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Paraplegiker 2/2010

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ericht<br />

„Bei dieser<br />

Verordnung handelt<br />

es sich um ein bindendes<br />

Gesetz, woran<br />

sich auch die Betreiber<br />

von Fußballstadien<br />

28<br />

halten müssen“<br />

PARAPLEGIKER 2/10<br />

stuhlfahrer beansprucht drei bis vier Plätze,<br />

die für 50 € verkauft werden könnten. Für die<br />

Vereine ein Verlustgeschäft.<br />

98 Fans im Rollstuhl können die Heimspiele<br />

der Königsblauen genießen. Davon besitzen<br />

sechzig Dauerkarten, zehn Tickets bekommen<br />

die Fans des Gästeteams. Sind also nur noch<br />

achtundzwanzig freie Karten übrig, die häufig<br />

unter der Hand verteilt werden, so dass der<br />

Rollstuhl fahrende Fan wenig Chancen hat.<br />

Diese Zahlen gelten nicht nur für die Schalker.<br />

In den Bundesliga-Arenen sind so<br />

ziemlich alle Plätze in den Hän-<br />

den der Dauerkartenbesitzer.<br />

Kein Wunder, dass dieses<br />

Thema die Rollstuhlfah-<br />

rer erhitzt. Schließlich<br />

sitzen in Deutschland<br />

800 000 Menschen im<br />

Rollstuhl und es werden,<br />

aufgrund der demografischenEntwicklung,<br />

immer mehr.<br />

Beim FC Schalke 04 bestreitet<br />

man, dass Geldgründe für<br />

das Kartendefizit vorliegen. „Wir<br />

versuchen es jedem recht zu machen“, so der<br />

Geschäftsführer Peter Peters. „Da aber in jeder<br />

Kartenkategorie eine Übernachfrage besteht,<br />

können wir es nicht jedem recht machen.“<br />

Damit machen es sich Klubs wie Schalke<br />

wohl zu leicht, berichtete das WDR-Magazin<br />

„sport inside“. In vielen Bundesländern gibt<br />

es die so genannte „Muster-Versammlungsstättenverordnung“.<br />

Auch in Nordrhein-Westfalen<br />

schreibt sie vor: Ein Prozent der Plätze<br />

in Versammlungsstätten müssen für Rollis<br />

zugänglich sein. Jan Hoffmann, Referent des<br />

Beauftragten der Bundesregierung für die Belange<br />

behinderter Menschen, kritisiert, dass<br />

die Klubs diese Quote allesamt ignorieren.<br />

„Bei dieser Verordnung handelt es sich um<br />

ein bindendes Gesetz, woran sich auch die<br />

Betreiber von Fußballstadien halten müssen“,<br />

so Hoffmann. Die Verstöße sind aus seiner<br />

Sicht erheblich. Wahrscheinlich hätten die<br />

Landesregierungen beide Augen zugedrückt.<br />

Hoffmann würde sich wünschen, dass die<br />

Rollstuhlfahrer eine Musterklage inszenieren,<br />

damit die Klubs reagieren. Aber dafür sind<br />

die behinderten Fans zu zurückhaltend, weil<br />

sie fürchten, dass dadurch schwer erkämpfte<br />

Errungenschaften wieder verloren gehen<br />

könnten. Sie tun sich verständlicherweise<br />

schwer, bei diesem Thema Druck auf die Vereine<br />

auszuüben.<br />

Viele Rollifahrer leiden doppelt: Früher – nicht<br />

behindert – waren sie noch gern gesehener<br />

Teil der Kurve, heute sind sie außen vor. Nur<br />

im Fernsehen können die meisten Spiele noch<br />

mit verfolgt werden. Wer eine Dauerkarte hat,<br />

kann sich glücklich schätzen. Doch die zu bekommen<br />

ist schwierig: Hunderte Rolli-Fahrer<br />

stehen auf den Wartelisten der Klubs. Einen<br />

freien Platz gibt es fast nur dann, wenn sein<br />

Vorbesitzer verstirbt. Mancher Rollstuhl fahrende<br />

Fan greift in seiner Verzweiflung zu einer<br />

List und gibt sich als Fan des Gegners aus,<br />

um so ein Ticket aus dem Auswärtskontingent<br />

zu ergattern. „Es ist getrickst“, sagt Helge<br />

Maurer. Helge ist Fan vom VFL Wolfsburg.<br />

„Ich habe aber keine andere Wahl, wenn ich<br />

irgendwo in Deutschland ein Fußballspiel besuchen<br />

möchte.“ Ihm als Rollstuhlfahrer ist es<br />

finanziell nicht möglich, sich teure Tickets im<br />

Internet zu ersteigern. Also blüht der illegale<br />

Schwarzmarkt, der aber zusammenbrechen<br />

würde, wenn es jeder so handhabt.<br />

Text: Heike Stüvel<br />

Foto: Ulli Freitag<br />

Infos:<br />

Internet-Portal f. behinderte Fans:<br />

www.behinderte-aufschalke.de<br />

BBAG - Bundesbehindertenfanarbeitsgemeinschaft<br />

www.bbag-online.de /<br />

www.behindertefans.de<br />

eMail: info@bbag-online.de<br />

Postanschrift:<br />

BBAG e.V.<br />

Jochen Dohm<br />

Freiligrathstr. 23<br />

45881 Gelsenkirchen

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