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IMAG - Bericht der Arbeitsgruppe Prozessbegleitung 2007 - BMWA

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<strong>Bericht</strong><br />

<strong>der</strong> Interministeriellen <strong>Arbeitsgruppe</strong><br />

<strong>Prozessbegleitung</strong><br />

Mai 2001 – Mai <strong>2007</strong>


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

INHALT<br />

Seite<br />

1. Bundesweite Implementierung von psychosozialer und<br />

juristischer <strong>Prozessbegleitung</strong>.................................................................... .....4<br />

1.1. Entwicklung und Umsetzung…………………………..............................4<br />

2. Interministerielle Arbeitgruppe "<strong>Prozessbegleitung</strong>" – Ergebnisse<br />

und offene Diskussionspunkte.........................................................................6<br />

2.1. <strong>Prozessbegleitung</strong> in Österreich – geschichtlicher Abriss und Status<br />

Quo........................................................................................................7<br />

2.2. Strukturelle Kompetenzaufteilung (BMSG/BMGFJ, BMGF, BMJ, BMI<br />

und Län<strong>der</strong>) von Opferhilfe und <strong>Prozessbegleitung</strong>.............................10<br />

2.3. Inhaltliche Kompetenzaufteilung und aktuelle Entwicklungen<br />

in <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong>......................................................................14<br />

2.3.1. <strong>Prozessbegleitung</strong> für Kin<strong>der</strong> und Jugendliche…………………14<br />

2.3.2. <strong>Prozessbegleitung</strong> von Frauen als Betroffene von<br />

Männergewalt……………………………………………………….19<br />

2.3.3. <strong>Prozessbegleitung</strong> für Opfer von situativer Gewalt<br />

und Gewalt im öffentlichen Raum..............................................20<br />

2.4. Kostentragung <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong>.................................................22<br />

2.5. Überlegungen zu einer Organisationsstruktur von<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong>………………………………………………………….24<br />

2.6. Fortbildung………………………………………………………………..…25<br />

3. Gesamter Interventionsverlauf im Falle von sexueller Gewalt an<br />

Kin<strong>der</strong>n/Jugendlichen.....................................................................................27<br />

4. Strukturen <strong>der</strong> Opferhilfe in Österreich...........................................................28<br />

4.1. Einbindung von <strong>Prozessbegleitung</strong> in die Strukturen <strong>der</strong><br />

Opferhilfe..............................................................................................29<br />

5. Standards für psychosoziale <strong>Prozessbegleitung</strong> von Mädchen,<br />

Buben und Jugendlichen als Opfer sexueller und physischer<br />

Gewalt.............................................................................................................30<br />

5.1. Qualifikation und Anfor<strong>der</strong>ungsprofil von psychosozialen<br />

ProzessbegleiterInnen in <strong>der</strong> Arbeit mit Mädchen und Jugendlichen<br />

als Opfer sexueller und psychischer Gewalt........................................33<br />

2


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

5.2. Qualifikation für juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> in <strong>der</strong><br />

Arbeit mit Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen..……………………………………35<br />

5.3. Empfehlungen für <strong>Prozessbegleitung</strong> von Mädchen, Buben und<br />

Jugendlichen als Opfer sexueller und psychischer Gewalt..................36<br />

6. Standards für psychosoziale <strong>Prozessbegleitung</strong> von Frauen als<br />

Betroffene von Männergewalt……..................................................................39<br />

6.1. Qualifikation und Anfor<strong>der</strong>ungsprofil von psychosozialen<br />

ProzessbegleiterInnen für Frauen als Opfer von<br />

Männergewalt.......................................................................................41<br />

6.2. Qualifikation für juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> in <strong>der</strong><br />

Arbeit mit Frauen……………………..…………………………………….43<br />

6.3. Empfehlungen für <strong>Prozessbegleitung</strong> von Frauen als Betroffene von<br />

Männergewalt.......................................................................................44<br />

7. Entwurf <strong>der</strong> Standards zur <strong>Prozessbegleitung</strong> für Opfer von<br />

situativer Gewalt und Gewalt im öffentlichen Raum………………………...…47<br />

7.1. Qualitätskriterien, Qualifikation und Anfor<strong>der</strong>ungsprofil von<br />

psychosozialen ProzessbegleiterInnen für Opfer von situativer<br />

Gewalt und Gewalt im öffentlichen Raum…………………………….….48<br />

7.1.1. Qualitätskriterien für psychosoziale<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong>………...48<br />

7.1.2. Qualifikation und Anfor<strong>der</strong>ungsprofil von psychosozialen<br />

ProzessbegleiterInnen……………………………………………...50<br />

7.2. Empfehlungen zur Weiterentwicklung <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> für<br />

Opfer von situativer Gewalt und Gewalt im öffentlichen Raum……..…51<br />

3


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

1. Bundesweite Implementierung von psychosozialer und<br />

juristischer <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

1.1. Entwicklung und Umsetzung:<br />

• Übergangsmodelle <strong>der</strong> Bundeslän<strong>der</strong><br />

• Modellprojekt <strong>Prozessbegleitung</strong> bei sexuellem Missbrauch an Mädchen, Buben<br />

und Jugendlichen<br />

Finanzierung durch das BM für Frauenangelegenheiten und BMUJF (1998-<br />

2000), Veröffentlichung <strong>der</strong> Ergebnisse durch BMSG 2000<br />

• För<strong>der</strong>ung von <strong>Prozessbegleitung</strong> auf Fallebene<br />

För<strong>der</strong>ung durch das BMJ (Beginn Ende 2000)<br />

• Fortbildung von psychosozialen (und juristischen) ProzessbegleiterInnen zur<br />

Arbeit mit Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen in ganz Österreich<br />

Auftrag des BMSG - Sektion Frauen und Sektion Familie (September 2000 bis<br />

September 2001)<br />

• Aufbau regionaler Kooperationsstrukturen ("Regionale Kooperationsforen",<br />

regionale „Runde Tische“) für <strong>Prozessbegleitung</strong> von Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen<br />

Auftrag des BMSG - Sektion Frauen und Sektion Familie (September 2000 bis<br />

September 2001)<br />

• Wissenschaftliche Begleitforschung zum Kooperationsaufbau und Entwicklung<br />

von Dokumentationsbögen/Schwerpunktmäßig im Bereich Kin<strong>der</strong> und<br />

Jugendliche<br />

Finanzierung durch BMI (2001)<br />

• Interministerielle <strong>Arbeitsgruppe</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> (siehe unten)<br />

BMSG (Konstituierung <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> im Mai 2001)<br />

• Veröffentlichung <strong>der</strong> Ergebnisse des Kooperationsaufbaus, <strong>der</strong> Dokumentationsbögen<br />

und <strong>der</strong> in <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> erarbeiteten Standards<br />

BMSG und BMI (September 2002)<br />

• Interdisziplinäre Seminare in ganz Österreich zu <strong>Prozessbegleitung</strong> von Kin<strong>der</strong>n<br />

und Jugendlichen<br />

För<strong>der</strong>ung durch das BMSG (1. November 2001 bis 31. Oktober 2002)<br />

• Projekt <strong>Prozessbegleitung</strong> von Frauen - Vernetzung, Erhebung des Status Quo,<br />

Adaption des Dokumentationsbogens<br />

För<strong>der</strong>ung durch das BMSG (Jänner 2003 bis Jänner 2004)<br />

• Projekt <strong>Prozessbegleitung</strong> von Buben und Burschen - Erarbeitung von<br />

Grundlagen<br />

För<strong>der</strong>ung durch das BMSG (Dezember 2002 bis August 2004)<br />

• Überarbeitung und Neuauflage des Arbeitsbuches "Milli ist beim Gericht"<br />

4


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

För<strong>der</strong>ung durch das BMI, BMJ und BMSG (Neuauflage im April 2003)<br />

• Supervisionsseminare zu <strong>Prozessbegleitung</strong> von Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen in<br />

ganz Österreich<br />

För<strong>der</strong>ung durch das BMSG (Jänner 2003 bis Juni 2004)<br />

• Gestaltung und Druck einheitlicher Plakate und Fol<strong>der</strong> mit differenzierten<br />

Einlageblättern für die Bundeslän<strong>der</strong><br />

För<strong>der</strong>ung durch das BMSG (April 2003 bis April 2004)<br />

• 2 Grundseminare und 7 Supervisionsseminare zu <strong>Prozessbegleitung</strong> von<br />

Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen<br />

För<strong>der</strong>ung durch das BMSG (August 2004 bis Jänner 2006)<br />

• Rechtliche Verankerung <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong>:<br />

Strafprozessreformgesetz, BGBl. I Nr. 19/2004 (Beschlussfassung Februar<br />

2004); gesetzliche Implementierung <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> sowie<br />

umfassen<strong>der</strong> Opferrechte<br />

Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975, das<br />

Staatsanwaltschaftsgesetz und das Tilgungsgesetz geän<strong>der</strong>t werden (BGBl. I<br />

Nr. 119/2005); Inkrafttreten wesentlicher Opferrechte, insbeson<strong>der</strong>e auch <strong>der</strong><br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> ab 1.1.2006<br />

• Veröffentlichung eines Ladungsformulars für Zeuginnen und Zeugen zur<br />

kontradiktorischen Einvernahme bei Gericht mit einem verständlichen<br />

Informationsblatt über die Rechte <strong>der</strong> Zeuginnen und Zeugen sowie die<br />

Durchführung einer solchen Vernehmung (August 2004)<br />

• Informationsbroschüre über <strong>Prozessbegleitung</strong> vom Bundesministerium für<br />

Justiz und Bundeskriminalamt (Februar 2006)<br />

Auflage bei Gerichten, Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden,<br />

Veröffentlichung im Internet sowie im Intranet des Bundesministeriums für<br />

Justiz<br />

• Ersichtlichmachung <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> am Aktendeckel des Gerichtsaktes<br />

(Februar <strong>2007</strong>)<br />

5


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

2. Interministerielle Arbeitgruppe „<strong>Prozessbegleitung</strong>“ - Ergebnisse<br />

und offene Diskussionspunkte<br />

Die <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> konstituierte sich im Mai 2001. Zielsetzung war damals<br />

die Erarbeitung eines Konzepts für den strukturierten Aufbau von <strong>Prozessbegleitung</strong>.<br />

Das Konzept sollte enthalten:<br />

1. Erfassung bestehen<strong>der</strong> Ressourcen (Status Quo)<br />

2. Abstimmung <strong>der</strong> Kooperationsstrukturen auf regionaler Ebene und auf<br />

Bundesebene (Welche Strukturen sind notwendig? Welche Institutionen<br />

übernehmen welche Aufgaben?)<br />

3. Kosten und Vorschläge für Kostentragung<br />

4. Vorschläge für die Verschränkung <strong>Prozessbegleitung</strong>/Verfahrenshilfe<br />

5. Vorschläge für die gesetzliche Verankerung von <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

6. Qualitätssicherung (welche überprüfbaren Kriterien gibt es?)<br />

7. Vorschläge für Fortbildungsmaßnahmen<br />

In 20 Sitzungen <strong>der</strong> <strong>Arbeitsgruppe</strong> (von Mai 2001 bis März <strong>2007</strong>) und in 3 Sitzungen<br />

einer Unterarbeitsgruppe „Rechtliche Verankerung von <strong>Prozessbegleitung</strong>“ wurden<br />

folgende Themen erörtert:<br />

a. <strong>Prozessbegleitung</strong>s-Angebote <strong>der</strong> Opferhilfsvereine im Kin<strong>der</strong>- und<br />

Frauenbereich bis zur Einführung <strong>der</strong> durch das BMJ geför<strong>der</strong>ten<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong><br />

b. Inhaltliche Kompetenzaufteilung (BMSG/BMGFJ, BMGF, BMJ, BMI und Län<strong>der</strong>)<br />

von Opferhilfe und <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

c. Kostentragung <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> aus Sicht <strong>der</strong> Vereine und aus Sicht des<br />

BMJ<br />

d. Überlegungen zur gesetzlichen Verankerung von <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

(Unterarbeitsgruppe „Rechtliche Verankerung“)<br />

e. Überlegungen zu einer Organisationsstruktur von <strong>Prozessbegleitung</strong> auf Basis<br />

<strong>der</strong> schon bestehenden Strukturen <strong>der</strong> Opferhilfe in Österreich<br />

(Unterarbeitsgruppe „Rechtliche Verankerung)<br />

f. Standards für <strong>Prozessbegleitung</strong> von Kin<strong>der</strong>n und <strong>Prozessbegleitung</strong> von Frauen<br />

(Qualitätssicherung)<br />

g. Qualitätskriterien für Opfer von situativer Gewalt und Gewalt im öffentlichen<br />

Raum (befinden sich <strong>der</strong>zeit im Diskussions- und Abstimmungsprozess)<br />

Für die Punkte 1, 2 und 6 des Konzeptes liegen Ergebnisse vor. Bei Punkt 3 konnte<br />

ein Teilergebnis und ein Problemaufriss als Grundlage für die weitere Diskussion<br />

erarbeitet werden. Die Punkte 4 und 5 wurden in <strong>der</strong> o.g. Unterarbeitsgruppe<br />

diskutiert und sind mittlerweile z.T. durch das Strafprozessreformgesetz (BGBl. I Nr.<br />

14/2004, Inkrafttreten: 1.1.2008) und das Bundesgesetz, mit dem die<br />

Strafprozessordnung 1975, das Staatsanwaltschaftsgesetz und das Tilgungsgesetz<br />

geän<strong>der</strong>t werden (BGBl. I Nr. 119/2005; Inkrafttreten: 1.1.2006) umgesetzt. Lediglich<br />

andiskutiert wurde <strong>der</strong> Punkt 7 des Konzepts, die Diskussion wird fortgesetzt.<br />

6


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

2.1. <strong>Prozessbegleitung</strong> in Österreich − geschichtlicher Abriss und Status Quo<br />

Bis zum Modellprojekt "<strong>Prozessbegleitung</strong> bei sexuellem Missbrauch an Mädchen,<br />

Buben und Jugendlichen" (1998-2000) war <strong>Prozessbegleitung</strong> kein standardisiertes<br />

Angebot in Österreich, son<strong>der</strong>n wurde im Kin<strong>der</strong>bereich je nach Engagement und<br />

persönlichen Ressourcen einzelner MitarbeiterInnen aus Beratungsstellen und<br />

Institutionen individuell durchgeführt.<br />

In einigen Bundeslän<strong>der</strong>n - u.a. in <strong>der</strong> Steiermark, in Salzburg, in Oberösterreich, in<br />

Kärnten und in Wien - gab bzw. gibt es seit 1998 Kooperationsverträge zwischen<br />

den Rechtsanwaltskammern und den Ämtern für Jugend und. Im Rahmen dieser<br />

Verträge wurden bei Kindesmissbrauch AnwältInnen meist über Vermittlung <strong>der</strong><br />

Kin<strong>der</strong>- und Jugendanwaltschaften kostenlos zur Verfügung gestellt. Allerdings<br />

handelte es sich dabei nur um juristische und nicht um psychosoziale Begleitung.<br />

Für Frauenhäuser, Notrufe und später auch die Interventionsstellen stellte die<br />

gezielte Begleitung und Unterstützung von Frauen bei rechtlichen Schritten wie<br />

beispielsweise einer Strafanzeige seit Bestehen dieser Einrichtungen einen<br />

wichtigen Teil ihres Angebotes dar. Dabei handelte es sich in erster Linie um<br />

psychosoziale Unterstützung im Strafprozess, juristische Beratung je nach<br />

Ressourcen und fallweise Privatbeteiligtenvertretung. Auch die Kooperation mit<br />

Exekutive und Gerichten wurde seit den späten 80er Jahren zunehmend intensiviert.<br />

Es gab jedoch keine institutionsübergreifende klare Struktur in den Arbeitsabläufen,<br />

keine Fortbildungen für ProzessbegleiterInnen und RechtsanwältInnen, keine<br />

standardisierte Kooperation zwischen den einzelnen involvierten Stellen (Exekutive,<br />

Justiz, JWF, Beratungsstellen etc.) und keine geregelte Bezahlung.<br />

Mit dem Modellprojekt "<strong>Prozessbegleitung</strong>"(1998-2000) wurde erstmals systematisch<br />

untersucht, welche Kriterien bei <strong>der</strong> Durchführung von <strong>Prozessbegleitung</strong> für Kin<strong>der</strong><br />

und Jugendliche wichtig sind, um die Gefahr <strong>der</strong> sekundären Traumatisierung für die<br />

Opfer zu verringern, und welche Rahmenbedingungen die Fallarbeit braucht, um ein<br />

hochwertiges Angebot gewährleisten zu können.<br />

Im Jahr 2000 begann das BMJ mit <strong>der</strong> direkten fallbezogenen För<strong>der</strong>ung von<br />

psychosozialer und juristischer <strong>Prozessbegleitung</strong>. Das BMJ stützte sich dabei auf<br />

das bestehende Opferhilfesystem und ermöglichte auf diese Weise den Ausbau von<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> in Österreich. Seit dem letzten Quartal 2005 wird auch die von<br />

den Interventionsstellen durchgeführte <strong>Prozessbegleitung</strong> durch das BMJ geför<strong>der</strong>t.<br />

Das Projekt <strong>Prozessbegleitung</strong> setzt bei vorhandenen Strukturen an. Neben den vom<br />

BMJ für die Durchführung von <strong>Prozessbegleitung</strong> geför<strong>der</strong>ten<br />

Opferhilfeeinrichtungen bieten weitere Institutionen zum Teil aus Mitteln <strong>der</strong> Län<strong>der</strong><br />

finanzierte <strong>Prozessbegleitung</strong> an.<br />

Um die Qualität bundesweit zu gewährleisten und den Implementierungsprozess zu<br />

för<strong>der</strong>n, finanzierten bzw. finanzieren das BMSG - Sektionen Familie und Frauen<br />

(2000/01) und Sektion Familie (ab 2002) sowie das BMI (2001 – 2003) Maßnahmen<br />

zur Qualitätssicherung von <strong>Prozessbegleitung</strong>, schwerpunktmäßig von Kin<strong>der</strong>n und<br />

Jugendlichen.<br />

7


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

Seit dem Jahr 2003 för<strong>der</strong>t das BMSG und seit 1.03.<strong>2007</strong> das BMGFJ<br />

qualitätssichernde Maßnahmen mit Grundinformationsseminaren,<br />

Supervisionsseminaren, <strong>der</strong> Hompage-<strong>Prozessbegleitung</strong><br />

(www.prozessbegleitung.co.at), Fol<strong>der</strong>n und Plakaten.<br />

Probleme<br />

Bei den o.g. Übergangsmodellen mit den RA-Kammern haben die Kin<strong>der</strong>- und<br />

Jugendanwaltschaften eine wichtige Vermittlungsfunktion übernommen. Diese<br />

Struktur konnte bei <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung durch das BMJ nicht genutzt werden, da das BMJ<br />

als Bundesstelle die Vermittlungsfunktion <strong>der</strong> KiJA, die Landesstellen sind, nicht<br />

för<strong>der</strong>n darf.<br />

Lösungsansatz<br />

Die <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> begrüßt ausdrücklich die Einbindung von<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> in das bestehende Opferhilfesystem. Auf diese Weise<br />

kann auf dem in diesen Einrichtungen vorhandenes ExpertInnenwissen aufgebaut<br />

werden. Zudem trägt es zur Schonung <strong>der</strong> Opfer bei, wenn ihnen <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

in jenen Einrichtungen angeboten wird, die sie bereits im Vorfeld <strong>der</strong> Anzeige betreut<br />

haben.<br />

Liste <strong>der</strong> Anbieter seitens des BMJ:<br />

1. Arbeitsvereinigung <strong>der</strong> Sozialhilfe Kärntens (AVS), Klagenfurt<br />

2. Autonomes Frauenzentrum, Linz<br />

3. Beratungsstelle IMPULS, Sozialzentrum Vöcklabruck, Vöcklabruck<br />

4. Beratungsstelle TARA (Frauennotruf), Beratung, Therapie und Prävention bei<br />

sexueller Gewalt gegen Mädchen und Frauen, Graz<br />

5. Burgenländische Interventionsstelle gegen Gewalt in <strong>der</strong> Familie, Oberwart<br />

6. Die Möwe – Kin<strong>der</strong>schutzzentren gemeinnützige Gesellschaft m.b.H. mit den<br />

Kin<strong>der</strong>schutzzentren Wien, St. Pölten, Neunkirchen, Mistelbach und Mödling,<br />

7. EVITA - Frauen- und Mädchenberatungsstelle, Kufstein<br />

8. Frauen für Frauen, Hollabrunn<br />

9. Frauen gegen sexuelle Ausbeutung von Mädchen, Beratungsstelle für sexuell<br />

missbrauchte Mädchen und Frauen, Wien<br />

10. Frauen gegen Vergewaltigung, Innsbruck<br />

11. Frauenberatung Mostviertel, Amstetten<br />

12. Frauenhaus Hallein, Haus Mirjam, “Kolpingfamilie Hallein”, Hallein<br />

13. Frauenhaus Linz<br />

14. Frauenhäuser Steiermark – Verein zur Soforthilfe für bedrohte und<br />

misshandelte Frauen und <strong>der</strong>en Kin<strong>der</strong>, Graz<br />

15. Frauennotruf Salzburg<br />

16. Gewaltschutzzentrum Oberösterreich, Linz<br />

17. Gewaltschutzzentrum Steiermark, Graz<br />

18. Institut für Sozialdienste - IfS, Gemeinnützige GmbH, Röthis<br />

19. Interventionsstelle Salzburg<br />

20. Interventionsstelle Tirol – gegen Gewalt in Familien, Innsbruck<br />

21. Kärntner Interventionsstelle gegen familiäre Gewalt, Klagenfurt<br />

22. Kidsnest, Gesellschaft zum Schutz von Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen GmbH, St.<br />

Pölten<br />

8


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

23. Kin<strong>der</strong>schutzzentrum Burgenland, Eisenstadt, Rettet das Kind – Österreich,<br />

Wien<br />

24. Kin<strong>der</strong>schutzzentrum Innsbruck, Kin<strong>der</strong>schutz Tirol, Innsbruck,<br />

25. Kin<strong>der</strong>schutzzentrum Känguru, Bad Ischl, „Familienakademie <strong>der</strong> OÖ<br />

Kin<strong>der</strong>freunde/Landesorganisation“, Linz<br />

26. Kin<strong>der</strong>schutz-Zentrum Kärnten, Hilfe für Kin<strong>der</strong> und Eltern, Klagenfurt<br />

27. Kin<strong>der</strong>schutzzentrum Leibnitz, „Gesellschaft zur För<strong>der</strong>ung seelischer<br />

Gesundheit“, Leibnitz<br />

28. Kin<strong>der</strong>schutz-Zentrum Liezen, „Familien- und Lebensberatungszentrum<br />

Liezen“<br />

29. Kin<strong>der</strong>schutzzentrum Linz, Hilfe für Kin<strong>der</strong> und Eltern, Linz<br />

30. Kin<strong>der</strong>schutzzentrum Oberes Murtal, Österreichische Kin<strong>der</strong>freunde,<br />

Landesorganisation Steiermark, Graz<br />

31. Kin<strong>der</strong>schutz-Zentrum Salzburg, Hilfe für Kin<strong>der</strong>, Jugendliche und Eltern,<br />

Salzburg<br />

32. Kin<strong>der</strong>schutzzentrum TANDEM, Hilfszentrum für junge Menschen, Wels<br />

33. Kin<strong>der</strong>schutzzentrum WIGWAM, Steyr<br />

34. LEFÖ – Beratung, Bildung und Begleitung für Migrantinnen, Wien,<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> wird durchgeführt durch die Interventionsstelle für<br />

Betroffene des Frauenhandels, Wien<br />

35. Lichtblick – Lebens-, Berufs- und Sexualberatung NÖ-Süd,<br />

Chancenwerkstätte – Familienberatung – Kin<strong>der</strong>notruf, Wr. Neustadt<br />

36. Neustart – Bewährungshilfe, Konfliktregelung, Soziale Arbeit, Wien<br />

37. NÖ Interventionsstellen gegen Gewalt in <strong>der</strong> Familie, St. Pölten<br />

38. Notruf – Beratung für vergewaltigte Frauen und Mädchen, Wien<br />

39. PRO MENTE: Kin<strong>der</strong> Jugend Familie - Gesellschaft für psychische und<br />

soziale Gesundheit von Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen in <strong>der</strong>en sozialem Kontext,<br />

Klagenfurt<br />

40. Rettet das Kind Steiermark, Graz<br />

41. TAMAR, Beratungsstelle für misshandelte und sexuell missbrauchte Frauen<br />

und Mädchen, Wien<br />

42. WEISSER RING, Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung von<br />

Kriminalitätsopfern und zur Verhütung von Straftaten, Wien<br />

43. Wiener Frauenhäuser – Soziale Hilfen für von Gewalt betroffene Frauen und<br />

ihre Kin<strong>der</strong>, Wien<br />

44. Wiener Interventionsstelle gegen familiäre Gewalt, Wien<br />

Bundesweit gibt es zusätzliche Einrichtungen, die <strong>Prozessbegleitung</strong> anbieten und<br />

keinen Vertrag mit dem BMJ haben.<br />

9


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

2.2. Strukturelle Kompetenzaufteilung (BMSG/BMGFJ 1 , BMGF, BMJ, BMI und<br />

Län<strong>der</strong>) von Opferhilfe und <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> ist nur einer <strong>der</strong> Schritte im gesamten Verlauf von Interventionen<br />

bei <strong>der</strong> Offenlegung von (sexueller) Gewalt.<br />

• Beim Verdacht auf bzw. bei <strong>der</strong> Offenlegung von Gewalt brauchen die Opfer<br />

Unterstützung durch eine spezialisierte Beratungsstelle. Diese Opferhilfe (z.B.<br />

Abklärung des Sachverhalts aus Opfersicht, kurz- und mittelfristige<br />

Aufarbeitungsmöglichkeiten für Opfer...) erhält jedes Opfer, unabhängig davon,<br />

ob in <strong>der</strong> Folge eine Anzeige gemacht wird o<strong>der</strong> nicht.<br />

Im Bereich <strong>der</strong> Opferhilfe gibt es bundesweit überschaubare Strukturen zur<br />

Unterstützung von Kin<strong>der</strong>n/Jugendlichen als Opfer von Gewalt, für Frauen als<br />

Opfer von Männergewalt, für Männer als Opfer von Männergewalt bzw. familiärer<br />

Gewalt und für Opfer aus an<strong>der</strong>en Gewaltzusammenhängen. Die meisten<br />

Einrichtungen sind nicht nur Opferhilfeeinrichtungen, son<strong>der</strong>n bieten neben<br />

Unterstützung bei Gewalt auch Beratung zu an<strong>der</strong>en Themen o<strong>der</strong> ganzheitliche<br />

Betreuung an.<br />

Finanziert werden diese (Opferhilfe-) Angebote von den Län<strong>der</strong>n, vom Sozial-,<br />

vom Innen- und vom Frauenressort (im Rahmen <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung von<br />

Kin<strong>der</strong>schutzzentren, speziellen Beratungsstellen für Mädchen und junge Frauen,<br />

Familienberatungsstellen, Frauenhäusern, Frauenservicestellen, Frauennotrufen,<br />

Männerberatungsstellen und im Rahmen <strong>der</strong> Aufträge an Interventionsstellen)<br />

sowie über Spenden (z.B. Weisser Ring für die Unterstützung von sonstigen<br />

Opfern, siehe oben).<br />

Die juristische und psychosoziale <strong>Prozessbegleitung</strong> dient nicht zur Therapie,<br />

son<strong>der</strong>n soll das Opfer vielmehr im Geschehen rund um den Strafprozess<br />

stabilisieren (siehe Standards) und <strong>der</strong> Wahrung <strong>der</strong> prozessualen Rechte des<br />

Opfers dienen.<br />

Durchgeführt wird die juristische und psychosoziale <strong>Prozessbegleitung</strong> im Wege<br />

von bestehenden Opferhilfeeinrichtungen als Zusatzangebot zu den bereits<br />

vorhandenen Angeboten dieser Einrichtungen im Bereich <strong>der</strong> Opferhilfe (siehe<br />

oben) durch RechtsanwältInnen bzw. durch diplomierte SozialarbeiterInnen,<br />

durch Personen mit gleichwertiger Qualifikation o<strong>der</strong> durch<br />

PsychotherapeutInnen.<br />

Finanziert wird die juristische und psychosoziale <strong>Prozessbegleitung</strong> durch<br />

fallbezogene För<strong>der</strong>ungen des BMJ.<br />

• Mit Erlass vom 27. August 2004, BMJ-L611.452/0001-II 3/2004, hat das<br />

Bundesministerium für Justiz ein Formblatt für die ZeugInnenladung im<br />

Vorverfahren zu einer kontradiktorischen Vernehmung in möglichst<br />

verständlicher Sprache entworfen. ZeugInnen werden darin über die<br />

herkömmliche Rechtsbelehrung hinaus zusätzlich über das Institut <strong>der</strong><br />

<strong>Prozessbegleitung</strong>, die Hotline 0800-112 112 „Notruf für Opfer“ und spezialisierte<br />

1 Seit 1.03.<strong>2007</strong> Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend (BMGFJ)<br />

10


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

Einrichtungen für psychosoziale und juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> in den<br />

einzelnen Bundeslän<strong>der</strong>n informiert.<br />

• Das Bundesministerium für Justiz hat in Kooperation mit dem Bundesministerium<br />

für Inneres (Bundeskriminalamt) die Informationsbroschüre „Psychosoziale und<br />

juristische <strong>Prozessbegleitung</strong>“ herausgegeben. Darin wird über das Wesen und<br />

den Umfang <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> sowie den Kreis <strong>der</strong> anspruchsberechtigten<br />

Personen in leicht verständlicher Sprache sowie über die bundesweit tätigen<br />

Help- und Hotlines sowie Opferschutzeinrichtungen informiert, mit denen das<br />

Bundesministerium für Justiz Verträge über die Durchführung <strong>der</strong><br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> geschlossen hat. Diese Fol<strong>der</strong> werden verteilt und sind auf<br />

<strong>der</strong> Homepage www.bmj.gv.at abrufbar.<br />

Im Interesse einer qualitativ hochwertigen Durchführung von <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

haben das BMSG und das BMI im Jahr 2000/01 begonnen,<br />

Qualitätssicherungsmaßnahmen zu finanzieren.<br />

Eine Liste von Institutionen bzw. Personen, die an den vom BMSG finanzierten<br />

Fortbildungen zu <strong>Prozessbegleitung</strong> von Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen o<strong>der</strong> am<br />

Curriculum <strong>Prozessbegleitung</strong> in <strong>der</strong> Steiermark teilgenommen haben, liegt vor<br />

(vorwiegend Einrichtungen aus dem Kin<strong>der</strong>- und Jugendlichenbereich, aber auch<br />

vereinzelt Institutionen, die Frauen als Opfer von Männergewalt bzw. Männer als<br />

Opfer von Männergewalt/familiärer Gewalt und Opfer aus an<strong>der</strong>en<br />

Gewaltzusammenhängen betreuen). Kriterium für die Aufnahme in die Liste war<br />

neben <strong>der</strong> Teilnahme an Fortbildungen <strong>der</strong> Wunsch <strong>der</strong> jeweiligen Institution, in<br />

die Liste aufgenommen zu werden (die Adressen sind auf den vom<br />

BMSG/BMGFJ finanzierten Plakaten und Fol<strong>der</strong>n enthalten und über die vom<br />

BMSG/BMGFJ geför<strong>der</strong>te Homepage www.prozessbegleitung.co.at abrufbar).<br />

• Wenn eine psychische Aufarbeitung/Therapie nicht schon nach <strong>der</strong> Offenlegung<br />

begonnen wurde, dann ist für min<strong>der</strong>jährige Gewaltopfer nach <strong>der</strong><br />

kontradiktorischen Befragung ein nächster geeigneter Zeitpunkt (vorher steht für<br />

das Kind die eigene ZeugInnenschaft bzw. die eigene Aussage im Strafverfahren<br />

im Mittelpunkt). Sie erfolgt in einer Beratungsstelle o<strong>der</strong> durch eine/n<br />

freiberufliche/n Psychotherapeutin bzw. Psychotherapeuten.<br />

Kosten für die psychische Aufarbeitung in einer (Familien)Beratungsstelle werden<br />

je nach Ressourcen bis zu einem bestimmten Ausmaß im Rahmen <strong>der</strong><br />

(Familien)Beratungsstellenför<strong>der</strong>ung getragen (BMSG/BMGFJ, Län<strong>der</strong>). Die<br />

Kosten für Psychotherapie werden unter bestimmten Voraussetzungen (EWR-<br />

Staatsbürgerschaft etc.) im Rahmen des Verbrechensopfergesetzes VOG<br />

übernommen.<br />

• Mit Erlass vom 5.2.<strong>2007</strong>, BMJ–L578.023/0001-II 3/<strong>2007</strong> hat das<br />

Bundesministerium für Justiz zur leichteren Handhabbarkeit von Verständigungs-<br />

und Ladungspflichten im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Ausweitung <strong>der</strong> Rechtsstellung<br />

von Opfern, die Anspruch auf <strong>Prozessbegleitung</strong> haben, empfohlen, einen<br />

Vermerk am Aktendeckel über das Bestehen von <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

anzubringen (durch Stampiglie).<br />

Probleme<br />

11


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

Mit Beginn <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung durch das BMJ waren zwar bundesweite Strukturen für<br />

Opferhilfe vorhanden, nicht aber für <strong>Prozessbegleitung</strong>. Der Aufbau einer<br />

Organisationsstruktur musste also zugleich mit <strong>der</strong> praktischen Durchführung von<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> erfolgen, wobei die Bundeslän<strong>der</strong> unterschiedliche Wege gingen<br />

(siehe Endbericht Kooperationsaufbau, liegt als interner <strong>Bericht</strong> im BMGFJ auf).<br />

Die För<strong>der</strong>ung von <strong>Prozessbegleitung</strong> durch das BMJ ermöglicht erstmals,<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> bundesweit anzubieten. Problematisch ist allerdings, dass seitens<br />

des BMJ keine Ressourcen für die Entwicklung von Inhalten, für die<br />

Qualitätssicherung vorgesehen sind.<br />

Es gab bis September 2003 keine koordinierte Öffentlichkeitsarbeit für<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> von Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen (Näheres siehe Lösungsansätze).<br />

Im Frauenbereich trifft dies weiterhin zu.<br />

Im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Kostentragung für die psychische Aufarbeitung im<br />

Rahmen des VOG kritisieren die Beratungsstellen, dass einerseits<br />

bundeslän<strong>der</strong>weise unterschiedlich gehandhabt wird, ob eine Verurteilung<br />

Voraussetzung für die Leistung ist o<strong>der</strong> nicht, und dass an<strong>der</strong>erseits auch innerhalb<br />

<strong>der</strong> Bundeslän<strong>der</strong> die Vorgangsweise wechselt. Teilweise ist nicht nachvollziehbar,<br />

unter welchen Voraussetzungen Leistungen nach dem VOG erbracht werden.<br />

Die Tendenz (z.B. in Wien) geht stark in die Richtung, dass hauptsächlich bei<br />

Verurteilungen ein Zuspruch gewährt wird (so etwa beträgt die Verurteilungsrate bei<br />

Verfahren zu sexueller Gewalt in Wien ca. 50 %, d.h. die Hälfte <strong>der</strong> Gewaltopfer<br />

haben kaum Chancen, im Rahmen des VOG kostenlose Psychotherapie in Anspruch<br />

zu nehmen).<br />

Ein Großteil <strong>der</strong> vom BMSG/BMGFJ und BMI finanzierten Qualitätssicherungsmaßnahmen<br />

ist auf das Problemfeld (sexuelle) Gewalt an Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen<br />

zugeschnitten. Einzelne Fraueneinrichtungen bzw. ProzessbegleiterInnen für Frauen<br />

nehmen zwar an den angebotenen Maßnahmen teil, es fehlt jedoch an spezifischen<br />

Angeboten für den Bereich <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> von Frauen als Opfer von<br />

Männergewalt (Näheres siehe Lösungsansätze).<br />

Lösungsansätze<br />

Der Auftrag des BMSG/Sektion Frauen und Sektion Familie im Jahr 2000/01,<br />

interessierte MitarbeiterInnen spezialisierter Einrichtungen in <strong>Prozessbegleitung</strong> von<br />

Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen auszubilden und den Aufbau regionaler<br />

Kooperationsstrukturen zu unterstützen, ermöglichte es, <strong>Prozessbegleitung</strong> in die<br />

bestehenden Strukturen <strong>der</strong> Opferhilfe bundesweit zu integrieren (siehe Standards<br />

und Empfehlungen zur Eingebundenheit von psychosozialen ProzessbegleiterInnen).<br />

Die im Jahr 2001 begonnene Aufbauarbeit, <strong>der</strong>en wissenschaftliche Begleitung vom<br />

BMI geför<strong>der</strong>t wurde, wurde mit interdisziplinären Seminaren und mit<br />

Supervisionsseminaren und Grundseminaren, die vom BMSG geför<strong>der</strong>t wurden, in<br />

allen Bundeslän<strong>der</strong>n fortgesetzt, allerdings schwerpunktmäßig zu <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

von Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen, wobei vereinzelt Mitarbeiterinnen von<br />

Fraueneinrichtungen an den Seminaren teilnahmen. Mittlerweile gibt es beinahe in<br />

allen Bundeslän<strong>der</strong>n regionale "Kooperationsforen" und interdisziplinär besetzte<br />

"Runde Tische" (siehe Standards und Empfehlungen).<br />

12


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

Die Seminarreihen und die verschiedenen Kooperationszusammenhänge sind<br />

unverzichtbare Maßnahmen zur Qualitätssicherung von <strong>Prozessbegleitung</strong>. Sie<br />

weiterzuführen ist absolut notwendig, um den hohen Standard dieser Arbeit<br />

abzusichern. Sowohl bei den Seminaren wie auch in <strong>der</strong> Kooperation ist es aber<br />

notwendig, den Frauen und Kin<strong>der</strong>bereich auch jeweils getrennt voneinan<strong>der</strong> zu<br />

betrachten, zu beforschen und weiter zu entwickeln. Eigene Seminare für<br />

Mitarbeiterinnen aus Fraueneinrichtungen sowie spezifische Forschungsprojekte im<br />

Frauenbereich sind <strong>der</strong>zeit noch nicht existent, aber erfor<strong>der</strong>lich, um die speziellen<br />

Strukturen <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> von Frauen als Opfer von Männergewalt klarer<br />

herauszuarbeiten.<br />

Die Ergebnisse des Kooperationsaufbaus sowie die im Rahmen <strong>der</strong><br />

wissenschaftlichen Begleitforschung erarbeiteten Dokumentationsbögen und die in<br />

<strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> entwickelten Standards und Empfehlungen wurden in<br />

<strong>der</strong> Publikation "<strong>Prozessbegleitung</strong> von Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen als Opfer von<br />

sexueller/körperlicher Gewalt. Kooperation als Herausfor<strong>der</strong>ung" veröffentlicht<br />

(BMSG und BMI, September 2002). Im Rahmen <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung des Projekts<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> von Frauen (BMSG 2002-2004) wurden Dokumentationsbögen<br />

für die <strong>Prozessbegleitung</strong> von Frauen entwickelt, die aber aufgrund ihres Umfangs<br />

nur im Rahmen eines begrenzten Forschungsprojektes eingesetzt werden können.<br />

Das BMI för<strong>der</strong>te im Jahr 2002/03 die Auswertung <strong>der</strong> Dokumentationsbögen aus<br />

dem Bereich Kin<strong>der</strong>/Jugendliche.<br />

Seit 1. Jänner 2006 besteht gemäß § 47a StPO die Pflicht aller im Strafverfahren<br />

beteiligten Behörden, die in § 49a Abs. 1 StPO genannten Personen spätestens vor<br />

ihrer ersten Befragung über die Voraussetzungen <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> und in<br />

Betracht kommende Einrichtungen zu informieren.<br />

Im September 2003 erteilte das BMSG eine För<strong>der</strong>ung für die Erarbeitung<br />

einheitlicher bundesweiter Fol<strong>der</strong> und Plakate für psychosoziale und juristische<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> von Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen mit den speziellen Adressen pro<br />

Bundesland. Auch dieses Projekt ist abgeschlossen. Die Fol<strong>der</strong> und Plakate werden<br />

in jedem Bundesland großzügig verteilt (Schulen, Kin<strong>der</strong>gärten, Jugendzentren,<br />

Exekutive, Jugendwohlfahrt, Spitälern, Gerichten, Beratungsstellen...). Ziel ist die<br />

För<strong>der</strong>ung einer Corporate identidy und gleichzeitig die Information möglichst vieler<br />

Opfer über die Möglichkeit <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong>.<br />

Je<strong>der</strong> Bereich (<strong>Prozessbegleitung</strong> für Kin<strong>der</strong>/Jugendliche, jeweils für Mädchen und<br />

Buben als Opfer von Gewalt; <strong>Prozessbegleitung</strong> für Frauen als Opfer von<br />

Männergewalt; für Männer als Opfer von Männergewalt/familiärer Gewalt und für<br />

Opfer aus an<strong>der</strong>en Gewaltzusammenhängen) weist Spezifika, aber auch<br />

Gemeinsamkeiten auf. In <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> ist daher zu diskutieren,<br />

inwieweit bei Fortbildungs- und Informationsangeboten und bei regionalen<br />

Kooperationen eine strikte Trennung notwendig und sinnvoll ist o<strong>der</strong> in welcher<br />

Weise auf Spezifika und Gemeinsamkeiten eingegangen werden kann bzw.<br />

Synergieeffekte genutzt werden können.<br />

Alle o.g. Maßnahmen tragen dazu bei, ein standardisiertes Angebot von<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> in ganz Österreich aufzubauen und die Qualität von<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> im Interesse <strong>der</strong> Opfer sicherzustellen.<br />

13


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

2.3. Inhaltliche Kompetenzaufteilung und aktuelle Entwicklung in <strong>der</strong><br />

<strong>Prozessbegleitung</strong><br />

Nicht alle Opfer sind gleich. Der Verschiedenheit im subjektiven Gefühl von<br />

Verletztheit und Verletzlichkeit ist Rechnung zu tragen. Die jahrzehntelange<br />

Entwicklung in <strong>der</strong> Opferhilfe hat gezeigt, dass eine Differenzierung in drei<br />

Opfergruppen zweckmäßig ist. Die Notwendigkeit verschieden auf Wünsche,<br />

Bedürfnisse und Not <strong>der</strong> KlientInnen reagieren zu müssen und das Hinzukommen<br />

von neuen Anbietern im Bereich <strong>der</strong> Opferhilfe bestätigen diese Entwicklung.<br />

• <strong>Prozessbegleitung</strong> für Kin<strong>der</strong> und Jugendliche<br />

• <strong>Prozessbegleitung</strong> für Frauen als Betroffene von Männergewalt<br />

• <strong>Prozessbegleitung</strong> für Opfer von situativer Gewalt und Gewalt im öffentlichen<br />

Raum<br />

Die bislang gewachsenen Kooperations- und Vernetzungsstrukturen in Form von<br />

„Runden Tischen“ und „Kooperationsforen“ sowie die grundlegenden<br />

Arbeitskonzepte und <strong>Prozessbegleitung</strong>s-Standards sind vor allem vom Kin<strong>der</strong>- und<br />

Jugendlichenbereich und vom Frauenbereich entwickelt und implementiert worden.<br />

Das, was in den letzten sechs Jahren in Österreich an gewachsener Struktur<br />

entstanden ist, ist <strong>der</strong> Erfolg dieser beiden Bereiche: <strong>Prozessbegleitung</strong> für Kin<strong>der</strong><br />

und Jugendliche und <strong>Prozessbegleitung</strong> für Frauen. Diese geleistete Strukturarbeit<br />

ist allerdings kein abgeschlossener, son<strong>der</strong>n vielmehr ein stetiger Prozess <strong>der</strong><br />

Erneuerung und <strong>der</strong> Reformierung, um die Qualität halten und verbessern zu<br />

können. Eine Arbeit, die von ProzessbegleiterInnen unentgeltlich geleistet wird.<br />

Die Integration <strong>der</strong> Einrichtungen für die dritte Opfergruppe ist noch im Gange und<br />

aufgrund <strong>der</strong> unterschiedlichen inhaltlichen Fragestellungen, nicht einfach.<br />

2.3.1. <strong>Prozessbegleitung</strong> für Kin<strong>der</strong>- und Jugendliche<br />

Entwicklungen und Verän<strong>der</strong>ungen auf Bundeslän<strong>der</strong>ebene<br />

• In mehreren Bundeslän<strong>der</strong>n werden steigende Fallzahlen verzeichnet.<br />

• In den meisten Bundeslän<strong>der</strong>n ist die Akzeptanz <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> bei<br />

Gericht gestiegen. Ausnahmen entstehen dann, wenn<br />

UntersuchungsrichterInnen, StaatsanwältInnen o<strong>der</strong><br />

HauptverhandlungsrichterInnen wechseln.<br />

• Bis auf wenige Ausnahmen verschicken die Strafgerichte die Information über<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> inklusive den entsprechenden Adressen mit <strong>der</strong> Ladung zur<br />

Kontradiktorischen Einvernahme.<br />

• In Salzburg hat die <strong>Prozessbegleitung</strong> erreicht, dass die Kin<strong>der</strong> nicht durch die<br />

Sicherheitsschleuse müssen. In Wien wurde erreicht, dass die <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

einen Schlüssel für den ZeugInnenschutzraum hat.<br />

• Durch Kooperationen mit dem Gericht konnte (begrenzt) Einfluss auf<br />

Verän<strong>der</strong>ungen bei <strong>der</strong> Auswahl von Sachverständigen erreicht werden.<br />

• Die Kooperation mit <strong>der</strong> Polizei muss nach <strong>der</strong>en Umstrukturierung großteils<br />

verstärkt neu aufgebaut bzw. erneuert werden.<br />

14


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

• In Wien wird bei <strong>der</strong> Staatsanwaltschaft die jahrelang gefor<strong>der</strong>te<br />

Son<strong>der</strong>zuständigkeit eingerichtet.<br />

• Vier Mal pro Jahr finden in Oberösterreich bundeslandweite Fallintervisionen<br />

statt.<br />

• Das 2. Curriculum für <strong>Prozessbegleitung</strong> (als umfassende Fortbildung für<br />

ProzessbegleiterInnen) in <strong>der</strong> Steiermark wurde abgeschlossen.<br />

● Der Standard, dass es in jedem Fall zwei ProzessbegleiterInnen für Kind und<br />

Bezugsperson geben soll, kann bundesweit nicht durchgehend eingehalten<br />

werden. Laut Forschungsbericht 2003 gab es nur in 20 Prozent <strong>der</strong> Fälle zwei<br />

ProzessbegleiterInnen. Die Quote ist mittlerweile aber deutlich gestiegen.<br />

Mitunter wird mit einer ProzessbegleiterIn begonnen, später steigt eine zweite<br />

ein.<br />

Gründe für die Nichteinhaltung sind Kapazitätsmängel, Zeit- und Termingründe<br />

o<strong>der</strong> wenn bereits an<strong>der</strong>e BetreuerInnen involviert sind o<strong>der</strong> wenn die<br />

Bezugsperson keine <strong>Prozessbegleitung</strong> will.<br />

Es gibt bisher wenig Überblick über die Abdeckung mit <strong>Prozessbegleitung</strong>. Es<br />

existiert kein generelles Sicherungssystem. Mögliche Informationsquellen sind<br />

das Gericht, die Jugendwohlfahrt, die Kin<strong>der</strong>- und Jugendanwaltschaften, die<br />

Exekutive und die Opferschutzeinrichtungen selbst. Die Quote ließe sich aus <strong>der</strong><br />

Differenz zwischen <strong>der</strong> Anzahl an Anzeigen und <strong>der</strong> Anzahl an<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong>en ermitteln.<br />

o Der Anteil an <strong>Prozessbegleitung</strong>en ist ansteigend, liegt aber keinesfalls bei<br />

100 % Abdeckung von Bedarf. Jugendliche sind öfter unbegleitet als Kin<strong>der</strong>.<br />

o Dezidiert verpflichtet zur Information über den Rechtsanspruch auf<br />

psychosoziale und juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> sind nur Gerichte,<br />

Staatsanwaltschaften und die Exekutive. Eine <strong>der</strong>artige gesetzliche<br />

Verpflichtung für die Jugendwohlfahrt gibt es <strong>der</strong>zeit nicht.<br />

o Die Abdeckung wird dann noch zusätzlich erschwert, wenn bestimmte<br />

Regionen in Österreich aufgrund eines Mangels entsprechen<strong>der</strong><br />

Opferschutzeinrichtungen bzw. fehlen<strong>der</strong> Verträge nicht versorgt werden<br />

können<br />

Verän<strong>der</strong>ungen seit 1.1.2006 durch die Einführung <strong>der</strong> neuen<br />

Opferschutzbestimmungen<br />

Das Gesetz hat bisher nur wenig Verän<strong>der</strong>ungen gebracht, <strong>der</strong> Rechtsanspruch auf<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> besteht zwar, ist aber nicht flächendeckend gesichert.<br />

• Die Akzeptanz gegenüber <strong>der</strong> psychosozialen <strong>Prozessbegleitung</strong> und das<br />

Selbstverständnis <strong>der</strong> ProzessbegleiterInnen in <strong>der</strong> Kooperation mit den an<strong>der</strong>en<br />

Berufsgruppen ist gestiegen.<br />

• Die Sicherstellung <strong>der</strong> Finanzierung durch das BMJ hat sich verbessert.<br />

• Neu ist, dass die Betroffenen über Einstellungen von Verfahren und U-Haft-<br />

Entlassungen vermehrt vom Gericht informiert werden.<br />

• Erleichtert hat sich die Übernahme <strong>der</strong> Psychotherapiekosten durch das<br />

Bundessozialamt. Eine Berufungsinstanz gegen ablehnende Bescheide wurde<br />

eingeführt. Diese Erleichterung hat sich in Wien aber kaum ausgewirkt.<br />

• In manchen Regionen wird konstatiert, dass die Polizei zu verhin<strong>der</strong>n versucht,<br />

dass die <strong>Prozessbegleitung</strong> bei <strong>der</strong> Einvernahme dabei ist. (z.B. in Vorarlberg,<br />

Linz)<br />

15


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

• Die gesetzlich vorgeschriebene Information <strong>der</strong> Betroffenen über das Angebot<br />

<strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> hat sich vergrößert, aber nicht unbedingt verbessert. Zum<br />

Teil wird eine Informationsflut verzeichnet (Fol<strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> für Kin<strong>der</strong><br />

und Jugendliche, Info-Fol<strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> des Justizministeriums,<br />

Opferhilfe-Fol<strong>der</strong>, Neustart-Kampagnen), die den Zugang zur <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

erschwert. Ein Informationsfol<strong>der</strong> von BMI und BMJ über Einrichtungen, die<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> anbieten, hat Verwirrung gestiftet, da die Trägervereine und<br />

nicht die Opferschutzeinrichtungen angeführt werden. In manchen Regionen<br />

werden die Betroffenen mittels Infoblättern einseitig auf einzelne Einrichtungen<br />

hingewiesen.<br />

Die Informationen werden auch “wie zum ersten Mal“ gegeben, selbst wenn die<br />

Betroffenen sie offensichtlich haben, z.B. eine psychosoziale Prozessbegleiterin<br />

ist bereits bei <strong>der</strong> Anzeigeerstattung dabei.<br />

Problemaufriss aktueller Themen im Kin<strong>der</strong>bereich – Lösungsvorschläge:<br />

Öffentlichkeitsarbeit<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> soll möglichst vor <strong>der</strong> Anzeige begonnen werden. Um eine<br />

höhere Quote an <strong>Prozessbegleitung</strong>en zu erreichen, die bereits vor <strong>der</strong> Anzeige<br />

begonnen werden, bedarf es vermehrter Öffentlichkeitsarbeit. Seit Jänner gibt es<br />

dazu eine <strong>Arbeitsgruppe</strong>, die (bundesweite) Strategien erarbeiten. Die Kontakte mit<br />

den lokalen Medien müssen dann in jedem Bundesland extra aufgenommen werden.<br />

Es gibt Kritik am Fol<strong>der</strong> vom BMJ und BMI: lose Blätter, fehlende und falsche<br />

Adressen, schlechtes Layout, Verwirrung weil z.T. Trägervereine und nicht Anbieter<br />

angeführt sind, aber auch Verwirrung ob <strong>der</strong> Vielzahl <strong>der</strong> Fol<strong>der</strong>.<br />

Hilfreich und sinnvoll wären eine Trennung nach Bundeslän<strong>der</strong>n und ein Fol<strong>der</strong>, <strong>der</strong><br />

ansprechend die drei Opfergruppen inhaltlich unterscheiden kann.<br />

Die Frage <strong>der</strong> Öffentlichkeitsarbeit muss neu geklärt werden. Notwendig erscheint<br />

jedenfalls Öffentlichkeitsarbeit auf verschiedenen Ebenen, die auch verschieden zu<br />

gestalten ist: Auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Verantwortungsträger, auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong><br />

Kooperationspartner bzw. involvierten Berufsgruppen (auf diesen beiden Ebenen gilt<br />

es auch „Überzeugungsarbeit“ zu leisten) bzw. auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Betroffenen<br />

(vorwiegend durch optimale Information).<br />

Kooperation<br />

Mit <strong>der</strong> Differenzierung <strong>der</strong> drei Opfergruppen verän<strong>der</strong>t sich die bisherige<br />

Kooperation und Öffentlichkeitsarbeit. Diese offenen Punkte müssen neu geklärt<br />

werden. Sinnvoll wäre vermutlich Kooperationsforen entsprechend <strong>der</strong> zu<br />

betreuenden Opfergruppe zu gestalten.<br />

Derzeit gibt es noch Verwirrung bei Gericht und <strong>der</strong> Staatsanwaltschaft, wer wen<br />

informieren muss. Die Auswirkungen des Erlasses des Bundesministeriums für<br />

Justiz vom 5.2.<strong>2007</strong> zu BMJ-L578.023/0001-II 3/<strong>2007</strong>, wonach am Aktendeckel ein<br />

Vermerk auf die bestehende <strong>Prozessbegleitung</strong> angebracht werden soll, auf die<br />

Verständigungspraxis <strong>der</strong> Gerichte werden abzuwarten sein.<br />

16


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

Kleine Kin<strong>der</strong> (unter 6 Jahren) und Behin<strong>der</strong>te bei Gericht<br />

Diese Verfahren werden zu ca. 90 % eingestellt, weil eine Aussagefähigkeit o<strong>der</strong><br />

Aussagetüchtigkeit nicht attestiert werden kann. Schon im Modellprojekt war dieses<br />

Thema evident. Es hat in sechs Jahren nichts an Brisanz und Aktualität verloren. Die<br />

ProzessbegleiterInnen alleine können dieses Problem nicht beheben, es braucht<br />

strukturelle Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Bedingungen und ein Austausch auf<br />

multidisziplinärer Ebene.<br />

Verleumdungsklagen<br />

Fälle von Verleumdungsklagen gibt es in <strong>der</strong> Zwischenzeit in mehreren<br />

Bundeslän<strong>der</strong>n. Im Kin<strong>der</strong>bereich entsteht <strong>der</strong> Eindruck, dass diese Strategien<br />

bundesweit zunehmen. Mit Strategien sind gemeint, dass Opfer eingeschüchtert<br />

werden, Einvernahmen o<strong>der</strong> Tatortbegehungen mit dem Opfer zu Hause<br />

unangemeldet ohne Begleitperson gemacht werden, die Opfer oft überrumpelt, und<br />

dann unter Druck gesetzt werden und dann völlig erschöpft o<strong>der</strong> retraumatisiert die<br />

frühere Aussage zurückziehen.<br />

Beson<strong>der</strong>s gefährdet ist die Altersgruppe <strong>der</strong> 14 – 17jährigen, da Pubertierenden<br />

tendenziell Lügen o<strong>der</strong> Unsinn aus Langeweile unterstellt wird und sie nicht dem<br />

Stereotyp eines Opfers entsprechen. Ebenso betroffen ist die Gruppe <strong>der</strong> 10 –<br />

20jährigen Personen mit Behin<strong>der</strong>ung.<br />

Die Herausfor<strong>der</strong>ung liegt darin, die Kooperation mit <strong>der</strong> Exekutive auf- bzw.<br />

auszubauen und an<strong>der</strong>erseits Missstände beobachten und öffentlich machen.<br />

Hilfreich wäre eine interdisziplinäre Unterarbeitsgruppe im BMI um einen<br />

halböffentlichen Raum für Diskussion zu haben.<br />

Psychologische Aufarbeitung<br />

Bei <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> wurde davon ausgegangen, dass es<br />

sinnvoll sei nach dem gerichtlichen Verfahren eine Psychotherapie anzuschließen.<br />

Diese Annahme kann so nicht durchgängig gehalten werden. Für einen Teil <strong>der</strong><br />

Betroffenen ist es hilfreich frühzeitig (z.B. als Intervention nach <strong>der</strong> Offenlegung) mit<br />

einer Aufarbeitung beginnen zu können. Nicht alle Opfer benötigen zur Aufarbeitung<br />

des Erlebten Psychotherapie. Von den Einrichtungen gibt es eine Empfehlung für<br />

Psychotherapie ca. für die Hälfte <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> und Jugendlichen.<br />

Der Beginn <strong>der</strong> Psychotherapie nach <strong>der</strong> Kontradiktorischen Einvernahme ist doch<br />

oftmals zu früh, weil <strong>der</strong> Blickwinkel noch auf die äußeren Umstände und nicht auf<br />

die inneren Zustände gerichtet ist.<br />

Der Therapiebeginn nach Abschluss des gerichtlichen Proce<strong>der</strong>es kann als große<br />

Unterstützung o<strong>der</strong> als Belastung erlebt, da jetzt <strong>der</strong> Zeitabstand zum Geschehen zu<br />

lang empfunden wird und zu diesem Zeitpunkt nicht die Tat, son<strong>der</strong>n das Verfahren<br />

im Vor<strong>der</strong>grund steht.<br />

Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Therapiebedürftigkeit und die Möglichkeit<br />

Psychotherapie in Anspruch zu nehmen und <strong>der</strong> richtige Zeitpunkt für jedes Opfer<br />

sehr unterschiedlich ist. Zusätzlich kommt erschwerend hinzu, dass es eine<br />

17


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

Finanzierungslücke bei denen gibt, die geschädigt worden sind, es aber zu keiner<br />

Verurteilung kommt.<br />

Die Kostenübernahme <strong>der</strong> Bundessozialämter ist in Österreich lei<strong>der</strong> sehr<br />

uneinheitlich. Ein weiteres Problem stellt sich dahingehend, dass aus Sicht <strong>der</strong><br />

Bundessozialämter für eine Kostenübernahme <strong>der</strong> Psychotherapie die Kausalität<br />

zwischen <strong>der</strong> Erkrankung und dem Verbrechen nachgewiesen werden muss. Eine<br />

entsprechende Än<strong>der</strong>ung des Verbrechensopfergesetzes ist anzustreben.<br />

Finanzen<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> kann nicht flächendeckend angeboten werden. Im ländlichen<br />

Bereich, wo das öffentliche Verkehrsnetz zum Teil nur sehr schlecht ausgebaut ist,<br />

kommen Opfer nicht o<strong>der</strong> nur sehr begrenzt zu ihrem Recht. Seit Bestehen <strong>der</strong><br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> werden individuell Notlösungen gefunden, z.B. übernehmen<br />

SozialarbeiterInnen von <strong>der</strong> Jugendwohlfahrt „KlientInnentransfers“.<br />

Damit alle Opfer zu ihrem Recht kommen, ist es erfor<strong>der</strong>lich, eine „mobile<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong>“ aufzubauen. Eine Regelung für die Übernahme von Fahrtzeiten<br />

und –kosten wäre in diesem Zusammenhang notwendig.<br />

„Koordinationsstelle Opferhilfe“<br />

Im aktuellen Regierungsprogramm ist die Einrichtung einer „Koordinationsstelle<br />

Opferhilfe“ vorgesehen. Eine Diskussion muss auch in <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> geführt werden,<br />

wobei darauf zu achten ist, dass die bisherigen Kompetenzträger von<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> hier wesentlich in die Entwicklung eingebunden werden.<br />

Umsetzung des Gesetzes § 47a und 49a STPO<br />

Derzeit ist die Durchsetzbarkeit des Rechtsanspruches auf <strong>Prozessbegleitung</strong> nicht<br />

vorgesehen, sie wäre aber dringend notwendig. Probleme in <strong>der</strong> praktischen<br />

Umsetzung werden beim BMJ und beim BMI aufgezeigt.<br />

Interministerielle <strong>Arbeitsgruppe</strong><br />

Die Aktivität <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> soll wie<strong>der</strong> bzw. weiter vorangetrieben werden. Die<br />

Ministerien sollten hier besser vertreten sein, und mit Kompetenzen ausgestattet<br />

werden.<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> lebt durch gute Kooperation. Neben den NGOs sind<br />

VertreterInnen aus Bundesministerien sinnvoll. Für Opferhilfe ist die<br />

Zusammenarbeit von unterschiedlichen Ministerien erfor<strong>der</strong>lich - BMI, BMJ, BMGFJ,<br />

BKA/Frauen und BMSK.<br />

Qualitätssicherung<br />

Die in <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> erarbeiteten „Standards für <strong>Prozessbegleitung</strong>“ sind <strong>der</strong>zeit<br />

verpflichtend, unterliegen aber keiner externen Kontrolle, d.h. dass die Arbeitsweise<br />

<strong>der</strong> diversen AnbieterInnen qualitativ sehr unterschiedlich ist. Neben den bisher<br />

bereits angebotenen Supervisions- und Reflexionsseminaren bedarf es auch einer<br />

umfassenden Fortbildung für die psychosozialen ProzessbegleiterInnen (z.B.<br />

18


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

Curriculum <strong>Prozessbegleitung</strong> in <strong>der</strong> Steiermark) sowie einer verpflichtenden<br />

Schulung <strong>der</strong> OpferanwältInnen).<br />

2.3.2. <strong>Prozessbegleitung</strong> von Frauen als Betroffene von Männergewalt<br />

Entwicklungen und Verän<strong>der</strong>ungen<br />

Auch im Frauenbereich wurden im letzten Jahr – also seit <strong>der</strong> gesetzlichen<br />

Verankerung - steigende Fallzahlen verzeichnet.<br />

Im Allgemeinen steigt die Akzeptanz <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> von Frauen als<br />

Betroffene von Männergewalt in den verschiedenen Institutionen, wenn auch<br />

zögerlicher als im Kin<strong>der</strong>bereich.<br />

Die Information über <strong>Prozessbegleitung</strong> wird häufig durch die Polizei vermittelt,<br />

die Unterstützung <strong>der</strong> Betroffenen beginnt demnach öfter nach <strong>der</strong> Anzeige o<strong>der</strong><br />

dem Polizeieinsatz.<br />

Trotz <strong>der</strong> verstärkten Information über die Möglichkeit, als Gewaltopfer<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> in Anspruch zu nehmen, ist es für Betroffene immer wie<strong>der</strong><br />

schwierig, sich Konkretes unter <strong>Prozessbegleitung</strong> vorstellen zu können<br />

(ungenügende Information) und die für sie adäquaten Einrichtungen zu finden<br />

(unübersichtliche Informationsflut).<br />

Die Frage <strong>der</strong> Abdeckung ist nicht eindeutig zu klären: Gemessen an <strong>der</strong><br />

Kriminalstatistik ist die Anzahl <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong>en vergleichsweise gering,<br />

offen bleibt wie viele Betroffene keine <strong>Prozessbegleitung</strong> wollen bzw. für wie viele<br />

<strong>der</strong> Zugang zu <strong>Prozessbegleitung</strong> nicht ausreicht (Information, Erreichbarkeit <strong>der</strong><br />

Einrichtung).<br />

Die Vernetzung unter Fraueneinrichtungen führt auch zur Nutzung <strong>der</strong><br />

Fachkompetenz von kleinen/regionalen Stellen, die selbst keinen Vertrag haben<br />

und in Einzelfällen als „externe“ Fachkraft von den Vertragspartnerinnen<br />

eingesetzt werden. Damit kann das regionale Angebot verbessert werden.<br />

Entwicklung in den Interventionsstellen/Gewaltschutzzentren: Es werden mehr<br />

Opfer aus verschiedenen Bereichen betreut, vor allem war/ist ein starker<br />

Zuwachs an Stalking-Opfern zu verzeichnen, weiters eine Steigerung <strong>der</strong><br />

männlichen Gewaltopfer (von an<strong>der</strong>en Männern in <strong>der</strong> Familie) auf ca. 10%.<br />

Probleme<br />

Frauen als Betroffene von Männergewalt stoßen im Allgemeinen auf weniger<br />

Verständnis für ihre spezielle Situation als Opfer und ihren Anspruch auf<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> – vor allem im Justizbereich ist hier weitere Sensibilisierung<br />

nötig.<br />

Schriftliche Informationen über <strong>Prozessbegleitung</strong> seitens des Gerichts sind<br />

<strong>der</strong>zeit nur Standard bei Ladungen zur kontradiktorischen Vernehmung im<br />

Vorverfahren. Im Frauenbereich sind jedoch (kontradiktorische) Vernehmungen<br />

im Vorverfahren viel seltener, oft erfolgt die erste Ladung gleich zur<br />

Hauptverhandlung.<br />

Verleumdungsklagen und Unterstellungen verschiedener Art setzen Opfer immer<br />

wie<strong>der</strong> stark unter Druck, inwieweit diese Strategien (des Beschuldigten) im<br />

Steigen sind, muss noch genauer beobachtet werden.<br />

19


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

Vor allem in größeren Bundeslän<strong>der</strong>n mit mehreren Landes- und<br />

Bezirksgerichten fehlt <strong>der</strong> Fahrtkostenersatz für die Prozessbegleiterinnen – vom<br />

hohen Zeitaufwand ganz zu schweigen.<br />

Der Zugang zu Leistungen nach dem Verbrechensopfergesetz ist von<br />

Bundesland zu Bundesland sehr verschieden, vor allem wenn es zu keiner<br />

Verurteilung des Beschuldigten kommt. Die bürokratischen Hürden bei <strong>der</strong><br />

Antragstellung im Bundessozialamt sind insgesamt sehr hoch, viele Opfer<br />

schrecken davor zurück.<br />

Schwerpunkte für die nächste Zukunft<br />

Ein vernetzter Ausbau <strong>der</strong> Kooperation mit den Gerichten in Bezug auf<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> für Frauen als Betroffene von Männergewalt sollte in<br />

einzelnen Bundeslän<strong>der</strong>n verstärkt werden.<br />

Es ist ein zentrales Anliegen <strong>der</strong> Fraueneinrichtungen, die <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

bzw. Opferhilfe im weiteren Sinn anbieten, in die Entwicklung <strong>der</strong> vom BMJ<br />

angestrebten Koordinationsstelle miteinbezogen zu werden, um<br />

frauenspezifische Schwerpunkte einzubringen und die Kooperation mit Behörden<br />

und an<strong>der</strong>en Einrichtungen zu optimieren.<br />

Für die flächendeckende Sicherstellung von <strong>Prozessbegleitung</strong> für Frauen in<br />

ganz Österreich und für <strong>der</strong>en Qualitätssicherung wird die Finanzierung einer<br />

Bundeskoordination für <strong>Prozessbegleitung</strong> sowie spezifischer Seminare im<br />

Frauenbereich angestrebt.<br />

2.3.3. <strong>Prozessbegleitung</strong> für Opfer von situativer Gewalt und Gewalt im<br />

öffentlichen Raum<br />

Der Weisse Ring bot bereits vor jeglicher För<strong>der</strong>ung durch das BMJ im Rahmen <strong>der</strong><br />

Opferhilfe Gerichtsbegleitung an. In den Anfängen lag <strong>der</strong> Schwerpunkt <strong>der</strong><br />

Gerichtsbegleitung in <strong>der</strong> Begleitung und Vertretung von Straftatopfern durch<br />

JuristInnen/AnwältInnen. Die ehrenamtlich tätigen BegleiterInnen<br />

(RechtsanwältInnen, TherapeutInnen,...) traten als Vertrauensperson (§ 162 StPO)<br />

bzw. als PrivatbeteiligtenvertreterInnen auf. Entscheidend für die Gerichtsbegleitung<br />

waren in erster Linie die psychische Verfassung und <strong>der</strong> Bedarf an Unterstützung für<br />

Straftatopfer.<br />

Erstmals für das Jahr 2000 stellte das Bundesministerium für Justiz dem Weissen<br />

Ring eine För<strong>der</strong>ung für <strong>Prozessbegleitung</strong> zur Verfügung (Ausschüttung 2001).<br />

Seither wird <strong>Prozessbegleitung</strong> durch den Weissen Ring weitgehend vom BMJ<br />

geför<strong>der</strong>t.<br />

Sukzessive mit <strong>der</strong> anwaltlichen Gerichtsbegleitung hat <strong>der</strong> Weisse Ring<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> entwickelt und bietet nunmehr seit Jahren anwaltliche und/o<strong>der</strong><br />

psychosoziale <strong>Prozessbegleitung</strong> für Opfer an. Sowohl in <strong>der</strong> Opferhilfe als auch<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> werden Kin<strong>der</strong> und Jugendliche sowie Frauen, die von Gewalt in<br />

Paarbeziehungen, sexualisierter Männergewalt, Stalking und Frauenhandel betroffen<br />

sind, an spezialisierte Einrichtungen verwiesen. <strong>Prozessbegleitung</strong> für diese<br />

Gruppen ermöglicht/e <strong>der</strong> Weisse Ring in Kooperation mit auf diese Gruppen<br />

spezialisierte Einrichtungen (z.B. juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> für KlientInnen <strong>der</strong><br />

Interventionsstellen bis 2006), die keinen För<strong>der</strong>vertrag mit dem Bundesministerium<br />

für Justiz abgeschlossen haben.<br />

20


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

Mit dem För<strong>der</strong>ungsvertrag hat sich <strong>der</strong> Weisse Ring gegenüber dem BMJ<br />

verpflichtet, ab Oktober 2005 <strong>Prozessbegleitung</strong> für alle Straftatopfer in ganz<br />

Österreich durchzuführen, wobei explizit darauf hingewiesen wurde, dass in Fällen<br />

von Mädchen, Buben und Jugendlichen als Opfer sexueller und physischer Gewalt<br />

und Frauen als Betroffene von Männergewalt an spezialisierte Einrichtungen<br />

verwiesen bzw. vermittelt wird.<br />

Da <strong>der</strong> Weisse Ring als einzige Organisation in Österreich <strong>Prozessbegleitung</strong> für<br />

Opfer situativer Gewalt angeboten hat, ist die Schulung, Aus- und Weiterbildung von<br />

ProzessbegleiterInnen organisationsintern im Rahmen <strong>der</strong> interdisziplinären Aus-<br />

und Weiterbildung in <strong>der</strong> Opferhilfe angesiedelt. Die internen interdisziplinären<br />

Schulungen des Weissen Ringes im Rahmen <strong>der</strong> Opferhilfe werden vom BMI<br />

geför<strong>der</strong>t.<br />

In <strong>der</strong> Sitzung <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> vom 31.3.2006 wurde <strong>der</strong> Weisse Ring beauftragt, mit<br />

Neustart, Lichtblick/Wr.Neustadt, IFS Vorarlberg, Standards und<br />

Qualifikationskriterien für <strong>Prozessbegleitung</strong> für Opfer situativer Gewalt<br />

auszuarbeiten.<br />

In <strong>der</strong> Sitzung <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> vom 24.11.2006 wurde die erste Fassung dieser Standards<br />

und den „Qualitätskriterien, <strong>der</strong> Qualifikation und dem Anfor<strong>der</strong>ungsprofil diskutiert.<br />

Än<strong>der</strong>ungsvorschläge wurden aufgenommen. Dieser Diskussionsprozess ist bis dato<br />

noch nicht abgeschlossen (Stand Mai <strong>2007</strong>).<br />

2.4. Kostentragung <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

Das BMJ bewilligt den Opferhilfeeinrichtungen eine För<strong>der</strong>ung über einen<br />

bestimmten Höchstbetrag. Die von den Opferhilfeorganisationen in <strong>der</strong> Folge<br />

tatsächlich für die Durchführung von <strong>Prozessbegleitung</strong>en aufgewendeten Beträge<br />

werden sodann quartalsweise abgerechnet und ausbezahlt.<br />

Für die im Rahmen <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> erbrachten Leistungen gelangen folgende<br />

Stundensätze (jeweils als Höchstbeträge) zur Anwendung:<br />

21


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

dipl. SozialarbeiterIn<br />

o<strong>der</strong> Personen mit<br />

gleichwertiger Qualifikation<br />

a) Angestellte(r) <strong>der</strong> Einrichtung<br />

b) beigezogene(r) Mitarbeiter(in)<br />

€ 59,00<br />

PsychotherapeutIn<br />

a) Angestellte(r) <strong>der</strong> Einrichtung<br />

b) beigezogene(r) Mitarbeiter(in)<br />

€ 66,00<br />

Rechtsanwalt/Rechtsanwältin € 73,00<br />

Ist in <strong>der</strong> Abrechnung <strong>der</strong> Leistung Umsatzsteuer enthalten und kann sich <strong>der</strong><br />

För<strong>der</strong>ungsnehmer die Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer abziehen, so sind folgende<br />

Stundensätze (jeweils als Höchstbeträge) maßgeblich:<br />

dipl. SozialarbeiterIn<br />

o<strong>der</strong> Personen mit<br />

gleichwertiger Qualifikation<br />

PsychotherapeutIn<br />

Rechtsanwalt/Rechtsanwältin<br />

beigezogene(r)<br />

Mitarbeiter(in)<br />

beigezogene(r)<br />

Mitarbeiter(in)<br />

€ 70,80<br />

immer gemäß § 6 Z 19<br />

UStG umsatzsteuerfrei<br />

€ 87,60<br />

Welche Leistungen im Rahmen <strong>der</strong> psychosozialen <strong>Prozessbegleitung</strong> ersetzt<br />

werden, wurde in einem Katalog festgelegt, <strong>der</strong> insbeson<strong>der</strong>e auch die Fall<br />

bezogene Kooperation einschließt.<br />

Weiters werden als Barauslagen insbeson<strong>der</strong>e Übersetzungskosten pro Stunde<br />

Zeitaufwand mit einem Betrag von € 55,-- (bzw. bei Anfall von nicht als Vorsteuer<br />

abziehbarer USt € 66,--) sowie Kopierkosten ersetzt. Ferner wird seit Oktober 2005<br />

den För<strong>der</strong>ungsnehmern als Beitrag zu <strong>der</strong>en infrastrukturellen Kosten ein Zuschlag<br />

von 15 % zu den entsprechend den angeführten Tarifen berechneten Kosten <strong>der</strong><br />

psychosozialen und juristischen <strong>Prozessbegleitung</strong> sowie zu den Barauslagen<br />

gewährt. Darüber hinaus bestehen keine weiteren Ansprüche <strong>der</strong><br />

För<strong>der</strong>ungsnehmer, wie z.B. auf Fahrtkosten.<br />

Probleme aus Sicht <strong>der</strong> Opferhilfeeinrichtungen<br />

Das BMJ akzeptiert als Barauslagen zwar Aktenabschriften, nicht aber Fahrtkosten<br />

und Fahrtzeiten auf Fallebene. Für <strong>Prozessbegleitung</strong>en außerhalb von<br />

Landeshauptstädten sind zum Teil lange Wegstrecken erfor<strong>der</strong>lich. Wenn eine<br />

flächendeckende Betreuung aufgebaut werden und gewährleistet sein soll, müssten<br />

künftig die Kosten für Fahrt und Fahrtzeiten übernommen werden.<br />

Die Finanzierung <strong>der</strong> fallunabhängigen Kooperation und Vernetzung (z.B. die<br />

Teilnahme an regionalen Kooperationsforen und Runden Tischen) bleibt offen.<br />

Unabhängig von <strong>der</strong> Fallebene<br />

sind regionale und bundesweite Kooperationsstrukturen notwendig, um einen<br />

einheitlichen Standard zu erreichen und die Qualität zu sichern („Regionale<br />

Kooperationsforen“ <strong>der</strong> ProzessbegleiterInnen und interdisziplinär besetzte<br />

„Runde Tische“ auf Praxis- und auf Leistungsebene, siehe Standards und<br />

Empfehlungen);<br />

22


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

ist Informationstätigkeit über das Angebot <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> erfor<strong>der</strong>lich<br />

(bei allen involvierten Institutionen wie Jugendwohlfahrt, Gericht, Exekutive,<br />

an<strong>der</strong>en Beratungsstellen etc.).<br />

Die in <strong>der</strong> <strong>Arbeitsgruppe</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> vertretenen Opferhilfevereine betonen,<br />

dass die Fallarbeit bestimmte Rahmenbedingungen benötigt und vor allem regionale<br />

und überregionale Vernetzungen braucht, um <strong>Prozessbegleitung</strong> standardisiert in<br />

jedem Bundesland anbieten zu können. Die für <strong>Prozessbegleitung</strong> notwendigen<br />

Ressourcen müssten geschaffen und zur Verfügung gestellt werden, damit dieses<br />

Angebot allen Opfern zugute kommen kann und die Vereine Kosten nicht selbst<br />

tragen müssen, die sie nicht tragen können (Fahrtkosten, fallunabhängige<br />

Vernetzung etc.).<br />

Die Honorarsätze für juristische ProzessbegleiterInnen sind kaum kostendeckend<br />

und entsprechen nicht dem Marktwert. So etwa liegt <strong>der</strong> Tarif von € 73,-- weit unter<br />

den üblichen Anwaltssätzen. <strong>Prozessbegleitung</strong> übernehmen daher nur einige<br />

wenige sehr engagierte RechtsanwältInnen o<strong>der</strong> kleine, im Aufbau befindliche<br />

Rechtsanwaltskanzleien, die noch keine hohen Infrastrukturkosten haben.<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> wird zwar geför<strong>der</strong>t von <strong>der</strong> Anzeigeerstattung bis zum Abschluss<br />

des Strafverfahrens und vor dem Pflegschaftsgericht, sofern dies für die<br />

Verfahrensführung im Strafverfahren Voraussetzung ist. Es fehlt jedoch<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> für Exekutionsverfahren, Zivilprozesse (allf. Verfahrenshilfe) und<br />

Pflegschaftsverfahren im Allgemeinen.<br />

Problematisch ist weiters die verbreitete Praxis <strong>der</strong> ersten Instanz, mit<br />

Schadenersatzansprüchen auf den Zivilrechtsweg zu verweisen. Dies bedeutet ein<br />

weiteres oft jahrelanges Verfahren. Zudem muss das Opfer im Zivilverfahren im<br />

Beisein des Täters aussagen, da hier eine kontradiktorische Vernehmung aufgrund<br />

<strong>der</strong> Gesetzeslage noch nicht vorgesehen ist. Ein Zivilverfahren bedeutet demnach<br />

für das Opfer nicht nur eine finanzielle, son<strong>der</strong>n auch eine große psychische<br />

Belastung. Im Interesse des Opferschutzes sollte weiters dieselbe RechtsanwältIn,<br />

die die Privatbeteiligtenvertretung bzw. juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> im Strafprozess<br />

übernommen hat, das Opfer auch in einem anschließenden Zivilverfahren (z.B. im<br />

Rahmen <strong>der</strong> Verfahrenshilfe) o<strong>der</strong> Pflegschaftsverfahren vertreten können.<br />

Die rechtliche Beratung <strong>der</strong> Opfer z.B. im Vorfeld einer Anzeige durch JuristInnen,<br />

die bei Vereinen angestellt sind, wird vom BMJ im Rahmen <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

nicht finanziert (nur RechtsanwältInnen werden als juristische ProzessbegleiterInnen<br />

akzeptiert).<br />

Diese Tätigkeiten werden aus Sicht des BMJ dadurch finanziert, dass die für<br />

psychosoziale <strong>Prozessbegleitung</strong> verrechneten Stundensätze die Kosten von<br />

angestellten MitarbeiterInnen <strong>der</strong> Opferhilfeeinrichtungen übersteigen. Diese Ansicht<br />

wird von den Opferhilfeeinrichtungen nicht geteilt.<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> ist ein qualitativ hochwertiges, professionelles und äußerst<br />

anspruchvolles Arbeitsgebiet. Wenn man nicht bewusst einen Qualitätsverlust in <strong>der</strong><br />

Arbeitsleistung in Kauf nehmen will, muss für die o.g. Probleme eine konstruktive<br />

Lösung gefunden werden.<br />

Lösungsansätze<br />

23


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

Die Kostentragung und die Abrechnungsmodalitäten müssen auf ministerieller<br />

Ebene unter Einbindung <strong>der</strong> Opferhilfeeinrichtungen, <strong>der</strong> RechtsanwältInnen und <strong>der</strong><br />

<strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> weiter diskutiert werden.<br />

Durch mehr Rechtsmittelverfahren könnte ein Umdenken/eine Judikaturän<strong>der</strong>ung<br />

hinsichtlich <strong>der</strong> Praxis <strong>der</strong> ersten Instanz, mit Schadenersatzansprüchen auf den<br />

Zivilrechtsweg zu verweisen, erreicht werden.<br />

Durch das Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975, das<br />

Staatsanwaltschaftsgesetz und das Tilgungsgesetz geän<strong>der</strong>t werden (BGBl. I Nr.<br />

119/2005) wurden wesentliche <strong>der</strong> mit dem Strafprozessreformgesetz, BGBl. I Nr.<br />

19/2004, ab 1.1.2008 bestehenden Opferrechte, insbeson<strong>der</strong>e auch die gesetzliche<br />

Implementierung <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> mit 1.1.2006 in Kraft gesetzt. Unter an<strong>der</strong>em<br />

wurde auch die Verpflichtung eingeführt, dass einem Sachverständigen, <strong>der</strong> für die<br />

Beurteilung einer Körperverletzung o<strong>der</strong> Gesundheitsschädigung bestellt wird, vom<br />

Gericht verpflichtend auch die Feststellung <strong>der</strong> Schmerzperioden aufzutragen sind,<br />

um den Zuspruch von Schmerzengeldansprüchen im Strafprozess zu erleichtern.<br />

Es wäre wünschenswert, dass AnwältInnen, die bereits die juristische<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> gemacht haben, auch die Möglichkeit erhalten, die Opfer im<br />

Zivilverfahren zu vertreten.<br />

2.5. Überlegungen zu einer Organisationsstruktur von <strong>Prozessbegleitung</strong> (UAG<br />

„Rechtliche Verankerung von <strong>Prozessbegleitung</strong>“)<br />

Die in <strong>der</strong> Unterarbeitsgruppe „Rechtliche Verankerung von <strong>Prozessbegleitung</strong>“<br />

angestellten Überlegungen zu den Punkten 5 und 6 wurden durch das<br />

Strafprozessreformgesetz (BGBl. I Nr. 19/2004), das Bundesgesetz, mit dem die<br />

Strafprozessordnung 1075, das Staatsanwaltschaftsgesetz und das Tilgungsgesetz<br />

geän<strong>der</strong>t werden (BGBl. I Nr. 119/2005) und durch die Einglie<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> in die bestehenden Strukturen <strong>der</strong> Opferhilfe bereits umgesetzt.<br />

2.6. Fortbildung<br />

Dieses Thema wurde andiskutiert, es liegen noch keine endgültigen Ergebnisse vor.<br />

Bisherige Fortbildungsmaßnahmen im Kin<strong>der</strong>bereich<br />

es fanden in allen Bundeslän<strong>der</strong>n in den Jahren 2001 und 2002 zwei 2-tägige<br />

Fortbildungsseminare für ProzessbegleiterInnen statt (je ein<br />

Grundinformationsseminar und ein interdisziplinäres Seminar)<br />

im Sommer 2004 wurde eine dritte Seminarreihe abgeschlossen<br />

(Supervisionsseminare)<br />

von August 2004 bis Jänner 2006 wurde eine weitere Fortbildungsreihe mit 2<br />

Grundseminaren und 7 Supervisionsseminaren zur <strong>Prozessbegleitung</strong> von<br />

Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen durchgeführt<br />

zum fachlichen Austausch fanden bis dato fünf nationale Vernetzungstreffen<br />

statt<br />

24


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

fachlicher Austausch findet auch in den o.g. "Regionalen Kooperationsforen"<br />

<strong>der</strong> ProzessbegleiterInnen und interdisziplinär besetzten "Runden Tischen"<br />

statt.<br />

Finanziert wurden die Seminare (ReferentInnen, Seminarunterlagen,<br />

Veranstaltungsräumlichkeiten) vom BMSG / Sektion Familie und Sektion Frauen<br />

(Grundinformationsseminare) bzw. vom BMSG / Sektion Familie (Interdisziplinäre<br />

Seminare, Supervisionsseminare). Die Kosten für die Arbeitsstunden <strong>der</strong><br />

SeminarteilnehmerInnen wurden bisher von den jeweiligen Vereinen getragen.<br />

In <strong>der</strong> Steiermark wurde für die Ausbildung von ProzessbegleiterInnen zwei vom<br />

Land finanziertes Curriculum abgehalten, wobei das zweite vom BMSG mitfinanziert<br />

wurde.<br />

Die Fortbildung <strong>der</strong> MitarbeiterInnen in <strong>Prozessbegleitung</strong> ist eines <strong>der</strong> Kriterien des<br />

BMSG bei <strong>der</strong> nach Art. VI Abs. 1 Strafprozessnovelle 1999 vorgesehenen<br />

Abstimmung <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung von Einrichtungen <strong>der</strong> Opferhilfe.<br />

Qualitätssichernde Maßnahmen im Frauenbereich<br />

Institutionsinterne Maßnahmen: Einschulungen von ProzessbegleiterInnen, laufende<br />

Intervision auf Teamebene, Supervision; spezifische Einschulungen von<br />

RechtsanwältInnen (und <strong>der</strong>en Konzipientinnen), die als juristische<br />

ProzessbegleiterInnen kooperieren bzw. regelmäßige Treffen für spezifischen<br />

Austausch zu <strong>Prozessbegleitung</strong>.<br />

Fortbildungsangebote von 1996 bis 2005 in verschiedenen Projektzeiträumen, die<br />

Aufträge wurden erteilt von: Bundeskanzleramt/Bundesministerin für<br />

Frauenangelegenheiten, Frauensektion des BMSG und BMGF. Mit bundesweiten<br />

Seminaren für Mitarbeiterinnen von Fraueneinrichtungen zur Unterstützung von<br />

Gewalt betroffenen Frauen sowie mit interdisziplinären Seminaren zur Kooperation<br />

wurden auch für die <strong>Prozessbegleitung</strong> wichtige Aspekte vermittelt: psychische und<br />

gesellschaftliche Situation betroffener Frauen, Gewalt als traumatische Erfahrung,<br />

Krisenintervention für und begleitende Unterstützung von gewaltbetroffenen Frauen,<br />

rechtliche Aspekte, Grundinformationen zum Strafprozess, Begleitung zu Polizei und<br />

Gericht, Kooperation mit diesen Institutionen, seit 2000 Grundinformation zur<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong>, 2005 zwei spezifische Rechts-Seminare mit den Schwerpunkten<br />

Gewaltschutzgesetz und <strong>Prozessbegleitung</strong>.<br />

Fachspezifischer Austausch zu <strong>Prozessbegleitung</strong> im Rahmen verschiedener<br />

Vernetzungstreffen wie z.B. den jährlichen Bundestreffen <strong>der</strong> Frauenhäuser, den<br />

Vernetzungstreffen aller österreichischen Fraueneinrichtungen in den Jahren 2003,<br />

2004 und 2005, den regelmäßigen Kooperationsforen in einzelnen Bundeslän<strong>der</strong>n<br />

u.ä. sowie einem spezifischen Mitarbeiterinnentreffen aller Interventionsstellen zu<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> im Oktober 2006.<br />

Probleme<br />

Bei den bisher abgehaltenen Seminaren hat sich gezeigt, dass RechtsanwältInnen<br />

an 2-tägigen Veranstaltungen nur vereinzelt teilnehmen.<br />

25


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

Für kleine Vereine ist die Übernahme <strong>der</strong> Kosten für Arbeitsstunden <strong>der</strong><br />

TeilnehmerInnen (an den Seminaren und an den "Regionalen Kooperationsforen"<br />

und "Runden Tischen") ein Problem.<br />

Durch die Fluktuation <strong>der</strong> MitarbeiterInnen und durch qualitative<br />

Weiterentwicklungen in den Beratungsstellen entsteht immer wie<strong>der</strong> die<br />

Notwendigkeit von neuerlichen Schulungen, auch für RechtsanwältInnen und<br />

KonzipientInnen. Es fehlt an spezifischen Fortbildungsseminaren für den<br />

Frauenbereich.<br />

Lösungsvorschläge<br />

Angedacht wurden Austauschforen zwischen RechtsanwältInnen, StaatsanwältInnen<br />

und RichterInnen, gemeinsame Informationsveranstaltungen und ein bundesweites<br />

Schulungskonzept <strong>der</strong> Rechtsanwaltskammer.<br />

Notwendig ist jedenfalls die Weiterführung von Grundinformations- und<br />

Supervisionsseminaren, die <strong>der</strong>zeit DAS adäquate Mittel zur Qualitätssicherung sind<br />

(sowohl für NeueinsteigerInnen, als auch für langjährige ProzessbegleiterInnen).<br />

Eine eigene Fortbildungsreihe für <strong>Prozessbegleitung</strong> von Frauen, die Opfer von<br />

Männergewalt wurden, ist dringend erfor<strong>der</strong>lich und würde einerseits die Struktur des<br />

Angebots standardisieren und an<strong>der</strong>erseits die nötige Differenzierung bringen.<br />

Die Diskussion des Themas Fortbildung in <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> "<strong>Prozessbegleitung</strong>" wird<br />

fortgesetzt.<br />

3. Gesamter Interventionsverlauf im Falle von sexueller Gewalt an<br />

Kin<strong>der</strong>n/Jugendlichen<br />

26


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

Verdacht<br />

↓<br />

Abklärungsprozess<br />

in HelferInnenkonferenzen wird das Wissen zusammengetragen und<br />

Aufgaben verteilt<br />

prophylaktisch muss ein geschützter Ort für das Opfer geschaffen werden<br />

bei Erhärtung des Verdachts:<br />

↓<br />

Offenlegung durch das Kind<br />

Konfrontation des nicht-missbrauchenden Elternteiles<br />

Stabilisierung <strong>der</strong> familiären Situation<br />

Angebote von Ressourcen für das Kind und den nicht-missbrauchenden<br />

Elternteil<br />

Konfrontation des Beschuldigten<br />

je nach Situation des Falles zu diesem Zeitpunkt o<strong>der</strong> später<br />

↓<br />

Interventionen zum Schutz des Kindes<br />

z.B. Aussetzung von Besuchskontakten, Fremdunterbringung,<br />

Antrag auf Einstweilige Verfügung nach dem Gewaltschutzgesetz<br />

↓<br />

Einschaltung <strong>der</strong> psychosozialen und juristischen <strong>Prozessbegleitung</strong>:<br />

Anzeige<br />

abklären von Erwartungen und Wünschen, Konsequenzen einer Anzeige<br />

Überblick und Information über gesamten Ablauf<br />

Absprachen bei<strong>der</strong> ProzessbegleiterInnen (des Kindes und <strong>der</strong><br />

Bezugsperson)<br />

Vorverfahren<br />

Vorbereitung (räumliche, zeitliche Orientierung)<br />

Absprachen mit AnwältInnen, U-RichterInnen, und Jugendwohlfahrt<br />

Begleitung zur kontradiktorischen Einvernahme als Vertrauensperson<br />

Nachbesprechung<br />

Hauptverfahren<br />

Absprachen mit AnwältIn, HauptverhandlungsrichterIn und Jugendwohlfahrt<br />

Vorbereitung und Begleitung <strong>der</strong> Bezugsperson<br />

Nachbesprechung<br />

↓<br />

evt. Aufarbeitung/Therapie<br />

Anregung und Vermittlung in ein entsprechendes Angebot<br />

idealerweise kann mit einer Aufarbeitung bereits nach dem Vorverfahren<br />

begonnen werden<br />

↓<br />

evt. Pflegschaftsgericht<br />

6 Wochen bis ¾ Jahr<br />

2 – 8 2 Monate<br />

Wochen bis ca. 1,5 Jahre<br />

Familienberatungsstellen (Finanzierung<br />

BMSG/BMGFJ und Län<strong>der</strong>)<br />

Jugendwohlfahrt (Finanzierung Län<strong>der</strong>)<br />

Interventionsstellen (Finanzierung BMI und BMGF)<br />

MitarbeiterInnen von Beratungsstellen,<br />

RechtsanwältInnen<br />

(Finanzierung: Beratungsstellen BMJ,<br />

Interventionsstellen BMI und BMGF/BKA)<br />

VOG<br />

(Fin. BMSG/<br />

BMGFJ)<br />

JWF (Fin.<br />

Län<strong>der</strong>)<br />

½ Jahr bis<br />

ca. 5 Jahre<br />

27


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

4. Strukturen <strong>der</strong> Opferhilfe in Österreich<br />

Es gibt bundesweite Strukturen für Opferhilfe mit ausgebildeten, spezialisierten<br />

MitarbeiterInnen. Die Einrichtungen sind im Bereich <strong>der</strong> Opferhilfe seit Jahren tätig<br />

und in <strong>der</strong> Bevölkerung bekannt. <strong>Prozessbegleitung</strong> muss daher an diese Strukturen<br />

angebunden sein.<br />

Institutionen im Bereich <strong>der</strong> Opferhilfe:<br />

Kin<strong>der</strong>bereich (Kin<strong>der</strong> und Jugendliche als Opfer von Gewalt):<br />

Kin<strong>der</strong>schutzzentren und einschlägige Beratungsstellen<br />

Kin<strong>der</strong>- und Jugendanwaltschaften als Landesstellen (eine pro Bundesland)<br />

Ämter für Jugend und Familie bzw. Jugendwohlfahrtsabteilungen <strong>der</strong> Län<strong>der</strong><br />

Kin<strong>der</strong>schutzgruppen in Spitälern<br />

Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels (LEFÖ)<br />

Frauenbereich (Frauen als Opfer von Männergewalt):<br />

Interventionsstellen (eine pro Bundesland)<br />

Frauennotrufe (Linz, Salzburg, Graz, Innsbruck, Wien)<br />

Spezialisierte Frauenberatungsstellen<br />

Frauenhäuser (Zuständigkeit <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>)<br />

Männerbereich (Buben, Burschen und Männer als Opfer von Männergewalt/<br />

familiärer Gewalt):<br />

Männerberatungsstellen (Bregenz, Eisenstadt, Klagenfurt, Linz, Graz,<br />

Salzburg, St. Pölten, Wien)<br />

Sonstige Gewaltopfer (Opfer aus an<strong>der</strong>en Gewaltzusammenhängen):<br />

Landesorganisationen des Weissen Rings (zusätzlich: Außenstellen)<br />

Neustart<br />

Bundessozialämter<br />

Neben den Landesstellen (Kin<strong>der</strong>- und Jugendanwaltschaften, Jugendwohlfahrt),<br />

den Frauenhäusern, und den Landes- und Außenstellen des Weißen Rings sowie<br />

den Zweigstellen des Neustart sind ca. 100 Beratungsstellen im Gewaltbereich tätig<br />

(Interventionsstellen, Frauennotrufe, Frauenberatungs- bzw. Servicestellen,<br />

Kin<strong>der</strong>schutzzentren, Kin<strong>der</strong>schutzgruppen in den Spitälern, spezialisierte<br />

Beratungsstellen für Kin<strong>der</strong>/Jugendliche bei sexueller Gewalt,<br />

Männerberatungsstellen).<br />

Interventionsstellen intervenieren und unterstützen bei Gewalt in <strong>der</strong> Familie und<br />

vernetzen die befassten Einrichtungen, Frauennotrufe und Frauenberatungs- bzw.<br />

Servicestellen bieten schwerpunktmäßig Gewaltberatung an, Frauenservicestellen in<br />

unterschiedlichem Ausmaß. An<strong>der</strong>e Beratungsstellen wie z.B. Kin<strong>der</strong>schutzzentren<br />

haben auch an<strong>der</strong>e Schwerpunkte (z.B. Besuchsbegleitung).<br />

Zu den o.g. Beratungsstellen kommen ca. 15-20 weitere Stellen, die – z.B. als<br />

Familienberatungsstellen – auch Gewaltberatung anbieten, aber vorrangig an<strong>der</strong>e<br />

Schwerpunkte abdecken.<br />

28


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

Die o.g. Beratungsstellen für Kin<strong>der</strong>, Frauen und Männer werden - natürlich mit<br />

Ausnahme <strong>der</strong> Landesstellen - meist sowohl vom Bund (BMSG/BMGFJ -<br />

Familienberatungsstellenför<strong>der</strong>ung, BMGF/BKA 2 ) als auch von den Län<strong>der</strong>n<br />

geför<strong>der</strong>t. Die Interventionsstellen werden im Rahmen von Auftragsverträgen vom<br />

BMGF/BKA und BMI finanziert. In einzelnen Bundeslän<strong>der</strong>n (Oberösterreich,<br />

Steiermark) werden zusätzlich Regionalstellen bzw. Regionalisierungsprojekte von<br />

den Län<strong>der</strong>n geför<strong>der</strong>t.<br />

4.1. Einbindung von <strong>Prozessbegleitung</strong> in die Strukturen <strong>der</strong> Opferhilfe<br />

Bei <strong>der</strong> Offenlegung von Gewalt ist die Gefahr <strong>der</strong> sekundären Traumatisierung für<br />

die Opfer beson<strong>der</strong>s groß. <strong>Prozessbegleitung</strong> muss von geschulten Personen unter<br />

Berücksichtigung von bereits entwickelten Standards durchgeführt werden<br />

(Anfor<strong>der</strong>ungsprofile für psychosoziale und juristische ProzessbegleiterInnen).<br />

Erfahrungen zeigen, dass die Einhaltung <strong>der</strong> Standards (Betreuung von<br />

Bezugspersonen, Kooperation mit allen involvierten Stellen, flexible zeitliche<br />

Ressourcen für ad-hoc Termine o<strong>der</strong> Krisensituationen etc.) am ehesten<br />

gewährleistet ist, wenn psychosoziale ProzessbegleiterInnen institutionell<br />

eingebunden sind<br />

Opferhilfe beginnt lange vor <strong>Prozessbegleitung</strong>. <strong>Prozessbegleitung</strong> muss in die<br />

bestehenden Strukturen <strong>der</strong> Opferhilfe integriert sein.<br />

In den 9 Bundeslän<strong>der</strong>n bestehen Kooperationsforen für <strong>Prozessbegleitung</strong>, in<br />

denen die o.g. Einrichtungen vernetzt sind.<br />

5. Standards für psychosoziale <strong>Prozessbegleitung</strong> von Mädchen,<br />

Buben und Jugendlichen als Opfer sexueller und physischer<br />

Gewalt<br />

2 Seit 1.03.<strong>2007</strong> ist das Bundeskanzleramt (BKA), Ressort Frauen und Gleichstellung zuständig<br />

29


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

Die folgenden Standards für <strong>Prozessbegleitung</strong> sind entwickelt worden aus:<br />

den Erfahrungen des Modellprojekts „Psychologische und juristische<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong>“, in Wien (1998 – 2000), Beratungsstelle Tamar (Sonja Wohlatz)<br />

und „Beratungsstelle für sexuell missbrauchte Mädchen und junge Frauen“ (Sabine<br />

Rupp),<strong>der</strong> Diskussion in <strong>der</strong> interministeriellen <strong>Arbeitsgruppe</strong> „Implementierung von<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong>“ (eingerichtet im Mai 2001) im Bundesministerium für soziale<br />

Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz und den Rückmeldungen von<br />

bundesweiten Seminaren zu <strong>Prozessbegleitung</strong>.<br />

Die vorliegenden Standards sind die <strong>der</strong>zeit aktuelle Version, sie werden jedoch in<br />

<strong>der</strong> o.g. <strong>Arbeitsgruppe</strong> laufend diskutiert und weiterentwickelt.<br />

Prämisse<br />

Keine Person und keine Institution kann sexuellen Missbrauch und Misshandlung<br />

alleine abklären, beenden und die Folgen tragen. Kooperation zwischen den<br />

involvierten Berufsgruppen ist unbedingt notwendig.<br />

Voraussetzung<br />

Die Umsetzung und Machbarkeit <strong>der</strong> Standards ist gebunden an eine finanzielle<br />

Absicherung.<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> 3<br />

Das Angebot <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> umfasst die Betreuung von Kin<strong>der</strong>n und<br />

Jugendlichen, die von körperlicher o<strong>der</strong> sexueller Gewalt betroffen sind und <strong>der</strong>en<br />

Bezugspersonen. Die Arbeit <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> beginnt idealerweise vor <strong>der</strong><br />

Anzeige und dauert in <strong>der</strong> Regel bis zur rechtskräftigen Beendigung des<br />

Strafprozesses und schließt auch das Pflegschaftsgericht mit ein, sofern dies für die<br />

Vertretung im Strafverfahren Voraussetzung ist. Die <strong>Prozessbegleitung</strong> besteht aus<br />

<strong>der</strong> psychosozialen und <strong>der</strong> juristischen <strong>Prozessbegleitung</strong>. Sie beinhaltet auch die<br />

für diese Zwecke erfor<strong>der</strong>liche Kooperation mit an<strong>der</strong>en Berufsgruppen. 4<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> ist in Beratungseinrichtungen angesiedelt; von dort wird die<br />

Kooperation mit den RechtsanwältInnen abgewickelt.<br />

Aufgaben <strong>der</strong> psychosozialen und juristischen <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

Zu den Aufgaben <strong>der</strong> psychosozialen <strong>Prozessbegleitung</strong> gehören vor allem die<br />

Vorbereitung <strong>der</strong> Betroffenen und <strong>der</strong>en Bezugssystem auf die Anzeige, die<br />

Begleitung zur Polizei, die Vorbereitung <strong>der</strong> ZeugInnen auf und die Begleitung zur<br />

kontradiktorischen Einvernahme sowie die Begleitung zur Hauptverhandlung.<br />

Die juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> bzw. anwaltliche Unterstützung umfasst die<br />

rechtliche Beratung und Vertretung, insbeson<strong>der</strong>e auch die Geltendmachung von<br />

zivilrechtlichen Ansprüchen im Strafverfahren (Adhäsionsverfahren). Um die<br />

prozessualen Rechte von Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen sicherzustellen und ihnen<br />

größtmögliche Schonung durch Information und Beratung zu gewährleisten, ist eine<br />

Kombination von psychosozialer <strong>Prozessbegleitung</strong> und anwaltlicher Vertretung<br />

3 Die psychosoziale und juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> – letztere in Form anwaltlicher Beratung und<br />

Vertretung - sowie die Arbeit mit dem Bezugssystem werden <strong>der</strong>zeit durch das BMJ finanziert.<br />

4 Etwaige Datenschutz-Probleme im Bereich <strong>der</strong> fallspezifischen Kooperation bzw. <strong>der</strong> HelferInnenkonferenzen<br />

müssen noch näher beleuchtet und unter Umständen vereinzelte Ausnahmeregelungen überlegt werden.<br />

30


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

ideal. Die Arbeit <strong>der</strong> AnwältIn erfolgt in Koordination mit <strong>der</strong>/m psychosozialen<br />

ProzessbegleiterIn.<br />

Für die Einhaltung <strong>der</strong> beiden o.g. Standards sind in erster Linie<br />

ProzessbegleiterInnen bzw. Beratungsstellen zuständig, die <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

anbieten. Alle an<strong>der</strong>en in die Opferhilfe 3 involvierten Stellen/Institutionen müssen -<br />

sobald sie von einem Fall Kenntnis erlangen - sicherstellen, dass die Betroffenen<br />

möglichst rasch über die Möglichkeit von <strong>Prozessbegleitung</strong> informiert werden (z.B.<br />

Polizei, Jugendamt, (Familien)Beratungsstellen, ÄrztInnen, RechtsanwältInnen,<br />

StaatsanwältInnen, (Untersuchungs-)RichterInnen.<br />

Bezugssystem stärken<br />

Bei <strong>der</strong> Aufdeckung von sexuellem Missbrauch und den daraus folgenden<br />

Prozessen befinden sich nicht nur die betroffenen Kin<strong>der</strong>, son<strong>der</strong>n auch ihr<br />

Bezugssystem in einer Krise.<br />

Die Begleitung und Beratung nahestehen<strong>der</strong> Bezugspersonen ist eine wesentliche<br />

Unterstützung, die sich in unterschiedlichen Bereichen positiv auf die Opfer auswirkt.<br />

Alle Betroffenen fühlen sich dadurch wahrgenommen und die Bereitschaft in <strong>der</strong><br />

Familie wird geför<strong>der</strong>t, sich professionelle Hilfe zu holen und diese auch<br />

anzunehmen.<br />

Für die Einhaltung dieses Standards und das Vorliegen <strong>der</strong> gesetzlichen<br />

Voraussetzungen sind in erster Linie ProzessbegleiterInnen bzw. Beratungsstellen<br />

zuständig, die <strong>Prozessbegleitung</strong> anbieten.<br />

Institutionelle Eingebundenheit<br />

Die Eingebundenheit von psychosozialen ProzessbegleiterInnen in fachspezifischen<br />

Institutionen bzw. Kin<strong>der</strong>schutzeinrichtungen muss als wesentliche Ressource für<br />

diese schwierige Tätigkeit betont werden. In einem Fachteam ist gleichermaßen das<br />

Wissen, die Erfahrung und die Praxis in <strong>der</strong> Arbeit mit min<strong>der</strong>jährigen Opfern von<br />

Gewalt gebündelt sowie die notwendige zeitliche Flexibilität gegeben. Auch <strong>der</strong><br />

Rahmen für die notwendige Kooperation mit involvierten Berufsgruppen und für die<br />

Betreuung <strong>der</strong> Bezugspersonen ist in Institutionen erfahrungsgemäß schon<br />

vorhanden.<br />

Psychosoziale <strong>Prozessbegleitung</strong> ist nicht Psychotherapie<br />

Die Aufarbeitung des Missbrauchs bzw. die Psychotherapie ist für Kin<strong>der</strong> und<br />

Jugendliche meist erst nach <strong>der</strong> kontradiktorischen Einvernahme möglich - davor<br />

stehen für die Betroffenen das Gerichtsverfahren und Interventionen zum Schutz im<br />

Vor<strong>der</strong>grund (Schwerpunkt <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong>). Die psychotherapeutische<br />

Aufarbeitung erfolgt in einer Beratungsstelle o<strong>der</strong> bei einer/m nie<strong>der</strong>gelassenen<br />

Psychotherapeuten/in und ist nicht Bestandteil <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong>.<br />

Zuständig für die Einhaltung dieses Standards sind ProzessbegleiterInnen und<br />

Beratungsstellen (z.B. durch Vermittlung in ein weiterführendes Beratungs- o<strong>der</strong><br />

Therapieangebot).<br />

3 Opferhilfe ist mehr als <strong>Prozessbegleitung</strong>. Sie umfasst z.B. Opferschutzmaßnahmen <strong>der</strong> Exekutive<br />

(Wegweisungen und Betretungsverbote), <strong>der</strong> Zivilgerichte (einstweilige Verfügungen), <strong>der</strong> Jugendwohlfahrt, die<br />

Unterstützung <strong>der</strong> Opfer durch (Familien)Beratungsstellen im Vorfeld von <strong>Prozessbegleitung</strong>, die psychosoziale<br />

und juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> und die psychische Aufarbeitung bzw. – wenn nötig – Psychotherapie parallel<br />

zur o<strong>der</strong> nach <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong>, z.B. im Rahmen des VOG.<br />

31


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

Öffentlicher Beratungsraum<br />

Vor allem in Regionen mit einem losen Ressourcennetz bzw. in sehr großflächigen<br />

Bundeslän<strong>der</strong>n wird eine „mobile <strong>Prozessbegleitung</strong>“ notwendig sein, da lange<br />

Wegstrecken für Kin<strong>der</strong> nicht zumutbar sind. In diesen Fällen muss<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> an einem öffentlichen Ort stattfinden (z.B. in einem<br />

Besprechungsraum des Jugendamtes, eines Kin<strong>der</strong>schutzzentrums o<strong>der</strong> einer<br />

Beratungsstelle). Sie darf nicht in eine private Umgebung verlagert werden (z.B. in<br />

eine private Wohnung, wo <strong>der</strong> Missbrauch o<strong>der</strong> die Gewalt möglicherweise<br />

stattgefunden hat).<br />

Zuständig für die Einhaltung dieses Standards sind ProzessbegleiterInnen,<br />

Beratungsstellen und öffentliche Stellen (indem z.B. ein Besprechungsraum zur<br />

Verfügung gestellt wird).<br />

32


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

5.1. Qualifikation und Anfor<strong>der</strong>ungsprofil von psychosozialen<br />

ProzessbegleiterInnen in <strong>der</strong> Arbeit mit Mädchen, Buben und Jugendlichen<br />

als Opfer sexueller und physischer Gewalt<br />

Das folgende Qualifikations- und Anfor<strong>der</strong>ungsprofil von psychosozialen<br />

ProzessbegleiterInnen ist entwickelt worden aus:<br />

den Erfahrungen des Modellprojekts „Psychologische und juristische<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong>“, in Wien (1998 – 2000), Beratungsstelle Tamar (Sonja<br />

Wohlatz) und „Beratungsstelle für sexuell missbrauchte Mädchen und junge<br />

Frauen“ (Sabine Rupp),<br />

<strong>der</strong> Diskussion in <strong>der</strong> interministeriellen <strong>Arbeitsgruppe</strong> „Implementierung von<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong>“ (eingerichtet im Mai 2001) im Bundesministerium für<br />

soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz und<br />

den Rückmeldungen von bundesweiten Seminaren zu <strong>Prozessbegleitung</strong>.<br />

Das vorliegende Anfor<strong>der</strong>ungsprofil ist die <strong>der</strong>zeit aktuelle Version, es wird jedoch in<br />

<strong>der</strong> o.g. <strong>Arbeitsgruppe</strong> laufend diskutiert und weiterentwickelt.<br />

Psychosoziale Grundausbildung<br />

Als Nachweis gilt <strong>der</strong> Abschluss eines einschlägigen Hochschulstudiums, <strong>der</strong><br />

Abschluss einer Fachhochschule/Akademie für Sozialarbeit, einer Lehranstalt für<br />

Sozialpädagogik o<strong>der</strong> eine wissenschaftlich anerkannte psychotherapeutische<br />

Ausbildung.<br />

Beratungskompetenz<br />

Erfahrungen und Kompetenzen in Beratungstätigkeit und Gesprächsführung,<br />

erworben durch Ausbildung und Erfahrung (Praxis) im psychosozialen Bereich sind<br />

Voraussetzung. Hinzu kommt, dass ProzessbegleiterInnen über ausreichendes<br />

Grundwissen über sexuelle Gewalt und Misshandlung und über juristische<br />

Verfahrensabläufe verfügen müssen.<br />

Erfahrung aus <strong>der</strong> Arbeit mit Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen<br />

Kin<strong>der</strong> und Jugendliche denken, erleben und handeln an<strong>der</strong>s als Erwachsene,<br />

deswegen sind einschlägige Erfahrungen in <strong>der</strong> Arbeit mit Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen<br />

notwendig.<br />

Vernetzungskompetenz<br />

Da die Tätigkeiten <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> ein hohes Maß an Kooperations- und<br />

Koordinationsbereitschaft erfor<strong>der</strong>n, ist die Fähigkeit, Vernetzung zu organisieren<br />

bzw. in vernetzten Zusammenhängen zu arbeiten, unabdingbar. Zudem sollen<br />

ProzessbegleiterInnen die Fähigkeit haben, Möglichkeiten und Grenzen <strong>der</strong> eigenen<br />

Wirkungsbereiche sowie die <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Berufsgruppen zu erkennen und zu<br />

respektieren.<br />

Verständnis für juristische Inhalte und Sichtweisen<br />

33


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

Juristische Vorgangsweisen folgen an<strong>der</strong>en Richtlinien als Prozesse psychosozialer<br />

Arbeit. <strong>Prozessbegleitung</strong> ist am Schnittpunkt bei<strong>der</strong> Bereiche angesiedelt und dient<br />

auch <strong>der</strong> Vermittlung strafrechtlicher Vorgänge und Zusammenhänge. Daher ist die<br />

Bereitschaft, sich auf juristische Inhalte und Sichtweisen einzulassen, unabdingbar.<br />

Reflexions- und Entwicklungsbereitschaft<br />

Um das Arbeitsfeld <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> weiter zu entwickeln, sind die Reflexion<br />

<strong>der</strong> Tätigkeiten <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> und die Auswirkungen auf die KlientInnen, auf<br />

sich und an<strong>der</strong>e, unverzichtbar. Dies bedeutet, dass die Bereitschaft zur Offenheit,<br />

Reflexion und Auseinan<strong>der</strong>setzung mit sich und an<strong>der</strong>en Berufsgruppen<br />

Voraussetzung ist, und dass darüber hinaus auch Innovationsbereitschaft gefor<strong>der</strong>t<br />

wird.<br />

Kommunikations- und Konfliktfähigkeit, Belastbarkeit und Flexibilität<br />

Wenn sexuelle Gewalt o<strong>der</strong> Misshandlung öffentlich wird, entsteht eine Vielzahl<br />

unterschiedlicher Probleme, die flexible Lösungsmöglichkeiten benötigen.<br />

Die spezifischen Arbeitsbedingungen erfor<strong>der</strong>n ein hohes Maß an Kommunikations-<br />

und Konfliktfähigkeit. Hinzu kommt, dass die Ansprüche <strong>der</strong> KlientInnen nach<br />

Gerechtigkeit und Wie<strong>der</strong>gutmachung häufig nicht erfüllt werden können. Dieses<br />

Spannungsverhältnis erzeugt Belastungen, die reflektiert und getragen werden<br />

müssen.<br />

Freie Ressourceneinteilung<br />

Die Möglichkeit einer flexiblen Zeiteinteilung ist erfor<strong>der</strong>lich, weil äußere<br />

Bedingungen (z.B. Gerichtstermine) kaum Rücksicht auf persönliche o<strong>der</strong> berufliche<br />

Zeitvorgaben nehmen können.<br />

In <strong>der</strong> Arbeit mit min<strong>der</strong>jährigen Opfern ist es notwendig, die Bezugsperson<br />

mitzubegleiten, d.h. es müssen zwei psychosoziale ProzessbegleiterInnen pro Fall<br />

zur Verfügung stehen. Dafür braucht es neben <strong>der</strong> zeitlichen Flexibilität auch eine<br />

Flexibilität an Betreuungsressourcen.<br />

Kontinuierliche Fortbildung im juristischen und psychosozialen Bereich sowie<br />

laufende Supervision 5<br />

Supervision und Fortbildung in den genannten Bereichen stellen eine absolute<br />

Notwendigkeit dar, um die nötige Kompetenz und Handlungsfähigkeit aufzuweisen<br />

und bezüglich <strong>der</strong> fachlichen Entwicklungen zu aktualisieren. Als Nachweis gilt die<br />

Teilnahme an den vom BMSG/BMGFJ in Auftrag gegebenen Seminaren o<strong>der</strong><br />

vergleichbaren Fortbildungsveranstaltungen, die sich an den Standards orientieren.<br />

Für die Einhaltung <strong>der</strong> Qualifikation und des Anfor<strong>der</strong>ungsprofils sind einerseits jene<br />

Stellen/Institutionen verantwortlich, die <strong>Prozessbegleitung</strong> anbieten. Ihnen obliegt es,<br />

die Fähigkeiten, die Erfahrung und die Motivation in <strong>der</strong> Bewerbung bzw. bei <strong>der</strong><br />

Auswahl <strong>der</strong> ProzessbegleiterInnen zu überprüfen und sicherzustellen, dass nicht nur<br />

5 Erste Fortbildungsmaßnahmen wurden vom BMSG finanziert. Zukünftige einschlägige Fortbildungsangebote<br />

sowie Supervision müssen durch den Bund (BMJ, BMSG/BMGFJ, BMI) und/o<strong>der</strong> die Län<strong>der</strong> mittels finanzieller<br />

Ressourcen sichergestellt werden.<br />

34


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

einzelne Kriterien son<strong>der</strong>n das gesamte Anfor<strong>der</strong>ungsprofil erfüllt werden.<br />

An<strong>der</strong>erseits ist das BMJ durch die Prüfung <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ungswürdigkeit zuständig.<br />

5.2. Qualifikation für juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> in <strong>der</strong> Arbeit mit Kin<strong>der</strong>n<br />

und Jugendlichen<br />

Präambel<br />

Oberstes Ziel <strong>der</strong> juristischen ebenso wie <strong>der</strong> psychosozialen <strong>Prozessbegleitung</strong> von<br />

Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen als Opfer (sexueller) Gewalt ist die Schonung <strong>der</strong><br />

betroffenen Kin<strong>der</strong> und Jugendlichen bei Gericht.<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> ist in Beratungseinrichtungen angesiedelt; von dort wird die<br />

Kooperation zu den RechtsanwältInnen abgewickelt.<br />

Erfahrung in rechtsanwaltlicher Vertretung von Opfern von Gewalt sowie<br />

sexuellem Missbrauch<br />

Voraussetzung für qualifizierte juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> ist Erfahrung und Praxis<br />

in <strong>der</strong> Beratung und Vertretung von Opfern von Gewalt sowie sexuellem Missbrauch<br />

im Rahmen rechtsanwaltlicher Tätigkeit. Dazu zählt nicht nur die Vertretung im<br />

Rahmen eines Strafprozesses, son<strong>der</strong>n auch in sämtlichen an<strong>der</strong>en<br />

Gerichtsverfahren (z.B. Scheidungs-, Obsorge-, Unterhalts-,<br />

Schadenersatzverfahren) sowie die Vertretung gegenüber Behörden.<br />

Grundwissen über Entwicklungspsychologie und Gewaltdynamik<br />

Qualifizierte juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> erfor<strong>der</strong>t entwicklungspsychologisches<br />

Grundwissen, um beispielsweise Gutachten nachvollziehen, Fragen <strong>der</strong> Verteidigung<br />

adäquat beantworten sowie entwicklungspsychologische Fakten ins Plädoyer<br />

einfließen lassen zu können.<br />

Weiters sind ein Grundwissen über Formen und Auswirkungen von<br />

sexueller/physischer Gewalt gegen Kin<strong>der</strong> und Jugendliche, ein Grundverständnis<br />

für die dabei spezifischen Lebenszusammenhänge, für die Handlungsmöglichkeiten<br />

von Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen in Abhängigkeit und Gewaltstrukturen, sowie ein<br />

Grundwissen über Täterprofile und Täterverhalten erfor<strong>der</strong>lich.<br />

Kooperation und Erfahrungsaustausch<br />

Qualifizierte <strong>Prozessbegleitung</strong> setzt auf Fallebene eine enge Zusammenarbeit<br />

zwischen juristischer und psychosozialer <strong>Prozessbegleitung</strong> voraus, um im Umgang<br />

mit den KlientInnen eine schonungsvolle Behandlung sicher zu stellen. Prozessuale<br />

Rechte sind im Hinblick auf dieses Ziel maximal zu nutzen.<br />

Es bedarf auch eines kontinuierlichen, fallunabhängigen Erfahrungsaustausches<br />

zwischen den RechtsanwältInnen, den StaatsanwältInnen, den Sachverständigen<br />

und RichterInnen, um die spezifische Problematik zu reflektieren sowie juristisch<br />

weiter zu entwickeln. Das erfor<strong>der</strong>t auch fallübergreifend den Austausch mit<br />

befassten Einrichtungen, z.B. durch Teilnahme an Kooperationsforen, "Runden<br />

Tischen" o.ä.<br />

35


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

Aus- und Weiterbildung<br />

Juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> wird von RechtsanwältInnen durchgeführt.<br />

Schulungen sollten in Zusammenarbeit mit den <strong>Prozessbegleitung</strong>-Einrichtungen von<br />

den Rechtsanwaltskammern angeboten bzw. organisiert werden, wobei auch an<strong>der</strong>e<br />

Schulungen (z.B. die vom BMSG finanzierten Fortbildungen und Seminare) bzw.<br />

an<strong>der</strong>e Arten <strong>der</strong> Qualifikation (z.B. jahrelange Zusammenarbeit mit<br />

Opferhilfeeinrichtungen) anerkannt werden können. Zusätzlich ist eine<br />

kontinuierliche Fortbildung erfor<strong>der</strong>lich.<br />

RechtsanwältInnen sind dafür verantwortlich, dass nur jene KonzipientInnen zur<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> eingesetzt werden, die eine entsprechende Schulung erhalten<br />

haben, wobei die Kontinuität <strong>der</strong> Vertretung durch ein und dieselbe Person<br />

wünschenswert ist.<br />

5.3. Empfehlungen für <strong>Prozessbegleitung</strong> von Mädchen, Buben und<br />

Jugendlichen als Opfer sexueller und physischer Gewalt<br />

Die folgenden Empfehlungen für <strong>Prozessbegleitung</strong> sind entwickelt worden aus:<br />

den Erfahrungen des Modellprojekts „Psychologische und juristische<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong>“, in Wien (1998 – 2000), Beratungsstelle Tamar (Sonja<br />

Wohlatz) und „Beratungsstelle für sexuell missbrauchte Mädchen und junge<br />

Frauen“ (Sabine Rupp),<br />

<strong>der</strong> Diskussion in <strong>der</strong> interministeriellen <strong>Arbeitsgruppe</strong> „Implementierung von<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong>“ (eingerichtet im Mai 2001) im Bundesministerium für<br />

soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz und<br />

den Rückmeldungen von bundesweiten Seminaren zu <strong>Prozessbegleitung</strong>.<br />

Die vorliegenden Empfehlungen sind die <strong>der</strong>zeit aktuelle Version, sie werden jedoch<br />

in <strong>der</strong> o.g. <strong>Arbeitsgruppe</strong> laufend diskutiert und weiterentwickelt.<br />

Voraussetzungen<br />

Solange notwendige gesetzliche Voraussetzungen nicht bestehen und ausreichende<br />

finanzielle Mittel sowie zeitliche Ressourcen nicht sichergestellt sind, können die<br />

folgenden Punkte nicht als Standards <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong>, son<strong>der</strong>n nur als<br />

Empfehlungen angeführt werden.<br />

Ausweitung <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

Aus dem Wissen, dass <strong>der</strong> gesamte Verlauf eines Prozesses – vom Entschluss,<br />

Anzeige zu erstatten, bis hin zu allfälligen pflegschaftsgerichtlichen Entscheidungen<br />

und <strong>der</strong> Durchsetzung privatrechtlicher Ansprüche – sehr belastend ist, und dass<br />

sich aufgrund sexuellen Missbrauchs und Misshandlungen die familiären Strukturen<br />

än<strong>der</strong>n bzw. auflösen, wäre aus Sicht <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> die Ausweitung solcher<br />

Unterstützung begrüßenswert: <strong>Prozessbegleitung</strong> sollte nicht nur bis zum Ende des<br />

Strafverfahrens angeboten werden, son<strong>der</strong>n auch zur daran anschließenden<br />

36


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

Durchsetzung des im Strafverfahren zugesprochenen Schadenersatzes bis zum<br />

Ende eines allfälligen Zivilverfahrens, insbeson<strong>der</strong>e bei Verweisung von<br />

Privatbeteiligten mit allfälligen Schadenersatzansprüchen auf den Zivilrechtsweg.<br />

Auch für pflegschaftsgerichtliche Verfahren, die aufgrund des sexuellen Missbrauchs<br />

und <strong>der</strong> Misshandlungen erfor<strong>der</strong>lich werden, kann aus Sicht <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong><br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> notwendig werden.<br />

Das Kooperationsforum ProzessbegleiterInnen<br />

Das Kooperationsforum <strong>der</strong> psychosozialen (und fallweise juristischen)<br />

ProzessbegleiterInnen dient dem regelmäßigen Erfahrungsaustausch, um die<br />

weitere Professionalisierung <strong>der</strong> BegleiterInnen zu gewährleisten, den<br />

Qualitätsstandard zu halten und durch Reflexion die Belastungen <strong>der</strong> Arbeit<br />

gemeinsam zu verarbeiten. Im Kooperationsforum werden auch gemeinsame<br />

Strategien entwickelt, um die Kooperation und Vernetzung voranzutreiben. Die<br />

Ergebnisse fließen in die ExpertInnentreffen („Runde Tische“) ein.<br />

Neben den regionalen bzw. bundeslän<strong>der</strong>spezifischen Vernetzungen ist auch ein<br />

überregionales Forum für alle österreichischen ProzessbegleiterInnen notwendig,<br />

das etwa zweimal jährlich tagen soll. Fallweise gemeinsame Treffen von<br />

ProzessbegleiterInnen aus dem Frauen- und Kin<strong>der</strong>bereich sind sinnvoll und<br />

wünschenswert.<br />

Die Koordination des Kooperationsforums <strong>Prozessbegleitung</strong> übernimmt<br />

vorzugsweise in jedem Bundesland eine Institution (z.B. eine<br />

Kin<strong>der</strong>schutzeinrichtung, die Kin<strong>der</strong>- und Jugendanwaltschaft) – zumindest für einen<br />

bestimmten Zeitraum. Diese Institution stellt eine Koordinatorin, die diese Treffen<br />

(regional und überregional) initiiert. Damit soll die Regelmäßigkeit <strong>der</strong> Treffen<br />

gewährleistet sein. Um die Effizienz <strong>der</strong> <strong>Arbeitsgruppe</strong> zu erhöhen, ist für die Treffen<br />

selbst eine außenstehende Mo<strong>der</strong>atorIn zu empfehlen.<br />

Die Installierung von „Runden Tischen“ mit ExpertInnen<br />

Diese Treffen fungieren als Bindeglied zwischen den Bereichen Kin<strong>der</strong>schutz und<br />

Gericht. Die interdisziplinär zusammengesetzten „Runden Tische“ sind regelmäßige<br />

ExpertInnentreffen aller involvierten Berufsgruppen (sowohl auf <strong>der</strong> Leitungs- wie auf<br />

<strong>der</strong> Praxisebene) mit dem Ziel, zur Verbesserung und Handhabung von<br />

Opferrechten beizutragen sowie Verfahren für eine „kin<strong>der</strong>schonende Behandlung“<br />

im juristischen Proze<strong>der</strong>e zu etablieren. Die in diesem Gremium erarbeiteten<br />

Empfehlungen werden an das Kooperationsforum <strong>der</strong> ProzessbegleiterInnen<br />

rückübermittelt.<br />

Es empfiehlt sich, in jedem Bundesland festzulegen, wer in welchem Zeitraum für die<br />

Einberufung <strong>der</strong> „Runden Tische“ zuständig ist (sowohl für die Praxis- als auch für<br />

die Leitungsebene). Möglich ist die Ansiedlung <strong>der</strong> "Runden Tische" bei<br />

(Landes)Gerichten, bei <strong>der</strong> Jugendwohlfahrt etc. Bei einer Einladung von<br />

VertreterInnen <strong>der</strong> Leitungsebene empfiehlt es sich, dass die GastgeberIn eine<br />

ähnliche Hierarchieebene inne hat (z.B. Leitung <strong>der</strong> Jugendwohlfahrt, Landesräte).<br />

Ein einheitliches Dokumentationssystem<br />

Für die umfassende Evaluation ist ein einheitliches Dokumentationssystem<br />

erfor<strong>der</strong>lich, z.B. in Form eines Dokumentationsbogens, in dem jede/r<br />

ProzessbegleiterIn die wichtigsten Daten (selbstverständlich anonym) erhebt. Die<br />

Auswertung dient <strong>der</strong> weiteren Entwicklung <strong>der</strong> Arbeit und zeigt den<br />

37


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

Handlungsbedarf an<strong>der</strong>er Bereiche auf. Ein umfassen<strong>der</strong> Datenschutz muss<br />

allerdings gewährleistet sein! 4 .<br />

6. Standards für psychosoziale <strong>Prozessbegleitung</strong> von Frauen als<br />

Betroffene von Männergewalt<br />

4 Finanziert wurde die Entwicklung eines Dokumentationsbogens für <strong>Prozessbegleitung</strong> von Kin<strong>der</strong>n und<br />

Jugendlichen vom BMI (2000-2002). Der Dokumentationsbogen kann jedoch in <strong>der</strong> Praxis aufgrund seines<br />

Umfangs nur im Rahmen begrenzter Forschungsprojekte eingesetzt werden, wobei die Finanzierung solcher<br />

Forschungsprojekte noch zu klären ist.<br />

38


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

Die folgenden Punkte orientieren sich an den Standards für <strong>Prozessbegleitung</strong> von<br />

Mädchen, Buben und Jugendlichen; die Modifizierung für Frauen als Gewaltopfer<br />

basiert auf<br />

den Erfahrungen <strong>der</strong> Frauenhäuser, Interventionsstellen und Frauennotrufe in<br />

Österreich, (Bearbeitung: Beratungsstelle <strong>der</strong> Wiener Frauenhäuser,<br />

Frauennotrufe Linz und Graz, Interventionsstelle Linz).<br />

<strong>der</strong> Dokumentation <strong>der</strong> Interventionsstelle Linz über das Projekt<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> im Jahr 2001<br />

<strong>der</strong> Diskussion in <strong>der</strong> interministeriellen <strong>Arbeitsgruppe</strong> „Implementierung von<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong>“ (eingerichtet im Mai 2001) im Bundesministerium für<br />

soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz<br />

Die vorliegenden Standards sind die <strong>der</strong>zeit aktuelle Version (Mai <strong>2007</strong>), sie werden<br />

in <strong>der</strong> o.g. <strong>Arbeitsgruppe</strong> laufend diskutiert und weiterentwickelt.<br />

Voraussetzung<br />

Die Umsetzung und Machbarkeit <strong>der</strong> Standards ist gebunden an eine finanzielle<br />

Absicherung.<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> 5<br />

Das Angebot <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> umfasst die Unterstützung von Frauen, die von<br />

Gewalt in Paarbeziehungen, sexualisierter Männergewalt, Frauenhandel bzw.<br />

beharrlicher Verfolgung (Stalking), betroffen sind. Die Arbeit <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

beginnt idealer Weise vor <strong>der</strong> Anzeige und dauert in <strong>der</strong> Regel bis zur<br />

rechtskräftigen Beendigung des Gerichtsverfahrens (Strafprozess o<strong>der</strong> Diversion).<br />

Sie besteht aus <strong>der</strong> psychosozialen und/o<strong>der</strong> <strong>der</strong> juristischen <strong>Prozessbegleitung</strong>. Sie<br />

beinhaltet auch die für diese Zwecke erfor<strong>der</strong>liche Kooperation mit an<strong>der</strong>en<br />

Berufsgruppen. 6<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> ist in Beratungseinrichtungen angesiedelt; von dort wird die<br />

Kooperation mit den RechtsanwältInnen abgewickelt.<br />

Da die eigenen Ressourcen und Bedürfnisse betroffener Frauen sehr unterschiedlich<br />

sind, orientiert sich das Ausmaß <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> jeweils an den Wünschen<br />

<strong>der</strong> KlientInnen und <strong>der</strong> Erfor<strong>der</strong>lichkeit <strong>der</strong> Unterstützungsleistung.<br />

Aufgaben <strong>der</strong> psychosozialen und juristischen <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

Zu den Aufgaben <strong>der</strong> psychosozialen <strong>Prozessbegleitung</strong> gehören vor allem die<br />

Vorbereitung <strong>der</strong> Betroffenen auf die Anzeige und das darauffolgende<br />

Gerichtsverfahren sowie die Begleitung zu polizeilichen o<strong>der</strong> gerichtlichen<br />

Einvernahmen bzw. Verhandlungen, gegebenenfalls zu Terminen im Rahmen von<br />

Diversionsmaßnahmen.<br />

5 Die psychosoziale und juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> – letztere in Form anwaltlicher Beratung und Vertretung -<br />

(und gegebenenfalls die Arbeit mit dem Bezugssystem) werden <strong>der</strong>zeit durch das BMJ finanziert.<br />

6 Etwaige Datenschutz-Probleme im Bereich <strong>der</strong> fallspezifischen Kooperation müssen im Vorfeld mit <strong>der</strong><br />

betroffenen Frau abgeklärt werden.<br />

39


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

Die juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> umfasst die rechtliche Beratung und Vertretung,<br />

insbeson<strong>der</strong>e auch die Geltendmachung von zivilrechtlichen Ansprüchen im<br />

Strafverfahren (Adhäsionsverfahren). Um die prozessualen Rechte von Frauen<br />

sicherzustellen und ihnen größtmögliche Schonung durch Information und Beratung<br />

zu gewährleisten, ist eine Kombination von psychosozialer <strong>Prozessbegleitung</strong> und<br />

fachkundiger juristischer Beratung bzw. Vertretung ideal. Die Arbeit <strong>der</strong><br />

JuristIn/AnwältIn erfolgt in Koordination mit <strong>der</strong>/m psychosozialen<br />

ProzessbegleiterIn.<br />

Für die Einhaltung <strong>der</strong> beiden o.g. Standards sind in erster Linie<br />

Prozessbegleiterinnen bzw. Beratungsstellen zuständig, die <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

anbieten. Alle an<strong>der</strong>en in die Opferhilfe 3 involvierten Stellen/Institutionen müssen -<br />

sobald sie von einem Fall Kenntnis erlangen - sicherstellen, dass die Betroffenen<br />

möglichst rasch über die Möglichkeit von <strong>Prozessbegleitung</strong> informiert werden (z.B.<br />

Polizei, Jugendamt, (Familien)Beratungsstellen, ÄrztInnen, RechtsanwältInnen,<br />

StaatsanwältInnen, (Untersuchungs-)RichterInnen.<br />

Bezugssystem einbeziehen<br />

Bei Bedarf kann das Einbeziehen des Bezugssystems eine Ressource für die<br />

Betroffenen darstellen. In diesem Fall wird die <strong>Prozessbegleitung</strong> bei Vorliegen <strong>der</strong><br />

gesetzlichen Voraussetzungen dementsprechend ausgeweitet.<br />

Für die Einhaltung dieses Standards und <strong>der</strong> gesetzlichen Voraussetzungen sind in<br />

erster Linie ProzessbegleiterInnen bzw. Beratungsstellen zuständig, die<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> anbieten.<br />

Institutionelle Eingebundenheit<br />

Die Eingebundenheit von psychosozialen ProzessbegleiterInnen in fachspezifischen<br />

Institutionen bzw. Fraueneinrichtungen muss als wesentliche Ressource für diese<br />

schwierige Tätigkeit betont werden. In einem Fachteam ist gleichermaßen das<br />

Wissen, die Erfahrung und die Praxis in <strong>der</strong> Arbeit mit Opfern von Gewalt gebündelt<br />

sowie die notwendige zeitliche Flexibilität gegeben. Auch <strong>der</strong> Rahmen für die<br />

notwendige Kooperation mit involvierten Berufsgruppen ist in Institutionen<br />

erfahrungsgemäß schon vorhanden.<br />

Psychosoziale <strong>Prozessbegleitung</strong> ist nicht Psychotherapie<br />

Die Aufarbeitung <strong>der</strong> Gewalterfahrungen bzw. Psychotherapie ist für die betroffenen<br />

Frauen meist erst nach den Einvernahmen und Zeugenaussagen möglich - davor<br />

stehen für sie das Gerichtsverfahren und Interventionen zum Schutz im Vor<strong>der</strong>grund<br />

(Schwerpunkt <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong>). Die psychotherapeutische Aufarbeitung<br />

erfolgt in einer Beratungsstelle o<strong>der</strong> bei einer/einem nie<strong>der</strong>gelassenen<br />

PsychotherapeutIn und ist nicht Bestandteil <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong>.<br />

Zuständig für die Einhaltung dieses Standards sind ProzessbegleiterInnen und<br />

Beratungsstellen (z.B. durch Vermittlung in ein weiterführendes Beratungs- o<strong>der</strong><br />

Therapieangebot).<br />

3 Opferhilfe ist mehr als <strong>Prozessbegleitung</strong>. Sie umfasst z.B. Opferschutzmaßnahmen <strong>der</strong> Exekutive<br />

(Wegweisungen und Betretungsverbote), <strong>der</strong> Zivilgerichte (einstweilige Verfügungen), die Unterstützung <strong>der</strong><br />

Opfer durch Beratungsstellen o<strong>der</strong> Interventionsstellen im Vorfeld von <strong>Prozessbegleitung</strong>, die psychosoziale und<br />

juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> und die psychische Aufarbeitung bzw. – wenn nötig – Psychotherapie parallel zur<br />

o<strong>der</strong> nach <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong>, z.B. im Rahmen des VOG.<br />

40


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

6.1. Qualifikation und Anfor<strong>der</strong>ungsprofil von psychosozialen<br />

ProzessbegleiterInnen für Frauen als Opfer von Männergewalt<br />

Die folgenden Punkte orientieren sich am Qualifikations- und Anfor<strong>der</strong>ungsprofil für<br />

ProzessbegleiterInnen von Mädchen, Buben und Jugendlichen; die Modifizierung für<br />

ProzessbegleiterInnen von Frauen als Gewaltopfer basiert auf<br />

den Erfahrungen <strong>der</strong> Frauenhäuser, Interventionsstellen und Frauennotrufe in<br />

Österreich, (Bearbeitung: Beratungsstelle <strong>der</strong> Wiener Frauenhäuser,<br />

Frauennotrufe Linz und Graz, Interventionsstelle Linz)<br />

<strong>der</strong> Dokumentation <strong>der</strong> Interventionsstelle Linz über das Projekt<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> im Jahr 2001<br />

<strong>der</strong> Diskussion in <strong>der</strong> interministeriellen <strong>Arbeitsgruppe</strong> „Implementierung von<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong>“ (eingerichtet im Mai 2001) im Bundesministerium für<br />

soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz<br />

Das vorliegende Anfor<strong>der</strong>ungsprofil ist die <strong>der</strong>zeit aktuelle Version (Stand Mai <strong>2007</strong>),<br />

es wird in <strong>der</strong> o.g. <strong>Arbeitsgruppe</strong> laufend diskutiert und weiterentwickelt.<br />

Psychosoziale Grundausbildung<br />

Als Nachweis gilt <strong>der</strong> Abschluss eines einschlägigen Hochschulstudiums, <strong>der</strong><br />

Abschluss einer Fachhochschule/Akademie für Sozialarbeit, einer Lehranstalt für<br />

Sozialpädagogik, einer wissenschaftlich anerkannten psychotherapeutischen<br />

Ausbildung sowie an<strong>der</strong>er gleichwertiger Ausbildungen. Eine mindestens vierjährige<br />

Praxiserfahrung mit eigenständiger Beratungstätigkeit in einer Fraueneinrichtung<br />

wird als “learning by doing”-Grundqualifikation anerkannt.<br />

Beratungskompetenz<br />

Erfahrungen und Kompetenzen in Beratungstätigkeit und Gesprächsführung,<br />

erworben durch Ausbildung und Erfahrung (Praxis) im psychosozialen und<br />

frauenspezifischen Bereich, sind Voraussetzung.<br />

Hinzu kommt, dass ProzessbegleiterInnen über ausreichendes Grundwissen über<br />

Formen und Auswirkungen von physischer, psychischer und sexualisierter Gewalt<br />

gegen Frauen und über juristische Verfahrensabläufe verfügen müssen.<br />

Grundverständnis bezüglich frauenspezifischer Lebenszusammenhänge<br />

Wissen um geschlechtsspezifische Sozialisation und Ungleichheiten, tradierte<br />

Rollenbil<strong>der</strong>, gesellschaftliche Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern und<br />

ihre Auswirkungen auf die Lebensumstände von Frauen (insbeson<strong>der</strong>e auf<br />

Paarbeziehungen und Gewalterfahrungen durch Männer) ist Grundvoraussetzung für<br />

fachgerechte Unterstützung in <strong>der</strong> psychosozialen <strong>Prozessbegleitung</strong>. Dazu gehört<br />

auch, die Auswirkungen des gesellschaftlichen Machtungleichgewichtes zwischen<br />

den Geschlechtern auf die eigene Institution zu reflektieren, auf <strong>der</strong>en Rolle für<br />

KlientInnen, aber auch auf <strong>der</strong>en Position an<strong>der</strong>en involvierten<br />

Institutionen/Berufsgruppen gegenüber.<br />

41


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

Vernetzungskompetenz<br />

Da die Tätigkeiten <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> ein hohes Maß an Kooperations- und<br />

Koordinationsbereitschaft erfor<strong>der</strong>n, ist die Fähigkeit, Vernetzung zu organisieren<br />

bzw. in vernetzten Zusammenhängen zu arbeiten, unabdingbar. Zudem sollen<br />

ProzessbegleiterInnen die Fähigkeit haben, Möglichkeiten und Grenzen <strong>der</strong> eigenen<br />

Wirkungsbereiche sowie die <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Berufsgruppen zu erkennen und zu<br />

respektieren.<br />

Verständnis für juristische Inhalte und Sichtweisen<br />

Juristische Vorgangsweisen folgen an<strong>der</strong>en Richtlinien als Prozesse psychosozialer<br />

Arbeit. <strong>Prozessbegleitung</strong> ist am Schnittpunkt bei<strong>der</strong> Bereiche angesiedelt und dient<br />

auch <strong>der</strong> Vermittlung strafrechtlicher Vorgänge und Zusammenhänge. Daher ist die<br />

Bereitschaft, sich auf juristische Inhalte und Sichtweisen einzulassen, unabdingbar.<br />

Reflexions- und Entwicklungsbereitschaft<br />

Um das Arbeitsfeld <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> weiter zu entwickeln, sind die Reflexion<br />

<strong>der</strong> Tätigkeiten <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> und die Auswirkungen auf die KlientInnen, auf<br />

sich und an<strong>der</strong>e, unverzichtbar. Dies bedeutet, dass die Bereitschaft zur Offenheit,<br />

Reflexion und Auseinan<strong>der</strong>setzung mit sich und an<strong>der</strong>en Berufsgruppen<br />

Voraussetzung ist, darüber hinaus auch Innovationsbereitschaft gefor<strong>der</strong>t wird.<br />

Kommunikations- und Konfliktfähigkeit, Belastbarkeit und Flexibilität<br />

Die spezifischen Arbeitsbedingungen erfor<strong>der</strong>n ein hohes Maß an Kommunikations-<br />

und Konfliktfähigkeit. Hinzu kommt, dass die Ansprüche <strong>der</strong> KlientInnen nach<br />

Gerechtigkeit und Wie<strong>der</strong>gutmachung häufig nicht erfüllt werden können. Dieses<br />

Spannungsverhältnis erzeugt Belastungen, die reflektiert und getragen werden<br />

müssen.<br />

Freie Ressourceneinteilung<br />

Die Möglichkeit einer flexiblen Zeiteinteilung ist erfor<strong>der</strong>lich, weil äußere<br />

Bedingungen (z.B. Gerichtstermine) kaum Rücksicht auf persönliche o<strong>der</strong> berufliche<br />

Zeitvorgaben nehmen können.<br />

Kontinuierliche Fortbildung im juristischen, psychosozialen und<br />

frauenspezifischen Bereich sowie laufende Supervision 5<br />

Supervision und Fortbildung in den genannten Bereichen stellen eine absolute<br />

Notwendigkeit dar, um die nötige Kompetenz und Handlungsfähigkeit aufzuweisen<br />

und bezüglich <strong>der</strong> fachlichen Entwicklungen zu aktualisieren.<br />

5 Einschlägige Fortbildungsangebote sowie Supervision müssen durch den Bund (BMSG/BMGFJ, BMI) und/o<strong>der</strong><br />

die Län<strong>der</strong> mittels finanzieller Ressourcen sichergestellt werden.<br />

42


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

Für die Einhaltung <strong>der</strong> Qualifikation und des Anfor<strong>der</strong>ungsprofils sind einerseits jene<br />

Stellen/Institutionen verantwortlich, die <strong>Prozessbegleitung</strong> anbieten. Ihnen obliegt es,<br />

die Fähigkeiten, die Erfahrung und die Motivation in <strong>der</strong> Bewerbung bzw. bei <strong>der</strong><br />

Auswahl <strong>der</strong> ProzessbegleiterInnen zu überprüfen und sicherzustellen, dass nicht nur<br />

einzelne Kriterien son<strong>der</strong>n das gesamte Anfor<strong>der</strong>ungsprofil erfüllt werden.<br />

An<strong>der</strong>erseits ist das BMJ durch die Prüfung <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ungswürdigkeit zuständig.<br />

6.2. Qualifikation für juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> in <strong>der</strong> Arbeit mit Frauen<br />

Präambel<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> ist in Beratungseinrichtungen angesiedelt; von dort wird die<br />

Kooperation zu den RechtsanwältInnen abgewickelt.<br />

Erfahrung in Beratung und Vertretung von Gewaltopfern<br />

Voraussetzung für qualifizierte juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> ist Erfahrung in <strong>der</strong><br />

rechtlichen Beratung und Vertretung von Gewaltopfern. Dazu zählt nicht nur<br />

Vertretungserfahrung im Rahmen eines Strafprozesses, son<strong>der</strong>n auch in sämtlichen<br />

an<strong>der</strong>en Gerichtsverfahren (z.B. Scheidungs-, Obsorge-, Unterhalts-,<br />

Schadenersatzverfahren) sowie Vertretung gegenüber Behörden<br />

Grundwissen über Gewalt und frauenspezifische Lebenszusammenhänge<br />

Qualifizierte juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> erfor<strong>der</strong>t ein Grundwissen über Formen<br />

und Auswirkungen von physischer, psychischer und sexueller Gewalt an Frauen, ein<br />

Grundverständnis für frauenspezifische Lebenszusammenhänge und<br />

gesellschaftsbedingte Gewaltstrukturen sowie ein Grundwissen über Täterprofile und<br />

Täterverhalten.<br />

Kooperation und Erfahrungsaustausch<br />

Qualifizierte <strong>Prozessbegleitung</strong> setzt auf Fallebene eine enge Zusammenarbeit<br />

zwischen juristischer und psychosozialer <strong>Prozessbegleitung</strong> voraus, um im Umgang<br />

mit den Klientinnen eine schonungsvolle Behandlung sicher zu stellen. Prozessuale<br />

Rechte sind im Hinblick auf dieses Ziel maximal zu nutzen.<br />

Es bedarf auch eines kontinuierlichen, fallunabhängigen Erfahrungsaustausches<br />

zwischen den juristischen und psychosozialen ProzessbegleiterInnen sowie<br />

zwischen den juristischen und psychosozialen ProzessbegleiterInnen und den<br />

RichterInnen, um die spezifische Problematik zu reflektieren sowie juristisch weiter<br />

zu entwickeln. Dies erfor<strong>der</strong>t auch fallübergreifend den Austausch mit befassten<br />

Einrichtungen, z.B. durch Teilnahme an Kooperationsforen o<strong>der</strong> „Runden Tischen“<br />

u.ä.).<br />

Aus- und Weiterbildung<br />

Juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> wird von RechtsanwältInnen durchgeführt.<br />

Schulungen sollten in Zusammenarbeit mit den <strong>Prozessbegleitung</strong>s-Einrichtungen<br />

von den Rechtsanwaltskammern angeboten bzw. organisiert werden wobei auch<br />

43


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

an<strong>der</strong>e Schulungen (z.B. die vom BMSG finanzierten Fortbildungen und Seminare)<br />

bzw. an<strong>der</strong>e Arten <strong>der</strong> Qualifikation (z.B. jahrelange Zusammenarbeit mit<br />

Opferhilfeeinrichtungen) anerkannt werden können. Zusätzlich ist eine<br />

kontinuierliche Fortbildung erfor<strong>der</strong>lich.<br />

RechtsanwältInnen sind dafür verantwortlich, dass nur jene KonzipientInnen zur<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> eingesetzt werden, die eine entsprechende Schulung erhalten<br />

haben, wobei die Kontinuität <strong>der</strong> Vertretung durch ein und dieselbe Person<br />

wünschenswert ist.<br />

6.3. Empfehlungen für <strong>Prozessbegleitung</strong> von Frauen als Betroffene von<br />

Männergewalt<br />

Die folgenden Punkte orientieren sich an den Empfehlungen für <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

von Mädchen, Buben und Jugendlichen; die Modifizierung für Frauen als<br />

Gewaltopfer basiert auf<br />

den Erfahrungen <strong>der</strong> Frauenhäuser, Interventionsstellen und Frauennotrufe in<br />

Österreich, (Bearbeitung: Beratungsstelle <strong>der</strong> Wiener Frauenhäuser,<br />

Frauennotrufe Linz und Graz, Interventionsstelle Linz)<br />

<strong>der</strong> Dokumentation <strong>der</strong> Interventionsstelle Linz über das Projekt<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> im Jahr 2001<br />

<strong>der</strong> Diskussion in <strong>der</strong> interministeriellen <strong>Arbeitsgruppe</strong> „Implementierung von<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong>“ (eingerichtet im Mai 2001) im Bundesministerium für<br />

soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz<br />

Die vorliegenden Empfehlungen sind die <strong>der</strong>zeit aktuelle Version (Stand Mai <strong>2007</strong>),<br />

sie werden in <strong>der</strong> o.g. <strong>Arbeitsgruppe</strong> laufend diskutiert und weiterentwickelt.<br />

Voraussetzungen<br />

Solange notwendige gesetzliche Voraussetzungen nicht bestehen und ausreichende<br />

finanzielle Mittel sowie zeitliche Ressourcen nicht sichergestellt sind, können die<br />

folgenden Punkte nicht als Standards <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong>, son<strong>der</strong>n nur als<br />

Empfehlungen angeführt werden.<br />

Ausweitung <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

Aus dem Wissen, dass <strong>der</strong> gesamte Verlauf eines Prozesses – vom Entschluss,<br />

Anzeige zu erstatten, bis hin zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche −<br />

belastend ist, wäre aus Sicht <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> die Ausweitung von <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

wünschenswert. Eine solche Unterstützung und Betreuung sollte nicht nur bis zum<br />

Ende des Strafverfahrens angeboten werden, son<strong>der</strong>n auch zur daran<br />

anschließenden Durchsetzung des im Strafverfahren zugesprochenen<br />

Schadenersatzes bis zum Ende eines allfälligen Zivilverfahrens, insbeson<strong>der</strong>e bei<br />

Verweisung von Privatbeteiligten mit allfälligen Schadenersatzansprüchen auf den<br />

Zivilrechtsweg.<br />

44


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

Das Kooperationsforum ProzessbegleiterInnen<br />

Das Kooperationsforum <strong>der</strong> psychosozialen (und fallweise juristischen)<br />

ProzessbegleiterInnen dient dem regelmäßigen Erfahrungsaustausch, um die<br />

weitere Professionalisierung <strong>der</strong> BegleiterInnen zu gewährleisten, den<br />

Qualitätsstandard zu halten und durch Reflexion die Belastungen <strong>der</strong> Arbeit<br />

gemeinsam zu verarbeiten. Im Kooperationsforum werden auch gemeinsame<br />

Strategien entwickelt, um die Kooperation und Vernetzung voranzutreiben. Die<br />

Ergebnisse fließen in die ExpertInnentreffen (“Runde Tische”) ein.<br />

Neben den regionalen bzw. bundeslän<strong>der</strong>spezifischen Vernetzungen empfiehlt sich<br />

auch ein überregionales Forum für alle österreichischen ProzessbegleiterInnen, das<br />

etwa zweimal jährlich tagen sollte.<br />

Fallweise gemeinsame Treffen von ProzessbegleiterInnen aus dem Kin<strong>der</strong>- und<br />

Frauenbereich sind sinnvoll und wünschenswert.<br />

Die Koordination des Kooperationsforums <strong>Prozessbegleitung</strong> übernimmt<br />

vorzugsweise in jedem Bundesland eine Institution (z.B. die Interventionsstelle, ein<br />

Frauenhaus o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Notruf) – zumindest für einen bestimmten Zeitraum. Diese<br />

Institution stellt eine/n KoordinatorIn, die/<strong>der</strong> diese Treffen (regional und<br />

überregional) initiiert. Damit soll die Regelmäßigkeit <strong>der</strong> Treffen gewährleistet sein.<br />

Um die Effizienz <strong>der</strong> <strong>Arbeitsgruppe</strong> zu erhöhen, ist für die Treffen selbst ein/e<br />

außenstehende/r Mo<strong>der</strong>atorIn zu empfehlen.<br />

Die Installierung von “Runden Tischen” mit ExpertInnen<br />

Diese Treffen fungieren als Bindeglied zwischen den Bereichen Opferschutz und<br />

Gericht. Die interdisziplinär zusammengesetzten „Runden Tische“ sind regelmäßige<br />

ExpertInnentreffen aller involvierten Berufsgruppen (sowohl auf <strong>der</strong> Leitungs- wie auf<br />

<strong>der</strong> Praxisebene) mit dem Ziel, zur Verbesserung und Handhabung von<br />

Opferrechten beizutragen sowie eine schonende Behandlung <strong>der</strong> Betroffenen im<br />

juristischen Proze<strong>der</strong>e zu etablieren. Die in diesem Gremium erarbeiteten<br />

Empfehlungen werden an das Kooperationsforum <strong>der</strong> Prozessbegleiterinnen<br />

rückübermittelt.<br />

Es empfiehlt sich, in jedem Bundesland festzulegen, wer in welchem Zeitraum für die<br />

Einberufung <strong>der</strong> „Runden Tische“ zuständig ist (sowohl für die Praxis- als auch für die<br />

Leitungsebene).<br />

Ein einheitliches Dokumentationssystem 4<br />

Für eine umfassende Evaluation ist ein einheitliches Dokumentationssystem<br />

erfor<strong>der</strong>lich, z.B. in Form eines Dokumentationsbogens, in dem jede/r<br />

ProzessbegleiterIn die wichtigsten Daten (selbstverständlich anonym) erhebt. Die<br />

Auswertung dient <strong>der</strong> weiteren Entwicklung <strong>der</strong> Arbeit und zeigt den<br />

Handlungsbedarf an<strong>der</strong>er Bereiche auf. Ein umfassen<strong>der</strong> Datenschutz muss<br />

allerdings gewährleistet sein!<br />

4 Im Rahmen einer Projektför<strong>der</strong>ung des BMSG wurde auch ein Dokumentationsbogen für <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

von Frauen entwickelt (2002-2004). Der Dokumentationsbogen kann jedoch in <strong>der</strong> Praxis aufgrund seines<br />

Umfangs nur im Rahmen begrenzter Forschungsprojekte eingesetzt werden, wobei die Finanzierung solcher<br />

Forschungsprojekte noch zu klären ist.<br />

45


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

7. Entwurf <strong>der</strong> Standards zur <strong>Prozessbegleitung</strong> für Opfer von<br />

situativer Gewalt und Gewalt im öffentlichen Raum<br />

Einleitung<br />

Die vorliegenden Standards zur <strong>Prozessbegleitung</strong> gelten für Opfer von Gewalt im<br />

sozialen Nahbereich und im öffentlichen Raum. Sie wurden von folgenden<br />

Organisationen ausgearbeitet: IfS Vorarlberg, Lichtblick Wr.Neustadt, Neustart,<br />

Weisser Ring.<br />

Ausdrücklich ausgenommen sind Kin<strong>der</strong>, Jugendliche und Frauen, die von Gewalt in<br />

Paarbeziehungen, sexualisierter Männergewalt, Stalking bzw. Frauenhandel<br />

betroffen sind. Für diese Opfergruppen wurden bereits im Rahmen <strong>der</strong><br />

Interministeriellen <strong>Arbeitsgruppe</strong> für <strong>Prozessbegleitung</strong> Standards für<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> von Mädchen, Buben und Jugendlichen als Opfer sexueller und<br />

46


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

physischer Gewalt und Standards für <strong>Prozessbegleitung</strong> von Frauen als Betroffene<br />

von Männergewalt ausgearbeitet und in <strong>der</strong> <strong>Arbeitsgruppe</strong> angenommen.<br />

Ziele<br />

• Das Opfer macht im Verfahren seine Rechte geltend.<br />

• Das Opfer fühlt sich im Verfahren gestärkt und sicher.<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong><br />

Das Angebot <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> umfasst die Vorbereitung des/r Betroffenen auf<br />

das Verfahren und die damit verbundenen emotionalen Belastungen, sowie die<br />

Begleitung zu Vernehmungen im Ermittlungs- und Hauptverfahren durch eine/n<br />

psychosoziale/n ProzessbegleiterIn. Weiters besteht die Möglichkeit einer<br />

juristischen <strong>Prozessbegleitung</strong> durch eine/n RechtsanwältIn.<br />

Anspruch auf psychosoziale und juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> haben Personen,<br />

a) die durch die dem Beschuldigten zur Last gelegte vorsätzlich begangene Tat<br />

Gewalt o<strong>der</strong> gefährlicher Drohung ausgesetzt o<strong>der</strong> in ihrer sexuellen Integrität<br />

beeinträchtigt worden sein könnten;<br />

b) <strong>der</strong> Ehegatte, <strong>der</strong> Lebensgefährte, Verwandte in gera<strong>der</strong> Linie, <strong>der</strong> Bru<strong>der</strong><br />

o<strong>der</strong> die Schwester einer Person, <strong>der</strong>en Tod durch eine Straftat herbeigeführt<br />

worden sein könnte o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Angehörige, die Zeugen <strong>der</strong> Tat waren.<br />

Die Arbeit <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> beginnt, falls noch nicht erstattet, vor <strong>der</strong> Anzeige<br />

und dauert längstens bis zur rechtskräftigen Beendigung des Strafprozesses,<br />

allenfalls auch einer diversionellen Maßnahme (z.B. ATA). Die <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

besteht aus <strong>der</strong> psychosozialen und/o<strong>der</strong> <strong>der</strong> juristischen <strong>Prozessbegleitung</strong>. Sie<br />

beinhaltet auch die für diese Zwecke erfor<strong>der</strong>liche Kooperation mit den<br />

Strafverfolgungsbehörden und an<strong>der</strong>en für die Durchführung <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

unmittelbar erfor<strong>der</strong>lichen Berufsgruppen (z.B. Ärzte/innen, PsychotherapeutInnen,<br />

SozialarbeiterInnen, ArbeitgeberInnen).<br />

Aufgaben <strong>der</strong> psychosozialen und juristischen <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

Zu den Aufgaben <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> gehören vor allem die Vorbereitung <strong>der</strong><br />

Betroffenen auf die Anzeige, die Begleitung zur Polizei, die Vorbereitung auf und die<br />

Begleitung zur Einvernahme bei Gericht, sowie die Begleitung zur Hauptverhandlung<br />

und die im Zusammenhang mit dem Strafverfahren stehenden Stellen. Die<br />

juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> umfasst die rechtliche Beratung und Vertretung. Um<br />

die prozessualen Rechte sicherzustellen und für Opfer eine größtmögliche Schonung<br />

durch Information und Beratung zu gewährleisten, ist <strong>Prozessbegleitung</strong> von<br />

bewährten geeigneten Einrichtungen durchzuführen, die ihr Angebot (psychosoziale<br />

und juristische <strong>Prozessbegleitung</strong>) an den Bedürfnissen <strong>der</strong> Opfer orientieren und<br />

die notwendige Kooperation gewährleisten. Für die Einhaltung <strong>der</strong> Standards sind<br />

die für die <strong>Prozessbegleitung</strong> beauftragten Einrichtungen zuständig.<br />

47


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

7.1. Qualitätskriterien, Qualifikation und Anfor<strong>der</strong>ungsprofil von<br />

psychosozialen ProzessbegleiterInnen für Opfer von situativer Gewalt und<br />

Gewalt im öffentlichen Raum<br />

Einleitung<br />

„Psychosoziale <strong>Prozessbegleitung</strong> umfasst die Vorbereitung <strong>der</strong> Betroffenen auf das<br />

Verfahren und die mit ihm verbundenen emotionalen Belastungen sowie die<br />

Begleitung zu Vernehmungen im Ermittlungs- und Hauptverfahren, wobei hierzu<br />

Psychotherapeuten/innen bzw. geeignete Personen mit psychosozialer Ausbildung<br />

heranzuziehen sind. Der För<strong>der</strong>ungsnehmer ist für die Auswahl geeigneter Personen<br />

(Qualifikation) und die Qualitätssicherung <strong>der</strong> zu erbringenden Leistungen<br />

verantwortlich und hat diese auf Verlangen <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ungsgeberin nachzuweisen.<br />

Diese Qualitätsmerkmale orientieren sich an den von <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

ausgearbeiteten Standards für <strong>Prozessbegleitung</strong>.“ (Vertrag BMJ 1.10.2005 –<br />

30.8.2006).<br />

Die vorliegenden Qualitäts-, Qualifikationskriterien und das Anfor<strong>der</strong>ungsprofil für<br />

psychosoziale ProzessbegleiterInnen gelten für Opfer von Gewalt im sozialen<br />

Nahbereich und im öffentlichen Raum. Sie wurden von folgenden Organisationen<br />

ausgearbeitet: IfS Vorarlberg, Lichtblick Wr. Neustadt, Neustart, Weisser Ring.<br />

7.1.1. Qualitätskriterien für psychosoziale <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

Struktur-Kriterien<br />

• MitarbeiterInnen sind diplomierte SozialarbeiterInnen o<strong>der</strong> Personen mit<br />

vergleichbarer Qualifikation o<strong>der</strong> Psychotherapeuten/innen (gemäß Vorgabe des<br />

BMJ), mit juristischem Wissen über StPO, Verfahrensabläufe und Rechte <strong>der</strong><br />

Opfer.<br />

• Den psychosozialen ProzessbegleiterInnen stehen geeignete<br />

Rechtsanwälte/innen für juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> zur Verfügung.<br />

• Es finden regelmäßige Fachbesprechungen statt.<br />

• Falldokumentationen werden von <strong>der</strong> beauftragten Institution auf die fachliche<br />

Durchführung <strong>der</strong> Fallarbeit hin überprüft.<br />

Prozesskriterien:<br />

• Je<strong>der</strong>/e potenzielle Klient/in wird über das Angebot, die rechtlichen Möglichkeiten<br />

und die Rahmenbedingungen informiert.<br />

• Ein Einverständnis über die Datenverarbeitung liegt von jedem Opfer vor.<br />

• Mit jedem Opfer wird die Frage <strong>der</strong> Strafanzeige abgeklärt, sofern diese noch<br />

nicht<br />

• Mit jedem Opfer werden das Verfahren besprochen, befürchtete<br />

Problemsituationen definiert und Lösungen erarbeitet.<br />

• Die psychosoziale und juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> beginnt mit <strong>der</strong> Vorbereitung<br />

zur Anzeigenerstattung und endet mit dem rechtskräftigen Urteil im<br />

Strafverfahren.<br />

48


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

• Die Gespräche mit dem Opfer finden in geschützter Atmosphäre statt.<br />

• Jedes Opfer wird zur Einvernahme bei <strong>der</strong> Polizei o<strong>der</strong> U-RichterIn begleitet.<br />

• Jedes Opfer wird zu den gerichtlichen Verhandlungen (auch<br />

Rechtmittelverhandlungen) begleitet.<br />

• Bei Bedarf wird das Opfer zu den im Zusammenhang mit dem Strafverfahren<br />

notwendigen Sachverständigen begleitet.<br />

• Jede Einvernahme und Gerichtsverhandlung wird mit dem Opfer vorbereitet und<br />

nachbesprochen.<br />

• Jedem Opfer wird nach Ablauf <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> ein Evaluierungsgespräch<br />

angeboten.<br />

Ablauf<br />

c) Auftrag abklären: Termin mit Opfer in Einrichtung vereinbaren – Erwartungen des<br />

Opfers abklären – Opfer über das Angebot und die rechtlichen Möglichkeiten<br />

informieren – Einholen des Einverständnisses zur Datenverarbeitung –<br />

Entscheidung über juristische <strong>Prozessbegleitung</strong> – Koordination mit dem/r<br />

juristischen ProzessbegleiterIn;<br />

d) Anzeige vorbereiten: Opfer, die noch keine Anzeige erstattet haben, werden über<br />

die Möglichkeiten und Nutzen <strong>der</strong> Anzeigeerstattung informiert und beraten–<br />

Begleitung des Opfer bei <strong>der</strong> Anzeigeerstattung;<br />

e) Verfahren vorbereiten und Opfer unterstützen (wird während des gesamten<br />

Verfahrens durchgeführt): Opfer über die Verfahrensschritte informieren – Ängste<br />

und Befürchtungen besprechen, Problembereiche identifizieren – Lösungen<br />

erarbeiten – über Privatbeteiligung informieren – eventuell Intervention bei bzw.<br />

Koordination mit dem Gericht;<br />

f) Zur Einvernahme begleiten: Termin und Ort mit Opfer vereinbaren – vor<br />

Einvernahme Ängste und Befürchtungen thematisieren, reflektieren und<br />

Lösungen erarbeiten – während <strong>der</strong> Einvernahme Opfer stützen – nach <strong>der</strong><br />

Einvernahme Reflexion;<br />

g) Zur Verhandlung begleiten (Gerichtsverhandlungen – auch im<br />

Rechtsmittelverfahren): Termin und Ort mit Opfer vereinbaren – vor<br />

Gerichtsverhandlung Ängste und Befürchtungen thematisieren, reflektieren und<br />

Lösungen erarbeiten – Zeugenaussage während <strong>der</strong> Verhandlung abwarten –<br />

nach Verhandlung Reflexion <strong>der</strong> emotionalen Situation und Erläuterung <strong>der</strong><br />

Ergebnisse;<br />

h) Abschluss: Rechtskräftiges Urteil besprechen – über die Möglichkeit des<br />

Zivilrechtsweges (auch Exekutionen) informieren – Evaluierung/Reflexion <strong>der</strong><br />

gesamten <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

Ergebniskriterien<br />

• 70% <strong>der</strong> Opfer sind auf Grund <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> im Verfahren gestärkt und<br />

sicher.<br />

Qualitätssicherung<br />

• Regelmäßige Auswertung <strong>der</strong> Ergebniskriterien „Stärkung und Sicherheit im<br />

Verfahren“ durch Opferbefragung (bei Abschluss <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong>).<br />

49


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

7.1.2. Qualifikation und Anfor<strong>der</strong>ungsprofil von psychosozialen<br />

ProzessbegleiterInnen<br />

Psychosoziale Grundausbildung<br />

Abgeschlossene Ausbildung als diplomierte/r SozialarbeiterIn o<strong>der</strong><br />

PsychotherapeutIn o<strong>der</strong> Person mit gleichwertiger Qualifikation (Jus - Nb: hier nur für<br />

psychosoziale <strong>Prozessbegleitung</strong> und nicht gleichzeitig psychosoziale und juristische<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> - , Psychologie, Pädagogik, Sozialpädagogik mit jeweils 2 Jahren<br />

Praxis im psychosozialen Bereich)<br />

Weitere erfor<strong>der</strong>liche Kenntnisse<br />

Beratungskompetenz, die durch Beratungstätigkeit im psychosozialen Bereich,<br />

erworben wurde. Da die Tätigkeiten <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> ein hohes Maß an<br />

Kooperations- und Koordinationsbereitschaft erfor<strong>der</strong>n, ist die Fähigkeit, Vernetzung<br />

zu organisieren bzw. in vernetzten Zusammenhängen zu arbeiten, unabdingbar.<br />

Zudem müssen MitarbeiterInnen die Fähigkeit haben, Möglichkeiten und Grenzen<br />

<strong>der</strong> psychosozialen <strong>Prozessbegleitung</strong> wahrzunehmen. Dazu gehören insbeson<strong>der</strong>e<br />

die Abgrenzung zu an<strong>der</strong>en Angeboten <strong>der</strong> Opferhilfe und die Abgrenzung zum<br />

Angebot <strong>der</strong> juristischen <strong>Prozessbegleitung</strong>. Weiters ist Verständnis für juristische<br />

Inhalte und Sichtweisen notwendig, da <strong>Prozessbegleitung</strong> am Schnittpunkt bei<strong>der</strong><br />

Bereiche angesiedelt ist und <strong>der</strong> Vermittlung juristischer Vorgangsweisen dient.<br />

Um das Arbeitsfeld <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> weiter zu entwickeln, sind die Reflexion<br />

<strong>der</strong> Tätigkeiten <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> und <strong>der</strong>en Auswirkungen auf die KlientInnen<br />

unverzichtbar. Die Bereitschaft zur Reflexion und Auseinan<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong><br />

eigenen Betroffenheit, den Bedürfnissen von Opfern und an<strong>der</strong>er Berufsgruppen ist<br />

für die professionelle Durchführung <strong>der</strong> psychosozialen <strong>Prozessbegleitung</strong> eine<br />

weitere wichtige Voraussetzung.<br />

Die spezifischen Arbeitsbedingungen erfor<strong>der</strong>n ein hohes Maß an Kommunikations-<br />

und Konfliktfähigkeit. Hinzu kommt, dass die Ansprüche <strong>der</strong> KlientInnen nach<br />

Gerechtigkeit und Wie<strong>der</strong>gutmachung häufig nicht erfüllt werden können. Dieses<br />

Spannungsverhältnis erzeugt Belastungen, die reflektiert und getragen werden<br />

müssen. Diese Kenntnisse sind durch die beauftragten Institutionen mit Hilfe von<br />

Schulungen und Weiterbildungen sicherzustellen.<br />

Aus und Weiterbildung sowie Supervision im psychosozialen Bereich<br />

Einschulung und Weiterbildung stellen eine absolute Notwendigkeit dar, um die<br />

nötige Kompetenz und Handlungsfähigkeit aufzuweisen und bezüglich <strong>der</strong> fachlichen<br />

Entwicklungen zu aktualisieren. Für die Einhaltung <strong>der</strong> Qualifikation und des<br />

Anfor<strong>der</strong>ungsprofils sind jene Stellen/Institutionen verantwortlich, die<br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> anbieten. Ihnen obliegt es, die Fähigkeiten, die Erfahrung und die<br />

Motivation in <strong>der</strong> Bewerbung bzw. bei <strong>der</strong> Auswahl <strong>der</strong> ProzessbegleiterInnen zu<br />

überprüfen und sicherzustellen, dass nicht nur einzelne Kriterien son<strong>der</strong>n das<br />

gesamte Anfor<strong>der</strong>ungsprofil erfüllt werden.<br />

50


<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

Intervision und Supervision soll von den mit <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> beauftragten<br />

Stellen/Institutionen BerufseinsteigerInnen und darüber hinaus im Bedarfsfall<br />

angeboten werden.<br />

7.2. Empfehlungen zur Weiterentwicklung <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> für Opfer von<br />

situativer Gewalt und Gewalt im öffentlichen Raum<br />

Einleitung<br />

Die vorliegenden Empfehlungen, die Weiterentwicklung <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

betreffend, wurden von folgenden Organisationen ausgearbeitet: IfS Vorarlberg,<br />

Lichtblick/Wr.Neustadt, Neustart, Weisser Ring.<br />

Gemeinsame Standards für alle Opfer in <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong> mit<br />

Spezifikationen für bestimmte Gruppen<br />

Bei <strong>der</strong> Ausarbeitung <strong>der</strong> Standards, Qualitäts- und Qualifikationskriterien sowie des<br />

Anfor<strong>der</strong>ungsprofils für psychosoziale ProzessbegleiterInnen (noch offen sind die<br />

Qualitäts- und Qualifikationskriterien sowie das Anfor<strong>der</strong>ungsprofil an juristische<br />

ProzessbegleiterInnen) stellte sich heraus, dass zahlreiche Elemente praktisch<br />

deckungsgleich sind mit den Anfor<strong>der</strong>ungen an die <strong>Prozessbegleitung</strong> für Mädchen,<br />

Buben und Jugendliche als Opfer sexueller und physischer Gewalt sowie jener von<br />

Frauen als Betroffene von Männergewalt. So gesehen stellen die Anfor<strong>der</strong>ungen an<br />

die <strong>Prozessbegleitung</strong> für Opfer von Gewalt im sozialen Nahbereich und im<br />

öffentlichen Raum einen gemeinsamen Nenner für alle Opfergruppen dar, wobei<br />

wichtig ist festzuhalten, dass für bestimmte Opfergruppen (z.B. Kin<strong>der</strong>) spezielle<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen unverzichtbar sind.<br />

Vorgeschlagen werden deshalb gemeinsame Standards für alle Opfergruppen in <strong>der</strong><br />

<strong>Prozessbegleitung</strong> mit Spezifikationen für bestimmte Gruppen.<br />

Umfang <strong>der</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

Die <strong>Prozessbegleitung</strong> endet <strong>der</strong>zeit mit <strong>der</strong> rechtskräftigen Beendigung des<br />

Strafverfahrens. Diese sollte auf das Zivilverfahren ausgedehnt werden, wenn es<br />

um Exekution o<strong>der</strong> Geltendmachung von Ansprüchen nach § 373a geht.<br />

Weiters soll eine Ausdehnung bei Bedarf auch auf das Bezugssystem erfolgen: Bei<br />

Bedarf kann das Einbeziehen des Bezugssystems eine Unterstützung für die<br />

betroffenen Opfer darstellen. Wenn es für die <strong>Prozessbegleitung</strong> erfor<strong>der</strong>lich ist, wird<br />

die <strong>Prozessbegleitung</strong> auf die Bezugspersonen erweitert.<br />

Veröffentlichung <strong>der</strong> Standards<br />

Die Veröffentlichung <strong>der</strong> Unterlagen wird auf folgenden Homepages vorgeschlagen,<br />

wobei dort eine klarere Trennung <strong>der</strong> verschiedenen Bereiche vorgenommen werden<br />

sollte:<br />

Homepage BMJ/Opferhotline<br />

www.prozessbegleitung.co.at<br />

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<strong>Bericht</strong> <strong>der</strong> <strong>IMAG</strong> <strong>Prozessbegleitung</strong><br />

auf den Homepages <strong>der</strong> Organisationen<br />

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