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Paraplegiker 2/2010

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q – querschnitt spezial<br />

38<br />

PARAPLEGIKER 2/10<br />

...Blutdruckspitzen<br />

bis zu<br />

200/120 mmHg<br />

und mehr, die<br />

bei hoher Querschnittlähmung<br />

oft auftreten.<br />

Dieses Risiko<br />

wurde durch die<br />

OP beseitigt.<br />

„Querschnitt-Tuning“ aus Patientensicht (1):<br />

Der Brindley<br />

Aufklärung gehört heute standardmäßig zum Schulunterricht.<br />

Früher war das anders. Da erfolgte die auf der Straße, in der Schule,<br />

unter Freunden usw. Man kannte einen, der kannte einen, der wusste:<br />

Das kann so oder so sein oder auch anders… Aber genau das<br />

verunsichert bis heute viel zu oft auch Menschen, die das Leben mit<br />

einer Querschnittlähmung für sich zu organisieren haben. Halbwahrheiten,<br />

undefinierbare Ängste, Spekulationen und Fantasien blockieren<br />

deshalb manchmal Chancen, die der Fortschritt der Medizin<br />

ihnen heute ermöglicht.<br />

Beispiel Brindley: Vor sieben Jahren habe ich zu<br />

diesem Thema mit Unterstützung der Fachmediziner<br />

in den deutschen Querschnittzentren eine<br />

ausführliche Befragung von operierten Personen<br />

durchgeführt. Bis dahin waren in Deutschland<br />

ca. 700 Brindley-Operationen erfolgt. 101 Personen<br />

haben den ausgefüllten Bogen zurückgeschickt,<br />

also jeder siebte. Damit<br />

ist diese Befragung viel reprä-<br />

sentativer als jeder “Deutschlandtrend“<br />

im Fernsehen. 93<br />

von ihnen fanden ihre Entscheidung<br />

für die OP richtig. Sie<br />

würden sich auch erneut dafür<br />

entscheiden. In zwei weiteren,<br />

mir bekannten Fällen wurde<br />

die Erwartung – Entleerung der<br />

Blase mit Brindley – zwar nicht<br />

erfüllt, aber bei beiden war das<br />

nicht der eigentliche OP-Grund,<br />

sondern die Vermeidung von<br />

lebensgefährlichen Blutdruckspitzen<br />

bis zu 200/120 mmHg<br />

und mehr, die bei hoher Querschnittlähmung<br />

oft auftreten.<br />

Dieses Risiko wurde durch die<br />

OP beseitigt. Allerdings müssen beide jetzt trotz<br />

OP – also wie vorher – weiter katheterisieren.<br />

Das aber, weil sich der Blasenschließmuskel auch<br />

durch den Stimulator nicht davon überzeugen<br />

ließ, seine Aufgabe zu erfüllen, ohne die vorher<br />

benötigten zusätzlichen Medikamente mit allen<br />

Nebenwirkungen, die oft beim ISK (Intermittierender<br />

Selbstkatheterismus) erforderlich sind.<br />

Dem gegenüber stehen die vielen anderen Fälle,<br />

nämlich die Tetraplegiker, die nicht mehr fünf- bis<br />

sechsmal täglich mit Fremdhilfe katheterisiert<br />

werden müssen, sondern nur noch morgens Hilfe<br />

beim Kleben eines Kondoms benötigen (vielleicht<br />

noch nicht einmal das), weil sie ohne fremde Hilfe<br />

tagsüber mittels Brindley ihre Blase in einen Beinbeutel<br />

entleeren können.<br />

Da gibt es auch die Frauen die nicht mehr in permanent<br />

feuchten Windeln herumfahren müssen,<br />

weil die Nebenwirkungen der Medikamente zu<br />

stark wären und weil sie “bauartbedingt“ auch<br />

kein Kondom tragen können. Und da gibt es diejenigen,<br />

die viel auf Reisen sind und nicht für eine<br />

Woche Urlaub einen ganzen Karton Katheter mit<br />

einpacken wollen und, und, und... Weitere Gründe<br />

kann sich jeder selbst ausdenken.<br />

Ein ganz besonders wichtiger Aspekt darf nicht<br />

vergessen werden: Viele Menschen mit einer<br />

Querschnittlähmung quälen sich regelmäßig<br />

mit Harnwegsinfekten, die auf Dauer auch Blase<br />

und Nieren schädigen. Bei der Leerung der Blase<br />

durch den Brindley (vier- bis fünfmal täglich, bei<br />

Bedarf eventuell auch häufiger) infizieren sie sich<br />

nur noch sehr selten – meist ein oder zweimal im<br />

Jahr. Weil sie keine spastische Blase mehr haben<br />

geht es ihnen wie allen Menschen, auch ohne<br />

Handikap, die, oft ohne dass sie es bemerken,<br />

von Zeit zu Zeit einen Harnwegsinfekt haben,<br />

der ohne Antibiotika nach wenigen Tagen wieder<br />

von selbst verschwindet.

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