Corinna Vosse: <strong>Werterfahrungen</strong> <strong>beim</strong> <strong>Selbermachen</strong> Abb. 1: Untersuchungsdesign: Wirkungen des <strong>Selbermachen</strong>s zur Beförderung nachhaltiger Konsummuster 20
Corinna Vosse: <strong>Werterfahrungen</strong> <strong>beim</strong> <strong>Selbermachen</strong> Parallel zu den Literaturstudien wurden erste Zugänge zum Feld gesucht. Um in Kontakt mit Praktikern zu kommen, wurden verschiedene Ansätze verfolgt. Ein thematischer Facebook-Account ist eingerichtet worden, um darüber gezielt Kontakte zu potenziellen InterviewpartnerInnen herzustellen. In Foren und Blogs von einschlägigen Internetplattformen wurden Nachrichten eingestellt, z.B. konnten über Dawanda zwei auf Österreich begrenzte Foren angesprochen werden. Genutzt wurden außerdem Mailinglisten von thematisch verwandten lokalen Interessengruppen, wie der Transition-Gruppe in Graz, der Grazer Regionalgruppe des Vereins SOL – Menschen für Solidarität, Ökologie und Lebensstil und des Grazer Freifunker-Netzes Funkfeuer. Außerdem habe ich persönlich auf einer Reihe von Treffen lokaler Initiativen vorgesprochen und den Kontakt zu Menschen gesucht, die Formen der Selbstversorgung nachgehen, u.a. <strong>beim</strong> Tauschkreis, <strong>beim</strong> Fair- Trade-Stammtisch, <strong>beim</strong> Weltmarkt der Grünen Akademie. Schließlich sind Aushänge verbreitet worden an Orten, wo Selbermacher vermutet werden können, nämlich Vertriebsstellen für Verbrauchsmaterialien wie Baumarkt, Stoffladen, Bastelbedarf. PraktikerInnen dienen im Kontext dieser Untersuchung als TrägerInnen impliziter Wissensbestände über Beweggründe für die Anwendung und auch Erfindung nachhaltiger Konsumpraktiken. Auswahlkriterium ist somit die Selbsteinschätzung als SelbermacherIn oder EigenproduzentIn. Die Kontaktanbahnung mit VertreterInnen von Organisationen als zweiter Zielgruppe der Datenerhebung erfolgte auf der Basis von Internetrecherchen und mithilfe der Reputationsmethode. Aufgrund ihrer Position als RollenträgerInnen waren Auffindung und Herstellung von Gesprächsbereitschaft bei dieser Zielgruppe insgesamt unaufwendiger. Die Gespräche mit Angehörigen dieser Gruppe sind im Kontext der Untersuchungskonzeption methodisch als Experteninterviews angelegt. Als Experte gilt gemeinhin jemand mit institutionalisierter Kompetenz zur Konstruktion von Wirklichkeit, welche im Allgemeinen im Kontext der Berufsrolle erlangt wird. 76 In dieser Studie wird der Begriff des Experten weiter gefasst und auf Träger von Rollen in Organisationen bezogen, unabhängig vom Grad der Formalisierung. Angesprochen wurden also Menschen, die durch ihre Tätigkeit, und zwar nicht per se Berufstätigkeit, ein Sonderwissen erlangt haben. Gleichzeitig ist dieses Wissen im Rahmen ihrer Rolle in einer Organisation institutionalisiert und an einen bestimmten Funktionskontext gebunden, ähnlich wie <strong>beim</strong> Experten im konventionellen Sinne. 77 Relevant für die Auswahl war die Involviertheit der Organisation bzw. einer Abteilung in Diskurse und Praktiken nachhaltigen Konsums. Ein weiteres Auswahlkriterium war die Berücksichtigung von unterschiedlichen gesellschaftlichen Sphären und somit Sphären der Wissensproduktion. Interviewt wurden VertreterInnen aus Verwaltungen, NGO’s, sozialen Unternehmen, Interessenvertretungen und Politik. Die Erhebungen erfolgten in Form leitfadengestützter Interviews. Entsprechend der unterschiedlichen theoretischen Bedeutung der beiden Zielgruppen wurden für die Datengewinnung jeweils eigene Leitfäden entwickelt. Einer wurde für Gespräche mit PraktikerInnen im Feld des <strong>Selbermachen</strong>s konzipiert, in Ableitung aus oben dargestellten Variablen und Indikatoren. Dieser Leitfaden fokussiert Erfahrungen der InterviewpartnerInnen, die zum <strong>Selbermachen</strong> geführt haben und aus diesem hervorgehen, sowie Präferenzen, die sich daraus entwickeln. Zweitens fragt er nach dem Handlungskontext, den Ressourcen im weiteren Sinne. Neben materiellen Ressourcen und Sicherheiten werden dazu auch Fähigkeiten und Wissen gezählt. Drittens wird nach Kriterien für Konsumentscheidungen gefragt, also nach Normalitätskonzepten, nach ökonomischen Konzepten und nach Produktwissen. 76 Meuser / Nagel 2009, S. 38. 77 Meuser / Nagel 2009, S. 44. 21