvollerweise<br />
das betreute Wohnen in Anspruch nehmen<br />
würden, nicht mehr bereit, das zu tun. Es besteht ein<br />
Bedarf, der unter den gegebenen Bedingungen nicht<br />
befriedigt wird.<br />
Text: Arndt Krödel<br />
Foto: privat<br />
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