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Liebe Mitglieder und Freunde - Menschen für Tierrechte Bayern e.v.

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Wenn Fische schreien könnten von Peter Singer<br />

PRINCETON – Als Kind nahm mich mein Vater immer zu<br />

Spaziergängen entlang eines Flusses oder zum Strand mit.<br />

Wir kamen an Anglern vorbei, die ihre Angelschnüre einzogen,<br />

an deren Enden zappelnde Fische hingen. Einmal sah<br />

ich einen Mann, wie er einen kleinen, noch lebenden Fisch<br />

aus einem Eimer holte <strong>und</strong> ihn als Köder am Angelhaken<br />

aufspießte.<br />

Ein anderes Mal, als wir an einem beschaulichen Flüsschen<br />

entlang spazierten, sah ich einen Mann, der da saß <strong>und</strong><br />

-offensichtlich zufrieden mit sich <strong>und</strong> der Welt- seine Angel<br />

beobachtete, während neben ihm Fische, die er schon gefangen<br />

hatte, hilflos an der Luft zappelten. Mein Vater sagte<br />

zu mir, dass er nicht verstehe, wie jemand den Nachmittag<br />

genussvoll damit verbringen könnte, Fische aus dem Wasser<br />

zu holen <strong>und</strong> sie langsam sterben zu lassen.<br />

Diese Kindheitserinnerungen wurden wach, als ich auf<br />

fishcount.org.uk den bahnbrechenden Bericht „Worse things<br />

happen at sea“: the welfare of wild-caught fish über das<br />

Leiden der Tiere im Fischfang las. In den meisten Teilen<br />

der Welt wird akzeptiert, dass man Tiere zur Nahrungsproduktion<br />

so töten soll, dass sie nicht leiden. Regelungen <strong>für</strong><br />

die Schlachtung sehen vor, dass die Tiere vorher betäubt<br />

werden, dass der Tod sofort oder, im Falle ritueller Schlachtungen,<br />

so unmittelbar einzutreten hat, wie es die religiösen<br />

Vorschriften erlauben.<br />

Für Fische gilt das nicht. Humane Schlachtvorschriften<br />

gibt es <strong>für</strong> Wildfische, die im Meer gefangen oder getötet<br />

werden ebenso wenig, wie <strong>für</strong> die meisten Zuchtfische. Mit<br />

Schleppnetzen gefangene Fische werden an Bord der Schiffe<br />

ausgekippt, wo man sie ersticken lässt. Das Aufspießen von<br />

lebenden Köderfischen auf Angelhaken ist eine weit verbreitete<br />

Praxis im kommerziellen Fischfang. Bei der Langleinenfischerei<br />

beispielsweise befinden sich h<strong>und</strong>erte oder sogar<br />

tausende Haken auf einer einzigen Leine, die zwischen 50<br />

<strong>und</strong> 100 Kilometer lang sein kann. Wenn die Fische den<br />

Köder fressen, bleiben sie viele St<strong>und</strong>en an diese Leine hängen,<br />

bevor sie eingezogen wird.<br />

In der kommerziellen Fischerei werden häufig auch Kiemennetze<br />

eingesetzt – senkrecht im Wasser hängende Netze mit<br />

feinfädigen Maschen, in denen sich die Fische oft mit den<br />

Kiemen verheddern. Dabei ersticken sie vielfach, weil sie mit<br />

zusammengeschnürten Kiemen nicht atmen können. Wenn<br />

sie nicht ersticken, bleiben sie über St<strong>und</strong>en gefangen bis<br />

die Netze eingezogen werden.<br />

Die alarmierendste Enthüllung in diesem Bericht ist aber die<br />

atemberaubende Zahl von Fischen, die wir <strong>Menschen</strong> auf<br />

diese Art töten. Alison Mood, die Autorin des Berichts, hat<br />

eine Berechnung vorgelegt, die man als die erste systematische<br />

Schätzung aller jährlich gefangenen Wildfische betrachten<br />

kann. Dazu dividierte sie die bekannten Tonnagen<br />

verschiedener gefangener Fischarten durch das geschätzte<br />

Durchschnittsgewicht jeder Fischart. Die errechnete Zahl<br />

bewegt sich ihren Angaben zufolge in der Größenordnung<br />

von einer Billion, wobei die Zahl auch bei 2,7 Billionen liegen<br />

könnte.<br />

Um dies zu verdeutlichen: Die Ernährungs- <strong>und</strong> Landwirtschaftsorganisation<br />

der UNO schätzt, dass jedes Jahr 60<br />

Milliarden Tiere <strong>für</strong> den Verzehr durch <strong>Menschen</strong> getötet<br />

werden. Das sind 9 Tiere <strong>für</strong> jeden <strong>Menschen</strong> auf diesem<br />

Planeten. Rechnen wir mit Moods niedrigerer Schätzung von<br />

einer Billion, wäre die vergleichbare Zahl im Fall der Fische<br />

150. Darin sind jedoch Milliarden illegal gefangener Fische<br />

ebenso wenig enthalten, wie jene, die mitgefischt, aber nicht<br />

gebraucht <strong>und</strong> deshalb weggeworfen werden. Auch lebende<br />

Köderfische sind nicht mitgezählt.<br />

Viele dieser Fische werden indirekt konsumiert – als Fischmehl,<br />

das Hühnern oder Fischen in der Agrarindustrie verfüttert<br />

wird. Auf einer typischen Lachsfarm werden <strong>für</strong> jedes<br />

produzierte Kilo Lachs 3 bis 4 Kilogramm Wildfisch verfüttert.<br />

Nehmen wir einmal an, diese Fischerei wäre tragbar, was<br />

sie natürlich nicht ist. In diesem Fall wäre es beruhigend zu<br />

wissen, dass Tötung in diesem Ausmaß keine Rolle spielt,<br />

weil Fische keinen Schmerz spüren. Aber die Nervensysteme<br />

von Fischen sind jenen von Vögeln <strong>und</strong> Säugetieren so ähnlich,<br />

dass alles auf Schmerzempfindlichkeit hindeutet. Wenn<br />

Fische etwas spüren, das anderen Tieren Schmerzen bereitet,<br />

legen sie ein Verhalten an den Tag, das auf Schmerzen<br />

hindeutet <strong>und</strong> diese Verhaltensänderung kann mehrere<br />

St<strong>und</strong>en anhalten. (Es ist ein Mythos, dass Fische ein kurzes<br />

Gedächtnis haben) Fische lernen, unangenehme Erfahrungen<br />

wie Elektroschocks zu vermeiden. Und Schmerzmittel<br />

verringern die Schmerzsymptome, die sie andernfalls zeigen<br />

würden.<br />

Victoria Braithwaite, Professorin <strong>für</strong> Fischerei <strong>und</strong> Biologie an<br />

der Pennsylvania State University, hat mit der Erforschung<br />

dieser Frage wahrscheinlich mehr Zeit verbracht als alle anderen<br />

Wissenschaftler. In ihrem jüngsten Buch „Do Fish Feel<br />

Pain?“ zeigt sie, dass Fische nicht nur Schmerz empfinden<br />

können, sondern auch sonst viel klüger sind, als die meisten<br />

<strong>Menschen</strong> glauben. Letztes Jahr kam ein wissenschaftliches<br />

Gremium der Europäischen Union überein, dass die Mehrheit<br />

der Beweise darauf hindeutet, dass Fische Schmerz spüren<br />

können.<br />

Erfreuliches zu Ochsenrennen in <strong>Bayern</strong><br />

Am 11. Juli 2010 besuchten mehrere Vorstandsmitglieder<br />

von animal 2ooo ein Ochsenrennen in Dattenhausen. Die<br />

Ochsen mussten trotz einer Bullenhitze antreten. Uns fiel<br />

sofort auf, dass bei einigen der Ochsen lange blau-weiße<br />

Stricke am Boden schleiften, während sie die Rennstrecke<br />

bewältigten. Dies stellte ein akutes Gefahrenpotential<br />

dar: Der Strick hätte sich um die Beine wickeln oder die<br />

Tiere hätten selbst darauf treten können. Die Reaktion<br />

der Zuschauer auf das unsinnige Spektakel war gemischt.<br />

Viele erkannten, dass die Tiere nicht freiwillig dabei waren,<br />

sondern zum Laufen gezwungen werden mussten. Viele<br />

stellten auch den Unterhaltungswert in Frage. Wie immer<br />

wurden nach dem Rennen kleine Kinder auf die Ochsen<br />

gesetzt, vermutlich um potentielle zukünftige Reiter zu<br />

rekrutieren.<br />

Wir erfuhren inzwischen von einer durchaus positiven<br />

Entwicklung: Aufgr<strong>und</strong> von strikten Auflagen seitens der<br />

bayerischen Veterinärämter sind diese Veranstaltungen zu<br />

aufwendig geworden. Zwecks Bekämpfung von Rinderkrankheiten<br />

werden immer wieder neue Blutproben von<br />

den Tieren verlangt <strong>und</strong> auch das - seit langem von uns<br />

geforderte – Mindestalter der Rinder wurde endlich zu einer<br />

Warum sind Fische die vergessenen Opfer auf unseren<br />

Tellern? Weil sie Kaltblüter <strong>und</strong> mit Schuppen bedeckt sind?<br />

Wie immer die Erklärung auch lautet: Die Beweise häufen<br />

sich, dass die kommerzielle Fischerei ihnen unvorstellbare<br />

Schmerzen <strong>und</strong> Leiden zufügt. Nun müssen wir lernen,<br />

Wildfische auf humane Weise zu fangen <strong>und</strong> zu töten – oder,<br />

wenn das nicht möglich ist, weniger grausame <strong>und</strong> nachhaltigere<br />

Alternativen <strong>für</strong> den Fischverzehr zu finden.<br />

Peter Singer ist Professor <strong>für</strong> Bioethik an der Universität<br />

Princeton <strong>und</strong> Honorarprofessor an der Universität Melbourne.<br />

Zu den von ihm verfassten Büchern zählen Die Befreiung<br />

der Tiere, Praktische Ethik, Verteidigt die Tiere <strong>und</strong> Leben<br />

retten.<br />

Copyright: Project Syndicate, 2010.<br />

www.project-syndicate.org<br />

aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier<br />

Auflage gemacht. Die Zahl der Ochsenrennen in <strong>Bayern</strong> ist<br />

deswegen erfreulich zurückgegangen.<br />

Keine Gaudi <strong>für</strong> die Ochsen<br />

06 07

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