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Paraplegiker 2/2010

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6<br />

Christian Holz:<br />

Überflüssig<br />

Das Anliegen des Autors der Satire<br />

im Heft 1/<strong>2010</strong> ist m. E. das Luxusproblem<br />

eines Sensibelchens.<br />

Wer mit dieser Absurdität den Bundestag<br />

beschäftigen will, also nach<br />

Gesetzen kräht, leidet einfach an<br />

einer Sonderform des Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms,<br />

hat vulgo Langeweile<br />

und keine Ansprache.<br />

Dass viele Äußerungen der Kommunikation eine (Sexual-)<br />

Zweitbedeutung haben, ist ja nun nichts Neues und trifft<br />

nicht nur (und schon gar nicht zu deren Diskriminierung<br />

und Sexualausbeutung (Stichwort: Williges Spiegelbild) ) die<br />

Spastis, sondern auch die Nichtis. Seit geraumer Zeit können<br />

ja auch die Nichtis nicht mehr fragen: „Wann kommen Sie<br />

denn endlich?“, ohne ein Kichern zu erzeugen und auf die Frage,<br />

wie viele Eier sie habe, müsste jede junge Frau antworten:<br />

„Schätzungsweise 500.“<br />

Da nun aber allen klar ist, dass sich die Eierfrage an der Kasse<br />

nicht auf die Fortpflanzung der Menschen, sondern auf das<br />

per Selbstbedienung bemessene Lebensmittelquantum bezieht,<br />

lässt man halt vernünftigerweise die Sexualbedeutung<br />

beiseite, damit man die Kassiererin nicht nervt und auch keinen<br />

Stau erzeugt. Die Kassiererin stellt diese zur Beschleunigung<br />

des Ablaufs verkürzte Frage schließlich x Mal täglich.<br />

Fordern wir jetzt von den Nichtis auch noch zu prüfen, dass<br />

ihre für einen Spasti bestimmte Aussage nur ja keine (Sexual-)<br />

Zweitbedeutung enthält, können wir auch gleich wieder<br />

von vorn anfangen den Nichtis die Sorge, uns mit Fragen wie<br />

„Gehen Sie heim?“ doch sicher zu misshandeln, zu nehmen.<br />

Ich rate daher dem Autoren dieser überflüssigen Lautäußerung,<br />

sich nach tagfüllender Tätigkeit umzuschauen, dadurch<br />

konzentriert man sich nämlich sehr schnell wieder aufs Wesentliche.<br />

(Anm.d.Red.: Eigentlich darf die Satire nach Tucholsky alles.<br />

Ob sie Wesentliches behandelt ist im Einzelfall Geschmackssache.<br />

Fest steht allerdings, dass sie es nicht ernst meint. Das<br />

liegt in ihrer Natur…)<br />

PARAPLEGIKER 2/10<br />

Ulrike und Heinz Reichardt:<br />

Hauptstädtische<br />

Erfahrungen<br />

Seit der Wende bestaunen wir vor dem<br />

Fernsehgerät das Werden und Wachsen<br />

unserer Hauptstadt Berlin. Es entstand<br />

ein Wissens- und Erlebnisdefizit. Das<br />

bezahlbare, rollstuhlgerechte Hotel mit<br />

hilfsbereitem, kompetentem Personal<br />

(„Mit Mensch“) fand sich in Karlshorst.<br />

Die heutigen Navis sind schon Zauberdinger. Ziel einprogrammieren<br />

und ab geht es. Überhaupt nix geht mehr, wenn der<br />

Fall eintreten sollte, dass am Stadtrand von Berlin das Navigationssystem<br />

plötzlich die Kommunikation verweigert und auf<br />

Bildschirmfarbe Schwarz schaltet. Die Frau am Steuer schaltet<br />

ebenso schnell von ruhiger Gelassenheit auf Sturm um. Jeder<br />

erfahrene Ehemann weiß, dass man sich in solchen Situationen<br />

dem Zentrum des Taifuns am besten nicht nähert.<br />

Schuld waren ganz sicher die Russen, Türken oder Chinesen,<br />

die so ein Pfuschgerät von ausgebeuteten indischen Kindern<br />

in der Tschechei zusammenkleben lassen. „Hosianna“ kann<br />

derjenige ausrufen, der noch einen alten Autoatlas im Wagen<br />

mitführt. Wie so oft im Leben ist eine Standortbestimmung<br />

hilfreich. „Wo sin mer denn? Straßennamen? Das gerade<br />

überquerte Gewässer kann nur die Spree gewesen sein!<br />

Frisch auf! Wo wir sind, sind wir richtig! Nach einer Wende,<br />

einem Rösselsprung mit anschließender Rochade und schon<br />

standen wir vor unserem Hotel. Die Parkplatzsuche erwähne<br />

ich nicht einmal am Rande.<br />

Zum Abendessen hatte der Herbergsvater einen Griechen<br />

empfohlen. Auf dem Rückweg sollten wir nicht versäumen,<br />

beim Italiener einen Absacker einzunehmen. Der gute Mann<br />

hatte recht. Berlin kann so schön sein.<br />

Zum Kennenlernen buchten wir für den nächsten Tag eine<br />

dreistündige Fahrt kreuz und quer durch die Metropole. Die<br />

Veranstaltung war sehr individuell. Wir waren zu dritt. Meine<br />

Gute, ich und der Reiseführerfahrer. Seit der Wende ist kolossal<br />

viel aufgebaut worden. Außer dem Reichstag liegen fast<br />

alle Großartigkeiten im Osten. Von 1977-1979 hatte ich dort<br />

in der Nähe zu tun, somit war ein Vergleich möglich. Ihr könnt<br />

hoffentlich nachvollziehen, dass meine Chauffeurin bei den<br />

Berliner Verkehrs- und Parkbedingungen keine große Lust<br />

verspürte, eine Safari um und durch die hauptstädtischen<br />

Straßenbaustellen zu veranstalten.

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