IMAG - Bericht der Arbeitsgruppe Prozessbegleitung 2007 - BMWA
IMAG - Bericht der Arbeitsgruppe Prozessbegleitung 2007 - BMWA
IMAG - Bericht der Arbeitsgruppe Prozessbegleitung 2007 - BMWA
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<strong>Bericht</strong><br />
<strong>der</strong> Interministeriellen <strong>Arbeitsgruppe</strong><br />
<strong>Prozessbegleitung</strong><br />
Mai 2001 – Mai <strong>2007</strong>
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
INHALT<br />
Seite<br />
1. Bundesweite Implementierung von psychosozialer und<br />
juristischer <strong>Prozessbegleitung</strong>.................................................................... .....4<br />
1.1. Entwicklung und Umsetzung…………………………..............................4<br />
2. Interministerielle Arbeitgruppe "<strong>Prozessbegleitung</strong>" – Ergebnisse<br />
und offene Diskussionspunkte.........................................................................6<br />
2.1. <strong>Prozessbegleitung</strong> in Österreich – geschichtlicher Abriss und Status<br />
Quo........................................................................................................7<br />
2.2. Strukturelle Kompetenzaufteilung (BMSG/BMGFJ, BMGF, BMJ, BMI<br />
und Län<strong>der</strong>) von Opferhilfe und <strong>Prozessbegleitung</strong>.............................10<br />
2.3. Inhaltliche Kompetenzaufteilung und aktuelle Entwicklungen<br />
in <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong>......................................................................14<br />
2.3.1. <strong>Prozessbegleitung</strong> für Kin<strong>der</strong> und Jugendliche…………………14<br />
2.3.2. <strong>Prozessbegleitung</strong> von Frauen als Betroffene von<br />
Männergewalt……………………………………………………….19<br />
2.3.3. <strong>Prozessbegleitung</strong> für Opfer von situativer Gewalt<br />
und Gewalt im öffentlichen Raum..............................................20<br />
2.4. Kostentragung <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong>.................................................22<br />
2.5. Überlegungen zu einer Organisationsstruktur von<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong>………………………………………………………….24<br />
2.6. Fortbildung………………………………………………………………..…25<br />
3. Gesamter Interventionsverlauf im Falle von sexueller Gewalt an<br />
Kin<strong>der</strong>n/Jugendlichen.....................................................................................27<br />
4. Strukturen <strong>der</strong> Opferhilfe in Österreich...........................................................28<br />
4.1. Einbindung von <strong>Prozessbegleitung</strong> in die Strukturen <strong>der</strong><br />
Opferhilfe..............................................................................................29<br />
5. Standards für psychosoziale <strong>Prozessbegleitung</strong> von Mädchen,<br />
Buben und Jugendlichen als Opfer sexueller und physischer<br />
Gewalt.............................................................................................................30<br />
5.1. Qualifikation und Anfor<strong>der</strong>ungsprofil von psychosozialen<br />
ProzessbegleiterInnen in <strong>der</strong> Arbeit mit Mädchen und Jugendlichen<br />
als Opfer sexueller und psychischer Gewalt........................................33<br />
2
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
5.2. Qualifikation für juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> in <strong>der</strong><br />
Arbeit mit Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen..……………………………………35<br />
5.3. Empfehlungen für <strong>Prozessbegleitung</strong> von Mädchen, Buben und<br />
Jugendlichen als Opfer sexueller und psychischer Gewalt..................36<br />
6. Standards für psychosoziale <strong>Prozessbegleitung</strong> von Frauen als<br />
Betroffene von Männergewalt……..................................................................39<br />
6.1. Qualifikation und Anfor<strong>der</strong>ungsprofil von psychosozialen<br />
ProzessbegleiterInnen für Frauen als Opfer von<br />
Männergewalt.......................................................................................41<br />
6.2. Qualifikation für juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> in <strong>der</strong><br />
Arbeit mit Frauen……………………..…………………………………….43<br />
6.3. Empfehlungen für <strong>Prozessbegleitung</strong> von Frauen als Betroffene von<br />
Männergewalt.......................................................................................44<br />
7. Entwurf <strong>der</strong> Standards zur <strong>Prozessbegleitung</strong> für Opfer von<br />
situativer Gewalt und Gewalt im öffentlichen Raum………………………...…47<br />
7.1. Qualitätskriterien, Qualifikation und Anfor<strong>der</strong>ungsprofil von<br />
psychosozialen ProzessbegleiterInnen für Opfer von situativer<br />
Gewalt und Gewalt im öffentlichen Raum…………………………….….48<br />
7.1.1. Qualitätskriterien für psychosoziale<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong>………...48<br />
7.1.2. Qualifikation und Anfor<strong>der</strong>ungsprofil von psychosozialen<br />
ProzessbegleiterInnen……………………………………………...50<br />
7.2. Empfehlungen zur Weiterentwicklung <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> für<br />
Opfer von situativer Gewalt und Gewalt im öffentlichen Raum……..…51<br />
3
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
1. Bundesweite Implementierung von psychosozialer und<br />
juristischer <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
1.1. Entwicklung und Umsetzung:<br />
• Übergangsmodelle <strong>der</strong> Bundeslän<strong>der</strong><br />
• Modellprojekt <strong>Prozessbegleitung</strong> bei sexuellem Missbrauch an Mädchen, Buben<br />
und Jugendlichen<br />
Finanzierung durch das BM für Frauenangelegenheiten und BMUJF (1998-<br />
2000), Veröffentlichung <strong>der</strong> Ergebnisse durch BMSG 2000<br />
• För<strong>der</strong>ung von <strong>Prozessbegleitung</strong> auf Fallebene<br />
För<strong>der</strong>ung durch das BMJ (Beginn Ende 2000)<br />
• Fortbildung von psychosozialen (und juristischen) ProzessbegleiterInnen zur<br />
Arbeit mit Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen in ganz Österreich<br />
Auftrag des BMSG - Sektion Frauen und Sektion Familie (September 2000 bis<br />
September 2001)<br />
• Aufbau regionaler Kooperationsstrukturen ("Regionale Kooperationsforen",<br />
regionale „Runde Tische“) für <strong>Prozessbegleitung</strong> von Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen<br />
Auftrag des BMSG - Sektion Frauen und Sektion Familie (September 2000 bis<br />
September 2001)<br />
• Wissenschaftliche Begleitforschung zum Kooperationsaufbau und Entwicklung<br />
von Dokumentationsbögen/Schwerpunktmäßig im Bereich Kin<strong>der</strong> und<br />
Jugendliche<br />
Finanzierung durch BMI (2001)<br />
• Interministerielle <strong>Arbeitsgruppe</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> (siehe unten)<br />
BMSG (Konstituierung <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> im Mai 2001)<br />
• Veröffentlichung <strong>der</strong> Ergebnisse des Kooperationsaufbaus, <strong>der</strong> Dokumentationsbögen<br />
und <strong>der</strong> in <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> erarbeiteten Standards<br />
BMSG und BMI (September 2002)<br />
• Interdisziplinäre Seminare in ganz Österreich zu <strong>Prozessbegleitung</strong> von Kin<strong>der</strong>n<br />
und Jugendlichen<br />
För<strong>der</strong>ung durch das BMSG (1. November 2001 bis 31. Oktober 2002)<br />
• Projekt <strong>Prozessbegleitung</strong> von Frauen - Vernetzung, Erhebung des Status Quo,<br />
Adaption des Dokumentationsbogens<br />
För<strong>der</strong>ung durch das BMSG (Jänner 2003 bis Jänner 2004)<br />
• Projekt <strong>Prozessbegleitung</strong> von Buben und Burschen - Erarbeitung von<br />
Grundlagen<br />
För<strong>der</strong>ung durch das BMSG (Dezember 2002 bis August 2004)<br />
• Überarbeitung und Neuauflage des Arbeitsbuches "Milli ist beim Gericht"<br />
4
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
För<strong>der</strong>ung durch das BMI, BMJ und BMSG (Neuauflage im April 2003)<br />
• Supervisionsseminare zu <strong>Prozessbegleitung</strong> von Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen in<br />
ganz Österreich<br />
För<strong>der</strong>ung durch das BMSG (Jänner 2003 bis Juni 2004)<br />
• Gestaltung und Druck einheitlicher Plakate und Fol<strong>der</strong> mit differenzierten<br />
Einlageblättern für die Bundeslän<strong>der</strong><br />
För<strong>der</strong>ung durch das BMSG (April 2003 bis April 2004)<br />
• 2 Grundseminare und 7 Supervisionsseminare zu <strong>Prozessbegleitung</strong> von<br />
Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen<br />
För<strong>der</strong>ung durch das BMSG (August 2004 bis Jänner 2006)<br />
• Rechtliche Verankerung <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong>:<br />
Strafprozessreformgesetz, BGBl. I Nr. 19/2004 (Beschlussfassung Februar<br />
2004); gesetzliche Implementierung <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> sowie<br />
umfassen<strong>der</strong> Opferrechte<br />
Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975, das<br />
Staatsanwaltschaftsgesetz und das Tilgungsgesetz geän<strong>der</strong>t werden (BGBl. I<br />
Nr. 119/2005); Inkrafttreten wesentlicher Opferrechte, insbeson<strong>der</strong>e auch <strong>der</strong><br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> ab 1.1.2006<br />
• Veröffentlichung eines Ladungsformulars für Zeuginnen und Zeugen zur<br />
kontradiktorischen Einvernahme bei Gericht mit einem verständlichen<br />
Informationsblatt über die Rechte <strong>der</strong> Zeuginnen und Zeugen sowie die<br />
Durchführung einer solchen Vernehmung (August 2004)<br />
• Informationsbroschüre über <strong>Prozessbegleitung</strong> vom Bundesministerium für<br />
Justiz und Bundeskriminalamt (Februar 2006)<br />
Auflage bei Gerichten, Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden,<br />
Veröffentlichung im Internet sowie im Intranet des Bundesministeriums für<br />
Justiz<br />
• Ersichtlichmachung <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> am Aktendeckel des Gerichtsaktes<br />
(Februar <strong>2007</strong>)<br />
5
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
2. Interministerielle Arbeitgruppe „<strong>Prozessbegleitung</strong>“ - Ergebnisse<br />
und offene Diskussionspunkte<br />
Die <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> konstituierte sich im Mai 2001. Zielsetzung war damals<br />
die Erarbeitung eines Konzepts für den strukturierten Aufbau von <strong>Prozessbegleitung</strong>.<br />
Das Konzept sollte enthalten:<br />
1. Erfassung bestehen<strong>der</strong> Ressourcen (Status Quo)<br />
2. Abstimmung <strong>der</strong> Kooperationsstrukturen auf regionaler Ebene und auf<br />
Bundesebene (Welche Strukturen sind notwendig? Welche Institutionen<br />
übernehmen welche Aufgaben?)<br />
3. Kosten und Vorschläge für Kostentragung<br />
4. Vorschläge für die Verschränkung <strong>Prozessbegleitung</strong>/Verfahrenshilfe<br />
5. Vorschläge für die gesetzliche Verankerung von <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
6. Qualitätssicherung (welche überprüfbaren Kriterien gibt es?)<br />
7. Vorschläge für Fortbildungsmaßnahmen<br />
In 20 Sitzungen <strong>der</strong> <strong>Arbeitsgruppe</strong> (von Mai 2001 bis März <strong>2007</strong>) und in 3 Sitzungen<br />
einer Unterarbeitsgruppe „Rechtliche Verankerung von <strong>Prozessbegleitung</strong>“ wurden<br />
folgende Themen erörtert:<br />
a. <strong>Prozessbegleitung</strong>s-Angebote <strong>der</strong> Opferhilfsvereine im Kin<strong>der</strong>- und<br />
Frauenbereich bis zur Einführung <strong>der</strong> durch das BMJ geför<strong>der</strong>ten<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong><br />
b. Inhaltliche Kompetenzaufteilung (BMSG/BMGFJ, BMGF, BMJ, BMI und Län<strong>der</strong>)<br />
von Opferhilfe und <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
c. Kostentragung <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> aus Sicht <strong>der</strong> Vereine und aus Sicht des<br />
BMJ<br />
d. Überlegungen zur gesetzlichen Verankerung von <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
(Unterarbeitsgruppe „Rechtliche Verankerung“)<br />
e. Überlegungen zu einer Organisationsstruktur von <strong>Prozessbegleitung</strong> auf Basis<br />
<strong>der</strong> schon bestehenden Strukturen <strong>der</strong> Opferhilfe in Österreich<br />
(Unterarbeitsgruppe „Rechtliche Verankerung)<br />
f. Standards für <strong>Prozessbegleitung</strong> von Kin<strong>der</strong>n und <strong>Prozessbegleitung</strong> von Frauen<br />
(Qualitätssicherung)<br />
g. Qualitätskriterien für Opfer von situativer Gewalt und Gewalt im öffentlichen<br />
Raum (befinden sich <strong>der</strong>zeit im Diskussions- und Abstimmungsprozess)<br />
Für die Punkte 1, 2 und 6 des Konzeptes liegen Ergebnisse vor. Bei Punkt 3 konnte<br />
ein Teilergebnis und ein Problemaufriss als Grundlage für die weitere Diskussion<br />
erarbeitet werden. Die Punkte 4 und 5 wurden in <strong>der</strong> o.g. Unterarbeitsgruppe<br />
diskutiert und sind mittlerweile z.T. durch das Strafprozessreformgesetz (BGBl. I Nr.<br />
14/2004, Inkrafttreten: 1.1.2008) und das Bundesgesetz, mit dem die<br />
Strafprozessordnung 1975, das Staatsanwaltschaftsgesetz und das Tilgungsgesetz<br />
geän<strong>der</strong>t werden (BGBl. I Nr. 119/2005; Inkrafttreten: 1.1.2006) umgesetzt. Lediglich<br />
andiskutiert wurde <strong>der</strong> Punkt 7 des Konzepts, die Diskussion wird fortgesetzt.<br />
6
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
2.1. <strong>Prozessbegleitung</strong> in Österreich − geschichtlicher Abriss und Status Quo<br />
Bis zum Modellprojekt "<strong>Prozessbegleitung</strong> bei sexuellem Missbrauch an Mädchen,<br />
Buben und Jugendlichen" (1998-2000) war <strong>Prozessbegleitung</strong> kein standardisiertes<br />
Angebot in Österreich, son<strong>der</strong>n wurde im Kin<strong>der</strong>bereich je nach Engagement und<br />
persönlichen Ressourcen einzelner MitarbeiterInnen aus Beratungsstellen und<br />
Institutionen individuell durchgeführt.<br />
In einigen Bundeslän<strong>der</strong>n - u.a. in <strong>der</strong> Steiermark, in Salzburg, in Oberösterreich, in<br />
Kärnten und in Wien - gab bzw. gibt es seit 1998 Kooperationsverträge zwischen<br />
den Rechtsanwaltskammern und den Ämtern für Jugend und. Im Rahmen dieser<br />
Verträge wurden bei Kindesmissbrauch AnwältInnen meist über Vermittlung <strong>der</strong><br />
Kin<strong>der</strong>- und Jugendanwaltschaften kostenlos zur Verfügung gestellt. Allerdings<br />
handelte es sich dabei nur um juristische und nicht um psychosoziale Begleitung.<br />
Für Frauenhäuser, Notrufe und später auch die Interventionsstellen stellte die<br />
gezielte Begleitung und Unterstützung von Frauen bei rechtlichen Schritten wie<br />
beispielsweise einer Strafanzeige seit Bestehen dieser Einrichtungen einen<br />
wichtigen Teil ihres Angebotes dar. Dabei handelte es sich in erster Linie um<br />
psychosoziale Unterstützung im Strafprozess, juristische Beratung je nach<br />
Ressourcen und fallweise Privatbeteiligtenvertretung. Auch die Kooperation mit<br />
Exekutive und Gerichten wurde seit den späten 80er Jahren zunehmend intensiviert.<br />
Es gab jedoch keine institutionsübergreifende klare Struktur in den Arbeitsabläufen,<br />
keine Fortbildungen für ProzessbegleiterInnen und RechtsanwältInnen, keine<br />
standardisierte Kooperation zwischen den einzelnen involvierten Stellen (Exekutive,<br />
Justiz, JWF, Beratungsstellen etc.) und keine geregelte Bezahlung.<br />
Mit dem Modellprojekt "<strong>Prozessbegleitung</strong>"(1998-2000) wurde erstmals systematisch<br />
untersucht, welche Kriterien bei <strong>der</strong> Durchführung von <strong>Prozessbegleitung</strong> für Kin<strong>der</strong><br />
und Jugendliche wichtig sind, um die Gefahr <strong>der</strong> sekundären Traumatisierung für die<br />
Opfer zu verringern, und welche Rahmenbedingungen die Fallarbeit braucht, um ein<br />
hochwertiges Angebot gewährleisten zu können.<br />
Im Jahr 2000 begann das BMJ mit <strong>der</strong> direkten fallbezogenen För<strong>der</strong>ung von<br />
psychosozialer und juristischer <strong>Prozessbegleitung</strong>. Das BMJ stützte sich dabei auf<br />
das bestehende Opferhilfesystem und ermöglichte auf diese Weise den Ausbau von<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> in Österreich. Seit dem letzten Quartal 2005 wird auch die von<br />
den Interventionsstellen durchgeführte <strong>Prozessbegleitung</strong> durch das BMJ geför<strong>der</strong>t.<br />
Das Projekt <strong>Prozessbegleitung</strong> setzt bei vorhandenen Strukturen an. Neben den vom<br />
BMJ für die Durchführung von <strong>Prozessbegleitung</strong> geför<strong>der</strong>ten<br />
Opferhilfeeinrichtungen bieten weitere Institutionen zum Teil aus Mitteln <strong>der</strong> Län<strong>der</strong><br />
finanzierte <strong>Prozessbegleitung</strong> an.<br />
Um die Qualität bundesweit zu gewährleisten und den Implementierungsprozess zu<br />
för<strong>der</strong>n, finanzierten bzw. finanzieren das BMSG - Sektionen Familie und Frauen<br />
(2000/01) und Sektion Familie (ab 2002) sowie das BMI (2001 – 2003) Maßnahmen<br />
zur Qualitätssicherung von <strong>Prozessbegleitung</strong>, schwerpunktmäßig von Kin<strong>der</strong>n und<br />
Jugendlichen.<br />
7
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
Seit dem Jahr 2003 för<strong>der</strong>t das BMSG und seit 1.03.<strong>2007</strong> das BMGFJ<br />
qualitätssichernde Maßnahmen mit Grundinformationsseminaren,<br />
Supervisionsseminaren, <strong>der</strong> Hompage-<strong>Prozessbegleitung</strong><br />
(www.prozessbegleitung.co.at), Fol<strong>der</strong>n und Plakaten.<br />
Probleme<br />
Bei den o.g. Übergangsmodellen mit den RA-Kammern haben die Kin<strong>der</strong>- und<br />
Jugendanwaltschaften eine wichtige Vermittlungsfunktion übernommen. Diese<br />
Struktur konnte bei <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung durch das BMJ nicht genutzt werden, da das BMJ<br />
als Bundesstelle die Vermittlungsfunktion <strong>der</strong> KiJA, die Landesstellen sind, nicht<br />
för<strong>der</strong>n darf.<br />
Lösungsansatz<br />
Die <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> begrüßt ausdrücklich die Einbindung von<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> in das bestehende Opferhilfesystem. Auf diese Weise<br />
kann auf dem in diesen Einrichtungen vorhandenes ExpertInnenwissen aufgebaut<br />
werden. Zudem trägt es zur Schonung <strong>der</strong> Opfer bei, wenn ihnen <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
in jenen Einrichtungen angeboten wird, die sie bereits im Vorfeld <strong>der</strong> Anzeige betreut<br />
haben.<br />
Liste <strong>der</strong> Anbieter seitens des BMJ:<br />
1. Arbeitsvereinigung <strong>der</strong> Sozialhilfe Kärntens (AVS), Klagenfurt<br />
2. Autonomes Frauenzentrum, Linz<br />
3. Beratungsstelle IMPULS, Sozialzentrum Vöcklabruck, Vöcklabruck<br />
4. Beratungsstelle TARA (Frauennotruf), Beratung, Therapie und Prävention bei<br />
sexueller Gewalt gegen Mädchen und Frauen, Graz<br />
5. Burgenländische Interventionsstelle gegen Gewalt in <strong>der</strong> Familie, Oberwart<br />
6. Die Möwe – Kin<strong>der</strong>schutzzentren gemeinnützige Gesellschaft m.b.H. mit den<br />
Kin<strong>der</strong>schutzzentren Wien, St. Pölten, Neunkirchen, Mistelbach und Mödling,<br />
7. EVITA - Frauen- und Mädchenberatungsstelle, Kufstein<br />
8. Frauen für Frauen, Hollabrunn<br />
9. Frauen gegen sexuelle Ausbeutung von Mädchen, Beratungsstelle für sexuell<br />
missbrauchte Mädchen und Frauen, Wien<br />
10. Frauen gegen Vergewaltigung, Innsbruck<br />
11. Frauenberatung Mostviertel, Amstetten<br />
12. Frauenhaus Hallein, Haus Mirjam, “Kolpingfamilie Hallein”, Hallein<br />
13. Frauenhaus Linz<br />
14. Frauenhäuser Steiermark – Verein zur Soforthilfe für bedrohte und<br />
misshandelte Frauen und <strong>der</strong>en Kin<strong>der</strong>, Graz<br />
15. Frauennotruf Salzburg<br />
16. Gewaltschutzzentrum Oberösterreich, Linz<br />
17. Gewaltschutzzentrum Steiermark, Graz<br />
18. Institut für Sozialdienste - IfS, Gemeinnützige GmbH, Röthis<br />
19. Interventionsstelle Salzburg<br />
20. Interventionsstelle Tirol – gegen Gewalt in Familien, Innsbruck<br />
21. Kärntner Interventionsstelle gegen familiäre Gewalt, Klagenfurt<br />
22. Kidsnest, Gesellschaft zum Schutz von Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen GmbH, St.<br />
Pölten<br />
8
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
23. Kin<strong>der</strong>schutzzentrum Burgenland, Eisenstadt, Rettet das Kind – Österreich,<br />
Wien<br />
24. Kin<strong>der</strong>schutzzentrum Innsbruck, Kin<strong>der</strong>schutz Tirol, Innsbruck,<br />
25. Kin<strong>der</strong>schutzzentrum Känguru, Bad Ischl, „Familienakademie <strong>der</strong> OÖ<br />
Kin<strong>der</strong>freunde/Landesorganisation“, Linz<br />
26. Kin<strong>der</strong>schutz-Zentrum Kärnten, Hilfe für Kin<strong>der</strong> und Eltern, Klagenfurt<br />
27. Kin<strong>der</strong>schutzzentrum Leibnitz, „Gesellschaft zur För<strong>der</strong>ung seelischer<br />
Gesundheit“, Leibnitz<br />
28. Kin<strong>der</strong>schutz-Zentrum Liezen, „Familien- und Lebensberatungszentrum<br />
Liezen“<br />
29. Kin<strong>der</strong>schutzzentrum Linz, Hilfe für Kin<strong>der</strong> und Eltern, Linz<br />
30. Kin<strong>der</strong>schutzzentrum Oberes Murtal, Österreichische Kin<strong>der</strong>freunde,<br />
Landesorganisation Steiermark, Graz<br />
31. Kin<strong>der</strong>schutz-Zentrum Salzburg, Hilfe für Kin<strong>der</strong>, Jugendliche und Eltern,<br />
Salzburg<br />
32. Kin<strong>der</strong>schutzzentrum TANDEM, Hilfszentrum für junge Menschen, Wels<br />
33. Kin<strong>der</strong>schutzzentrum WIGWAM, Steyr<br />
34. LEFÖ – Beratung, Bildung und Begleitung für Migrantinnen, Wien,<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> wird durchgeführt durch die Interventionsstelle für<br />
Betroffene des Frauenhandels, Wien<br />
35. Lichtblick – Lebens-, Berufs- und Sexualberatung NÖ-Süd,<br />
Chancenwerkstätte – Familienberatung – Kin<strong>der</strong>notruf, Wr. Neustadt<br />
36. Neustart – Bewährungshilfe, Konfliktregelung, Soziale Arbeit, Wien<br />
37. NÖ Interventionsstellen gegen Gewalt in <strong>der</strong> Familie, St. Pölten<br />
38. Notruf – Beratung für vergewaltigte Frauen und Mädchen, Wien<br />
39. PRO MENTE: Kin<strong>der</strong> Jugend Familie - Gesellschaft für psychische und<br />
soziale Gesundheit von Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen in <strong>der</strong>en sozialem Kontext,<br />
Klagenfurt<br />
40. Rettet das Kind Steiermark, Graz<br />
41. TAMAR, Beratungsstelle für misshandelte und sexuell missbrauchte Frauen<br />
und Mädchen, Wien<br />
42. WEISSER RING, Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung von<br />
Kriminalitätsopfern und zur Verhütung von Straftaten, Wien<br />
43. Wiener Frauenhäuser – Soziale Hilfen für von Gewalt betroffene Frauen und<br />
ihre Kin<strong>der</strong>, Wien<br />
44. Wiener Interventionsstelle gegen familiäre Gewalt, Wien<br />
Bundesweit gibt es zusätzliche Einrichtungen, die <strong>Prozessbegleitung</strong> anbieten und<br />
keinen Vertrag mit dem BMJ haben.<br />
9
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
2.2. Strukturelle Kompetenzaufteilung (BMSG/BMGFJ 1 , BMGF, BMJ, BMI und<br />
Län<strong>der</strong>) von Opferhilfe und <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> ist nur einer <strong>der</strong> Schritte im gesamten Verlauf von Interventionen<br />
bei <strong>der</strong> Offenlegung von (sexueller) Gewalt.<br />
• Beim Verdacht auf bzw. bei <strong>der</strong> Offenlegung von Gewalt brauchen die Opfer<br />
Unterstützung durch eine spezialisierte Beratungsstelle. Diese Opferhilfe (z.B.<br />
Abklärung des Sachverhalts aus Opfersicht, kurz- und mittelfristige<br />
Aufarbeitungsmöglichkeiten für Opfer...) erhält jedes Opfer, unabhängig davon,<br />
ob in <strong>der</strong> Folge eine Anzeige gemacht wird o<strong>der</strong> nicht.<br />
Im Bereich <strong>der</strong> Opferhilfe gibt es bundesweit überschaubare Strukturen zur<br />
Unterstützung von Kin<strong>der</strong>n/Jugendlichen als Opfer von Gewalt, für Frauen als<br />
Opfer von Männergewalt, für Männer als Opfer von Männergewalt bzw. familiärer<br />
Gewalt und für Opfer aus an<strong>der</strong>en Gewaltzusammenhängen. Die meisten<br />
Einrichtungen sind nicht nur Opferhilfeeinrichtungen, son<strong>der</strong>n bieten neben<br />
Unterstützung bei Gewalt auch Beratung zu an<strong>der</strong>en Themen o<strong>der</strong> ganzheitliche<br />
Betreuung an.<br />
Finanziert werden diese (Opferhilfe-) Angebote von den Län<strong>der</strong>n, vom Sozial-,<br />
vom Innen- und vom Frauenressort (im Rahmen <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung von<br />
Kin<strong>der</strong>schutzzentren, speziellen Beratungsstellen für Mädchen und junge Frauen,<br />
Familienberatungsstellen, Frauenhäusern, Frauenservicestellen, Frauennotrufen,<br />
Männerberatungsstellen und im Rahmen <strong>der</strong> Aufträge an Interventionsstellen)<br />
sowie über Spenden (z.B. Weisser Ring für die Unterstützung von sonstigen<br />
Opfern, siehe oben).<br />
Die juristische und psychosoziale <strong>Prozessbegleitung</strong> dient nicht zur Therapie,<br />
son<strong>der</strong>n soll das Opfer vielmehr im Geschehen rund um den Strafprozess<br />
stabilisieren (siehe Standards) und <strong>der</strong> Wahrung <strong>der</strong> prozessualen Rechte des<br />
Opfers dienen.<br />
Durchgeführt wird die juristische und psychosoziale <strong>Prozessbegleitung</strong> im Wege<br />
von bestehenden Opferhilfeeinrichtungen als Zusatzangebot zu den bereits<br />
vorhandenen Angeboten dieser Einrichtungen im Bereich <strong>der</strong> Opferhilfe (siehe<br />
oben) durch RechtsanwältInnen bzw. durch diplomierte SozialarbeiterInnen,<br />
durch Personen mit gleichwertiger Qualifikation o<strong>der</strong> durch<br />
PsychotherapeutInnen.<br />
Finanziert wird die juristische und psychosoziale <strong>Prozessbegleitung</strong> durch<br />
fallbezogene För<strong>der</strong>ungen des BMJ.<br />
• Mit Erlass vom 27. August 2004, BMJ-L611.452/0001-II 3/2004, hat das<br />
Bundesministerium für Justiz ein Formblatt für die ZeugInnenladung im<br />
Vorverfahren zu einer kontradiktorischen Vernehmung in möglichst<br />
verständlicher Sprache entworfen. ZeugInnen werden darin über die<br />
herkömmliche Rechtsbelehrung hinaus zusätzlich über das Institut <strong>der</strong><br />
<strong>Prozessbegleitung</strong>, die Hotline 0800-112 112 „Notruf für Opfer“ und spezialisierte<br />
1 Seit 1.03.<strong>2007</strong> Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend (BMGFJ)<br />
10
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
Einrichtungen für psychosoziale und juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> in den<br />
einzelnen Bundeslän<strong>der</strong>n informiert.<br />
• Das Bundesministerium für Justiz hat in Kooperation mit dem Bundesministerium<br />
für Inneres (Bundeskriminalamt) die Informationsbroschüre „Psychosoziale und<br />
juristische <strong>Prozessbegleitung</strong>“ herausgegeben. Darin wird über das Wesen und<br />
den Umfang <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> sowie den Kreis <strong>der</strong> anspruchsberechtigten<br />
Personen in leicht verständlicher Sprache sowie über die bundesweit tätigen<br />
Help- und Hotlines sowie Opferschutzeinrichtungen informiert, mit denen das<br />
Bundesministerium für Justiz Verträge über die Durchführung <strong>der</strong><br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> geschlossen hat. Diese Fol<strong>der</strong> werden verteilt und sind auf<br />
<strong>der</strong> Homepage www.bmj.gv.at abrufbar.<br />
Im Interesse einer qualitativ hochwertigen Durchführung von <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
haben das BMSG und das BMI im Jahr 2000/01 begonnen,<br />
Qualitätssicherungsmaßnahmen zu finanzieren.<br />
Eine Liste von Institutionen bzw. Personen, die an den vom BMSG finanzierten<br />
Fortbildungen zu <strong>Prozessbegleitung</strong> von Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen o<strong>der</strong> am<br />
Curriculum <strong>Prozessbegleitung</strong> in <strong>der</strong> Steiermark teilgenommen haben, liegt vor<br />
(vorwiegend Einrichtungen aus dem Kin<strong>der</strong>- und Jugendlichenbereich, aber auch<br />
vereinzelt Institutionen, die Frauen als Opfer von Männergewalt bzw. Männer als<br />
Opfer von Männergewalt/familiärer Gewalt und Opfer aus an<strong>der</strong>en<br />
Gewaltzusammenhängen betreuen). Kriterium für die Aufnahme in die Liste war<br />
neben <strong>der</strong> Teilnahme an Fortbildungen <strong>der</strong> Wunsch <strong>der</strong> jeweiligen Institution, in<br />
die Liste aufgenommen zu werden (die Adressen sind auf den vom<br />
BMSG/BMGFJ finanzierten Plakaten und Fol<strong>der</strong>n enthalten und über die vom<br />
BMSG/BMGFJ geför<strong>der</strong>te Homepage www.prozessbegleitung.co.at abrufbar).<br />
• Wenn eine psychische Aufarbeitung/Therapie nicht schon nach <strong>der</strong> Offenlegung<br />
begonnen wurde, dann ist für min<strong>der</strong>jährige Gewaltopfer nach <strong>der</strong><br />
kontradiktorischen Befragung ein nächster geeigneter Zeitpunkt (vorher steht für<br />
das Kind die eigene ZeugInnenschaft bzw. die eigene Aussage im Strafverfahren<br />
im Mittelpunkt). Sie erfolgt in einer Beratungsstelle o<strong>der</strong> durch eine/n<br />
freiberufliche/n Psychotherapeutin bzw. Psychotherapeuten.<br />
Kosten für die psychische Aufarbeitung in einer (Familien)Beratungsstelle werden<br />
je nach Ressourcen bis zu einem bestimmten Ausmaß im Rahmen <strong>der</strong><br />
(Familien)Beratungsstellenför<strong>der</strong>ung getragen (BMSG/BMGFJ, Län<strong>der</strong>). Die<br />
Kosten für Psychotherapie werden unter bestimmten Voraussetzungen (EWR-<br />
Staatsbürgerschaft etc.) im Rahmen des Verbrechensopfergesetzes VOG<br />
übernommen.<br />
• Mit Erlass vom 5.2.<strong>2007</strong>, BMJ–L578.023/0001-II 3/<strong>2007</strong> hat das<br />
Bundesministerium für Justiz zur leichteren Handhabbarkeit von Verständigungs-<br />
und Ladungspflichten im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Ausweitung <strong>der</strong> Rechtsstellung<br />
von Opfern, die Anspruch auf <strong>Prozessbegleitung</strong> haben, empfohlen, einen<br />
Vermerk am Aktendeckel über das Bestehen von <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
anzubringen (durch Stampiglie).<br />
Probleme<br />
11
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
Mit Beginn <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung durch das BMJ waren zwar bundesweite Strukturen für<br />
Opferhilfe vorhanden, nicht aber für <strong>Prozessbegleitung</strong>. Der Aufbau einer<br />
Organisationsstruktur musste also zugleich mit <strong>der</strong> praktischen Durchführung von<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> erfolgen, wobei die Bundeslän<strong>der</strong> unterschiedliche Wege gingen<br />
(siehe Endbericht Kooperationsaufbau, liegt als interner <strong>Bericht</strong> im BMGFJ auf).<br />
Die För<strong>der</strong>ung von <strong>Prozessbegleitung</strong> durch das BMJ ermöglicht erstmals,<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> bundesweit anzubieten. Problematisch ist allerdings, dass seitens<br />
des BMJ keine Ressourcen für die Entwicklung von Inhalten, für die<br />
Qualitätssicherung vorgesehen sind.<br />
Es gab bis September 2003 keine koordinierte Öffentlichkeitsarbeit für<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> von Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen (Näheres siehe Lösungsansätze).<br />
Im Frauenbereich trifft dies weiterhin zu.<br />
Im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Kostentragung für die psychische Aufarbeitung im<br />
Rahmen des VOG kritisieren die Beratungsstellen, dass einerseits<br />
bundeslän<strong>der</strong>weise unterschiedlich gehandhabt wird, ob eine Verurteilung<br />
Voraussetzung für die Leistung ist o<strong>der</strong> nicht, und dass an<strong>der</strong>erseits auch innerhalb<br />
<strong>der</strong> Bundeslän<strong>der</strong> die Vorgangsweise wechselt. Teilweise ist nicht nachvollziehbar,<br />
unter welchen Voraussetzungen Leistungen nach dem VOG erbracht werden.<br />
Die Tendenz (z.B. in Wien) geht stark in die Richtung, dass hauptsächlich bei<br />
Verurteilungen ein Zuspruch gewährt wird (so etwa beträgt die Verurteilungsrate bei<br />
Verfahren zu sexueller Gewalt in Wien ca. 50 %, d.h. die Hälfte <strong>der</strong> Gewaltopfer<br />
haben kaum Chancen, im Rahmen des VOG kostenlose Psychotherapie in Anspruch<br />
zu nehmen).<br />
Ein Großteil <strong>der</strong> vom BMSG/BMGFJ und BMI finanzierten Qualitätssicherungsmaßnahmen<br />
ist auf das Problemfeld (sexuelle) Gewalt an Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen<br />
zugeschnitten. Einzelne Fraueneinrichtungen bzw. ProzessbegleiterInnen für Frauen<br />
nehmen zwar an den angebotenen Maßnahmen teil, es fehlt jedoch an spezifischen<br />
Angeboten für den Bereich <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> von Frauen als Opfer von<br />
Männergewalt (Näheres siehe Lösungsansätze).<br />
Lösungsansätze<br />
Der Auftrag des BMSG/Sektion Frauen und Sektion Familie im Jahr 2000/01,<br />
interessierte MitarbeiterInnen spezialisierter Einrichtungen in <strong>Prozessbegleitung</strong> von<br />
Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen auszubilden und den Aufbau regionaler<br />
Kooperationsstrukturen zu unterstützen, ermöglichte es, <strong>Prozessbegleitung</strong> in die<br />
bestehenden Strukturen <strong>der</strong> Opferhilfe bundesweit zu integrieren (siehe Standards<br />
und Empfehlungen zur Eingebundenheit von psychosozialen ProzessbegleiterInnen).<br />
Die im Jahr 2001 begonnene Aufbauarbeit, <strong>der</strong>en wissenschaftliche Begleitung vom<br />
BMI geför<strong>der</strong>t wurde, wurde mit interdisziplinären Seminaren und mit<br />
Supervisionsseminaren und Grundseminaren, die vom BMSG geför<strong>der</strong>t wurden, in<br />
allen Bundeslän<strong>der</strong>n fortgesetzt, allerdings schwerpunktmäßig zu <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
von Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen, wobei vereinzelt Mitarbeiterinnen von<br />
Fraueneinrichtungen an den Seminaren teilnahmen. Mittlerweile gibt es beinahe in<br />
allen Bundeslän<strong>der</strong>n regionale "Kooperationsforen" und interdisziplinär besetzte<br />
"Runde Tische" (siehe Standards und Empfehlungen).<br />
12
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
Die Seminarreihen und die verschiedenen Kooperationszusammenhänge sind<br />
unverzichtbare Maßnahmen zur Qualitätssicherung von <strong>Prozessbegleitung</strong>. Sie<br />
weiterzuführen ist absolut notwendig, um den hohen Standard dieser Arbeit<br />
abzusichern. Sowohl bei den Seminaren wie auch in <strong>der</strong> Kooperation ist es aber<br />
notwendig, den Frauen und Kin<strong>der</strong>bereich auch jeweils getrennt voneinan<strong>der</strong> zu<br />
betrachten, zu beforschen und weiter zu entwickeln. Eigene Seminare für<br />
Mitarbeiterinnen aus Fraueneinrichtungen sowie spezifische Forschungsprojekte im<br />
Frauenbereich sind <strong>der</strong>zeit noch nicht existent, aber erfor<strong>der</strong>lich, um die speziellen<br />
Strukturen <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> von Frauen als Opfer von Männergewalt klarer<br />
herauszuarbeiten.<br />
Die Ergebnisse des Kooperationsaufbaus sowie die im Rahmen <strong>der</strong><br />
wissenschaftlichen Begleitforschung erarbeiteten Dokumentationsbögen und die in<br />
<strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> entwickelten Standards und Empfehlungen wurden in<br />
<strong>der</strong> Publikation "<strong>Prozessbegleitung</strong> von Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen als Opfer von<br />
sexueller/körperlicher Gewalt. Kooperation als Herausfor<strong>der</strong>ung" veröffentlicht<br />
(BMSG und BMI, September 2002). Im Rahmen <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung des Projekts<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> von Frauen (BMSG 2002-2004) wurden Dokumentationsbögen<br />
für die <strong>Prozessbegleitung</strong> von Frauen entwickelt, die aber aufgrund ihres Umfangs<br />
nur im Rahmen eines begrenzten Forschungsprojektes eingesetzt werden können.<br />
Das BMI för<strong>der</strong>te im Jahr 2002/03 die Auswertung <strong>der</strong> Dokumentationsbögen aus<br />
dem Bereich Kin<strong>der</strong>/Jugendliche.<br />
Seit 1. Jänner 2006 besteht gemäß § 47a StPO die Pflicht aller im Strafverfahren<br />
beteiligten Behörden, die in § 49a Abs. 1 StPO genannten Personen spätestens vor<br />
ihrer ersten Befragung über die Voraussetzungen <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> und in<br />
Betracht kommende Einrichtungen zu informieren.<br />
Im September 2003 erteilte das BMSG eine För<strong>der</strong>ung für die Erarbeitung<br />
einheitlicher bundesweiter Fol<strong>der</strong> und Plakate für psychosoziale und juristische<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> von Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen mit den speziellen Adressen pro<br />
Bundesland. Auch dieses Projekt ist abgeschlossen. Die Fol<strong>der</strong> und Plakate werden<br />
in jedem Bundesland großzügig verteilt (Schulen, Kin<strong>der</strong>gärten, Jugendzentren,<br />
Exekutive, Jugendwohlfahrt, Spitälern, Gerichten, Beratungsstellen...). Ziel ist die<br />
För<strong>der</strong>ung einer Corporate identidy und gleichzeitig die Information möglichst vieler<br />
Opfer über die Möglichkeit <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong>.<br />
Je<strong>der</strong> Bereich (<strong>Prozessbegleitung</strong> für Kin<strong>der</strong>/Jugendliche, jeweils für Mädchen und<br />
Buben als Opfer von Gewalt; <strong>Prozessbegleitung</strong> für Frauen als Opfer von<br />
Männergewalt; für Männer als Opfer von Männergewalt/familiärer Gewalt und für<br />
Opfer aus an<strong>der</strong>en Gewaltzusammenhängen) weist Spezifika, aber auch<br />
Gemeinsamkeiten auf. In <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> ist daher zu diskutieren,<br />
inwieweit bei Fortbildungs- und Informationsangeboten und bei regionalen<br />
Kooperationen eine strikte Trennung notwendig und sinnvoll ist o<strong>der</strong> in welcher<br />
Weise auf Spezifika und Gemeinsamkeiten eingegangen werden kann bzw.<br />
Synergieeffekte genutzt werden können.<br />
Alle o.g. Maßnahmen tragen dazu bei, ein standardisiertes Angebot von<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> in ganz Österreich aufzubauen und die Qualität von<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> im Interesse <strong>der</strong> Opfer sicherzustellen.<br />
13
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
2.3. Inhaltliche Kompetenzaufteilung und aktuelle Entwicklung in <strong>der</strong><br />
<strong>Prozessbegleitung</strong><br />
Nicht alle Opfer sind gleich. Der Verschiedenheit im subjektiven Gefühl von<br />
Verletztheit und Verletzlichkeit ist Rechnung zu tragen. Die jahrzehntelange<br />
Entwicklung in <strong>der</strong> Opferhilfe hat gezeigt, dass eine Differenzierung in drei<br />
Opfergruppen zweckmäßig ist. Die Notwendigkeit verschieden auf Wünsche,<br />
Bedürfnisse und Not <strong>der</strong> KlientInnen reagieren zu müssen und das Hinzukommen<br />
von neuen Anbietern im Bereich <strong>der</strong> Opferhilfe bestätigen diese Entwicklung.<br />
• <strong>Prozessbegleitung</strong> für Kin<strong>der</strong> und Jugendliche<br />
• <strong>Prozessbegleitung</strong> für Frauen als Betroffene von Männergewalt<br />
• <strong>Prozessbegleitung</strong> für Opfer von situativer Gewalt und Gewalt im öffentlichen<br />
Raum<br />
Die bislang gewachsenen Kooperations- und Vernetzungsstrukturen in Form von<br />
„Runden Tischen“ und „Kooperationsforen“ sowie die grundlegenden<br />
Arbeitskonzepte und <strong>Prozessbegleitung</strong>s-Standards sind vor allem vom Kin<strong>der</strong>- und<br />
Jugendlichenbereich und vom Frauenbereich entwickelt und implementiert worden.<br />
Das, was in den letzten sechs Jahren in Österreich an gewachsener Struktur<br />
entstanden ist, ist <strong>der</strong> Erfolg dieser beiden Bereiche: <strong>Prozessbegleitung</strong> für Kin<strong>der</strong><br />
und Jugendliche und <strong>Prozessbegleitung</strong> für Frauen. Diese geleistete Strukturarbeit<br />
ist allerdings kein abgeschlossener, son<strong>der</strong>n vielmehr ein stetiger Prozess <strong>der</strong><br />
Erneuerung und <strong>der</strong> Reformierung, um die Qualität halten und verbessern zu<br />
können. Eine Arbeit, die von ProzessbegleiterInnen unentgeltlich geleistet wird.<br />
Die Integration <strong>der</strong> Einrichtungen für die dritte Opfergruppe ist noch im Gange und<br />
aufgrund <strong>der</strong> unterschiedlichen inhaltlichen Fragestellungen, nicht einfach.<br />
2.3.1. <strong>Prozessbegleitung</strong> für Kin<strong>der</strong>- und Jugendliche<br />
Entwicklungen und Verän<strong>der</strong>ungen auf Bundeslän<strong>der</strong>ebene<br />
• In mehreren Bundeslän<strong>der</strong>n werden steigende Fallzahlen verzeichnet.<br />
• In den meisten Bundeslän<strong>der</strong>n ist die Akzeptanz <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> bei<br />
Gericht gestiegen. Ausnahmen entstehen dann, wenn<br />
UntersuchungsrichterInnen, StaatsanwältInnen o<strong>der</strong><br />
HauptverhandlungsrichterInnen wechseln.<br />
• Bis auf wenige Ausnahmen verschicken die Strafgerichte die Information über<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> inklusive den entsprechenden Adressen mit <strong>der</strong> Ladung zur<br />
Kontradiktorischen Einvernahme.<br />
• In Salzburg hat die <strong>Prozessbegleitung</strong> erreicht, dass die Kin<strong>der</strong> nicht durch die<br />
Sicherheitsschleuse müssen. In Wien wurde erreicht, dass die <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
einen Schlüssel für den ZeugInnenschutzraum hat.<br />
• Durch Kooperationen mit dem Gericht konnte (begrenzt) Einfluss auf<br />
Verän<strong>der</strong>ungen bei <strong>der</strong> Auswahl von Sachverständigen erreicht werden.<br />
• Die Kooperation mit <strong>der</strong> Polizei muss nach <strong>der</strong>en Umstrukturierung großteils<br />
verstärkt neu aufgebaut bzw. erneuert werden.<br />
14
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
• In Wien wird bei <strong>der</strong> Staatsanwaltschaft die jahrelang gefor<strong>der</strong>te<br />
Son<strong>der</strong>zuständigkeit eingerichtet.<br />
• Vier Mal pro Jahr finden in Oberösterreich bundeslandweite Fallintervisionen<br />
statt.<br />
• Das 2. Curriculum für <strong>Prozessbegleitung</strong> (als umfassende Fortbildung für<br />
ProzessbegleiterInnen) in <strong>der</strong> Steiermark wurde abgeschlossen.<br />
● Der Standard, dass es in jedem Fall zwei ProzessbegleiterInnen für Kind und<br />
Bezugsperson geben soll, kann bundesweit nicht durchgehend eingehalten<br />
werden. Laut Forschungsbericht 2003 gab es nur in 20 Prozent <strong>der</strong> Fälle zwei<br />
ProzessbegleiterInnen. Die Quote ist mittlerweile aber deutlich gestiegen.<br />
Mitunter wird mit einer ProzessbegleiterIn begonnen, später steigt eine zweite<br />
ein.<br />
Gründe für die Nichteinhaltung sind Kapazitätsmängel, Zeit- und Termingründe<br />
o<strong>der</strong> wenn bereits an<strong>der</strong>e BetreuerInnen involviert sind o<strong>der</strong> wenn die<br />
Bezugsperson keine <strong>Prozessbegleitung</strong> will.<br />
Es gibt bisher wenig Überblick über die Abdeckung mit <strong>Prozessbegleitung</strong>. Es<br />
existiert kein generelles Sicherungssystem. Mögliche Informationsquellen sind<br />
das Gericht, die Jugendwohlfahrt, die Kin<strong>der</strong>- und Jugendanwaltschaften, die<br />
Exekutive und die Opferschutzeinrichtungen selbst. Die Quote ließe sich aus <strong>der</strong><br />
Differenz zwischen <strong>der</strong> Anzahl an Anzeigen und <strong>der</strong> Anzahl an<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong>en ermitteln.<br />
o Der Anteil an <strong>Prozessbegleitung</strong>en ist ansteigend, liegt aber keinesfalls bei<br />
100 % Abdeckung von Bedarf. Jugendliche sind öfter unbegleitet als Kin<strong>der</strong>.<br />
o Dezidiert verpflichtet zur Information über den Rechtsanspruch auf<br />
psychosoziale und juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> sind nur Gerichte,<br />
Staatsanwaltschaften und die Exekutive. Eine <strong>der</strong>artige gesetzliche<br />
Verpflichtung für die Jugendwohlfahrt gibt es <strong>der</strong>zeit nicht.<br />
o Die Abdeckung wird dann noch zusätzlich erschwert, wenn bestimmte<br />
Regionen in Österreich aufgrund eines Mangels entsprechen<strong>der</strong><br />
Opferschutzeinrichtungen bzw. fehlen<strong>der</strong> Verträge nicht versorgt werden<br />
können<br />
Verän<strong>der</strong>ungen seit 1.1.2006 durch die Einführung <strong>der</strong> neuen<br />
Opferschutzbestimmungen<br />
Das Gesetz hat bisher nur wenig Verän<strong>der</strong>ungen gebracht, <strong>der</strong> Rechtsanspruch auf<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> besteht zwar, ist aber nicht flächendeckend gesichert.<br />
• Die Akzeptanz gegenüber <strong>der</strong> psychosozialen <strong>Prozessbegleitung</strong> und das<br />
Selbstverständnis <strong>der</strong> ProzessbegleiterInnen in <strong>der</strong> Kooperation mit den an<strong>der</strong>en<br />
Berufsgruppen ist gestiegen.<br />
• Die Sicherstellung <strong>der</strong> Finanzierung durch das BMJ hat sich verbessert.<br />
• Neu ist, dass die Betroffenen über Einstellungen von Verfahren und U-Haft-<br />
Entlassungen vermehrt vom Gericht informiert werden.<br />
• Erleichtert hat sich die Übernahme <strong>der</strong> Psychotherapiekosten durch das<br />
Bundessozialamt. Eine Berufungsinstanz gegen ablehnende Bescheide wurde<br />
eingeführt. Diese Erleichterung hat sich in Wien aber kaum ausgewirkt.<br />
• In manchen Regionen wird konstatiert, dass die Polizei zu verhin<strong>der</strong>n versucht,<br />
dass die <strong>Prozessbegleitung</strong> bei <strong>der</strong> Einvernahme dabei ist. (z.B. in Vorarlberg,<br />
Linz)<br />
15
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
• Die gesetzlich vorgeschriebene Information <strong>der</strong> Betroffenen über das Angebot<br />
<strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> hat sich vergrößert, aber nicht unbedingt verbessert. Zum<br />
Teil wird eine Informationsflut verzeichnet (Fol<strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> für Kin<strong>der</strong><br />
und Jugendliche, Info-Fol<strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> des Justizministeriums,<br />
Opferhilfe-Fol<strong>der</strong>, Neustart-Kampagnen), die den Zugang zur <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
erschwert. Ein Informationsfol<strong>der</strong> von BMI und BMJ über Einrichtungen, die<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> anbieten, hat Verwirrung gestiftet, da die Trägervereine und<br />
nicht die Opferschutzeinrichtungen angeführt werden. In manchen Regionen<br />
werden die Betroffenen mittels Infoblättern einseitig auf einzelne Einrichtungen<br />
hingewiesen.<br />
Die Informationen werden auch “wie zum ersten Mal“ gegeben, selbst wenn die<br />
Betroffenen sie offensichtlich haben, z.B. eine psychosoziale Prozessbegleiterin<br />
ist bereits bei <strong>der</strong> Anzeigeerstattung dabei.<br />
Problemaufriss aktueller Themen im Kin<strong>der</strong>bereich – Lösungsvorschläge:<br />
Öffentlichkeitsarbeit<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> soll möglichst vor <strong>der</strong> Anzeige begonnen werden. Um eine<br />
höhere Quote an <strong>Prozessbegleitung</strong>en zu erreichen, die bereits vor <strong>der</strong> Anzeige<br />
begonnen werden, bedarf es vermehrter Öffentlichkeitsarbeit. Seit Jänner gibt es<br />
dazu eine <strong>Arbeitsgruppe</strong>, die (bundesweite) Strategien erarbeiten. Die Kontakte mit<br />
den lokalen Medien müssen dann in jedem Bundesland extra aufgenommen werden.<br />
Es gibt Kritik am Fol<strong>der</strong> vom BMJ und BMI: lose Blätter, fehlende und falsche<br />
Adressen, schlechtes Layout, Verwirrung weil z.T. Trägervereine und nicht Anbieter<br />
angeführt sind, aber auch Verwirrung ob <strong>der</strong> Vielzahl <strong>der</strong> Fol<strong>der</strong>.<br />
Hilfreich und sinnvoll wären eine Trennung nach Bundeslän<strong>der</strong>n und ein Fol<strong>der</strong>, <strong>der</strong><br />
ansprechend die drei Opfergruppen inhaltlich unterscheiden kann.<br />
Die Frage <strong>der</strong> Öffentlichkeitsarbeit muss neu geklärt werden. Notwendig erscheint<br />
jedenfalls Öffentlichkeitsarbeit auf verschiedenen Ebenen, die auch verschieden zu<br />
gestalten ist: Auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Verantwortungsträger, auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong><br />
Kooperationspartner bzw. involvierten Berufsgruppen (auf diesen beiden Ebenen gilt<br />
es auch „Überzeugungsarbeit“ zu leisten) bzw. auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Betroffenen<br />
(vorwiegend durch optimale Information).<br />
Kooperation<br />
Mit <strong>der</strong> Differenzierung <strong>der</strong> drei Opfergruppen verän<strong>der</strong>t sich die bisherige<br />
Kooperation und Öffentlichkeitsarbeit. Diese offenen Punkte müssen neu geklärt<br />
werden. Sinnvoll wäre vermutlich Kooperationsforen entsprechend <strong>der</strong> zu<br />
betreuenden Opfergruppe zu gestalten.<br />
Derzeit gibt es noch Verwirrung bei Gericht und <strong>der</strong> Staatsanwaltschaft, wer wen<br />
informieren muss. Die Auswirkungen des Erlasses des Bundesministeriums für<br />
Justiz vom 5.2.<strong>2007</strong> zu BMJ-L578.023/0001-II 3/<strong>2007</strong>, wonach am Aktendeckel ein<br />
Vermerk auf die bestehende <strong>Prozessbegleitung</strong> angebracht werden soll, auf die<br />
Verständigungspraxis <strong>der</strong> Gerichte werden abzuwarten sein.<br />
16
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
Kleine Kin<strong>der</strong> (unter 6 Jahren) und Behin<strong>der</strong>te bei Gericht<br />
Diese Verfahren werden zu ca. 90 % eingestellt, weil eine Aussagefähigkeit o<strong>der</strong><br />
Aussagetüchtigkeit nicht attestiert werden kann. Schon im Modellprojekt war dieses<br />
Thema evident. Es hat in sechs Jahren nichts an Brisanz und Aktualität verloren. Die<br />
ProzessbegleiterInnen alleine können dieses Problem nicht beheben, es braucht<br />
strukturelle Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Bedingungen und ein Austausch auf<br />
multidisziplinärer Ebene.<br />
Verleumdungsklagen<br />
Fälle von Verleumdungsklagen gibt es in <strong>der</strong> Zwischenzeit in mehreren<br />
Bundeslän<strong>der</strong>n. Im Kin<strong>der</strong>bereich entsteht <strong>der</strong> Eindruck, dass diese Strategien<br />
bundesweit zunehmen. Mit Strategien sind gemeint, dass Opfer eingeschüchtert<br />
werden, Einvernahmen o<strong>der</strong> Tatortbegehungen mit dem Opfer zu Hause<br />
unangemeldet ohne Begleitperson gemacht werden, die Opfer oft überrumpelt, und<br />
dann unter Druck gesetzt werden und dann völlig erschöpft o<strong>der</strong> retraumatisiert die<br />
frühere Aussage zurückziehen.<br />
Beson<strong>der</strong>s gefährdet ist die Altersgruppe <strong>der</strong> 14 – 17jährigen, da Pubertierenden<br />
tendenziell Lügen o<strong>der</strong> Unsinn aus Langeweile unterstellt wird und sie nicht dem<br />
Stereotyp eines Opfers entsprechen. Ebenso betroffen ist die Gruppe <strong>der</strong> 10 –<br />
20jährigen Personen mit Behin<strong>der</strong>ung.<br />
Die Herausfor<strong>der</strong>ung liegt darin, die Kooperation mit <strong>der</strong> Exekutive auf- bzw.<br />
auszubauen und an<strong>der</strong>erseits Missstände beobachten und öffentlich machen.<br />
Hilfreich wäre eine interdisziplinäre Unterarbeitsgruppe im BMI um einen<br />
halböffentlichen Raum für Diskussion zu haben.<br />
Psychologische Aufarbeitung<br />
Bei <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> wurde davon ausgegangen, dass es<br />
sinnvoll sei nach dem gerichtlichen Verfahren eine Psychotherapie anzuschließen.<br />
Diese Annahme kann so nicht durchgängig gehalten werden. Für einen Teil <strong>der</strong><br />
Betroffenen ist es hilfreich frühzeitig (z.B. als Intervention nach <strong>der</strong> Offenlegung) mit<br />
einer Aufarbeitung beginnen zu können. Nicht alle Opfer benötigen zur Aufarbeitung<br />
des Erlebten Psychotherapie. Von den Einrichtungen gibt es eine Empfehlung für<br />
Psychotherapie ca. für die Hälfte <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> und Jugendlichen.<br />
Der Beginn <strong>der</strong> Psychotherapie nach <strong>der</strong> Kontradiktorischen Einvernahme ist doch<br />
oftmals zu früh, weil <strong>der</strong> Blickwinkel noch auf die äußeren Umstände und nicht auf<br />
die inneren Zustände gerichtet ist.<br />
Der Therapiebeginn nach Abschluss des gerichtlichen Proce<strong>der</strong>es kann als große<br />
Unterstützung o<strong>der</strong> als Belastung erlebt, da jetzt <strong>der</strong> Zeitabstand zum Geschehen zu<br />
lang empfunden wird und zu diesem Zeitpunkt nicht die Tat, son<strong>der</strong>n das Verfahren<br />
im Vor<strong>der</strong>grund steht.<br />
Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Therapiebedürftigkeit und die Möglichkeit<br />
Psychotherapie in Anspruch zu nehmen und <strong>der</strong> richtige Zeitpunkt für jedes Opfer<br />
sehr unterschiedlich ist. Zusätzlich kommt erschwerend hinzu, dass es eine<br />
17
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
Finanzierungslücke bei denen gibt, die geschädigt worden sind, es aber zu keiner<br />
Verurteilung kommt.<br />
Die Kostenübernahme <strong>der</strong> Bundessozialämter ist in Österreich lei<strong>der</strong> sehr<br />
uneinheitlich. Ein weiteres Problem stellt sich dahingehend, dass aus Sicht <strong>der</strong><br />
Bundessozialämter für eine Kostenübernahme <strong>der</strong> Psychotherapie die Kausalität<br />
zwischen <strong>der</strong> Erkrankung und dem Verbrechen nachgewiesen werden muss. Eine<br />
entsprechende Än<strong>der</strong>ung des Verbrechensopfergesetzes ist anzustreben.<br />
Finanzen<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> kann nicht flächendeckend angeboten werden. Im ländlichen<br />
Bereich, wo das öffentliche Verkehrsnetz zum Teil nur sehr schlecht ausgebaut ist,<br />
kommen Opfer nicht o<strong>der</strong> nur sehr begrenzt zu ihrem Recht. Seit Bestehen <strong>der</strong><br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> werden individuell Notlösungen gefunden, z.B. übernehmen<br />
SozialarbeiterInnen von <strong>der</strong> Jugendwohlfahrt „KlientInnentransfers“.<br />
Damit alle Opfer zu ihrem Recht kommen, ist es erfor<strong>der</strong>lich, eine „mobile<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong>“ aufzubauen. Eine Regelung für die Übernahme von Fahrtzeiten<br />
und –kosten wäre in diesem Zusammenhang notwendig.<br />
„Koordinationsstelle Opferhilfe“<br />
Im aktuellen Regierungsprogramm ist die Einrichtung einer „Koordinationsstelle<br />
Opferhilfe“ vorgesehen. Eine Diskussion muss auch in <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> geführt werden,<br />
wobei darauf zu achten ist, dass die bisherigen Kompetenzträger von<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> hier wesentlich in die Entwicklung eingebunden werden.<br />
Umsetzung des Gesetzes § 47a und 49a STPO<br />
Derzeit ist die Durchsetzbarkeit des Rechtsanspruches auf <strong>Prozessbegleitung</strong> nicht<br />
vorgesehen, sie wäre aber dringend notwendig. Probleme in <strong>der</strong> praktischen<br />
Umsetzung werden beim BMJ und beim BMI aufgezeigt.<br />
Interministerielle <strong>Arbeitsgruppe</strong><br />
Die Aktivität <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> soll wie<strong>der</strong> bzw. weiter vorangetrieben werden. Die<br />
Ministerien sollten hier besser vertreten sein, und mit Kompetenzen ausgestattet<br />
werden.<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> lebt durch gute Kooperation. Neben den NGOs sind<br />
VertreterInnen aus Bundesministerien sinnvoll. Für Opferhilfe ist die<br />
Zusammenarbeit von unterschiedlichen Ministerien erfor<strong>der</strong>lich - BMI, BMJ, BMGFJ,<br />
BKA/Frauen und BMSK.<br />
Qualitätssicherung<br />
Die in <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> erarbeiteten „Standards für <strong>Prozessbegleitung</strong>“ sind <strong>der</strong>zeit<br />
verpflichtend, unterliegen aber keiner externen Kontrolle, d.h. dass die Arbeitsweise<br />
<strong>der</strong> diversen AnbieterInnen qualitativ sehr unterschiedlich ist. Neben den bisher<br />
bereits angebotenen Supervisions- und Reflexionsseminaren bedarf es auch einer<br />
umfassenden Fortbildung für die psychosozialen ProzessbegleiterInnen (z.B.<br />
18
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
Curriculum <strong>Prozessbegleitung</strong> in <strong>der</strong> Steiermark) sowie einer verpflichtenden<br />
Schulung <strong>der</strong> OpferanwältInnen).<br />
2.3.2. <strong>Prozessbegleitung</strong> von Frauen als Betroffene von Männergewalt<br />
Entwicklungen und Verän<strong>der</strong>ungen<br />
Auch im Frauenbereich wurden im letzten Jahr – also seit <strong>der</strong> gesetzlichen<br />
Verankerung - steigende Fallzahlen verzeichnet.<br />
Im Allgemeinen steigt die Akzeptanz <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> von Frauen als<br />
Betroffene von Männergewalt in den verschiedenen Institutionen, wenn auch<br />
zögerlicher als im Kin<strong>der</strong>bereich.<br />
Die Information über <strong>Prozessbegleitung</strong> wird häufig durch die Polizei vermittelt,<br />
die Unterstützung <strong>der</strong> Betroffenen beginnt demnach öfter nach <strong>der</strong> Anzeige o<strong>der</strong><br />
dem Polizeieinsatz.<br />
Trotz <strong>der</strong> verstärkten Information über die Möglichkeit, als Gewaltopfer<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> in Anspruch zu nehmen, ist es für Betroffene immer wie<strong>der</strong><br />
schwierig, sich Konkretes unter <strong>Prozessbegleitung</strong> vorstellen zu können<br />
(ungenügende Information) und die für sie adäquaten Einrichtungen zu finden<br />
(unübersichtliche Informationsflut).<br />
Die Frage <strong>der</strong> Abdeckung ist nicht eindeutig zu klären: Gemessen an <strong>der</strong><br />
Kriminalstatistik ist die Anzahl <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong>en vergleichsweise gering,<br />
offen bleibt wie viele Betroffene keine <strong>Prozessbegleitung</strong> wollen bzw. für wie viele<br />
<strong>der</strong> Zugang zu <strong>Prozessbegleitung</strong> nicht ausreicht (Information, Erreichbarkeit <strong>der</strong><br />
Einrichtung).<br />
Die Vernetzung unter Fraueneinrichtungen führt auch zur Nutzung <strong>der</strong><br />
Fachkompetenz von kleinen/regionalen Stellen, die selbst keinen Vertrag haben<br />
und in Einzelfällen als „externe“ Fachkraft von den Vertragspartnerinnen<br />
eingesetzt werden. Damit kann das regionale Angebot verbessert werden.<br />
Entwicklung in den Interventionsstellen/Gewaltschutzzentren: Es werden mehr<br />
Opfer aus verschiedenen Bereichen betreut, vor allem war/ist ein starker<br />
Zuwachs an Stalking-Opfern zu verzeichnen, weiters eine Steigerung <strong>der</strong><br />
männlichen Gewaltopfer (von an<strong>der</strong>en Männern in <strong>der</strong> Familie) auf ca. 10%.<br />
Probleme<br />
Frauen als Betroffene von Männergewalt stoßen im Allgemeinen auf weniger<br />
Verständnis für ihre spezielle Situation als Opfer und ihren Anspruch auf<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> – vor allem im Justizbereich ist hier weitere Sensibilisierung<br />
nötig.<br />
Schriftliche Informationen über <strong>Prozessbegleitung</strong> seitens des Gerichts sind<br />
<strong>der</strong>zeit nur Standard bei Ladungen zur kontradiktorischen Vernehmung im<br />
Vorverfahren. Im Frauenbereich sind jedoch (kontradiktorische) Vernehmungen<br />
im Vorverfahren viel seltener, oft erfolgt die erste Ladung gleich zur<br />
Hauptverhandlung.<br />
Verleumdungsklagen und Unterstellungen verschiedener Art setzen Opfer immer<br />
wie<strong>der</strong> stark unter Druck, inwieweit diese Strategien (des Beschuldigten) im<br />
Steigen sind, muss noch genauer beobachtet werden.<br />
19
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
Vor allem in größeren Bundeslän<strong>der</strong>n mit mehreren Landes- und<br />
Bezirksgerichten fehlt <strong>der</strong> Fahrtkostenersatz für die Prozessbegleiterinnen – vom<br />
hohen Zeitaufwand ganz zu schweigen.<br />
Der Zugang zu Leistungen nach dem Verbrechensopfergesetz ist von<br />
Bundesland zu Bundesland sehr verschieden, vor allem wenn es zu keiner<br />
Verurteilung des Beschuldigten kommt. Die bürokratischen Hürden bei <strong>der</strong><br />
Antragstellung im Bundessozialamt sind insgesamt sehr hoch, viele Opfer<br />
schrecken davor zurück.<br />
Schwerpunkte für die nächste Zukunft<br />
Ein vernetzter Ausbau <strong>der</strong> Kooperation mit den Gerichten in Bezug auf<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> für Frauen als Betroffene von Männergewalt sollte in<br />
einzelnen Bundeslän<strong>der</strong>n verstärkt werden.<br />
Es ist ein zentrales Anliegen <strong>der</strong> Fraueneinrichtungen, die <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
bzw. Opferhilfe im weiteren Sinn anbieten, in die Entwicklung <strong>der</strong> vom BMJ<br />
angestrebten Koordinationsstelle miteinbezogen zu werden, um<br />
frauenspezifische Schwerpunkte einzubringen und die Kooperation mit Behörden<br />
und an<strong>der</strong>en Einrichtungen zu optimieren.<br />
Für die flächendeckende Sicherstellung von <strong>Prozessbegleitung</strong> für Frauen in<br />
ganz Österreich und für <strong>der</strong>en Qualitätssicherung wird die Finanzierung einer<br />
Bundeskoordination für <strong>Prozessbegleitung</strong> sowie spezifischer Seminare im<br />
Frauenbereich angestrebt.<br />
2.3.3. <strong>Prozessbegleitung</strong> für Opfer von situativer Gewalt und Gewalt im<br />
öffentlichen Raum<br />
Der Weisse Ring bot bereits vor jeglicher För<strong>der</strong>ung durch das BMJ im Rahmen <strong>der</strong><br />
Opferhilfe Gerichtsbegleitung an. In den Anfängen lag <strong>der</strong> Schwerpunkt <strong>der</strong><br />
Gerichtsbegleitung in <strong>der</strong> Begleitung und Vertretung von Straftatopfern durch<br />
JuristInnen/AnwältInnen. Die ehrenamtlich tätigen BegleiterInnen<br />
(RechtsanwältInnen, TherapeutInnen,...) traten als Vertrauensperson (§ 162 StPO)<br />
bzw. als PrivatbeteiligtenvertreterInnen auf. Entscheidend für die Gerichtsbegleitung<br />
waren in erster Linie die psychische Verfassung und <strong>der</strong> Bedarf an Unterstützung für<br />
Straftatopfer.<br />
Erstmals für das Jahr 2000 stellte das Bundesministerium für Justiz dem Weissen<br />
Ring eine För<strong>der</strong>ung für <strong>Prozessbegleitung</strong> zur Verfügung (Ausschüttung 2001).<br />
Seither wird <strong>Prozessbegleitung</strong> durch den Weissen Ring weitgehend vom BMJ<br />
geför<strong>der</strong>t.<br />
Sukzessive mit <strong>der</strong> anwaltlichen Gerichtsbegleitung hat <strong>der</strong> Weisse Ring<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> entwickelt und bietet nunmehr seit Jahren anwaltliche und/o<strong>der</strong><br />
psychosoziale <strong>Prozessbegleitung</strong> für Opfer an. Sowohl in <strong>der</strong> Opferhilfe als auch<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> werden Kin<strong>der</strong> und Jugendliche sowie Frauen, die von Gewalt in<br />
Paarbeziehungen, sexualisierter Männergewalt, Stalking und Frauenhandel betroffen<br />
sind, an spezialisierte Einrichtungen verwiesen. <strong>Prozessbegleitung</strong> für diese<br />
Gruppen ermöglicht/e <strong>der</strong> Weisse Ring in Kooperation mit auf diese Gruppen<br />
spezialisierte Einrichtungen (z.B. juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> für KlientInnen <strong>der</strong><br />
Interventionsstellen bis 2006), die keinen För<strong>der</strong>vertrag mit dem Bundesministerium<br />
für Justiz abgeschlossen haben.<br />
20
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
Mit dem För<strong>der</strong>ungsvertrag hat sich <strong>der</strong> Weisse Ring gegenüber dem BMJ<br />
verpflichtet, ab Oktober 2005 <strong>Prozessbegleitung</strong> für alle Straftatopfer in ganz<br />
Österreich durchzuführen, wobei explizit darauf hingewiesen wurde, dass in Fällen<br />
von Mädchen, Buben und Jugendlichen als Opfer sexueller und physischer Gewalt<br />
und Frauen als Betroffene von Männergewalt an spezialisierte Einrichtungen<br />
verwiesen bzw. vermittelt wird.<br />
Da <strong>der</strong> Weisse Ring als einzige Organisation in Österreich <strong>Prozessbegleitung</strong> für<br />
Opfer situativer Gewalt angeboten hat, ist die Schulung, Aus- und Weiterbildung von<br />
ProzessbegleiterInnen organisationsintern im Rahmen <strong>der</strong> interdisziplinären Aus-<br />
und Weiterbildung in <strong>der</strong> Opferhilfe angesiedelt. Die internen interdisziplinären<br />
Schulungen des Weissen Ringes im Rahmen <strong>der</strong> Opferhilfe werden vom BMI<br />
geför<strong>der</strong>t.<br />
In <strong>der</strong> Sitzung <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> vom 31.3.2006 wurde <strong>der</strong> Weisse Ring beauftragt, mit<br />
Neustart, Lichtblick/Wr.Neustadt, IFS Vorarlberg, Standards und<br />
Qualifikationskriterien für <strong>Prozessbegleitung</strong> für Opfer situativer Gewalt<br />
auszuarbeiten.<br />
In <strong>der</strong> Sitzung <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> vom 24.11.2006 wurde die erste Fassung dieser Standards<br />
und den „Qualitätskriterien, <strong>der</strong> Qualifikation und dem Anfor<strong>der</strong>ungsprofil diskutiert.<br />
Än<strong>der</strong>ungsvorschläge wurden aufgenommen. Dieser Diskussionsprozess ist bis dato<br />
noch nicht abgeschlossen (Stand Mai <strong>2007</strong>).<br />
2.4. Kostentragung <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
Das BMJ bewilligt den Opferhilfeeinrichtungen eine För<strong>der</strong>ung über einen<br />
bestimmten Höchstbetrag. Die von den Opferhilfeorganisationen in <strong>der</strong> Folge<br />
tatsächlich für die Durchführung von <strong>Prozessbegleitung</strong>en aufgewendeten Beträge<br />
werden sodann quartalsweise abgerechnet und ausbezahlt.<br />
Für die im Rahmen <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> erbrachten Leistungen gelangen folgende<br />
Stundensätze (jeweils als Höchstbeträge) zur Anwendung:<br />
21
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
dipl. SozialarbeiterIn<br />
o<strong>der</strong> Personen mit<br />
gleichwertiger Qualifikation<br />
a) Angestellte(r) <strong>der</strong> Einrichtung<br />
b) beigezogene(r) Mitarbeiter(in)<br />
€ 59,00<br />
PsychotherapeutIn<br />
a) Angestellte(r) <strong>der</strong> Einrichtung<br />
b) beigezogene(r) Mitarbeiter(in)<br />
€ 66,00<br />
Rechtsanwalt/Rechtsanwältin € 73,00<br />
Ist in <strong>der</strong> Abrechnung <strong>der</strong> Leistung Umsatzsteuer enthalten und kann sich <strong>der</strong><br />
För<strong>der</strong>ungsnehmer die Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer abziehen, so sind folgende<br />
Stundensätze (jeweils als Höchstbeträge) maßgeblich:<br />
dipl. SozialarbeiterIn<br />
o<strong>der</strong> Personen mit<br />
gleichwertiger Qualifikation<br />
PsychotherapeutIn<br />
Rechtsanwalt/Rechtsanwältin<br />
beigezogene(r)<br />
Mitarbeiter(in)<br />
beigezogene(r)<br />
Mitarbeiter(in)<br />
€ 70,80<br />
immer gemäß § 6 Z 19<br />
UStG umsatzsteuerfrei<br />
€ 87,60<br />
Welche Leistungen im Rahmen <strong>der</strong> psychosozialen <strong>Prozessbegleitung</strong> ersetzt<br />
werden, wurde in einem Katalog festgelegt, <strong>der</strong> insbeson<strong>der</strong>e auch die Fall<br />
bezogene Kooperation einschließt.<br />
Weiters werden als Barauslagen insbeson<strong>der</strong>e Übersetzungskosten pro Stunde<br />
Zeitaufwand mit einem Betrag von € 55,-- (bzw. bei Anfall von nicht als Vorsteuer<br />
abziehbarer USt € 66,--) sowie Kopierkosten ersetzt. Ferner wird seit Oktober 2005<br />
den För<strong>der</strong>ungsnehmern als Beitrag zu <strong>der</strong>en infrastrukturellen Kosten ein Zuschlag<br />
von 15 % zu den entsprechend den angeführten Tarifen berechneten Kosten <strong>der</strong><br />
psychosozialen und juristischen <strong>Prozessbegleitung</strong> sowie zu den Barauslagen<br />
gewährt. Darüber hinaus bestehen keine weiteren Ansprüche <strong>der</strong><br />
För<strong>der</strong>ungsnehmer, wie z.B. auf Fahrtkosten.<br />
Probleme aus Sicht <strong>der</strong> Opferhilfeeinrichtungen<br />
Das BMJ akzeptiert als Barauslagen zwar Aktenabschriften, nicht aber Fahrtkosten<br />
und Fahrtzeiten auf Fallebene. Für <strong>Prozessbegleitung</strong>en außerhalb von<br />
Landeshauptstädten sind zum Teil lange Wegstrecken erfor<strong>der</strong>lich. Wenn eine<br />
flächendeckende Betreuung aufgebaut werden und gewährleistet sein soll, müssten<br />
künftig die Kosten für Fahrt und Fahrtzeiten übernommen werden.<br />
Die Finanzierung <strong>der</strong> fallunabhängigen Kooperation und Vernetzung (z.B. die<br />
Teilnahme an regionalen Kooperationsforen und Runden Tischen) bleibt offen.<br />
Unabhängig von <strong>der</strong> Fallebene<br />
sind regionale und bundesweite Kooperationsstrukturen notwendig, um einen<br />
einheitlichen Standard zu erreichen und die Qualität zu sichern („Regionale<br />
Kooperationsforen“ <strong>der</strong> ProzessbegleiterInnen und interdisziplinär besetzte<br />
„Runde Tische“ auf Praxis- und auf Leistungsebene, siehe Standards und<br />
Empfehlungen);<br />
22
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
ist Informationstätigkeit über das Angebot <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> erfor<strong>der</strong>lich<br />
(bei allen involvierten Institutionen wie Jugendwohlfahrt, Gericht, Exekutive,<br />
an<strong>der</strong>en Beratungsstellen etc.).<br />
Die in <strong>der</strong> <strong>Arbeitsgruppe</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> vertretenen Opferhilfevereine betonen,<br />
dass die Fallarbeit bestimmte Rahmenbedingungen benötigt und vor allem regionale<br />
und überregionale Vernetzungen braucht, um <strong>Prozessbegleitung</strong> standardisiert in<br />
jedem Bundesland anbieten zu können. Die für <strong>Prozessbegleitung</strong> notwendigen<br />
Ressourcen müssten geschaffen und zur Verfügung gestellt werden, damit dieses<br />
Angebot allen Opfern zugute kommen kann und die Vereine Kosten nicht selbst<br />
tragen müssen, die sie nicht tragen können (Fahrtkosten, fallunabhängige<br />
Vernetzung etc.).<br />
Die Honorarsätze für juristische ProzessbegleiterInnen sind kaum kostendeckend<br />
und entsprechen nicht dem Marktwert. So etwa liegt <strong>der</strong> Tarif von € 73,-- weit unter<br />
den üblichen Anwaltssätzen. <strong>Prozessbegleitung</strong> übernehmen daher nur einige<br />
wenige sehr engagierte RechtsanwältInnen o<strong>der</strong> kleine, im Aufbau befindliche<br />
Rechtsanwaltskanzleien, die noch keine hohen Infrastrukturkosten haben.<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> wird zwar geför<strong>der</strong>t von <strong>der</strong> Anzeigeerstattung bis zum Abschluss<br />
des Strafverfahrens und vor dem Pflegschaftsgericht, sofern dies für die<br />
Verfahrensführung im Strafverfahren Voraussetzung ist. Es fehlt jedoch<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> für Exekutionsverfahren, Zivilprozesse (allf. Verfahrenshilfe) und<br />
Pflegschaftsverfahren im Allgemeinen.<br />
Problematisch ist weiters die verbreitete Praxis <strong>der</strong> ersten Instanz, mit<br />
Schadenersatzansprüchen auf den Zivilrechtsweg zu verweisen. Dies bedeutet ein<br />
weiteres oft jahrelanges Verfahren. Zudem muss das Opfer im Zivilverfahren im<br />
Beisein des Täters aussagen, da hier eine kontradiktorische Vernehmung aufgrund<br />
<strong>der</strong> Gesetzeslage noch nicht vorgesehen ist. Ein Zivilverfahren bedeutet demnach<br />
für das Opfer nicht nur eine finanzielle, son<strong>der</strong>n auch eine große psychische<br />
Belastung. Im Interesse des Opferschutzes sollte weiters dieselbe RechtsanwältIn,<br />
die die Privatbeteiligtenvertretung bzw. juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> im Strafprozess<br />
übernommen hat, das Opfer auch in einem anschließenden Zivilverfahren (z.B. im<br />
Rahmen <strong>der</strong> Verfahrenshilfe) o<strong>der</strong> Pflegschaftsverfahren vertreten können.<br />
Die rechtliche Beratung <strong>der</strong> Opfer z.B. im Vorfeld einer Anzeige durch JuristInnen,<br />
die bei Vereinen angestellt sind, wird vom BMJ im Rahmen <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
nicht finanziert (nur RechtsanwältInnen werden als juristische ProzessbegleiterInnen<br />
akzeptiert).<br />
Diese Tätigkeiten werden aus Sicht des BMJ dadurch finanziert, dass die für<br />
psychosoziale <strong>Prozessbegleitung</strong> verrechneten Stundensätze die Kosten von<br />
angestellten MitarbeiterInnen <strong>der</strong> Opferhilfeeinrichtungen übersteigen. Diese Ansicht<br />
wird von den Opferhilfeeinrichtungen nicht geteilt.<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> ist ein qualitativ hochwertiges, professionelles und äußerst<br />
anspruchvolles Arbeitsgebiet. Wenn man nicht bewusst einen Qualitätsverlust in <strong>der</strong><br />
Arbeitsleistung in Kauf nehmen will, muss für die o.g. Probleme eine konstruktive<br />
Lösung gefunden werden.<br />
Lösungsansätze<br />
23
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
Die Kostentragung und die Abrechnungsmodalitäten müssen auf ministerieller<br />
Ebene unter Einbindung <strong>der</strong> Opferhilfeeinrichtungen, <strong>der</strong> RechtsanwältInnen und <strong>der</strong><br />
<strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> weiter diskutiert werden.<br />
Durch mehr Rechtsmittelverfahren könnte ein Umdenken/eine Judikaturän<strong>der</strong>ung<br />
hinsichtlich <strong>der</strong> Praxis <strong>der</strong> ersten Instanz, mit Schadenersatzansprüchen auf den<br />
Zivilrechtsweg zu verweisen, erreicht werden.<br />
Durch das Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975, das<br />
Staatsanwaltschaftsgesetz und das Tilgungsgesetz geän<strong>der</strong>t werden (BGBl. I Nr.<br />
119/2005) wurden wesentliche <strong>der</strong> mit dem Strafprozessreformgesetz, BGBl. I Nr.<br />
19/2004, ab 1.1.2008 bestehenden Opferrechte, insbeson<strong>der</strong>e auch die gesetzliche<br />
Implementierung <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> mit 1.1.2006 in Kraft gesetzt. Unter an<strong>der</strong>em<br />
wurde auch die Verpflichtung eingeführt, dass einem Sachverständigen, <strong>der</strong> für die<br />
Beurteilung einer Körperverletzung o<strong>der</strong> Gesundheitsschädigung bestellt wird, vom<br />
Gericht verpflichtend auch die Feststellung <strong>der</strong> Schmerzperioden aufzutragen sind,<br />
um den Zuspruch von Schmerzengeldansprüchen im Strafprozess zu erleichtern.<br />
Es wäre wünschenswert, dass AnwältInnen, die bereits die juristische<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> gemacht haben, auch die Möglichkeit erhalten, die Opfer im<br />
Zivilverfahren zu vertreten.<br />
2.5. Überlegungen zu einer Organisationsstruktur von <strong>Prozessbegleitung</strong> (UAG<br />
„Rechtliche Verankerung von <strong>Prozessbegleitung</strong>“)<br />
Die in <strong>der</strong> Unterarbeitsgruppe „Rechtliche Verankerung von <strong>Prozessbegleitung</strong>“<br />
angestellten Überlegungen zu den Punkten 5 und 6 wurden durch das<br />
Strafprozessreformgesetz (BGBl. I Nr. 19/2004), das Bundesgesetz, mit dem die<br />
Strafprozessordnung 1075, das Staatsanwaltschaftsgesetz und das Tilgungsgesetz<br />
geän<strong>der</strong>t werden (BGBl. I Nr. 119/2005) und durch die Einglie<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> in die bestehenden Strukturen <strong>der</strong> Opferhilfe bereits umgesetzt.<br />
2.6. Fortbildung<br />
Dieses Thema wurde andiskutiert, es liegen noch keine endgültigen Ergebnisse vor.<br />
Bisherige Fortbildungsmaßnahmen im Kin<strong>der</strong>bereich<br />
es fanden in allen Bundeslän<strong>der</strong>n in den Jahren 2001 und 2002 zwei 2-tägige<br />
Fortbildungsseminare für ProzessbegleiterInnen statt (je ein<br />
Grundinformationsseminar und ein interdisziplinäres Seminar)<br />
im Sommer 2004 wurde eine dritte Seminarreihe abgeschlossen<br />
(Supervisionsseminare)<br />
von August 2004 bis Jänner 2006 wurde eine weitere Fortbildungsreihe mit 2<br />
Grundseminaren und 7 Supervisionsseminaren zur <strong>Prozessbegleitung</strong> von<br />
Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen durchgeführt<br />
zum fachlichen Austausch fanden bis dato fünf nationale Vernetzungstreffen<br />
statt<br />
24
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
fachlicher Austausch findet auch in den o.g. "Regionalen Kooperationsforen"<br />
<strong>der</strong> ProzessbegleiterInnen und interdisziplinär besetzten "Runden Tischen"<br />
statt.<br />
Finanziert wurden die Seminare (ReferentInnen, Seminarunterlagen,<br />
Veranstaltungsräumlichkeiten) vom BMSG / Sektion Familie und Sektion Frauen<br />
(Grundinformationsseminare) bzw. vom BMSG / Sektion Familie (Interdisziplinäre<br />
Seminare, Supervisionsseminare). Die Kosten für die Arbeitsstunden <strong>der</strong><br />
SeminarteilnehmerInnen wurden bisher von den jeweiligen Vereinen getragen.<br />
In <strong>der</strong> Steiermark wurde für die Ausbildung von ProzessbegleiterInnen zwei vom<br />
Land finanziertes Curriculum abgehalten, wobei das zweite vom BMSG mitfinanziert<br />
wurde.<br />
Die Fortbildung <strong>der</strong> MitarbeiterInnen in <strong>Prozessbegleitung</strong> ist eines <strong>der</strong> Kriterien des<br />
BMSG bei <strong>der</strong> nach Art. VI Abs. 1 Strafprozessnovelle 1999 vorgesehenen<br />
Abstimmung <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung von Einrichtungen <strong>der</strong> Opferhilfe.<br />
Qualitätssichernde Maßnahmen im Frauenbereich<br />
Institutionsinterne Maßnahmen: Einschulungen von ProzessbegleiterInnen, laufende<br />
Intervision auf Teamebene, Supervision; spezifische Einschulungen von<br />
RechtsanwältInnen (und <strong>der</strong>en Konzipientinnen), die als juristische<br />
ProzessbegleiterInnen kooperieren bzw. regelmäßige Treffen für spezifischen<br />
Austausch zu <strong>Prozessbegleitung</strong>.<br />
Fortbildungsangebote von 1996 bis 2005 in verschiedenen Projektzeiträumen, die<br />
Aufträge wurden erteilt von: Bundeskanzleramt/Bundesministerin für<br />
Frauenangelegenheiten, Frauensektion des BMSG und BMGF. Mit bundesweiten<br />
Seminaren für Mitarbeiterinnen von Fraueneinrichtungen zur Unterstützung von<br />
Gewalt betroffenen Frauen sowie mit interdisziplinären Seminaren zur Kooperation<br />
wurden auch für die <strong>Prozessbegleitung</strong> wichtige Aspekte vermittelt: psychische und<br />
gesellschaftliche Situation betroffener Frauen, Gewalt als traumatische Erfahrung,<br />
Krisenintervention für und begleitende Unterstützung von gewaltbetroffenen Frauen,<br />
rechtliche Aspekte, Grundinformationen zum Strafprozess, Begleitung zu Polizei und<br />
Gericht, Kooperation mit diesen Institutionen, seit 2000 Grundinformation zur<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong>, 2005 zwei spezifische Rechts-Seminare mit den Schwerpunkten<br />
Gewaltschutzgesetz und <strong>Prozessbegleitung</strong>.<br />
Fachspezifischer Austausch zu <strong>Prozessbegleitung</strong> im Rahmen verschiedener<br />
Vernetzungstreffen wie z.B. den jährlichen Bundestreffen <strong>der</strong> Frauenhäuser, den<br />
Vernetzungstreffen aller österreichischen Fraueneinrichtungen in den Jahren 2003,<br />
2004 und 2005, den regelmäßigen Kooperationsforen in einzelnen Bundeslän<strong>der</strong>n<br />
u.ä. sowie einem spezifischen Mitarbeiterinnentreffen aller Interventionsstellen zu<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> im Oktober 2006.<br />
Probleme<br />
Bei den bisher abgehaltenen Seminaren hat sich gezeigt, dass RechtsanwältInnen<br />
an 2-tägigen Veranstaltungen nur vereinzelt teilnehmen.<br />
25
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
Für kleine Vereine ist die Übernahme <strong>der</strong> Kosten für Arbeitsstunden <strong>der</strong><br />
TeilnehmerInnen (an den Seminaren und an den "Regionalen Kooperationsforen"<br />
und "Runden Tischen") ein Problem.<br />
Durch die Fluktuation <strong>der</strong> MitarbeiterInnen und durch qualitative<br />
Weiterentwicklungen in den Beratungsstellen entsteht immer wie<strong>der</strong> die<br />
Notwendigkeit von neuerlichen Schulungen, auch für RechtsanwältInnen und<br />
KonzipientInnen. Es fehlt an spezifischen Fortbildungsseminaren für den<br />
Frauenbereich.<br />
Lösungsvorschläge<br />
Angedacht wurden Austauschforen zwischen RechtsanwältInnen, StaatsanwältInnen<br />
und RichterInnen, gemeinsame Informationsveranstaltungen und ein bundesweites<br />
Schulungskonzept <strong>der</strong> Rechtsanwaltskammer.<br />
Notwendig ist jedenfalls die Weiterführung von Grundinformations- und<br />
Supervisionsseminaren, die <strong>der</strong>zeit DAS adäquate Mittel zur Qualitätssicherung sind<br />
(sowohl für NeueinsteigerInnen, als auch für langjährige ProzessbegleiterInnen).<br />
Eine eigene Fortbildungsreihe für <strong>Prozessbegleitung</strong> von Frauen, die Opfer von<br />
Männergewalt wurden, ist dringend erfor<strong>der</strong>lich und würde einerseits die Struktur des<br />
Angebots standardisieren und an<strong>der</strong>erseits die nötige Differenzierung bringen.<br />
Die Diskussion des Themas Fortbildung in <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> "<strong>Prozessbegleitung</strong>" wird<br />
fortgesetzt.<br />
3. Gesamter Interventionsverlauf im Falle von sexueller Gewalt an<br />
Kin<strong>der</strong>n/Jugendlichen<br />
26
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
Verdacht<br />
↓<br />
Abklärungsprozess<br />
in HelferInnenkonferenzen wird das Wissen zusammengetragen und<br />
Aufgaben verteilt<br />
prophylaktisch muss ein geschützter Ort für das Opfer geschaffen werden<br />
bei Erhärtung des Verdachts:<br />
↓<br />
Offenlegung durch das Kind<br />
Konfrontation des nicht-missbrauchenden Elternteiles<br />
Stabilisierung <strong>der</strong> familiären Situation<br />
Angebote von Ressourcen für das Kind und den nicht-missbrauchenden<br />
Elternteil<br />
Konfrontation des Beschuldigten<br />
je nach Situation des Falles zu diesem Zeitpunkt o<strong>der</strong> später<br />
↓<br />
Interventionen zum Schutz des Kindes<br />
z.B. Aussetzung von Besuchskontakten, Fremdunterbringung,<br />
Antrag auf Einstweilige Verfügung nach dem Gewaltschutzgesetz<br />
↓<br />
Einschaltung <strong>der</strong> psychosozialen und juristischen <strong>Prozessbegleitung</strong>:<br />
Anzeige<br />
abklären von Erwartungen und Wünschen, Konsequenzen einer Anzeige<br />
Überblick und Information über gesamten Ablauf<br />
Absprachen bei<strong>der</strong> ProzessbegleiterInnen (des Kindes und <strong>der</strong><br />
Bezugsperson)<br />
Vorverfahren<br />
Vorbereitung (räumliche, zeitliche Orientierung)<br />
Absprachen mit AnwältInnen, U-RichterInnen, und Jugendwohlfahrt<br />
Begleitung zur kontradiktorischen Einvernahme als Vertrauensperson<br />
Nachbesprechung<br />
Hauptverfahren<br />
Absprachen mit AnwältIn, HauptverhandlungsrichterIn und Jugendwohlfahrt<br />
Vorbereitung und Begleitung <strong>der</strong> Bezugsperson<br />
Nachbesprechung<br />
↓<br />
evt. Aufarbeitung/Therapie<br />
Anregung und Vermittlung in ein entsprechendes Angebot<br />
idealerweise kann mit einer Aufarbeitung bereits nach dem Vorverfahren<br />
begonnen werden<br />
↓<br />
evt. Pflegschaftsgericht<br />
6 Wochen bis ¾ Jahr<br />
2 – 8 2 Monate<br />
Wochen bis ca. 1,5 Jahre<br />
Familienberatungsstellen (Finanzierung<br />
BMSG/BMGFJ und Län<strong>der</strong>)<br />
Jugendwohlfahrt (Finanzierung Län<strong>der</strong>)<br />
Interventionsstellen (Finanzierung BMI und BMGF)<br />
MitarbeiterInnen von Beratungsstellen,<br />
RechtsanwältInnen<br />
(Finanzierung: Beratungsstellen BMJ,<br />
Interventionsstellen BMI und BMGF/BKA)<br />
VOG<br />
(Fin. BMSG/<br />
BMGFJ)<br />
JWF (Fin.<br />
Län<strong>der</strong>)<br />
½ Jahr bis<br />
ca. 5 Jahre<br />
27
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
4. Strukturen <strong>der</strong> Opferhilfe in Österreich<br />
Es gibt bundesweite Strukturen für Opferhilfe mit ausgebildeten, spezialisierten<br />
MitarbeiterInnen. Die Einrichtungen sind im Bereich <strong>der</strong> Opferhilfe seit Jahren tätig<br />
und in <strong>der</strong> Bevölkerung bekannt. <strong>Prozessbegleitung</strong> muss daher an diese Strukturen<br />
angebunden sein.<br />
Institutionen im Bereich <strong>der</strong> Opferhilfe:<br />
Kin<strong>der</strong>bereich (Kin<strong>der</strong> und Jugendliche als Opfer von Gewalt):<br />
Kin<strong>der</strong>schutzzentren und einschlägige Beratungsstellen<br />
Kin<strong>der</strong>- und Jugendanwaltschaften als Landesstellen (eine pro Bundesland)<br />
Ämter für Jugend und Familie bzw. Jugendwohlfahrtsabteilungen <strong>der</strong> Län<strong>der</strong><br />
Kin<strong>der</strong>schutzgruppen in Spitälern<br />
Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels (LEFÖ)<br />
Frauenbereich (Frauen als Opfer von Männergewalt):<br />
Interventionsstellen (eine pro Bundesland)<br />
Frauennotrufe (Linz, Salzburg, Graz, Innsbruck, Wien)<br />
Spezialisierte Frauenberatungsstellen<br />
Frauenhäuser (Zuständigkeit <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>)<br />
Männerbereich (Buben, Burschen und Männer als Opfer von Männergewalt/<br />
familiärer Gewalt):<br />
Männerberatungsstellen (Bregenz, Eisenstadt, Klagenfurt, Linz, Graz,<br />
Salzburg, St. Pölten, Wien)<br />
Sonstige Gewaltopfer (Opfer aus an<strong>der</strong>en Gewaltzusammenhängen):<br />
Landesorganisationen des Weissen Rings (zusätzlich: Außenstellen)<br />
Neustart<br />
Bundessozialämter<br />
Neben den Landesstellen (Kin<strong>der</strong>- und Jugendanwaltschaften, Jugendwohlfahrt),<br />
den Frauenhäusern, und den Landes- und Außenstellen des Weißen Rings sowie<br />
den Zweigstellen des Neustart sind ca. 100 Beratungsstellen im Gewaltbereich tätig<br />
(Interventionsstellen, Frauennotrufe, Frauenberatungs- bzw. Servicestellen,<br />
Kin<strong>der</strong>schutzzentren, Kin<strong>der</strong>schutzgruppen in den Spitälern, spezialisierte<br />
Beratungsstellen für Kin<strong>der</strong>/Jugendliche bei sexueller Gewalt,<br />
Männerberatungsstellen).<br />
Interventionsstellen intervenieren und unterstützen bei Gewalt in <strong>der</strong> Familie und<br />
vernetzen die befassten Einrichtungen, Frauennotrufe und Frauenberatungs- bzw.<br />
Servicestellen bieten schwerpunktmäßig Gewaltberatung an, Frauenservicestellen in<br />
unterschiedlichem Ausmaß. An<strong>der</strong>e Beratungsstellen wie z.B. Kin<strong>der</strong>schutzzentren<br />
haben auch an<strong>der</strong>e Schwerpunkte (z.B. Besuchsbegleitung).<br />
Zu den o.g. Beratungsstellen kommen ca. 15-20 weitere Stellen, die – z.B. als<br />
Familienberatungsstellen – auch Gewaltberatung anbieten, aber vorrangig an<strong>der</strong>e<br />
Schwerpunkte abdecken.<br />
28
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
Die o.g. Beratungsstellen für Kin<strong>der</strong>, Frauen und Männer werden - natürlich mit<br />
Ausnahme <strong>der</strong> Landesstellen - meist sowohl vom Bund (BMSG/BMGFJ -<br />
Familienberatungsstellenför<strong>der</strong>ung, BMGF/BKA 2 ) als auch von den Län<strong>der</strong>n<br />
geför<strong>der</strong>t. Die Interventionsstellen werden im Rahmen von Auftragsverträgen vom<br />
BMGF/BKA und BMI finanziert. In einzelnen Bundeslän<strong>der</strong>n (Oberösterreich,<br />
Steiermark) werden zusätzlich Regionalstellen bzw. Regionalisierungsprojekte von<br />
den Län<strong>der</strong>n geför<strong>der</strong>t.<br />
4.1. Einbindung von <strong>Prozessbegleitung</strong> in die Strukturen <strong>der</strong> Opferhilfe<br />
Bei <strong>der</strong> Offenlegung von Gewalt ist die Gefahr <strong>der</strong> sekundären Traumatisierung für<br />
die Opfer beson<strong>der</strong>s groß. <strong>Prozessbegleitung</strong> muss von geschulten Personen unter<br />
Berücksichtigung von bereits entwickelten Standards durchgeführt werden<br />
(Anfor<strong>der</strong>ungsprofile für psychosoziale und juristische ProzessbegleiterInnen).<br />
Erfahrungen zeigen, dass die Einhaltung <strong>der</strong> Standards (Betreuung von<br />
Bezugspersonen, Kooperation mit allen involvierten Stellen, flexible zeitliche<br />
Ressourcen für ad-hoc Termine o<strong>der</strong> Krisensituationen etc.) am ehesten<br />
gewährleistet ist, wenn psychosoziale ProzessbegleiterInnen institutionell<br />
eingebunden sind<br />
Opferhilfe beginnt lange vor <strong>Prozessbegleitung</strong>. <strong>Prozessbegleitung</strong> muss in die<br />
bestehenden Strukturen <strong>der</strong> Opferhilfe integriert sein.<br />
In den 9 Bundeslän<strong>der</strong>n bestehen Kooperationsforen für <strong>Prozessbegleitung</strong>, in<br />
denen die o.g. Einrichtungen vernetzt sind.<br />
5. Standards für psychosoziale <strong>Prozessbegleitung</strong> von Mädchen,<br />
Buben und Jugendlichen als Opfer sexueller und physischer<br />
Gewalt<br />
2 Seit 1.03.<strong>2007</strong> ist das Bundeskanzleramt (BKA), Ressort Frauen und Gleichstellung zuständig<br />
29
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
Die folgenden Standards für <strong>Prozessbegleitung</strong> sind entwickelt worden aus:<br />
den Erfahrungen des Modellprojekts „Psychologische und juristische<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong>“, in Wien (1998 – 2000), Beratungsstelle Tamar (Sonja Wohlatz)<br />
und „Beratungsstelle für sexuell missbrauchte Mädchen und junge Frauen“ (Sabine<br />
Rupp),<strong>der</strong> Diskussion in <strong>der</strong> interministeriellen <strong>Arbeitsgruppe</strong> „Implementierung von<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong>“ (eingerichtet im Mai 2001) im Bundesministerium für soziale<br />
Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz und den Rückmeldungen von<br />
bundesweiten Seminaren zu <strong>Prozessbegleitung</strong>.<br />
Die vorliegenden Standards sind die <strong>der</strong>zeit aktuelle Version, sie werden jedoch in<br />
<strong>der</strong> o.g. <strong>Arbeitsgruppe</strong> laufend diskutiert und weiterentwickelt.<br />
Prämisse<br />
Keine Person und keine Institution kann sexuellen Missbrauch und Misshandlung<br />
alleine abklären, beenden und die Folgen tragen. Kooperation zwischen den<br />
involvierten Berufsgruppen ist unbedingt notwendig.<br />
Voraussetzung<br />
Die Umsetzung und Machbarkeit <strong>der</strong> Standards ist gebunden an eine finanzielle<br />
Absicherung.<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> 3<br />
Das Angebot <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> umfasst die Betreuung von Kin<strong>der</strong>n und<br />
Jugendlichen, die von körperlicher o<strong>der</strong> sexueller Gewalt betroffen sind und <strong>der</strong>en<br />
Bezugspersonen. Die Arbeit <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> beginnt idealerweise vor <strong>der</strong><br />
Anzeige und dauert in <strong>der</strong> Regel bis zur rechtskräftigen Beendigung des<br />
Strafprozesses und schließt auch das Pflegschaftsgericht mit ein, sofern dies für die<br />
Vertretung im Strafverfahren Voraussetzung ist. Die <strong>Prozessbegleitung</strong> besteht aus<br />
<strong>der</strong> psychosozialen und <strong>der</strong> juristischen <strong>Prozessbegleitung</strong>. Sie beinhaltet auch die<br />
für diese Zwecke erfor<strong>der</strong>liche Kooperation mit an<strong>der</strong>en Berufsgruppen. 4<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> ist in Beratungseinrichtungen angesiedelt; von dort wird die<br />
Kooperation mit den RechtsanwältInnen abgewickelt.<br />
Aufgaben <strong>der</strong> psychosozialen und juristischen <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
Zu den Aufgaben <strong>der</strong> psychosozialen <strong>Prozessbegleitung</strong> gehören vor allem die<br />
Vorbereitung <strong>der</strong> Betroffenen und <strong>der</strong>en Bezugssystem auf die Anzeige, die<br />
Begleitung zur Polizei, die Vorbereitung <strong>der</strong> ZeugInnen auf und die Begleitung zur<br />
kontradiktorischen Einvernahme sowie die Begleitung zur Hauptverhandlung.<br />
Die juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> bzw. anwaltliche Unterstützung umfasst die<br />
rechtliche Beratung und Vertretung, insbeson<strong>der</strong>e auch die Geltendmachung von<br />
zivilrechtlichen Ansprüchen im Strafverfahren (Adhäsionsverfahren). Um die<br />
prozessualen Rechte von Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen sicherzustellen und ihnen<br />
größtmögliche Schonung durch Information und Beratung zu gewährleisten, ist eine<br />
Kombination von psychosozialer <strong>Prozessbegleitung</strong> und anwaltlicher Vertretung<br />
3 Die psychosoziale und juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> – letztere in Form anwaltlicher Beratung und<br />
Vertretung - sowie die Arbeit mit dem Bezugssystem werden <strong>der</strong>zeit durch das BMJ finanziert.<br />
4 Etwaige Datenschutz-Probleme im Bereich <strong>der</strong> fallspezifischen Kooperation bzw. <strong>der</strong> HelferInnenkonferenzen<br />
müssen noch näher beleuchtet und unter Umständen vereinzelte Ausnahmeregelungen überlegt werden.<br />
30
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
ideal. Die Arbeit <strong>der</strong> AnwältIn erfolgt in Koordination mit <strong>der</strong>/m psychosozialen<br />
ProzessbegleiterIn.<br />
Für die Einhaltung <strong>der</strong> beiden o.g. Standards sind in erster Linie<br />
ProzessbegleiterInnen bzw. Beratungsstellen zuständig, die <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
anbieten. Alle an<strong>der</strong>en in die Opferhilfe 3 involvierten Stellen/Institutionen müssen -<br />
sobald sie von einem Fall Kenntnis erlangen - sicherstellen, dass die Betroffenen<br />
möglichst rasch über die Möglichkeit von <strong>Prozessbegleitung</strong> informiert werden (z.B.<br />
Polizei, Jugendamt, (Familien)Beratungsstellen, ÄrztInnen, RechtsanwältInnen,<br />
StaatsanwältInnen, (Untersuchungs-)RichterInnen.<br />
Bezugssystem stärken<br />
Bei <strong>der</strong> Aufdeckung von sexuellem Missbrauch und den daraus folgenden<br />
Prozessen befinden sich nicht nur die betroffenen Kin<strong>der</strong>, son<strong>der</strong>n auch ihr<br />
Bezugssystem in einer Krise.<br />
Die Begleitung und Beratung nahestehen<strong>der</strong> Bezugspersonen ist eine wesentliche<br />
Unterstützung, die sich in unterschiedlichen Bereichen positiv auf die Opfer auswirkt.<br />
Alle Betroffenen fühlen sich dadurch wahrgenommen und die Bereitschaft in <strong>der</strong><br />
Familie wird geför<strong>der</strong>t, sich professionelle Hilfe zu holen und diese auch<br />
anzunehmen.<br />
Für die Einhaltung dieses Standards und das Vorliegen <strong>der</strong> gesetzlichen<br />
Voraussetzungen sind in erster Linie ProzessbegleiterInnen bzw. Beratungsstellen<br />
zuständig, die <strong>Prozessbegleitung</strong> anbieten.<br />
Institutionelle Eingebundenheit<br />
Die Eingebundenheit von psychosozialen ProzessbegleiterInnen in fachspezifischen<br />
Institutionen bzw. Kin<strong>der</strong>schutzeinrichtungen muss als wesentliche Ressource für<br />
diese schwierige Tätigkeit betont werden. In einem Fachteam ist gleichermaßen das<br />
Wissen, die Erfahrung und die Praxis in <strong>der</strong> Arbeit mit min<strong>der</strong>jährigen Opfern von<br />
Gewalt gebündelt sowie die notwendige zeitliche Flexibilität gegeben. Auch <strong>der</strong><br />
Rahmen für die notwendige Kooperation mit involvierten Berufsgruppen und für die<br />
Betreuung <strong>der</strong> Bezugspersonen ist in Institutionen erfahrungsgemäß schon<br />
vorhanden.<br />
Psychosoziale <strong>Prozessbegleitung</strong> ist nicht Psychotherapie<br />
Die Aufarbeitung des Missbrauchs bzw. die Psychotherapie ist für Kin<strong>der</strong> und<br />
Jugendliche meist erst nach <strong>der</strong> kontradiktorischen Einvernahme möglich - davor<br />
stehen für die Betroffenen das Gerichtsverfahren und Interventionen zum Schutz im<br />
Vor<strong>der</strong>grund (Schwerpunkt <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong>). Die psychotherapeutische<br />
Aufarbeitung erfolgt in einer Beratungsstelle o<strong>der</strong> bei einer/m nie<strong>der</strong>gelassenen<br />
Psychotherapeuten/in und ist nicht Bestandteil <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong>.<br />
Zuständig für die Einhaltung dieses Standards sind ProzessbegleiterInnen und<br />
Beratungsstellen (z.B. durch Vermittlung in ein weiterführendes Beratungs- o<strong>der</strong><br />
Therapieangebot).<br />
3 Opferhilfe ist mehr als <strong>Prozessbegleitung</strong>. Sie umfasst z.B. Opferschutzmaßnahmen <strong>der</strong> Exekutive<br />
(Wegweisungen und Betretungsverbote), <strong>der</strong> Zivilgerichte (einstweilige Verfügungen), <strong>der</strong> Jugendwohlfahrt, die<br />
Unterstützung <strong>der</strong> Opfer durch (Familien)Beratungsstellen im Vorfeld von <strong>Prozessbegleitung</strong>, die psychosoziale<br />
und juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> und die psychische Aufarbeitung bzw. – wenn nötig – Psychotherapie parallel<br />
zur o<strong>der</strong> nach <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong>, z.B. im Rahmen des VOG.<br />
31
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
Öffentlicher Beratungsraum<br />
Vor allem in Regionen mit einem losen Ressourcennetz bzw. in sehr großflächigen<br />
Bundeslän<strong>der</strong>n wird eine „mobile <strong>Prozessbegleitung</strong>“ notwendig sein, da lange<br />
Wegstrecken für Kin<strong>der</strong> nicht zumutbar sind. In diesen Fällen muss<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> an einem öffentlichen Ort stattfinden (z.B. in einem<br />
Besprechungsraum des Jugendamtes, eines Kin<strong>der</strong>schutzzentrums o<strong>der</strong> einer<br />
Beratungsstelle). Sie darf nicht in eine private Umgebung verlagert werden (z.B. in<br />
eine private Wohnung, wo <strong>der</strong> Missbrauch o<strong>der</strong> die Gewalt möglicherweise<br />
stattgefunden hat).<br />
Zuständig für die Einhaltung dieses Standards sind ProzessbegleiterInnen,<br />
Beratungsstellen und öffentliche Stellen (indem z.B. ein Besprechungsraum zur<br />
Verfügung gestellt wird).<br />
32
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
5.1. Qualifikation und Anfor<strong>der</strong>ungsprofil von psychosozialen<br />
ProzessbegleiterInnen in <strong>der</strong> Arbeit mit Mädchen, Buben und Jugendlichen<br />
als Opfer sexueller und physischer Gewalt<br />
Das folgende Qualifikations- und Anfor<strong>der</strong>ungsprofil von psychosozialen<br />
ProzessbegleiterInnen ist entwickelt worden aus:<br />
den Erfahrungen des Modellprojekts „Psychologische und juristische<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong>“, in Wien (1998 – 2000), Beratungsstelle Tamar (Sonja<br />
Wohlatz) und „Beratungsstelle für sexuell missbrauchte Mädchen und junge<br />
Frauen“ (Sabine Rupp),<br />
<strong>der</strong> Diskussion in <strong>der</strong> interministeriellen <strong>Arbeitsgruppe</strong> „Implementierung von<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong>“ (eingerichtet im Mai 2001) im Bundesministerium für<br />
soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz und<br />
den Rückmeldungen von bundesweiten Seminaren zu <strong>Prozessbegleitung</strong>.<br />
Das vorliegende Anfor<strong>der</strong>ungsprofil ist die <strong>der</strong>zeit aktuelle Version, es wird jedoch in<br />
<strong>der</strong> o.g. <strong>Arbeitsgruppe</strong> laufend diskutiert und weiterentwickelt.<br />
Psychosoziale Grundausbildung<br />
Als Nachweis gilt <strong>der</strong> Abschluss eines einschlägigen Hochschulstudiums, <strong>der</strong><br />
Abschluss einer Fachhochschule/Akademie für Sozialarbeit, einer Lehranstalt für<br />
Sozialpädagogik o<strong>der</strong> eine wissenschaftlich anerkannte psychotherapeutische<br />
Ausbildung.<br />
Beratungskompetenz<br />
Erfahrungen und Kompetenzen in Beratungstätigkeit und Gesprächsführung,<br />
erworben durch Ausbildung und Erfahrung (Praxis) im psychosozialen Bereich sind<br />
Voraussetzung. Hinzu kommt, dass ProzessbegleiterInnen über ausreichendes<br />
Grundwissen über sexuelle Gewalt und Misshandlung und über juristische<br />
Verfahrensabläufe verfügen müssen.<br />
Erfahrung aus <strong>der</strong> Arbeit mit Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen<br />
Kin<strong>der</strong> und Jugendliche denken, erleben und handeln an<strong>der</strong>s als Erwachsene,<br />
deswegen sind einschlägige Erfahrungen in <strong>der</strong> Arbeit mit Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen<br />
notwendig.<br />
Vernetzungskompetenz<br />
Da die Tätigkeiten <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> ein hohes Maß an Kooperations- und<br />
Koordinationsbereitschaft erfor<strong>der</strong>n, ist die Fähigkeit, Vernetzung zu organisieren<br />
bzw. in vernetzten Zusammenhängen zu arbeiten, unabdingbar. Zudem sollen<br />
ProzessbegleiterInnen die Fähigkeit haben, Möglichkeiten und Grenzen <strong>der</strong> eigenen<br />
Wirkungsbereiche sowie die <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Berufsgruppen zu erkennen und zu<br />
respektieren.<br />
Verständnis für juristische Inhalte und Sichtweisen<br />
33
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
Juristische Vorgangsweisen folgen an<strong>der</strong>en Richtlinien als Prozesse psychosozialer<br />
Arbeit. <strong>Prozessbegleitung</strong> ist am Schnittpunkt bei<strong>der</strong> Bereiche angesiedelt und dient<br />
auch <strong>der</strong> Vermittlung strafrechtlicher Vorgänge und Zusammenhänge. Daher ist die<br />
Bereitschaft, sich auf juristische Inhalte und Sichtweisen einzulassen, unabdingbar.<br />
Reflexions- und Entwicklungsbereitschaft<br />
Um das Arbeitsfeld <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> weiter zu entwickeln, sind die Reflexion<br />
<strong>der</strong> Tätigkeiten <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> und die Auswirkungen auf die KlientInnen, auf<br />
sich und an<strong>der</strong>e, unverzichtbar. Dies bedeutet, dass die Bereitschaft zur Offenheit,<br />
Reflexion und Auseinan<strong>der</strong>setzung mit sich und an<strong>der</strong>en Berufsgruppen<br />
Voraussetzung ist, und dass darüber hinaus auch Innovationsbereitschaft gefor<strong>der</strong>t<br />
wird.<br />
Kommunikations- und Konfliktfähigkeit, Belastbarkeit und Flexibilität<br />
Wenn sexuelle Gewalt o<strong>der</strong> Misshandlung öffentlich wird, entsteht eine Vielzahl<br />
unterschiedlicher Probleme, die flexible Lösungsmöglichkeiten benötigen.<br />
Die spezifischen Arbeitsbedingungen erfor<strong>der</strong>n ein hohes Maß an Kommunikations-<br />
und Konfliktfähigkeit. Hinzu kommt, dass die Ansprüche <strong>der</strong> KlientInnen nach<br />
Gerechtigkeit und Wie<strong>der</strong>gutmachung häufig nicht erfüllt werden können. Dieses<br />
Spannungsverhältnis erzeugt Belastungen, die reflektiert und getragen werden<br />
müssen.<br />
Freie Ressourceneinteilung<br />
Die Möglichkeit einer flexiblen Zeiteinteilung ist erfor<strong>der</strong>lich, weil äußere<br />
Bedingungen (z.B. Gerichtstermine) kaum Rücksicht auf persönliche o<strong>der</strong> berufliche<br />
Zeitvorgaben nehmen können.<br />
In <strong>der</strong> Arbeit mit min<strong>der</strong>jährigen Opfern ist es notwendig, die Bezugsperson<br />
mitzubegleiten, d.h. es müssen zwei psychosoziale ProzessbegleiterInnen pro Fall<br />
zur Verfügung stehen. Dafür braucht es neben <strong>der</strong> zeitlichen Flexibilität auch eine<br />
Flexibilität an Betreuungsressourcen.<br />
Kontinuierliche Fortbildung im juristischen und psychosozialen Bereich sowie<br />
laufende Supervision 5<br />
Supervision und Fortbildung in den genannten Bereichen stellen eine absolute<br />
Notwendigkeit dar, um die nötige Kompetenz und Handlungsfähigkeit aufzuweisen<br />
und bezüglich <strong>der</strong> fachlichen Entwicklungen zu aktualisieren. Als Nachweis gilt die<br />
Teilnahme an den vom BMSG/BMGFJ in Auftrag gegebenen Seminaren o<strong>der</strong><br />
vergleichbaren Fortbildungsveranstaltungen, die sich an den Standards orientieren.<br />
Für die Einhaltung <strong>der</strong> Qualifikation und des Anfor<strong>der</strong>ungsprofils sind einerseits jene<br />
Stellen/Institutionen verantwortlich, die <strong>Prozessbegleitung</strong> anbieten. Ihnen obliegt es,<br />
die Fähigkeiten, die Erfahrung und die Motivation in <strong>der</strong> Bewerbung bzw. bei <strong>der</strong><br />
Auswahl <strong>der</strong> ProzessbegleiterInnen zu überprüfen und sicherzustellen, dass nicht nur<br />
5 Erste Fortbildungsmaßnahmen wurden vom BMSG finanziert. Zukünftige einschlägige Fortbildungsangebote<br />
sowie Supervision müssen durch den Bund (BMJ, BMSG/BMGFJ, BMI) und/o<strong>der</strong> die Län<strong>der</strong> mittels finanzieller<br />
Ressourcen sichergestellt werden.<br />
34
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
einzelne Kriterien son<strong>der</strong>n das gesamte Anfor<strong>der</strong>ungsprofil erfüllt werden.<br />
An<strong>der</strong>erseits ist das BMJ durch die Prüfung <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ungswürdigkeit zuständig.<br />
5.2. Qualifikation für juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> in <strong>der</strong> Arbeit mit Kin<strong>der</strong>n<br />
und Jugendlichen<br />
Präambel<br />
Oberstes Ziel <strong>der</strong> juristischen ebenso wie <strong>der</strong> psychosozialen <strong>Prozessbegleitung</strong> von<br />
Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen als Opfer (sexueller) Gewalt ist die Schonung <strong>der</strong><br />
betroffenen Kin<strong>der</strong> und Jugendlichen bei Gericht.<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> ist in Beratungseinrichtungen angesiedelt; von dort wird die<br />
Kooperation zu den RechtsanwältInnen abgewickelt.<br />
Erfahrung in rechtsanwaltlicher Vertretung von Opfern von Gewalt sowie<br />
sexuellem Missbrauch<br />
Voraussetzung für qualifizierte juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> ist Erfahrung und Praxis<br />
in <strong>der</strong> Beratung und Vertretung von Opfern von Gewalt sowie sexuellem Missbrauch<br />
im Rahmen rechtsanwaltlicher Tätigkeit. Dazu zählt nicht nur die Vertretung im<br />
Rahmen eines Strafprozesses, son<strong>der</strong>n auch in sämtlichen an<strong>der</strong>en<br />
Gerichtsverfahren (z.B. Scheidungs-, Obsorge-, Unterhalts-,<br />
Schadenersatzverfahren) sowie die Vertretung gegenüber Behörden.<br />
Grundwissen über Entwicklungspsychologie und Gewaltdynamik<br />
Qualifizierte juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> erfor<strong>der</strong>t entwicklungspsychologisches<br />
Grundwissen, um beispielsweise Gutachten nachvollziehen, Fragen <strong>der</strong> Verteidigung<br />
adäquat beantworten sowie entwicklungspsychologische Fakten ins Plädoyer<br />
einfließen lassen zu können.<br />
Weiters sind ein Grundwissen über Formen und Auswirkungen von<br />
sexueller/physischer Gewalt gegen Kin<strong>der</strong> und Jugendliche, ein Grundverständnis<br />
für die dabei spezifischen Lebenszusammenhänge, für die Handlungsmöglichkeiten<br />
von Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen in Abhängigkeit und Gewaltstrukturen, sowie ein<br />
Grundwissen über Täterprofile und Täterverhalten erfor<strong>der</strong>lich.<br />
Kooperation und Erfahrungsaustausch<br />
Qualifizierte <strong>Prozessbegleitung</strong> setzt auf Fallebene eine enge Zusammenarbeit<br />
zwischen juristischer und psychosozialer <strong>Prozessbegleitung</strong> voraus, um im Umgang<br />
mit den KlientInnen eine schonungsvolle Behandlung sicher zu stellen. Prozessuale<br />
Rechte sind im Hinblick auf dieses Ziel maximal zu nutzen.<br />
Es bedarf auch eines kontinuierlichen, fallunabhängigen Erfahrungsaustausches<br />
zwischen den RechtsanwältInnen, den StaatsanwältInnen, den Sachverständigen<br />
und RichterInnen, um die spezifische Problematik zu reflektieren sowie juristisch<br />
weiter zu entwickeln. Das erfor<strong>der</strong>t auch fallübergreifend den Austausch mit<br />
befassten Einrichtungen, z.B. durch Teilnahme an Kooperationsforen, "Runden<br />
Tischen" o.ä.<br />
35
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
Aus- und Weiterbildung<br />
Juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> wird von RechtsanwältInnen durchgeführt.<br />
Schulungen sollten in Zusammenarbeit mit den <strong>Prozessbegleitung</strong>-Einrichtungen von<br />
den Rechtsanwaltskammern angeboten bzw. organisiert werden, wobei auch an<strong>der</strong>e<br />
Schulungen (z.B. die vom BMSG finanzierten Fortbildungen und Seminare) bzw.<br />
an<strong>der</strong>e Arten <strong>der</strong> Qualifikation (z.B. jahrelange Zusammenarbeit mit<br />
Opferhilfeeinrichtungen) anerkannt werden können. Zusätzlich ist eine<br />
kontinuierliche Fortbildung erfor<strong>der</strong>lich.<br />
RechtsanwältInnen sind dafür verantwortlich, dass nur jene KonzipientInnen zur<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> eingesetzt werden, die eine entsprechende Schulung erhalten<br />
haben, wobei die Kontinuität <strong>der</strong> Vertretung durch ein und dieselbe Person<br />
wünschenswert ist.<br />
5.3. Empfehlungen für <strong>Prozessbegleitung</strong> von Mädchen, Buben und<br />
Jugendlichen als Opfer sexueller und physischer Gewalt<br />
Die folgenden Empfehlungen für <strong>Prozessbegleitung</strong> sind entwickelt worden aus:<br />
den Erfahrungen des Modellprojekts „Psychologische und juristische<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong>“, in Wien (1998 – 2000), Beratungsstelle Tamar (Sonja<br />
Wohlatz) und „Beratungsstelle für sexuell missbrauchte Mädchen und junge<br />
Frauen“ (Sabine Rupp),<br />
<strong>der</strong> Diskussion in <strong>der</strong> interministeriellen <strong>Arbeitsgruppe</strong> „Implementierung von<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong>“ (eingerichtet im Mai 2001) im Bundesministerium für<br />
soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz und<br />
den Rückmeldungen von bundesweiten Seminaren zu <strong>Prozessbegleitung</strong>.<br />
Die vorliegenden Empfehlungen sind die <strong>der</strong>zeit aktuelle Version, sie werden jedoch<br />
in <strong>der</strong> o.g. <strong>Arbeitsgruppe</strong> laufend diskutiert und weiterentwickelt.<br />
Voraussetzungen<br />
Solange notwendige gesetzliche Voraussetzungen nicht bestehen und ausreichende<br />
finanzielle Mittel sowie zeitliche Ressourcen nicht sichergestellt sind, können die<br />
folgenden Punkte nicht als Standards <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong>, son<strong>der</strong>n nur als<br />
Empfehlungen angeführt werden.<br />
Ausweitung <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
Aus dem Wissen, dass <strong>der</strong> gesamte Verlauf eines Prozesses – vom Entschluss,<br />
Anzeige zu erstatten, bis hin zu allfälligen pflegschaftsgerichtlichen Entscheidungen<br />
und <strong>der</strong> Durchsetzung privatrechtlicher Ansprüche – sehr belastend ist, und dass<br />
sich aufgrund sexuellen Missbrauchs und Misshandlungen die familiären Strukturen<br />
än<strong>der</strong>n bzw. auflösen, wäre aus Sicht <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> die Ausweitung solcher<br />
Unterstützung begrüßenswert: <strong>Prozessbegleitung</strong> sollte nicht nur bis zum Ende des<br />
Strafverfahrens angeboten werden, son<strong>der</strong>n auch zur daran anschließenden<br />
36
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
Durchsetzung des im Strafverfahren zugesprochenen Schadenersatzes bis zum<br />
Ende eines allfälligen Zivilverfahrens, insbeson<strong>der</strong>e bei Verweisung von<br />
Privatbeteiligten mit allfälligen Schadenersatzansprüchen auf den Zivilrechtsweg.<br />
Auch für pflegschaftsgerichtliche Verfahren, die aufgrund des sexuellen Missbrauchs<br />
und <strong>der</strong> Misshandlungen erfor<strong>der</strong>lich werden, kann aus Sicht <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong><br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> notwendig werden.<br />
Das Kooperationsforum ProzessbegleiterInnen<br />
Das Kooperationsforum <strong>der</strong> psychosozialen (und fallweise juristischen)<br />
ProzessbegleiterInnen dient dem regelmäßigen Erfahrungsaustausch, um die<br />
weitere Professionalisierung <strong>der</strong> BegleiterInnen zu gewährleisten, den<br />
Qualitätsstandard zu halten und durch Reflexion die Belastungen <strong>der</strong> Arbeit<br />
gemeinsam zu verarbeiten. Im Kooperationsforum werden auch gemeinsame<br />
Strategien entwickelt, um die Kooperation und Vernetzung voranzutreiben. Die<br />
Ergebnisse fließen in die ExpertInnentreffen („Runde Tische“) ein.<br />
Neben den regionalen bzw. bundeslän<strong>der</strong>spezifischen Vernetzungen ist auch ein<br />
überregionales Forum für alle österreichischen ProzessbegleiterInnen notwendig,<br />
das etwa zweimal jährlich tagen soll. Fallweise gemeinsame Treffen von<br />
ProzessbegleiterInnen aus dem Frauen- und Kin<strong>der</strong>bereich sind sinnvoll und<br />
wünschenswert.<br />
Die Koordination des Kooperationsforums <strong>Prozessbegleitung</strong> übernimmt<br />
vorzugsweise in jedem Bundesland eine Institution (z.B. eine<br />
Kin<strong>der</strong>schutzeinrichtung, die Kin<strong>der</strong>- und Jugendanwaltschaft) – zumindest für einen<br />
bestimmten Zeitraum. Diese Institution stellt eine Koordinatorin, die diese Treffen<br />
(regional und überregional) initiiert. Damit soll die Regelmäßigkeit <strong>der</strong> Treffen<br />
gewährleistet sein. Um die Effizienz <strong>der</strong> <strong>Arbeitsgruppe</strong> zu erhöhen, ist für die Treffen<br />
selbst eine außenstehende Mo<strong>der</strong>atorIn zu empfehlen.<br />
Die Installierung von „Runden Tischen“ mit ExpertInnen<br />
Diese Treffen fungieren als Bindeglied zwischen den Bereichen Kin<strong>der</strong>schutz und<br />
Gericht. Die interdisziplinär zusammengesetzten „Runden Tische“ sind regelmäßige<br />
ExpertInnentreffen aller involvierten Berufsgruppen (sowohl auf <strong>der</strong> Leitungs- wie auf<br />
<strong>der</strong> Praxisebene) mit dem Ziel, zur Verbesserung und Handhabung von<br />
Opferrechten beizutragen sowie Verfahren für eine „kin<strong>der</strong>schonende Behandlung“<br />
im juristischen Proze<strong>der</strong>e zu etablieren. Die in diesem Gremium erarbeiteten<br />
Empfehlungen werden an das Kooperationsforum <strong>der</strong> ProzessbegleiterInnen<br />
rückübermittelt.<br />
Es empfiehlt sich, in jedem Bundesland festzulegen, wer in welchem Zeitraum für die<br />
Einberufung <strong>der</strong> „Runden Tische“ zuständig ist (sowohl für die Praxis- als auch für<br />
die Leitungsebene). Möglich ist die Ansiedlung <strong>der</strong> "Runden Tische" bei<br />
(Landes)Gerichten, bei <strong>der</strong> Jugendwohlfahrt etc. Bei einer Einladung von<br />
VertreterInnen <strong>der</strong> Leitungsebene empfiehlt es sich, dass die GastgeberIn eine<br />
ähnliche Hierarchieebene inne hat (z.B. Leitung <strong>der</strong> Jugendwohlfahrt, Landesräte).<br />
Ein einheitliches Dokumentationssystem<br />
Für die umfassende Evaluation ist ein einheitliches Dokumentationssystem<br />
erfor<strong>der</strong>lich, z.B. in Form eines Dokumentationsbogens, in dem jede/r<br />
ProzessbegleiterIn die wichtigsten Daten (selbstverständlich anonym) erhebt. Die<br />
Auswertung dient <strong>der</strong> weiteren Entwicklung <strong>der</strong> Arbeit und zeigt den<br />
37
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
Handlungsbedarf an<strong>der</strong>er Bereiche auf. Ein umfassen<strong>der</strong> Datenschutz muss<br />
allerdings gewährleistet sein! 4 .<br />
6. Standards für psychosoziale <strong>Prozessbegleitung</strong> von Frauen als<br />
Betroffene von Männergewalt<br />
4 Finanziert wurde die Entwicklung eines Dokumentationsbogens für <strong>Prozessbegleitung</strong> von Kin<strong>der</strong>n und<br />
Jugendlichen vom BMI (2000-2002). Der Dokumentationsbogen kann jedoch in <strong>der</strong> Praxis aufgrund seines<br />
Umfangs nur im Rahmen begrenzter Forschungsprojekte eingesetzt werden, wobei die Finanzierung solcher<br />
Forschungsprojekte noch zu klären ist.<br />
38
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
Die folgenden Punkte orientieren sich an den Standards für <strong>Prozessbegleitung</strong> von<br />
Mädchen, Buben und Jugendlichen; die Modifizierung für Frauen als Gewaltopfer<br />
basiert auf<br />
den Erfahrungen <strong>der</strong> Frauenhäuser, Interventionsstellen und Frauennotrufe in<br />
Österreich, (Bearbeitung: Beratungsstelle <strong>der</strong> Wiener Frauenhäuser,<br />
Frauennotrufe Linz und Graz, Interventionsstelle Linz).<br />
<strong>der</strong> Dokumentation <strong>der</strong> Interventionsstelle Linz über das Projekt<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> im Jahr 2001<br />
<strong>der</strong> Diskussion in <strong>der</strong> interministeriellen <strong>Arbeitsgruppe</strong> „Implementierung von<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong>“ (eingerichtet im Mai 2001) im Bundesministerium für<br />
soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz<br />
Die vorliegenden Standards sind die <strong>der</strong>zeit aktuelle Version (Mai <strong>2007</strong>), sie werden<br />
in <strong>der</strong> o.g. <strong>Arbeitsgruppe</strong> laufend diskutiert und weiterentwickelt.<br />
Voraussetzung<br />
Die Umsetzung und Machbarkeit <strong>der</strong> Standards ist gebunden an eine finanzielle<br />
Absicherung.<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> 5<br />
Das Angebot <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> umfasst die Unterstützung von Frauen, die von<br />
Gewalt in Paarbeziehungen, sexualisierter Männergewalt, Frauenhandel bzw.<br />
beharrlicher Verfolgung (Stalking), betroffen sind. Die Arbeit <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
beginnt idealer Weise vor <strong>der</strong> Anzeige und dauert in <strong>der</strong> Regel bis zur<br />
rechtskräftigen Beendigung des Gerichtsverfahrens (Strafprozess o<strong>der</strong> Diversion).<br />
Sie besteht aus <strong>der</strong> psychosozialen und/o<strong>der</strong> <strong>der</strong> juristischen <strong>Prozessbegleitung</strong>. Sie<br />
beinhaltet auch die für diese Zwecke erfor<strong>der</strong>liche Kooperation mit an<strong>der</strong>en<br />
Berufsgruppen. 6<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> ist in Beratungseinrichtungen angesiedelt; von dort wird die<br />
Kooperation mit den RechtsanwältInnen abgewickelt.<br />
Da die eigenen Ressourcen und Bedürfnisse betroffener Frauen sehr unterschiedlich<br />
sind, orientiert sich das Ausmaß <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> jeweils an den Wünschen<br />
<strong>der</strong> KlientInnen und <strong>der</strong> Erfor<strong>der</strong>lichkeit <strong>der</strong> Unterstützungsleistung.<br />
Aufgaben <strong>der</strong> psychosozialen und juristischen <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
Zu den Aufgaben <strong>der</strong> psychosozialen <strong>Prozessbegleitung</strong> gehören vor allem die<br />
Vorbereitung <strong>der</strong> Betroffenen auf die Anzeige und das darauffolgende<br />
Gerichtsverfahren sowie die Begleitung zu polizeilichen o<strong>der</strong> gerichtlichen<br />
Einvernahmen bzw. Verhandlungen, gegebenenfalls zu Terminen im Rahmen von<br />
Diversionsmaßnahmen.<br />
5 Die psychosoziale und juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> – letztere in Form anwaltlicher Beratung und Vertretung -<br />
(und gegebenenfalls die Arbeit mit dem Bezugssystem) werden <strong>der</strong>zeit durch das BMJ finanziert.<br />
6 Etwaige Datenschutz-Probleme im Bereich <strong>der</strong> fallspezifischen Kooperation müssen im Vorfeld mit <strong>der</strong><br />
betroffenen Frau abgeklärt werden.<br />
39
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
Die juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> umfasst die rechtliche Beratung und Vertretung,<br />
insbeson<strong>der</strong>e auch die Geltendmachung von zivilrechtlichen Ansprüchen im<br />
Strafverfahren (Adhäsionsverfahren). Um die prozessualen Rechte von Frauen<br />
sicherzustellen und ihnen größtmögliche Schonung durch Information und Beratung<br />
zu gewährleisten, ist eine Kombination von psychosozialer <strong>Prozessbegleitung</strong> und<br />
fachkundiger juristischer Beratung bzw. Vertretung ideal. Die Arbeit <strong>der</strong><br />
JuristIn/AnwältIn erfolgt in Koordination mit <strong>der</strong>/m psychosozialen<br />
ProzessbegleiterIn.<br />
Für die Einhaltung <strong>der</strong> beiden o.g. Standards sind in erster Linie<br />
Prozessbegleiterinnen bzw. Beratungsstellen zuständig, die <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
anbieten. Alle an<strong>der</strong>en in die Opferhilfe 3 involvierten Stellen/Institutionen müssen -<br />
sobald sie von einem Fall Kenntnis erlangen - sicherstellen, dass die Betroffenen<br />
möglichst rasch über die Möglichkeit von <strong>Prozessbegleitung</strong> informiert werden (z.B.<br />
Polizei, Jugendamt, (Familien)Beratungsstellen, ÄrztInnen, RechtsanwältInnen,<br />
StaatsanwältInnen, (Untersuchungs-)RichterInnen.<br />
Bezugssystem einbeziehen<br />
Bei Bedarf kann das Einbeziehen des Bezugssystems eine Ressource für die<br />
Betroffenen darstellen. In diesem Fall wird die <strong>Prozessbegleitung</strong> bei Vorliegen <strong>der</strong><br />
gesetzlichen Voraussetzungen dementsprechend ausgeweitet.<br />
Für die Einhaltung dieses Standards und <strong>der</strong> gesetzlichen Voraussetzungen sind in<br />
erster Linie ProzessbegleiterInnen bzw. Beratungsstellen zuständig, die<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> anbieten.<br />
Institutionelle Eingebundenheit<br />
Die Eingebundenheit von psychosozialen ProzessbegleiterInnen in fachspezifischen<br />
Institutionen bzw. Fraueneinrichtungen muss als wesentliche Ressource für diese<br />
schwierige Tätigkeit betont werden. In einem Fachteam ist gleichermaßen das<br />
Wissen, die Erfahrung und die Praxis in <strong>der</strong> Arbeit mit Opfern von Gewalt gebündelt<br />
sowie die notwendige zeitliche Flexibilität gegeben. Auch <strong>der</strong> Rahmen für die<br />
notwendige Kooperation mit involvierten Berufsgruppen ist in Institutionen<br />
erfahrungsgemäß schon vorhanden.<br />
Psychosoziale <strong>Prozessbegleitung</strong> ist nicht Psychotherapie<br />
Die Aufarbeitung <strong>der</strong> Gewalterfahrungen bzw. Psychotherapie ist für die betroffenen<br />
Frauen meist erst nach den Einvernahmen und Zeugenaussagen möglich - davor<br />
stehen für sie das Gerichtsverfahren und Interventionen zum Schutz im Vor<strong>der</strong>grund<br />
(Schwerpunkt <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong>). Die psychotherapeutische Aufarbeitung<br />
erfolgt in einer Beratungsstelle o<strong>der</strong> bei einer/einem nie<strong>der</strong>gelassenen<br />
PsychotherapeutIn und ist nicht Bestandteil <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong>.<br />
Zuständig für die Einhaltung dieses Standards sind ProzessbegleiterInnen und<br />
Beratungsstellen (z.B. durch Vermittlung in ein weiterführendes Beratungs- o<strong>der</strong><br />
Therapieangebot).<br />
3 Opferhilfe ist mehr als <strong>Prozessbegleitung</strong>. Sie umfasst z.B. Opferschutzmaßnahmen <strong>der</strong> Exekutive<br />
(Wegweisungen und Betretungsverbote), <strong>der</strong> Zivilgerichte (einstweilige Verfügungen), die Unterstützung <strong>der</strong><br />
Opfer durch Beratungsstellen o<strong>der</strong> Interventionsstellen im Vorfeld von <strong>Prozessbegleitung</strong>, die psychosoziale und<br />
juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> und die psychische Aufarbeitung bzw. – wenn nötig – Psychotherapie parallel zur<br />
o<strong>der</strong> nach <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong>, z.B. im Rahmen des VOG.<br />
40
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
6.1. Qualifikation und Anfor<strong>der</strong>ungsprofil von psychosozialen<br />
ProzessbegleiterInnen für Frauen als Opfer von Männergewalt<br />
Die folgenden Punkte orientieren sich am Qualifikations- und Anfor<strong>der</strong>ungsprofil für<br />
ProzessbegleiterInnen von Mädchen, Buben und Jugendlichen; die Modifizierung für<br />
ProzessbegleiterInnen von Frauen als Gewaltopfer basiert auf<br />
den Erfahrungen <strong>der</strong> Frauenhäuser, Interventionsstellen und Frauennotrufe in<br />
Österreich, (Bearbeitung: Beratungsstelle <strong>der</strong> Wiener Frauenhäuser,<br />
Frauennotrufe Linz und Graz, Interventionsstelle Linz)<br />
<strong>der</strong> Dokumentation <strong>der</strong> Interventionsstelle Linz über das Projekt<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> im Jahr 2001<br />
<strong>der</strong> Diskussion in <strong>der</strong> interministeriellen <strong>Arbeitsgruppe</strong> „Implementierung von<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong>“ (eingerichtet im Mai 2001) im Bundesministerium für<br />
soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz<br />
Das vorliegende Anfor<strong>der</strong>ungsprofil ist die <strong>der</strong>zeit aktuelle Version (Stand Mai <strong>2007</strong>),<br />
es wird in <strong>der</strong> o.g. <strong>Arbeitsgruppe</strong> laufend diskutiert und weiterentwickelt.<br />
Psychosoziale Grundausbildung<br />
Als Nachweis gilt <strong>der</strong> Abschluss eines einschlägigen Hochschulstudiums, <strong>der</strong><br />
Abschluss einer Fachhochschule/Akademie für Sozialarbeit, einer Lehranstalt für<br />
Sozialpädagogik, einer wissenschaftlich anerkannten psychotherapeutischen<br />
Ausbildung sowie an<strong>der</strong>er gleichwertiger Ausbildungen. Eine mindestens vierjährige<br />
Praxiserfahrung mit eigenständiger Beratungstätigkeit in einer Fraueneinrichtung<br />
wird als “learning by doing”-Grundqualifikation anerkannt.<br />
Beratungskompetenz<br />
Erfahrungen und Kompetenzen in Beratungstätigkeit und Gesprächsführung,<br />
erworben durch Ausbildung und Erfahrung (Praxis) im psychosozialen und<br />
frauenspezifischen Bereich, sind Voraussetzung.<br />
Hinzu kommt, dass ProzessbegleiterInnen über ausreichendes Grundwissen über<br />
Formen und Auswirkungen von physischer, psychischer und sexualisierter Gewalt<br />
gegen Frauen und über juristische Verfahrensabläufe verfügen müssen.<br />
Grundverständnis bezüglich frauenspezifischer Lebenszusammenhänge<br />
Wissen um geschlechtsspezifische Sozialisation und Ungleichheiten, tradierte<br />
Rollenbil<strong>der</strong>, gesellschaftliche Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern und<br />
ihre Auswirkungen auf die Lebensumstände von Frauen (insbeson<strong>der</strong>e auf<br />
Paarbeziehungen und Gewalterfahrungen durch Männer) ist Grundvoraussetzung für<br />
fachgerechte Unterstützung in <strong>der</strong> psychosozialen <strong>Prozessbegleitung</strong>. Dazu gehört<br />
auch, die Auswirkungen des gesellschaftlichen Machtungleichgewichtes zwischen<br />
den Geschlechtern auf die eigene Institution zu reflektieren, auf <strong>der</strong>en Rolle für<br />
KlientInnen, aber auch auf <strong>der</strong>en Position an<strong>der</strong>en involvierten<br />
Institutionen/Berufsgruppen gegenüber.<br />
41
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
Vernetzungskompetenz<br />
Da die Tätigkeiten <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> ein hohes Maß an Kooperations- und<br />
Koordinationsbereitschaft erfor<strong>der</strong>n, ist die Fähigkeit, Vernetzung zu organisieren<br />
bzw. in vernetzten Zusammenhängen zu arbeiten, unabdingbar. Zudem sollen<br />
ProzessbegleiterInnen die Fähigkeit haben, Möglichkeiten und Grenzen <strong>der</strong> eigenen<br />
Wirkungsbereiche sowie die <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Berufsgruppen zu erkennen und zu<br />
respektieren.<br />
Verständnis für juristische Inhalte und Sichtweisen<br />
Juristische Vorgangsweisen folgen an<strong>der</strong>en Richtlinien als Prozesse psychosozialer<br />
Arbeit. <strong>Prozessbegleitung</strong> ist am Schnittpunkt bei<strong>der</strong> Bereiche angesiedelt und dient<br />
auch <strong>der</strong> Vermittlung strafrechtlicher Vorgänge und Zusammenhänge. Daher ist die<br />
Bereitschaft, sich auf juristische Inhalte und Sichtweisen einzulassen, unabdingbar.<br />
Reflexions- und Entwicklungsbereitschaft<br />
Um das Arbeitsfeld <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> weiter zu entwickeln, sind die Reflexion<br />
<strong>der</strong> Tätigkeiten <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> und die Auswirkungen auf die KlientInnen, auf<br />
sich und an<strong>der</strong>e, unverzichtbar. Dies bedeutet, dass die Bereitschaft zur Offenheit,<br />
Reflexion und Auseinan<strong>der</strong>setzung mit sich und an<strong>der</strong>en Berufsgruppen<br />
Voraussetzung ist, darüber hinaus auch Innovationsbereitschaft gefor<strong>der</strong>t wird.<br />
Kommunikations- und Konfliktfähigkeit, Belastbarkeit und Flexibilität<br />
Die spezifischen Arbeitsbedingungen erfor<strong>der</strong>n ein hohes Maß an Kommunikations-<br />
und Konfliktfähigkeit. Hinzu kommt, dass die Ansprüche <strong>der</strong> KlientInnen nach<br />
Gerechtigkeit und Wie<strong>der</strong>gutmachung häufig nicht erfüllt werden können. Dieses<br />
Spannungsverhältnis erzeugt Belastungen, die reflektiert und getragen werden<br />
müssen.<br />
Freie Ressourceneinteilung<br />
Die Möglichkeit einer flexiblen Zeiteinteilung ist erfor<strong>der</strong>lich, weil äußere<br />
Bedingungen (z.B. Gerichtstermine) kaum Rücksicht auf persönliche o<strong>der</strong> berufliche<br />
Zeitvorgaben nehmen können.<br />
Kontinuierliche Fortbildung im juristischen, psychosozialen und<br />
frauenspezifischen Bereich sowie laufende Supervision 5<br />
Supervision und Fortbildung in den genannten Bereichen stellen eine absolute<br />
Notwendigkeit dar, um die nötige Kompetenz und Handlungsfähigkeit aufzuweisen<br />
und bezüglich <strong>der</strong> fachlichen Entwicklungen zu aktualisieren.<br />
5 Einschlägige Fortbildungsangebote sowie Supervision müssen durch den Bund (BMSG/BMGFJ, BMI) und/o<strong>der</strong><br />
die Län<strong>der</strong> mittels finanzieller Ressourcen sichergestellt werden.<br />
42
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
Für die Einhaltung <strong>der</strong> Qualifikation und des Anfor<strong>der</strong>ungsprofils sind einerseits jene<br />
Stellen/Institutionen verantwortlich, die <strong>Prozessbegleitung</strong> anbieten. Ihnen obliegt es,<br />
die Fähigkeiten, die Erfahrung und die Motivation in <strong>der</strong> Bewerbung bzw. bei <strong>der</strong><br />
Auswahl <strong>der</strong> ProzessbegleiterInnen zu überprüfen und sicherzustellen, dass nicht nur<br />
einzelne Kriterien son<strong>der</strong>n das gesamte Anfor<strong>der</strong>ungsprofil erfüllt werden.<br />
An<strong>der</strong>erseits ist das BMJ durch die Prüfung <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ungswürdigkeit zuständig.<br />
6.2. Qualifikation für juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> in <strong>der</strong> Arbeit mit Frauen<br />
Präambel<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> ist in Beratungseinrichtungen angesiedelt; von dort wird die<br />
Kooperation zu den RechtsanwältInnen abgewickelt.<br />
Erfahrung in Beratung und Vertretung von Gewaltopfern<br />
Voraussetzung für qualifizierte juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> ist Erfahrung in <strong>der</strong><br />
rechtlichen Beratung und Vertretung von Gewaltopfern. Dazu zählt nicht nur<br />
Vertretungserfahrung im Rahmen eines Strafprozesses, son<strong>der</strong>n auch in sämtlichen<br />
an<strong>der</strong>en Gerichtsverfahren (z.B. Scheidungs-, Obsorge-, Unterhalts-,<br />
Schadenersatzverfahren) sowie Vertretung gegenüber Behörden<br />
Grundwissen über Gewalt und frauenspezifische Lebenszusammenhänge<br />
Qualifizierte juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> erfor<strong>der</strong>t ein Grundwissen über Formen<br />
und Auswirkungen von physischer, psychischer und sexueller Gewalt an Frauen, ein<br />
Grundverständnis für frauenspezifische Lebenszusammenhänge und<br />
gesellschaftsbedingte Gewaltstrukturen sowie ein Grundwissen über Täterprofile und<br />
Täterverhalten.<br />
Kooperation und Erfahrungsaustausch<br />
Qualifizierte <strong>Prozessbegleitung</strong> setzt auf Fallebene eine enge Zusammenarbeit<br />
zwischen juristischer und psychosozialer <strong>Prozessbegleitung</strong> voraus, um im Umgang<br />
mit den Klientinnen eine schonungsvolle Behandlung sicher zu stellen. Prozessuale<br />
Rechte sind im Hinblick auf dieses Ziel maximal zu nutzen.<br />
Es bedarf auch eines kontinuierlichen, fallunabhängigen Erfahrungsaustausches<br />
zwischen den juristischen und psychosozialen ProzessbegleiterInnen sowie<br />
zwischen den juristischen und psychosozialen ProzessbegleiterInnen und den<br />
RichterInnen, um die spezifische Problematik zu reflektieren sowie juristisch weiter<br />
zu entwickeln. Dies erfor<strong>der</strong>t auch fallübergreifend den Austausch mit befassten<br />
Einrichtungen, z.B. durch Teilnahme an Kooperationsforen o<strong>der</strong> „Runden Tischen“<br />
u.ä.).<br />
Aus- und Weiterbildung<br />
Juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> wird von RechtsanwältInnen durchgeführt.<br />
Schulungen sollten in Zusammenarbeit mit den <strong>Prozessbegleitung</strong>s-Einrichtungen<br />
von den Rechtsanwaltskammern angeboten bzw. organisiert werden wobei auch<br />
43
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
an<strong>der</strong>e Schulungen (z.B. die vom BMSG finanzierten Fortbildungen und Seminare)<br />
bzw. an<strong>der</strong>e Arten <strong>der</strong> Qualifikation (z.B. jahrelange Zusammenarbeit mit<br />
Opferhilfeeinrichtungen) anerkannt werden können. Zusätzlich ist eine<br />
kontinuierliche Fortbildung erfor<strong>der</strong>lich.<br />
RechtsanwältInnen sind dafür verantwortlich, dass nur jene KonzipientInnen zur<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> eingesetzt werden, die eine entsprechende Schulung erhalten<br />
haben, wobei die Kontinuität <strong>der</strong> Vertretung durch ein und dieselbe Person<br />
wünschenswert ist.<br />
6.3. Empfehlungen für <strong>Prozessbegleitung</strong> von Frauen als Betroffene von<br />
Männergewalt<br />
Die folgenden Punkte orientieren sich an den Empfehlungen für <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
von Mädchen, Buben und Jugendlichen; die Modifizierung für Frauen als<br />
Gewaltopfer basiert auf<br />
den Erfahrungen <strong>der</strong> Frauenhäuser, Interventionsstellen und Frauennotrufe in<br />
Österreich, (Bearbeitung: Beratungsstelle <strong>der</strong> Wiener Frauenhäuser,<br />
Frauennotrufe Linz und Graz, Interventionsstelle Linz)<br />
<strong>der</strong> Dokumentation <strong>der</strong> Interventionsstelle Linz über das Projekt<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> im Jahr 2001<br />
<strong>der</strong> Diskussion in <strong>der</strong> interministeriellen <strong>Arbeitsgruppe</strong> „Implementierung von<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong>“ (eingerichtet im Mai 2001) im Bundesministerium für<br />
soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz<br />
Die vorliegenden Empfehlungen sind die <strong>der</strong>zeit aktuelle Version (Stand Mai <strong>2007</strong>),<br />
sie werden in <strong>der</strong> o.g. <strong>Arbeitsgruppe</strong> laufend diskutiert und weiterentwickelt.<br />
Voraussetzungen<br />
Solange notwendige gesetzliche Voraussetzungen nicht bestehen und ausreichende<br />
finanzielle Mittel sowie zeitliche Ressourcen nicht sichergestellt sind, können die<br />
folgenden Punkte nicht als Standards <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong>, son<strong>der</strong>n nur als<br />
Empfehlungen angeführt werden.<br />
Ausweitung <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
Aus dem Wissen, dass <strong>der</strong> gesamte Verlauf eines Prozesses – vom Entschluss,<br />
Anzeige zu erstatten, bis hin zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche −<br />
belastend ist, wäre aus Sicht <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> die Ausweitung von <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
wünschenswert. Eine solche Unterstützung und Betreuung sollte nicht nur bis zum<br />
Ende des Strafverfahrens angeboten werden, son<strong>der</strong>n auch zur daran<br />
anschließenden Durchsetzung des im Strafverfahren zugesprochenen<br />
Schadenersatzes bis zum Ende eines allfälligen Zivilverfahrens, insbeson<strong>der</strong>e bei<br />
Verweisung von Privatbeteiligten mit allfälligen Schadenersatzansprüchen auf den<br />
Zivilrechtsweg.<br />
44
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
Das Kooperationsforum ProzessbegleiterInnen<br />
Das Kooperationsforum <strong>der</strong> psychosozialen (und fallweise juristischen)<br />
ProzessbegleiterInnen dient dem regelmäßigen Erfahrungsaustausch, um die<br />
weitere Professionalisierung <strong>der</strong> BegleiterInnen zu gewährleisten, den<br />
Qualitätsstandard zu halten und durch Reflexion die Belastungen <strong>der</strong> Arbeit<br />
gemeinsam zu verarbeiten. Im Kooperationsforum werden auch gemeinsame<br />
Strategien entwickelt, um die Kooperation und Vernetzung voranzutreiben. Die<br />
Ergebnisse fließen in die ExpertInnentreffen (“Runde Tische”) ein.<br />
Neben den regionalen bzw. bundeslän<strong>der</strong>spezifischen Vernetzungen empfiehlt sich<br />
auch ein überregionales Forum für alle österreichischen ProzessbegleiterInnen, das<br />
etwa zweimal jährlich tagen sollte.<br />
Fallweise gemeinsame Treffen von ProzessbegleiterInnen aus dem Kin<strong>der</strong>- und<br />
Frauenbereich sind sinnvoll und wünschenswert.<br />
Die Koordination des Kooperationsforums <strong>Prozessbegleitung</strong> übernimmt<br />
vorzugsweise in jedem Bundesland eine Institution (z.B. die Interventionsstelle, ein<br />
Frauenhaus o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Notruf) – zumindest für einen bestimmten Zeitraum. Diese<br />
Institution stellt eine/n KoordinatorIn, die/<strong>der</strong> diese Treffen (regional und<br />
überregional) initiiert. Damit soll die Regelmäßigkeit <strong>der</strong> Treffen gewährleistet sein.<br />
Um die Effizienz <strong>der</strong> <strong>Arbeitsgruppe</strong> zu erhöhen, ist für die Treffen selbst ein/e<br />
außenstehende/r Mo<strong>der</strong>atorIn zu empfehlen.<br />
Die Installierung von “Runden Tischen” mit ExpertInnen<br />
Diese Treffen fungieren als Bindeglied zwischen den Bereichen Opferschutz und<br />
Gericht. Die interdisziplinär zusammengesetzten „Runden Tische“ sind regelmäßige<br />
ExpertInnentreffen aller involvierten Berufsgruppen (sowohl auf <strong>der</strong> Leitungs- wie auf<br />
<strong>der</strong> Praxisebene) mit dem Ziel, zur Verbesserung und Handhabung von<br />
Opferrechten beizutragen sowie eine schonende Behandlung <strong>der</strong> Betroffenen im<br />
juristischen Proze<strong>der</strong>e zu etablieren. Die in diesem Gremium erarbeiteten<br />
Empfehlungen werden an das Kooperationsforum <strong>der</strong> Prozessbegleiterinnen<br />
rückübermittelt.<br />
Es empfiehlt sich, in jedem Bundesland festzulegen, wer in welchem Zeitraum für die<br />
Einberufung <strong>der</strong> „Runden Tische“ zuständig ist (sowohl für die Praxis- als auch für die<br />
Leitungsebene).<br />
Ein einheitliches Dokumentationssystem 4<br />
Für eine umfassende Evaluation ist ein einheitliches Dokumentationssystem<br />
erfor<strong>der</strong>lich, z.B. in Form eines Dokumentationsbogens, in dem jede/r<br />
ProzessbegleiterIn die wichtigsten Daten (selbstverständlich anonym) erhebt. Die<br />
Auswertung dient <strong>der</strong> weiteren Entwicklung <strong>der</strong> Arbeit und zeigt den<br />
Handlungsbedarf an<strong>der</strong>er Bereiche auf. Ein umfassen<strong>der</strong> Datenschutz muss<br />
allerdings gewährleistet sein!<br />
4 Im Rahmen einer Projektför<strong>der</strong>ung des BMSG wurde auch ein Dokumentationsbogen für <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
von Frauen entwickelt (2002-2004). Der Dokumentationsbogen kann jedoch in <strong>der</strong> Praxis aufgrund seines<br />
Umfangs nur im Rahmen begrenzter Forschungsprojekte eingesetzt werden, wobei die Finanzierung solcher<br />
Forschungsprojekte noch zu klären ist.<br />
45
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
7. Entwurf <strong>der</strong> Standards zur <strong>Prozessbegleitung</strong> für Opfer von<br />
situativer Gewalt und Gewalt im öffentlichen Raum<br />
Einleitung<br />
Die vorliegenden Standards zur <strong>Prozessbegleitung</strong> gelten für Opfer von Gewalt im<br />
sozialen Nahbereich und im öffentlichen Raum. Sie wurden von folgenden<br />
Organisationen ausgearbeitet: IfS Vorarlberg, Lichtblick Wr.Neustadt, Neustart,<br />
Weisser Ring.<br />
Ausdrücklich ausgenommen sind Kin<strong>der</strong>, Jugendliche und Frauen, die von Gewalt in<br />
Paarbeziehungen, sexualisierter Männergewalt, Stalking bzw. Frauenhandel<br />
betroffen sind. Für diese Opfergruppen wurden bereits im Rahmen <strong>der</strong><br />
Interministeriellen <strong>Arbeitsgruppe</strong> für <strong>Prozessbegleitung</strong> Standards für<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> von Mädchen, Buben und Jugendlichen als Opfer sexueller und<br />
46
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
physischer Gewalt und Standards für <strong>Prozessbegleitung</strong> von Frauen als Betroffene<br />
von Männergewalt ausgearbeitet und in <strong>der</strong> <strong>Arbeitsgruppe</strong> angenommen.<br />
Ziele<br />
• Das Opfer macht im Verfahren seine Rechte geltend.<br />
• Das Opfer fühlt sich im Verfahren gestärkt und sicher.<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong><br />
Das Angebot <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> umfasst die Vorbereitung des/r Betroffenen auf<br />
das Verfahren und die damit verbundenen emotionalen Belastungen, sowie die<br />
Begleitung zu Vernehmungen im Ermittlungs- und Hauptverfahren durch eine/n<br />
psychosoziale/n ProzessbegleiterIn. Weiters besteht die Möglichkeit einer<br />
juristischen <strong>Prozessbegleitung</strong> durch eine/n RechtsanwältIn.<br />
Anspruch auf psychosoziale und juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> haben Personen,<br />
a) die durch die dem Beschuldigten zur Last gelegte vorsätzlich begangene Tat<br />
Gewalt o<strong>der</strong> gefährlicher Drohung ausgesetzt o<strong>der</strong> in ihrer sexuellen Integrität<br />
beeinträchtigt worden sein könnten;<br />
b) <strong>der</strong> Ehegatte, <strong>der</strong> Lebensgefährte, Verwandte in gera<strong>der</strong> Linie, <strong>der</strong> Bru<strong>der</strong><br />
o<strong>der</strong> die Schwester einer Person, <strong>der</strong>en Tod durch eine Straftat herbeigeführt<br />
worden sein könnte o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Angehörige, die Zeugen <strong>der</strong> Tat waren.<br />
Die Arbeit <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> beginnt, falls noch nicht erstattet, vor <strong>der</strong> Anzeige<br />
und dauert längstens bis zur rechtskräftigen Beendigung des Strafprozesses,<br />
allenfalls auch einer diversionellen Maßnahme (z.B. ATA). Die <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
besteht aus <strong>der</strong> psychosozialen und/o<strong>der</strong> <strong>der</strong> juristischen <strong>Prozessbegleitung</strong>. Sie<br />
beinhaltet auch die für diese Zwecke erfor<strong>der</strong>liche Kooperation mit den<br />
Strafverfolgungsbehörden und an<strong>der</strong>en für die Durchführung <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
unmittelbar erfor<strong>der</strong>lichen Berufsgruppen (z.B. Ärzte/innen, PsychotherapeutInnen,<br />
SozialarbeiterInnen, ArbeitgeberInnen).<br />
Aufgaben <strong>der</strong> psychosozialen und juristischen <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
Zu den Aufgaben <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> gehören vor allem die Vorbereitung <strong>der</strong><br />
Betroffenen auf die Anzeige, die Begleitung zur Polizei, die Vorbereitung auf und die<br />
Begleitung zur Einvernahme bei Gericht, sowie die Begleitung zur Hauptverhandlung<br />
und die im Zusammenhang mit dem Strafverfahren stehenden Stellen. Die<br />
juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> umfasst die rechtliche Beratung und Vertretung. Um<br />
die prozessualen Rechte sicherzustellen und für Opfer eine größtmögliche Schonung<br />
durch Information und Beratung zu gewährleisten, ist <strong>Prozessbegleitung</strong> von<br />
bewährten geeigneten Einrichtungen durchzuführen, die ihr Angebot (psychosoziale<br />
und juristische <strong>Prozessbegleitung</strong>) an den Bedürfnissen <strong>der</strong> Opfer orientieren und<br />
die notwendige Kooperation gewährleisten. Für die Einhaltung <strong>der</strong> Standards sind<br />
die für die <strong>Prozessbegleitung</strong> beauftragten Einrichtungen zuständig.<br />
47
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
7.1. Qualitätskriterien, Qualifikation und Anfor<strong>der</strong>ungsprofil von<br />
psychosozialen ProzessbegleiterInnen für Opfer von situativer Gewalt und<br />
Gewalt im öffentlichen Raum<br />
Einleitung<br />
„Psychosoziale <strong>Prozessbegleitung</strong> umfasst die Vorbereitung <strong>der</strong> Betroffenen auf das<br />
Verfahren und die mit ihm verbundenen emotionalen Belastungen sowie die<br />
Begleitung zu Vernehmungen im Ermittlungs- und Hauptverfahren, wobei hierzu<br />
Psychotherapeuten/innen bzw. geeignete Personen mit psychosozialer Ausbildung<br />
heranzuziehen sind. Der För<strong>der</strong>ungsnehmer ist für die Auswahl geeigneter Personen<br />
(Qualifikation) und die Qualitätssicherung <strong>der</strong> zu erbringenden Leistungen<br />
verantwortlich und hat diese auf Verlangen <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ungsgeberin nachzuweisen.<br />
Diese Qualitätsmerkmale orientieren sich an den von <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
ausgearbeiteten Standards für <strong>Prozessbegleitung</strong>.“ (Vertrag BMJ 1.10.2005 –<br />
30.8.2006).<br />
Die vorliegenden Qualitäts-, Qualifikationskriterien und das Anfor<strong>der</strong>ungsprofil für<br />
psychosoziale ProzessbegleiterInnen gelten für Opfer von Gewalt im sozialen<br />
Nahbereich und im öffentlichen Raum. Sie wurden von folgenden Organisationen<br />
ausgearbeitet: IfS Vorarlberg, Lichtblick Wr. Neustadt, Neustart, Weisser Ring.<br />
7.1.1. Qualitätskriterien für psychosoziale <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
Struktur-Kriterien<br />
• MitarbeiterInnen sind diplomierte SozialarbeiterInnen o<strong>der</strong> Personen mit<br />
vergleichbarer Qualifikation o<strong>der</strong> Psychotherapeuten/innen (gemäß Vorgabe des<br />
BMJ), mit juristischem Wissen über StPO, Verfahrensabläufe und Rechte <strong>der</strong><br />
Opfer.<br />
• Den psychosozialen ProzessbegleiterInnen stehen geeignete<br />
Rechtsanwälte/innen für juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> zur Verfügung.<br />
• Es finden regelmäßige Fachbesprechungen statt.<br />
• Falldokumentationen werden von <strong>der</strong> beauftragten Institution auf die fachliche<br />
Durchführung <strong>der</strong> Fallarbeit hin überprüft.<br />
Prozesskriterien:<br />
• Je<strong>der</strong>/e potenzielle Klient/in wird über das Angebot, die rechtlichen Möglichkeiten<br />
und die Rahmenbedingungen informiert.<br />
• Ein Einverständnis über die Datenverarbeitung liegt von jedem Opfer vor.<br />
• Mit jedem Opfer wird die Frage <strong>der</strong> Strafanzeige abgeklärt, sofern diese noch<br />
nicht<br />
• Mit jedem Opfer werden das Verfahren besprochen, befürchtete<br />
Problemsituationen definiert und Lösungen erarbeitet.<br />
• Die psychosoziale und juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> beginnt mit <strong>der</strong> Vorbereitung<br />
zur Anzeigenerstattung und endet mit dem rechtskräftigen Urteil im<br />
Strafverfahren.<br />
48
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
• Die Gespräche mit dem Opfer finden in geschützter Atmosphäre statt.<br />
• Jedes Opfer wird zur Einvernahme bei <strong>der</strong> Polizei o<strong>der</strong> U-RichterIn begleitet.<br />
• Jedes Opfer wird zu den gerichtlichen Verhandlungen (auch<br />
Rechtmittelverhandlungen) begleitet.<br />
• Bei Bedarf wird das Opfer zu den im Zusammenhang mit dem Strafverfahren<br />
notwendigen Sachverständigen begleitet.<br />
• Jede Einvernahme und Gerichtsverhandlung wird mit dem Opfer vorbereitet und<br />
nachbesprochen.<br />
• Jedem Opfer wird nach Ablauf <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> ein Evaluierungsgespräch<br />
angeboten.<br />
Ablauf<br />
c) Auftrag abklären: Termin mit Opfer in Einrichtung vereinbaren – Erwartungen des<br />
Opfers abklären – Opfer über das Angebot und die rechtlichen Möglichkeiten<br />
informieren – Einholen des Einverständnisses zur Datenverarbeitung –<br />
Entscheidung über juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> – Koordination mit dem/r<br />
juristischen ProzessbegleiterIn;<br />
d) Anzeige vorbereiten: Opfer, die noch keine Anzeige erstattet haben, werden über<br />
die Möglichkeiten und Nutzen <strong>der</strong> Anzeigeerstattung informiert und beraten–<br />
Begleitung des Opfer bei <strong>der</strong> Anzeigeerstattung;<br />
e) Verfahren vorbereiten und Opfer unterstützen (wird während des gesamten<br />
Verfahrens durchgeführt): Opfer über die Verfahrensschritte informieren – Ängste<br />
und Befürchtungen besprechen, Problembereiche identifizieren – Lösungen<br />
erarbeiten – über Privatbeteiligung informieren – eventuell Intervention bei bzw.<br />
Koordination mit dem Gericht;<br />
f) Zur Einvernahme begleiten: Termin und Ort mit Opfer vereinbaren – vor<br />
Einvernahme Ängste und Befürchtungen thematisieren, reflektieren und<br />
Lösungen erarbeiten – während <strong>der</strong> Einvernahme Opfer stützen – nach <strong>der</strong><br />
Einvernahme Reflexion;<br />
g) Zur Verhandlung begleiten (Gerichtsverhandlungen – auch im<br />
Rechtsmittelverfahren): Termin und Ort mit Opfer vereinbaren – vor<br />
Gerichtsverhandlung Ängste und Befürchtungen thematisieren, reflektieren und<br />
Lösungen erarbeiten – Zeugenaussage während <strong>der</strong> Verhandlung abwarten –<br />
nach Verhandlung Reflexion <strong>der</strong> emotionalen Situation und Erläuterung <strong>der</strong><br />
Ergebnisse;<br />
h) Abschluss: Rechtskräftiges Urteil besprechen – über die Möglichkeit des<br />
Zivilrechtsweges (auch Exekutionen) informieren – Evaluierung/Reflexion <strong>der</strong><br />
gesamten <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
Ergebniskriterien<br />
• 70% <strong>der</strong> Opfer sind auf Grund <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> im Verfahren gestärkt und<br />
sicher.<br />
Qualitätssicherung<br />
• Regelmäßige Auswertung <strong>der</strong> Ergebniskriterien „Stärkung und Sicherheit im<br />
Verfahren“ durch Opferbefragung (bei Abschluss <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong>).<br />
49
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
7.1.2. Qualifikation und Anfor<strong>der</strong>ungsprofil von psychosozialen<br />
ProzessbegleiterInnen<br />
Psychosoziale Grundausbildung<br />
Abgeschlossene Ausbildung als diplomierte/r SozialarbeiterIn o<strong>der</strong><br />
PsychotherapeutIn o<strong>der</strong> Person mit gleichwertiger Qualifikation (Jus - Nb: hier nur für<br />
psychosoziale <strong>Prozessbegleitung</strong> und nicht gleichzeitig psychosoziale und juristische<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> - , Psychologie, Pädagogik, Sozialpädagogik mit jeweils 2 Jahren<br />
Praxis im psychosozialen Bereich)<br />
Weitere erfor<strong>der</strong>liche Kenntnisse<br />
Beratungskompetenz, die durch Beratungstätigkeit im psychosozialen Bereich,<br />
erworben wurde. Da die Tätigkeiten <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> ein hohes Maß an<br />
Kooperations- und Koordinationsbereitschaft erfor<strong>der</strong>n, ist die Fähigkeit, Vernetzung<br />
zu organisieren bzw. in vernetzten Zusammenhängen zu arbeiten, unabdingbar.<br />
Zudem müssen MitarbeiterInnen die Fähigkeit haben, Möglichkeiten und Grenzen<br />
<strong>der</strong> psychosozialen <strong>Prozessbegleitung</strong> wahrzunehmen. Dazu gehören insbeson<strong>der</strong>e<br />
die Abgrenzung zu an<strong>der</strong>en Angeboten <strong>der</strong> Opferhilfe und die Abgrenzung zum<br />
Angebot <strong>der</strong> juristischen <strong>Prozessbegleitung</strong>. Weiters ist Verständnis für juristische<br />
Inhalte und Sichtweisen notwendig, da <strong>Prozessbegleitung</strong> am Schnittpunkt bei<strong>der</strong><br />
Bereiche angesiedelt ist und <strong>der</strong> Vermittlung juristischer Vorgangsweisen dient.<br />
Um das Arbeitsfeld <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> weiter zu entwickeln, sind die Reflexion<br />
<strong>der</strong> Tätigkeiten <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> und <strong>der</strong>en Auswirkungen auf die KlientInnen<br />
unverzichtbar. Die Bereitschaft zur Reflexion und Auseinan<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong><br />
eigenen Betroffenheit, den Bedürfnissen von Opfern und an<strong>der</strong>er Berufsgruppen ist<br />
für die professionelle Durchführung <strong>der</strong> psychosozialen <strong>Prozessbegleitung</strong> eine<br />
weitere wichtige Voraussetzung.<br />
Die spezifischen Arbeitsbedingungen erfor<strong>der</strong>n ein hohes Maß an Kommunikations-<br />
und Konfliktfähigkeit. Hinzu kommt, dass die Ansprüche <strong>der</strong> KlientInnen nach<br />
Gerechtigkeit und Wie<strong>der</strong>gutmachung häufig nicht erfüllt werden können. Dieses<br />
Spannungsverhältnis erzeugt Belastungen, die reflektiert und getragen werden<br />
müssen. Diese Kenntnisse sind durch die beauftragten Institutionen mit Hilfe von<br />
Schulungen und Weiterbildungen sicherzustellen.<br />
Aus und Weiterbildung sowie Supervision im psychosozialen Bereich<br />
Einschulung und Weiterbildung stellen eine absolute Notwendigkeit dar, um die<br />
nötige Kompetenz und Handlungsfähigkeit aufzuweisen und bezüglich <strong>der</strong> fachlichen<br />
Entwicklungen zu aktualisieren. Für die Einhaltung <strong>der</strong> Qualifikation und des<br />
Anfor<strong>der</strong>ungsprofils sind jene Stellen/Institutionen verantwortlich, die<br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> anbieten. Ihnen obliegt es, die Fähigkeiten, die Erfahrung und die<br />
Motivation in <strong>der</strong> Bewerbung bzw. bei <strong>der</strong> Auswahl <strong>der</strong> ProzessbegleiterInnen zu<br />
überprüfen und sicherzustellen, dass nicht nur einzelne Kriterien son<strong>der</strong>n das<br />
gesamte Anfor<strong>der</strong>ungsprofil erfüllt werden.<br />
50
<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
Intervision und Supervision soll von den mit <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> beauftragten<br />
Stellen/Institutionen BerufseinsteigerInnen und darüber hinaus im Bedarfsfall<br />
angeboten werden.<br />
7.2. Empfehlungen zur Weiterentwicklung <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> für Opfer von<br />
situativer Gewalt und Gewalt im öffentlichen Raum<br />
Einleitung<br />
Die vorliegenden Empfehlungen, die Weiterentwicklung <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
betreffend, wurden von folgenden Organisationen ausgearbeitet: IfS Vorarlberg,<br />
Lichtblick/Wr.Neustadt, Neustart, Weisser Ring.<br />
Gemeinsame Standards für alle Opfer in <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> mit<br />
Spezifikationen für bestimmte Gruppen<br />
Bei <strong>der</strong> Ausarbeitung <strong>der</strong> Standards, Qualitäts- und Qualifikationskriterien sowie des<br />
Anfor<strong>der</strong>ungsprofils für psychosoziale ProzessbegleiterInnen (noch offen sind die<br />
Qualitäts- und Qualifikationskriterien sowie das Anfor<strong>der</strong>ungsprofil an juristische<br />
ProzessbegleiterInnen) stellte sich heraus, dass zahlreiche Elemente praktisch<br />
deckungsgleich sind mit den Anfor<strong>der</strong>ungen an die <strong>Prozessbegleitung</strong> für Mädchen,<br />
Buben und Jugendliche als Opfer sexueller und physischer Gewalt sowie jener von<br />
Frauen als Betroffene von Männergewalt. So gesehen stellen die Anfor<strong>der</strong>ungen an<br />
die <strong>Prozessbegleitung</strong> für Opfer von Gewalt im sozialen Nahbereich und im<br />
öffentlichen Raum einen gemeinsamen Nenner für alle Opfergruppen dar, wobei<br />
wichtig ist festzuhalten, dass für bestimmte Opfergruppen (z.B. Kin<strong>der</strong>) spezielle<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen unverzichtbar sind.<br />
Vorgeschlagen werden deshalb gemeinsame Standards für alle Opfergruppen in <strong>der</strong><br />
<strong>Prozessbegleitung</strong> mit Spezifikationen für bestimmte Gruppen.<br />
Umfang <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
Die <strong>Prozessbegleitung</strong> endet <strong>der</strong>zeit mit <strong>der</strong> rechtskräftigen Beendigung des<br />
Strafverfahrens. Diese sollte auf das Zivilverfahren ausgedehnt werden, wenn es<br />
um Exekution o<strong>der</strong> Geltendmachung von Ansprüchen nach § 373a geht.<br />
Weiters soll eine Ausdehnung bei Bedarf auch auf das Bezugssystem erfolgen: Bei<br />
Bedarf kann das Einbeziehen des Bezugssystems eine Unterstützung für die<br />
betroffenen Opfer darstellen. Wenn es für die <strong>Prozessbegleitung</strong> erfor<strong>der</strong>lich ist, wird<br />
die <strong>Prozessbegleitung</strong> auf die Bezugspersonen erweitert.<br />
Veröffentlichung <strong>der</strong> Standards<br />
Die Veröffentlichung <strong>der</strong> Unterlagen wird auf folgenden Homepages vorgeschlagen,<br />
wobei dort eine klarere Trennung <strong>der</strong> verschiedenen Bereiche vorgenommen werden<br />
sollte:<br />
Homepage BMJ/Opferhotline<br />
www.prozessbegleitung.co.at<br />
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<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />
auf den Homepages <strong>der</strong> Organisationen<br />
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