Werterfahrungen beim Selbermachen. - Stiftungsgemeinschaft ...
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Corinna Vosse: <strong>Werterfahrungen</strong> <strong>beim</strong> <strong>Selbermachen</strong><br />
Wissenschaftlich wird Eigenproduktion häufig im Kontext von Arbeit betrachtet. Je nach<br />
theoretischem Bezug und Fragestellung werden solche Formen unbezahlter Arbeit gesehen als Raum<br />
für selbstbestimmte Betätigung und sozialen Austausch, als ungenutzte Arbeitskraftreserve, als<br />
Strategie zur Ausgabenreduzierung oder als Alternative zur Bereitstellung sozialer Dienste durch<br />
kommunale Stellen. 55 Unter Bezugnahme auf den Begriff der Arbeit ist es vonnöten, Formen<br />
unbezahlter Arbeit von Freizeit abzugrenzen. Folglich sind sie charakterisiert als Aktivitäten, die auch<br />
von jemand anderem ausgeübt werden könnten. 56 Damit einher geht ein Fokus auf Ergebnisse, bei<br />
Vernachlässigung von Prozessen und deren personenbezogenen Wirkungen. Genau die sind jedoch im<br />
Rahmen dieser Untersuchung von Wirkungen des <strong>Selbermachen</strong>s auf Konsumhandeln relevant.<br />
Im Kontext von Konsum sind Formen des <strong>Selbermachen</strong>s in Beziehung zur Nachfrage nach für diesen<br />
Bereich angebotenen Produkten und Werkzeugen untersucht worden, wie Heimwerkerbedarf und<br />
Handarbeitsbedarf. 57 Auch Einflüsse durch die umfassende technische Weiterentwicklung von für den<br />
privaten Haushalt verfügbaren Materialien und Werkzeugen auf die Praxis sind untersucht worden. 58<br />
Mit dem erstgenannten Zugang kann jedoch nicht erfasst werden, was eigentlich mit den gekauften<br />
Dingen gemacht wird. Der zweite Zugang wiederum vernachlässigt solche Praktiken, die nicht auf die<br />
Nutzung von käuflichen Materialien und Werkzeugen angewiesen sind.<br />
Zum Verhältnis von <strong>Selbermachen</strong> / Eigenproduktion und marktbasiertem Konsum<br />
Insgesamt zeigt sich, dass trotz der Verbreitung und Relevanz als soziales Phänomen noch nicht<br />
umfassend erforscht ist, warum Eigenproduktion stattfindet und welche Effekte sie freisetzt, sowohl<br />
individueller als auch struktureller Art. Insbesondere fehlen wissenschaftliche Arbeiten, die das<br />
<strong>Selbermachen</strong> als Form informellen Konsums untersuchen. Bezug nehmend auf diesen Überblick über<br />
wissenschaftliche Zugänge zum Phänomen Eigenproduktion / <strong>Selbermachen</strong> wird es im Kontext<br />
dieser Untersuchung folgendermaßen charakterisiert: Erstens wird der spezifische ökonomische<br />
Charakter als nicht-marktbasierte oder informelle produktive Praxis berücksichtigt. Zweitens werden<br />
interpersonelle Effekte durch das <strong>Selbermachen</strong>, insbesondere die Aneignung von Wissen und<br />
Können, als bedeutend eingestuft. Drittens werden die Natur des <strong>Selbermachen</strong>s als Aktivität und die<br />
damit verbundenen sozialen Interaktionen und emotionalen Erlebnisse als kennzeichnend betrachtet.<br />
Die praktische Bedeutung des <strong>Selbermachen</strong>s für den Konsum hat sich seit dem letzten Jahrhundert<br />
stark verändert. Der Konsum privater Haushalte ist in wachsendem Maße durch individuelle Kaufkraft<br />
bestimmt, und zwar sowohl im Hinblick auf das Niveau als auch bezüglich der Art und Weise. Das<br />
Konsumniveau steht heute in der Regel im unmittelbaren Zusammenhang mit dem verfügbaren<br />
Budget. 59 Um das gewünschte Konsumniveau zu erreichen, stellen Menschen ihre Arbeitskraft im<br />
Rahmen von Erwerbsarbeit zur Verfügung. Durchschnittliche Einkommen sind in den letzten<br />
Jahrzehnten gestiegen und damit in der Regel auch Konsumbudgets. 60 Der Anteil der Eigenproduktion<br />
am Konsum, also die Art und Weise, hat sich seit der Industrialisierung zugunsten von marktbasiertem<br />
Konsum stark verschoben. Steigende Verkaufszahlen belegen einen Anstieg marktbasierten<br />
Konsums. 61 Individuelle Konsumniveaus sind demnach heute im Wesentlichen durch Konsumbudgets<br />
begrenzt. Steigende Einkommen gehen folglich mit einem Anwachsen von Konsumniveaus einher.<br />
55 Vgl. Williams 2004b.<br />
56 Teichert 2000, S. 24.<br />
57 Campbell 2005.<br />
58 Shove et.al. 2007.<br />
59 Vgl. Schubert 2000, S. 85.<br />
60 Vgl. Wuppertal Institut 2008, S. 168.<br />
61 Cooper 2005, S. 54.<br />
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